Wieso log Bundesregierung bei Beantwortung der CDU-Anfrage zur Parteienwerbung durch NGO „Campact“?

Wieso log Bundesregierung bei Beantwortung der CDU-Anfrage zur Parteienwerbung durch NGO „Campact“?

Wieso log Bundesregierung bei Beantwortung der CDU-Anfrage zur Parteienwerbung durch NGO „Campact“?

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Die Bundesregierung hat die 551 Fragen umfassende „Kleine Anfrage“ der Unionsfraktion zur politischen Neutralität und staatlichen Finanzierung von sogenannten NGOs nachweislich wahrheitswidrig beantwortet. Exemplarisch sei auf die Antwort zur Kampagnen-NGO Campact verwiesen. Auf die Frage, ob es Fälle gibt, „in denen der Verein Campact e.V. explizit für oder gegen eine Partei geworben hat“, erklärt die Bundesregierung, „hierzu liegen keine Erkenntnisse vor.“ Tatsächlich hatte Campact aber öffentlich bei den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg zur Wahl der Grünen aufgerufen und diesen einen sechsstelligen Betrag gespendet. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, mit welcher Begründung die Bundesregierung hier den Bundestag belügt. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Hintergrund

Ende Februar 2025 hatte die Union in einer Kleinen Anfrage mit dem Titel „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ 551 Fragen an die Bundesregierung zur Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen wie beispielsweise „Correctiv“, „Amadeu Antonio Stiftung“ und „Campact“ durch Bundesministerien und -behörden gestellt. Die CDU verwies in der Vorbemerkung zur Anfrage unter anderem darauf, dass einige NGOs „eine Schattenstruktur“ darstellen würden, „die mit staatlichen Geldern indirekt Politik betreibt“.

Die Anfrage hatte im NGO-Sektor sowie im Parteienspektrum von Grünen, SPD bis Linkspartei für (teilweise gespielte) Empörung gesorgt. SPD-Chef Lars Klingbeil erklärte die Anfrage zum „Foulspiel“, die Grünen-Fraktionschefin bezeichnete die Fragen als „Einschüchterung der Zivilgesellschaft“ und die Linke im Bundestag kritisierte die Anfrage als angeblichen „Frontalangriff“ auf die Demokratie. (Die NachDenkSeiten berichteten.) Am 11. März ging nun die Antwort (Drucksache 20/15101) im Bundestag ein: 

Die Bundesregierung erklärt darin an zentraler Stelle, dass es keine Anhaltspunkte für die in der Kleinen Anfrage enthaltene Behauptung gäbe, wonach die geförderten „NGOs eine Schattenstruktur“ bildeten, die einseitig politischen Einfluss nehmen würden:

Doch überzeugen die diesbezüglichen „Antworten“ der Bundesregierung nicht wirklich und bestätigen eher den von der CDU geäußerten Verdacht. Exemplarisch sei auf die Kampagnen-NGO „Campact“ verwiesen. Diese „Nichtregierungsorganisation“ hatte beispielsweise bei den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg explizit zur Wahl der Grünen aufgerufen und diesen einen sechsstelligen Betrag gespendet (die NachDenkSeiten berichteten hier und hier).

Die Kampagnenplattform hatte alleine im August 2024 mitten im Landtagswahlkampf 161.300 Euro den Grünen zukommen lassen, dazu noch eine fünfstellige Summe an die Linkspartei:

Dies geschah, obwohl sich Campact in seiner Satzung als „parteipolitisch neutral“ bezeichnet, auch wenn 2023 eine Satzungsänderung vorgenommen wurde, die den Passus um das Schlüsselwort „grundsätzlich“ ergänzte.

Doch damit nicht genug. Campact gründete 2018 die HateAid als „gemeinnützige GmbH“. Das Stammkapital stammte ausschließlich von Campact und bis heute ist Campact mit einer Beteiligung von 50 Prozent Hauptgesellschafter von HateAid.

HateAid wiederum wird seit Jahren mit siebenstelligen Summen aus dem Fördertopf von „Demokratie leben“ versorgt. Den meisten NachDenkSeiten-Lesern ist dieses Programm des Familienministeriums wohlbekannt, da es unter anderem auch das umstrittene Diffamierungs- und Überwachungsprojekt „Gegneranalyse“ der Grünen-nahen Denkfabrik „Zentrum Liberale Moderne“ (LibMod) finanzierte. Rund 2,2 Millionen Euro hat HateAid seit 2021 aus dem Grünen-geführten Familienministerium erhalten. Einen Finanzierungsrahmen sieht man beispielsweise hier:

Und jetzt wird es interessant. Denn was antwortet die Bundesregierung auf die Frage 70 der CDU, ob es Fälle gibt, „in denen der Verein Campact e.V. explizit für oder gegen eine Partei geworben hat“? Sie verweist auf die Antwort auf Frage 13, welche dieselbe Frage in Bezug auf Correctiv stellte. Und wie lautet diese Antwort? 

„Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen.“

Das ist schlicht und ergreifend gelogen, wie allein der Verweis auf diesen Wahlaufruf von Campact für die Grünen und gegen die AfD belegt:

Dass die CDU mit der Anfrage ihr ganz eigenes interessensgeleitetes Spiel betrieben hat, muss wohl nicht extra betont werden. Beispielsweise findet man in den ganzen 511 Fragen keine einzige zu der durchaus fragwürdigen Finanzierung der bereits erwähnten „gemeinnützigen“ und angeblichen „Nichtregierungsorganisation“ LibMod, die trotz sehr einseitiger Parteinahme alleine jedes Jahr 500.000 Euro als „institutionelle Förderung“ vom Bundespresseamt erhält sowie ebenfalls hohe sechsstellige Summen vom Grünen-geführten Familienministerium im Rahmen von „Demokratie leben“ unter höchst fragwürdigen Umständen zugeschoben bekommen hat. Allerdings gilt LibMod als gut vernetzt in CDU-Kreisen und ist expliziter Vertreter von Schwarz-Grün. Honi soit …

Das ändert aber nichts daran, dass die Anfrage der CDU durchaus einen Beitrag zur Transparenz leisten könnte, was staatliche Finanzierung von sogenannten „Nichtregierungsorganisationen“ angeht. Denn egal wie stark SPD, Grüne und Linkspartei auch auf die Empörungsdrüse drücken, eine staatlich finanzierte „Zivilgesellschaft“ ist ein künstliches Konstrukt, abhängig vom politischen Willen und der Dynamik der jeweiligen staatlichen Geberstellen, und damit keine Zivilgesellschaft im eigentlichen Sinne.

Vielsagend auch, dass Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Ende seiner Ausführungen in der BPK den Klageweg empfiehlt, indem er erklärt:

„Jedem Abgeordneten steht natürlich auch der Verwaltungsgerichtsweg offen, wenn er das Gefühl hat, dass die Bundesregierung nicht die Auskunft gibt, die er von ihm verlangt …“

Da sich die Unionsfraktion derzeit ja noch formell in der Oppositionsrolle befindet, steht dieser Empfehlung des Regierungssprechers eigentlich nichts im Wege.

Vamos CDU, noch könnt Ihr die Oppositionsrolle genießen, bevor der Gang in die Mühen der Exekutiven-Ebene ansteht, und vielleicht sogar ein bisschen Glaubwürdigkeit bei den Wählern zurückgewinnen. Und wer lässt sich schon gerne so offensichtlich als Legislative anlügen …?

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 19. März 2025

Frage Warweg
Ich hätte noch eine Frage zum Antwortverhalten der Bundesregierung auf die CDU-Anfrage zur Finanzierung und politischen Neutralität von NGOs. Frage 70 der KA lautete, ob es Fälle gibt, in denen der Verein Campact e. V. explizit für oder gegen eine Partei geworben hat. Darauf antwortet die Bundesregierung: Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. – Jetzt waren die Causa Campact und deren Parteiwerbung auch hier in der BPK schon öfter Thema, und Campact hat nachweislich mehrmals, etwa beim letzten Landtagswahlkampf in Thüringen und Brandenburg, sehr explizit zur Wahl der Grünen aufgerufen und denen auch einen sechsstelligen Betrag gespendet. Da würde mich interessieren, mit welcher Begründung die Bundesregierung hier wahrheitswidrig gegenüber dem Bundestag erklärt, dass ihr hinsichtlich Campact diesbezüglich keine Informationen vorliegen. Die Frage geht im Zweifel an das Ministerium, welches sich für die Beantwortung dieser Frage bezüglich Campact verantwortlich zeigte; im Zweifel, denke ich, an das Finanzministerium.

Ernoult (BMF)
Wir haben uns dazu ja nun schon mehrfach ausgiebig geäußert. Dem habe ich jetzt nichts hinzuzufügen.

Zusatz Warweg
Entschuldigung, das war eine ganz konkrete Frage nach einer nachweislich falschen Darstellung der Bundesregierung! Das war hier bisher auch noch nicht Thema. Deswegen würde ich mir schon wünschen, dass es darauf eine Antwort gibt, und zwar von dem Ministerium, dass diese nachweislich falsche Antwort zu verantworten hat. Wenn das nicht das Finanzministerium ist, finde ich es durchaus seriös und angemessen, dass sich das Ministerium meldet, welches diese Antwort zu verantworten hat.

Vorsitzender Szent-Iványi
Welches Ministerium wäre das? Herr Hebestreit, wissen Sie das?

Regierungssprecher Hebestreit
Nein, das weiß ich nicht, aber vielleicht kann ich Herrn Warweg insoweit in bisschen Nachhilfe geben – – –

Zuruf Warweg
Ich bin immer dankbar dafür, Herr Hebestreit.

Hebestreit
Ich wünschte, es würde fruchten. – Herr Warweg, Ministerien können nur die Informationen, die ihnen von Amts wegen vorliegen, in eine solche Anfrage einfließen lassen. Das, was Sie nebenbei in der Bundespressekonferenz, in Zeitungen oder so lesen, sind keine amtlichen Erkenntnisse. Ich weiß jetzt nicht genau, welche Frage von den 550 es war, und kann nichts dezidiert zu diesem Fall sagen, aber ich kann sagen: Es wird sehr genau geprüft, ob dazu amtliche Erkenntnisse in einem Ministerium vorliegen. Wenn das nicht der Fall ist, dann wird so geantwortet, wie in diesem Fall auch geantwortet worden ist. Parallel dazu gibt es eine öffentliche Auseinandersetzung, die Sie ja selber zitiert haben.

Zusatzfrage Warweg
Noch eine Verständnisfrage dazu: Es gibt in dieser Republik ja nicht grundlos ein in der Verfassung verankertes Frage- und Antwortrecht von Bundestagsabgeordneten, gegen das hier zumindest aus meiner Perspektive verstoßen wurde. Diese Causa „Campact macht Werbung für die Grünen“ wurde zum Beispiel auch in Form von schriftlichen Fragen im Bundestag thematisiert. Das waren also durchaus auch Kanäle, die der Bundesregierung direkt amtlicherseits zur Verfügung stehen. Deswegen bleibt die Frage natürlich im Raum: Wieso wird geantwortet, dazu liege nichts vor, wenn der parlamentarische Betrieb bereits darauf geantwortet hatte und das etwa auch in den Protokollen des Bundespresseamts entsprechend vermerkt ist?

Hebestreit
Weil das keine amtlichen Informationen sind; darauf habe Sie ja gerade hinzuweisen versucht. Wenn Sie mir einen solchen Fall schildern und ich ihn hier zur Kenntnis nehme, ist er damit noch keine amtliche Information. Wenn es in einem Amt eine Information gibt, dass das Amt ermittelt hat, oder wenn dem Amt Informationen zugekommen sind, dass das so ist, und es nicht behauptet wird oder andere darüber sprechen, dann kann das Amt das auch mitteilen.

Was den Fall, den Sie jetzt ansprechen, und das Thema Fragerecht betrifft: Jedem Abgeordneten steht natürlich auch der Verwaltungsgerichtsweg offen, wenn er das Gefühl hat, dass die Bundesregierung nicht die Auskunft gibt, die er von ihm verlangt, oder wenn, wie Sie behauptet haben – diese Behauptung würde ich hier klar zurückweisen -, falsche oder mangelhafte Angaben gemacht worden sind. Dafür gibt es Verfahren, auf die man sich dann auch berufen kann. Insofern wird dem verfassungsmäßigen Recht auf Frage und Antwort auch beim parlamentarischen Wesen immer Rechnung getragen.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 19.03.2025

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