Der Fall Ballweg und die skandalöse „Corona-Justiz“

Der Fall Ballweg und die skandalöse „Corona-Justiz“

Der Fall Ballweg und die skandalöse „Corona-Justiz“

Ein Artikel von: Tobias Riegel

„Preise für Hetze, Haft für Atteste“: Die selektive juristische Härte, die gegen manche Kritiker der Corona-Politik bis heute entfaltet wird, während die Verantwortlichen einer destruktiven Politik verschont bleiben, ist skandalös. Das einseitige Verhalten kann den Glauben in die Justiz beschädigen. Nicht nur Fälle wie der des „Querdenken“-Initiators Michael Ballweg werfen ein entlarvendes Licht auf eine teils parteiisch erscheinende Rechtspraxis, die auch bei anderen Themen und auch beim Bundesverfassungsgericht zu beobachten ist. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Das Landgericht Stuttgart hat eine Einstellung des Betrugsverfahrens gegen den „Querdenken“-Initiator Michael Ballweg vorgeschlagen, wie Medien berichten.

Der „Querdenken“-Gründer Michael Ballweg saß ab Juni 2022 bereits monatelang in Untersuchungshaft, seit vergangenem Oktober wird am Landgericht Stuttgart verhandelt. Am Montag schlug die Vorsitzende Richterin vor, das Betrugsverfahren gegen Ballweg einzustellen. Der Grund: Geringfügigkeit. Die Staatsanwaltschaft stimmte dem Vorschlag jedoch nicht zu. Eine Verurteilung sei wahrscheinlich, sagten die Ankläger. Der Prozess wird daher fortgesetzt. Bis zum im Oktober erwarteten Urteil sind noch 25 Verhandlungstage angesetzt.

Ballweg wird versuchter Betrug in 9.450 Fällen vorgeworfen. Laut der Staatsanwaltschaft warb er von Tausenden Menschen mehr als eine Million Euro Spenden für die Organisation der „Querdenker“-Bewegung ein, habe die Spender aber angeblich über die Verwendung der Gelder getäuscht: Ballweg soll der Anklage zufolge 575.929,84 Euro für „private Zwecke“ verwendet haben. Der Vorwurf lautet aber nur auf „versuchten Betrug“, weil einigen Spendern wohl gleichgültig gewesen sei, was mit dem Geld passiert, so die Argumentation der Staatsanwaltschaft.

Der Schritt des Gerichts, eine Einstellung vorzuschlagen, ist zu begrüßen, aber er kommt sehr spät und ist überfällig, der Schritt gleicht die Überreaktionen gegenüber Ballweg nicht aus. Den eher unbedeutenden Charakter, der von den Vorwürfen gegen Ballweg übrig geblieben ist, beschreibt die Berliner Zeitung:

Kurz zusammengefasst, weil der Tatvorwurf des Betruges nicht belegt ist, weil es sich bei Schenkungen nicht um gewerbliche Einkünfte handelt, also auch keine Gewerbesteuer zu entrichten ist, weil man bei dem Angeklagten keine Tatvorsätze feststellen könne, und weil möglicherweise Steuerhinterziehungsbeträge von lediglich zwischen 6,47 Euro und 2112,18 Euro anfielen.

Angesichts dieser Summen erscheint die Härte, die Ballweg in den letzten Jahren zuteil wurde, extrem unangemessen. Die Beurteilung des Falles hat übrigens nichts mit politischen Sympathien für die „Querdenker“-Bewegung zu tun. Dass ich mich von der Querdenker-Bewegung politisch nicht vertreten fühle, habe ich oft geschrieben. Kritik an einer in meinen Augen (nicht nur beim Thema Corona) zum Teil selektiv agierenden Justiz bezieht sich auf Prinzipien wie Gleichbehandlung und Angemessenheit – diese Kritik bedeutet keine Übernahme von politischen Ideen, auch nicht die von Ballweg.

Gespensterprozess“

Am Ende des Sitzungstages hatte dann Staatsanwältin Franziska Gräfe für ihre Behörde gar einen Befangenheitsantrag gegen die drei Berufsrichter der fünfköpfigen Strafkammer gestellt. Die Richter hätten eine Verurteilung des Angeklagten bereits jetzt ausgeschlossen, so die Anklägerin. Die Berliner Zeitung schreibt:

„Wer diesen Gespensterprozess verfolgte, musste nicht überrascht über diese Wendung und diese Zuspitzung sein. Überrascht waren diejenigen, die zur Eröffnung der Hauptverhandlung noch zahlreich mit Kameras und Laptops erschienen waren, sich dann aber bald wieder von der Veranstaltung verabschiedeten. Die etablierte Presse floh regelrecht, als sie erkannte, dass der Prozess nicht zum Schlachtfest gegen die verdammten Corona-Kritiker und einen ihrer Anführer taugt. Jetzt waren sie wieder für einen Tag da, aber ihre alten Fragen gehen ins Leere.“

Im Mai 2022 hatte die Staatsanwaltschaft laut dem Bericht ein Ermittlungsverfahren gegen Ballweg eröffnet. Einer der ersten Schritte war eine Hausdurchsuchung Ende Juni 2022. Weil Ballweg das Haus damals verkauft und leergeräumt gehabt habe, hätten die Ermittler Fluchtpläne vermutet und hätten einen Haftbefehl erwirkt. Ballwegs sämtlichen Unterlagen seien beschlagnahmt worden, später auch sein Vermögen.

Ein „politischer Berichtsfall gegenüber der Landesregierung von Winfried Kretschmann“

Das Strafverfahren gegen Ballweg hat auch eine „offiziell“ politische Dimension: So war der Fall laut Berliner Zeitung „spätestens ab 2022 ein politischer Berichtsfall gegenüber der Landesregierung von Winfried Kretschmann“. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart musste demnach dem zuständigen Justizministerium von Ministerin Marion Gentges (CDU) „fortlaufend“ über das Ermittlungsverfahren im Fall Ballweg berichten. Das gehe aus einer Antwort des Ministeriums der Justiz und für Migration auf die Kleine Anfrage eines Landtagsabgeordneten der AfD hervor.

SWR-Rechtsexperte Kolja Schwartz hält laut „Tagesschau“ eine Verurteilung Ballwegs durch das Landgericht am Ende des Verfahrens nach jetzigem Stand der Informationen für „so gut wie ausgeschlossen“. Wäre das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt worden, dann würde Ballweg als unschuldig gelten. Dasselbe gelte, falls Ballweg am Ende freigesprochen werde, weil ihm die Vorwürfe nicht zu beweisen seien. Je nach Ausgang des Prozesses würde Ballweg auch eine Entschädigung für die Untersuchungshaft zustehen. Diese betrage 75 Euro pro Tag, dazu kann noch weiterer Schadensersatz kommen, so Schwartz. 

Diesen Einschätzungen zum Trotz wird der Prozess laut Medienberichten nun fortgesetzt, im Oktober wird ein Urteil erwartet. Im Juni 2022 wurde der „Querdenken“-Initiator in Untersuchungshaft in die Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim gebracht, erst im April 2023 war er nach neun Monaten Haft wieder entlassen worden.

Die Stuttgarter Zeitung schreibt zur neuen Entwicklung des Falles:

Am Montag hat das Landgericht Stuttgart empfohlen, das Verfahren einzustellen. Wegen Geringfügigkeit. Das passt nun so gar nicht zu der langen Untersuchungshaft. Der Verdacht, die Justiz habe ihre besonders harte Hand gegen eine missliebige Gestalt erhoben, steht also im Raum.“

Dass die Zeitung in dem Artikel diesen „Verdacht“ dann wieder entkräften will, ist schwach – aber immerhin greift hier ein Journalist eines etablierten Mediums die Geschichte kritisch auf. Auf die Rechtsprechung während der Corona-Zeit sind wir unter anderem in den Artikeln Verfassungsgericht: Rückenwind für autoritäre Politik oder Corona und Justiz: Die unterlassene Hilfeleistung oder Corona: Haft für Atteste – Preise für Hetze eingegangen.

Gerichte als Schutzschild der Regierung?

Eine tendenziell das Regierungshandeln schützende Rechtsprechung war meiner Meinung nach in der Vergangenheit auch bei anderen Themen zu beobachten, wie etwa im aktuellen Artikel „Beschlüsse mit dem alten Bundestag: Die geballte Dreistigkeit“ beschrieben wird. So hatten sich AfD und LINKE laut Medienberichten – getrennt voneinander – bemüht, die jüngste Sondersitzung mit dem alten Bundestag zu blockieren, und stellten Anfang letzter Woche Eilanträge beim Bundesverfassungsgericht. Auch Sevim Dagdelen vom BSW hatte einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, um das Milliardenpaket für „Verteidigung und Infrastruktur“ zu stoppen. Aber das Gericht wies am Freitag mehrere Anträge gegen die einberufenen Sondersitzungen des alten Bundestags zurück. Die Anträge seien unbegründet, so die Richter in Karlsruhe.

Zusätzlich hatte das Verfassungsgericht Anträge des BSW und Anderer zur Klärung von umstrittenen Wahlergebnissen abgelehnt, wie das Gericht in einer Pressemitteilung erklärt.

„Die Justiz“ sollte nicht von äußeren Einflüssen bedrängt werden, auch nicht von medialen – Kritik an manchen Urteilen und Entwicklungen kann dennoch legitim, manchmal sogar geboten sein.