Israel hat alle humanitären Hilfslieferungen sowie die Strom- und Wasserlieferung nach Gaza gestoppt. Das ist ein eklatanter Bruch des Völkerrechts und Verstoß gegen den Eilbeschluss des Internationalen Gerichtshofs von Ende März 2024, in welchem Israel verbindlich verpflichtet wurde, die Grundversorgung für Gaza sicherzustellen. Erstmals hat das Auswärtige Amt in diesem Zusammenhang Israel explizit zur Einhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtungen aufgerufen. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund u.a. wissen, ob Kanzler Olaf Scholz immer noch bei seiner Haltung bleibt, dass sich Israel vollumfänglich an das Völkerrecht halte. Von Florian Warweg.
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 12. März 2025
Frage Başay (Anadolu Ajansı)
Das Auswärtige Amt hat in den letzten Tagen den Stopp der humanitären Hilfe sowie der Strom- und Wasserlieferung nach Gaza kritisiert, seine Besorgnis darüber ausgedrückt und Israel dazu aufgerufen, seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen.
Könnte man die Einstellung humanitärer Hilfe und der Strom- und Wasserversorgung nach Gaza aus Sicht der Bundesregierung als kollektive Bestrafung der Bevölkerung betrachten?
Deschauer (AA)
Sie beziehen sich auf die Bundespressekonferenz am Montag, auf der wir unsere Besorgnis nach den Tagen zuvor sehr deutlich zum Ausdruck gebracht haben. Das steht erst einmal für sich. Diese Sorge gilt weiterhin.
Ihrer Interpretation möchte ich mich nicht anschließen, sondern noch einmal mit Nachdruck wiederholen, dass wir die israelische Regierung dazu auffordern, die humanitäre Versorgung und auch die Versorgung mit Elektrizität wiederaufzunehmen. Denn es geht darum, eine große Anzahl von Menschen mit lebenswichtigen Gütern zu versorgen.
Zusatzfrage Başay
Bleibt es allein bei diesem Aufruf, oder würde die Bundesregierung Sanktionen gegen Israel auf nationaler oder EU-Ebene in Erwägung ziehen, falls dieser Zustand fortbesteht?
Deschauer (AA)
Sie müssen sich, denke ich, den Kontext noch einmal anschauen. Israel wurde mit einem Eilbeschluss des IGH von Ende März vergangenen Jahres völkerrechtlich verbindlich aufgegeben, die Grundversorgung für Gaza sicherzustellen. Dazu gehört auch die Versorgung mit Elektrizität. Wir erwarten wie zahlreiche andere Staaten, dass die Beschlüsse des IGH eingehalten werden und diese Versorgung sichergestellt wird.
Im Übrigen sind wir einer der größten Geber humanitärer Hilfe, das wissen Sie, und deswegen ist es uns natürlich ein Anliegen, dass die intensiv durch die Bundesregierung bereitgestellten Güter und Mittel dahin gelangen, wo sie dringend gebraucht werden.
Frage Warweg
Frau Deschauer, habe ich es richtig verstanden, dass Sie ziemlich erstmals eingeräumt haben, dass sich Israel nicht völkerrechtskonform verhält, indem es die angesprochenen humanitären Güter und auch die Versorgung mit Elektrizität nicht zur Verfügung stellt?
Deschauer (AA)
Ich würde tatsächlich auf das Statement von Montag in der Bundespressekonferenz verweisen. Darin ist die exakte Einschätzung der Bundesregierung und des Auswärtigen Amts abgebildet.
Zusatzfrage Warweg
Ich wollte wissen, ob das für Sie einen Bruch des Völkerrechts darstellt. Damit haben Sie sich bisher immer sehr schwergetan, sowohl der Kanzler als auch das AA, oder nicht. Darauf können Sie sagen: „Ja, das stellt einen Bruch des Völkerrechts dar“, oder: „Nein, aus den und den Gründen stellt das keinen Bruch des Völkerrechts dar.”
Deschauer (AA)
Die Bundesregierung antwortet hier so, wie sie antwortet. Dem Statement von Montag können Sie ebenso wie meinen eben vorgetragenen Erläuterungen an Ihren Kollegen entnehmen, dass wir zur Einhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtungen aufrufen und dass uns das ein Anliegen ist. Welche Interpretationen Sie dann daraus ableiten, ist Ihre Sache. Das überlasse ich wie immer sehr gern Ihnen.
Zusatzfrage Warweg
Frau Hoffmann, der Kanzler hat bis vor wenigen Monaten oder Wochen darauf beharrt, dass sich Israel auch während seines aktiven militärischen Vorgehens in Gaza immer vollumfänglich an das Völkerrecht gehalten habe. Bleibt er vor dem Hintergrund der auch durch Frau Deschauer geschilderten Situation nach wie vor bei der Haltung, dass sich Israel seit besagtem Oktober in seinem militärischen Vorgehen und jetzt auch in seinem Vorgehen als Besatzungsmacht gegenüber Gaza an das Völkerrecht hält?
Vizeregierungssprecherin Hoffmann
Aus unserer Sicht ist der entscheidende Punkt, das hat Frau Deschauer eben total deutlich gemacht, dass die Hilfslieferungen und die Strom- und Warenlieferungen nach Gaza wieder ermöglicht werden müssen und dass Israel dazu aufgefordert ist, in der Hinsicht seinen internationalen Verpflichtungen nachzukommen. Genau das ist auch die Ansicht des Bundeskanzlers.
Zusatzfrage Warweg
Können Sie noch das Wort „Völkerrechtsbruch“ einordnen? Ja oder nein aus Sicht des Kanzlers?
Hoffmann
Ich habe dazu gesagt, was ich dazu sagen kann.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz vom 12. März 2025