„Von der Leyen schwört Europa auf möglichen Großkrieg ein“, lautet eine aktuelle Schlagzeile, die zum Abbild einer Politik und einer Medienlandschaft wird, die wie von Sinnen die Katastrophe herbeiredet. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.
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Zum Tango bedarf es immer zwei – und einen Krieg kann auch nie eine Partei alleine führen. Jemand muss einen Krieg wollen und ein anderer muss ihn annehmen. Dann ist Krieg. In Europa sehen wir, wie auf eine schier unfassbare Weise Politiker über Ländergrenzen hinweg einen Krieg mit Russland regelrecht herbeireden. Dabei ist Putin sehr zurückhaltend und lässt sich nicht auf die Kriegsrhetorik des „NATO-Westens“ ein. Allerdings drängt sich längst der Eindruck auf, dass Europa einen Weg einschlägt, auf dem noch mehr folgen wird als die Sprache der Kriegstreiberei. Europa, so muss man es sagen, bereitet sich auf einen Krieg vor. Europa, so kommunizieren es politische Mandatsträger immer wieder, will bereit für den Krieg sein, falls Russland die NATO angreift. Diese Annahme ist so wahnsinnig, so abstrus und so realitätsentrückt, dass wohl jeder halbwegs vernünftige Psychiater zu diesem Europa sagen würde: Bitte auf die Couch legen! Doch eine Couch, auf die sich dieses Europa legen kann, müsste erst noch gebaut werden.
Gerade sagte EU-Chefin Ursula von der Leyen: „Die Geschichte wird uns Untätigkeit nicht verzeihen.“ Man könnte meinen, die Landung feindlich gesinnter Außerirdischer mit dem Ziel, Europa zu unterjochen oder gar gleich ganz zu vernichten, stünde unmittelbar bevor. Der Satz ist einem „Weißbuch“, wie die taz es nennt, entnommen, das die EU-Kommission am Mittwoch vorgelegt hat. In dem Strategiepapier geht es um nichts Geringeres als die „Wiederbewaffnung“ des Kontinents, es geht um eine Aufrüstung der EU in unfassbarer Dimension. „Luftverteidigung“, „Raketenabwehr“, „Artilleriesysteme“ und vieles mehr: Der EU-Plan lautet „Readiness 2030“, also bereit sein für den Kriegsfall im Jahr 2030.
Das Friedensprojekt Europa, das zum Krieg hochrüstet? Richtig, das „Friedensprojekt Europa“, das sich mit Ansage vor der erstaunten Öffentlichkeit selbst dekonstruiert. 800 Milliarden sollen fließen – vorerst. Wie viel Geld die EU noch in die „Verteidigung“ „investieren“ will: Wir werden es sehen.
Die Aussage vom „Großkrieg in Europa“ ist kein direktes Zitat von der Leyens. Die Redaktion hat schlicht in der Schlagzeile die Essenz aus der Entwicklung gefiltert. Unterm Strich – so muss man es leider sagen – geht es ja tatsächlich um einen großen Krieg in Europa. Doch durch Schlagzeilen dieser Art schaukeln sich letztlich Berichterstattung, politische Entwicklung und die Wahrnehmung der Öffentlichkeit gegenseitig hoch. Die Politik – aus welch verrückten Gründen auch immer – gibt vor, dass ein Angriff Russlands auf die NATO zur Realität zu werden droht. Medien, die nicht im Ansatz diese Erzählung hinterfragen, spitzen die Entwicklung weiter in Schlagzeilen zu. Zumindest Teile der Öffentlichkeit gelangen so zu der propagandistischen „Erkenntnis“, dass eine Gefahr droht, und legitimieren durch Wahlentscheidungen oder durch Schweigen die vorherrschende Politik. Diese wiederum sieht sich in ihrem Weg bestätigt und geht weiter voran. Europa steht an einem Scheideweg. Frieden oder Krieg? Was jetzt passiert, deutet nicht auf den Einzug der Vernunft, sondern auf eine Katastrophe hin.
Hinweis: Das Titelbild ist ein fiktives Symbolbild, hergestellt mit künstlicher Intelligenz (Grok).
Titelbild: Symbolbild/Grok