BR-Sendung „Stammtisch“: Wenn Politiker selbst der Kriegspropaganda unterliegen

BR-Sendung „Stammtisch“: Wenn Politiker selbst der Kriegspropaganda unterliegen

BR-Sendung „Stammtisch“: Wenn Politiker selbst der Kriegspropaganda unterliegen

Ein Artikel von Marcus Klöckner

Politik setzt Bürger der Propaganda aus – so weit, so bekannt. Aber wie gehen eigentlich Politiker mit der allgemeinen Propaganda um, mit der sie selbst ja auch konfrontiert sind, wenn sie die Nachrichten schauen? Am Sonntag war die CSU-Politikerin Dorothee Bär zu Gast in der Fernsehsendung „Stammtisch“. Eine Stelle lässt einen Verdacht aufkeimen: Politiker verfangen sich selbst in Propaganda und unterliegen ihr. Und das ist im Hinblick auf die Frage von Krieg und Frieden nicht lustig, sondern gefährlich. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

„Propagandamedien“ – das ist ein Begriff, der von medienkritischen Betrachtern immer mal wieder gebraucht wird. Damit wollen sie betonen: Medien berichten häufig nicht, wie sie vorgeben, objektiv, neutral, sachlich, sondern sie verbreiten unter dem Deckmantel „Journalismus“ Propaganda – oft im Sinne der Herrschenden. Eine derzeit in vielen Medien vorzufindende Propagandaerzählung lautet: Russland könnte „uns“ angreifen, Russland sei gefährlich. Auch Politiker verbreiten diese Propaganda hoch und runter. Aber wissen Politiker eigentlich immer, dass sie selbst Propaganda verbreiten? Anders gefragt: Ist es nicht vielmehr so, dass auch Politiker, wie „normale“ Bürger, eine allgemein in der Öffentlichkeit vorherrschende propagandistische Erzählung aufnehmen, sie als Realität betrachten und zum Maßstab ihrer Handlungen und Aussagen machen?

Am Sonntag war die CSU-Politikerin Dorothee Bär zu Gast in der Sendung „Stammtisch“. Bär führte aus, durch „die Wahl in den USA“ sei deutlich geworden, dass man einerseits mit den Partnern der NATO im Gespräch zu bleiben habe, Europa aber andererseits selbst verteidigungsfähig werden müsse. Dann sagt die bayerische Politikerin:

„Die Diskussionen werden wir führen, auf jeden Fall, und die werden nicht leicht werden. Ich habe selber nicht nur zwei Töchter, sondern auch einen Sohn und jeder hat sich (…) schon zu Beginn des Ukraine-Kriegs gedacht: Was würde man selber als Mutter akzeptieren? Das eigene Kind an die Front zu schicken? Das ist doch völlig klar, dass das Diskussionen sind, die in jeder Familie genau so geführt werden, weil jeder sagt, man opfert sein Kind doch nicht als Kanonenfutter. Gleichzeitig möchte man aber nicht, dass Russland immer weiter Richtung Westen wandert, aber da können wir nicht raus aus der Diskussion.“

An dieser Stelle kann nicht geklärt werden, ob die Politikerin Bär, der Mensch Bär, oder beide sprechen. Wir wissen nicht, ob Bär hier bewusst im Sinne der vorherrschenden Politik ein Stück Propaganda betreibt, oder aber, ob sie tatsächlich glaubt, was sie sagt. Ihre Mimik, ihre Gestik, die Art und Weise des Sprechens deuten meines Erachtens darauf hin, dass die Politikerin authentisch einen Einblick in ihre Vorstellungen von Realität gibt. Und das ist noch erschreckender, als würde eine Politikerin gewollt Propaganda verbreiten. Hier trägt immerhin die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU vor, dass „Russland immer weiter Richtung Westen wandert“ – und das auf eine Weise, als sei es ein unumstößlicher Fakt. Wie anders soll ein vernünftiger, rational denkender, gebildeter Mensch zu diesem „Fakt“ gekommen sein als über Propaganda, der er selbst anheimgefallen ist?

Seit 1999 hat die NATO 14 Staaten aufgenommen. Die NATO-Osterweiterung ist Realität. Wenn hier irgendeine Seite zur anderen „gewandert“ ist, dann die NATO in Richtung Russland und nicht umgekehrt. Der Einmarsch Russlands in der Ukraine und der verhältnismäßig kleine Landgewinn Putins in dem Krieg rechtfertigen aus analytischer Sicht nicht die Formulierung „immer weiter Richtung Westen gewandert“. Zudem gilt es, die speziellen Sicherheitsinteressen Russlands im Hinblick auf die Krim zu berücksichtigen. Dass Russland hier militärisch eine „rote Linie“ zieht, ist das Eine. Das Andere ist, davon auszugehen, dass ein Land, das seit 3 Jahren im Osten in einem Krieg feststeckt, bald bis nach Berlin mit seinen Soldaten marschieren würde.

Wenn Bär tatsächlich glaubt, was sie sagt, dann lässt das darauf schließen, dass sie die vorherrschende „Wahrheit“ aus den Medien und ihrem eigenen Feld, also der Politik, unkritisch übernommen hat. Sie wäre selbst ein Opfer der Propaganda – aus welchen Gründen auch immer. Und das ist nicht lustig. Denn wir reden hier von einer Frage, die sich um Krieg und Frieden in Europa dreht. Wenn Politiker, die über Handlungsmacht verfügen und Weichen in die eine oder in die andere Richtung stellen können, einer Scheinrealität unterliegen, dann ist Gefahr im Verzug.

Wir können gerade live und in Farbe beobachten: So manche Politiker dürften einer unfassbaren Neuverschuldung für das Großvorhaben „Kriegstüchtigkeit“ auch deshalb zugestimmt haben, weil sie tatsächlich an das Feindbild Russland glauben. Um es nochmal zu sagen: Das ist gefährlich!

Titelbild: Screenshot BR

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