Plasberg, hart aber wohl nicht fair!
„Eine politische Talk-Show ist schnelllebig. Auch in 90 Minuten bleibt oftmals keine Zeit, Aussagen der Gäste auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu prüfen. Deshalb hakt “Hart aber fair” nach und lässt einige Behauptungen von renommierten Experten unter die Lupe nehmen. Sind sie wahr oder entbehren sie jeder Grundlage? Die Antworten gibt es am Tag nach der Sendung, hier im Faktencheck.“ So heißt es auf der Website des wdr zu Frank Plasbergs Sendung vom 10.5.06 zum „Reizthema“ „Arm trotz Arbeit“. War Plasberg bei der Auswahl seiner Experten aber wirklich fair? Wolfgang Lieb/Albrecht Müller.
Frank Plasberg gehört zugegebenermaßen zu den kritischeren und besser vorbereiteten Polit-Talkmastern und er ist privat ein ziemlich sympathischer Mensch. Seine Gäste sind meist politisch etwas ausgewogener geladen als bei seinen (noch) in der ersten Reihe stehenden Talkmasterinnen in der ARD und im ZDF, bei Christiansen oder Illner. Er hat dafür auch schon einiges Lob bekommen, etwa den Grimme-Preis und den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis im Jahre 2005 und die Journalistenzeitschrift MediumMagazin machte ihn im gleichen Jahr zum Politik-Journalisten des Jahres.
Dem Vernehmen nach soll er deshalb auch bald vom „Dritten“ ins „Erste“ aufsteigen.
Plasberg hat sich aufgrund dieser Erfolge, wie die meisten seiner Kolleginnen und Kollegen Politik-Talkmaster von Reinhold Beckmann, Johannes B. Kerner, Bettina Böttinger, Monica Lierhaus, Alfred Biolek, bis Sandra Maischberger, nachdem ihnen ihre Sender die Chance eröffnet hatten, sich persönlich populär zu machen, vom angestellten Redakteur des wdr zusammen mit seinem Freund, dem Regisseur Jürgen Schulte mit einer selbständigen Produktionsfirma unter dem flippigen Namen “Ansager und Schnipselmann GmbH & Co KG” selbständig gemacht.
Da sein früherer Arbeitgeber wdr keine Einwände hatte, dass Plassberg als Nebentätigkeit Veranstaltungen wie das ME-Forum der Metall und Elektroindustrie in Düsseldorf moderierte, sah Plasberg, als nunmehr selbständiger Medienunternehmer, schon gar kein Problem mehr, unter anderem etwa den regelmäßigen „Ständehaus-Treff“ des Finanzdienstleister Signa Property Funds Deutschland – ein auf die Emission geschlossener Immobilienfonds spezialisierter Geschäftspartner der Reichen und Superreichen – in der Kunstsammlung K 21 als „Traditionsinterviewer“ mit seinem Bekanntheitswert aufzuwerten (Quelle: TOP MAGAZIN Düsseldorf). Seinen Auftraggeber für seine Sendungen, den wdr, stört das offenbar nicht.
Nun seien Frank Plasberg als unternehmerischem Talkmaster im öffentlich-rechtlichen wdr solche Nebeneinnahmen gegönnt und, dass eben gute Honorare nur die bezahlen können, die das Geld dazu haben, das ist eben der Lauf der Welt.
Problematisch werden solche Geschäfte eines „harten und fairen“ Journalisten aber dann, wenn dieses zahlungskräftige Umfeld auf Dauer auch den eigenen politischen Horizont einengt. Und das scheint (inzwischen) offenbar auch bei Plasberg der Fall zu sein, sonst würde er den Titel seiner Erfolgssendung „Hart aber fair“ nicht durch eine ziemlich einseitige wirtschaftswissenschaftliche Beratung selbst in Frage stellen.
Das Image des „Nachhakers“ will er pflegen, indem er die Behauptungen seiner Studiogäste einen Tag nach der Sendung durch „renommierte Experten“ unter die Lupe nehmen lässt. Eine an und für sich gute Idee. Welche Experten hat sich aber Plasberg ausgesucht?
Da ist zunächst ein Arbeitsmarktökonom vom „Institut der deutschen Wirtschaft“ (IW), ein Institut, das von Verbänden und Unternehmen der deutschen Wirtschaft getragen wird und ohne Unterstellung als „arbeitgebernah“ bezeichnet werden darf. Das IW fungiert gleichzeitig als der „wissenschaftliche Schreibtisch“ der vom Gesamtverband der Elektro- und Metallindustrie jährlich mit 8,8 Millionen betriebenen, sich selbst als „neoliberal“ bezeichnende PR-Agentur „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM).
Nun ja, könnte man sagen, bei einer doch stark interessenbezogenen Wissenschaft wie der Ökonomie, nimmt man halt einen vom Arbeitgeberlager und einen vom Gewerkschaftslager.
Aber leider weit gefehlt: Der zweite „renommierte Experte“ kommt vom Bonner „Forschungsinstitut für Zukunft und Arbeit“ (IZA). Das ist gleichfalls ein privatwirtschaftliches Institut, das von der Deutschen Post-Stiftung gefördert wird. Präsident des Instituts ist Dr. Klaus Zumwinkel, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Post World Net (der gerade einige Tausend Arbeitsplätze abschafft). Direktor des IZA ist Professor Klaus Zimmermann, der nebenher auch noch Präsident des „Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung“ in Berlin (DIW) ist und – seit er das ist – dieses Institut, das früher auch schon mal nachfrageorientierte Theorieansätze vertreten hat, auf einen angebotsorientierten, neoliberalen Wirtschaftskurs gezwungen hat. „Direktor Policy Fellows“ des IZAist übrigens der Botschafter der INSM, und als Chef der Bundesagentur, wegen dubioser Berateraufträge gechasste Florian Gerster. Er ist an diesem Institut mit dem Aufbau eines aus einflussreichen Personen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft bestehenden Netzwerkes betraut, denn ohne „Netzwerk“ läuft ja heute im Expertengewerbe nichts mehr.
Auf die Idee zum Ausgleich für das arbeitgebernahe „Institut der deutschen Wirtschaft“ einen „renomierten Experten“ aus einem eher arbeitnehmerorientierten Institut hinzuzunehmen, kam Plasberg wohl gar nicht erst, obwohl sich etliche und durchaus auch unabhängige Forschungseinrichtungen gerade auf diesem Feld tummeln.
Damit jetzt nicht wieder einige Kritiker der NachDenkSeiten kommen und uns „Verschwörungstheorie“ vorwerfen, wollen wir wenigsten an einigen Beispielen unter die Lupe nehmen, was die „renommierten Experten“ von Herrn Plasberg „unter die Lupe“ genommen haben.
Zum Beispiel:
Dagmar Enkelmann, erste parlamentarische Geschäftsführerin der Linken, sagte in der Sendung, in Deutschland gebe es eine Niedriglohnspirale und die Lohnentwicklung gehe immer weiter nach unten.
Dem widersprach unser „renommierter Experte“ vom IZA noch relativ moderat: „Es ist zwar so, dass die Steigerungen der Bruttolöhne in Deutschland während der letzten Jahre moderat ausfielen. Gleichwohl kann nicht von einem Rückgang der Bruttolöhne von Beschäftigten in Vollzeit gesprochen werden. Dies gilt eher für Nettolöhne (aufgrund gestiegener Abgaben) unter Berücksichtigung der Inflation.“
Plasbergs IW-Experte will jedoch von einem Rückgang der Löhne nichts wissen: „Es ist richtig, dass die realen, also preisbereinigten Löhne, seit 2000 keine so großen Steigerungen mehr aufweisen wie in früheren Dekaden.“ Er spricht also von „keinen so großen Steigerungen“ und greift einen ihm für seine Entgegnung gerade passenden Zeitraum heraus. Nach dem alten Motto: Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast.
Im Verteilungsbericht des DGB heißt es im Gegensatz dazu:
Die vergangenen zwölf Jahre waren für die Arbeitnehmerschaft in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt eine Zeit der Bescheidenheit. Trotz steigender Bruttolöhne hat ein durchschnittlicher Arbeitnehmer infolge zunehmender Lebenshaltungskosten sowie Abgaben- und Steuererhöhungen heute real weniger Geld in der Tasche als vorher.
Auch im internationalen Vergleich stiegen die bundesdeutschen Nominallöhne nur unterdurchschnittlich.
Beim statistischen Bundesamt hätte man folgende (amtliche) Statistik erhalten können:
Nach den neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes haben die deutschen Arbeitnehmer in der gewerblichen Wirtschaft auch im Januar 2006 im Vorjahresvergleich weitere reale Lohneinbußen hinnehmen müssen. Unter Berücksichtigung des Anstiegs der Verbraucherpreise um 2,1 % fielen die Bruttomonatsverdienste real um 0,9 %, und zwar bei den Arbeitern um 1,8 % und bei den Angestellten immer noch um 0,5 %. Damit setzt sich die im Vorjahr eingeleitete negative Verdienstentwicklung verstärkt fort.
Man schaue sich dazu einfach nur einmal die Grafiken von Joachim Jahnke an.
Man könnte Aussage für Aussage durchgehen, fast immer kommen die von Plasberg ausgewählten „renommierten Experten“ zu dem Ergebnis, das ihr neoliberales Credo vorgibt.
Noch ein Beispiel, die Mindesttlöhne:
Der Experte des IZA: „Es stimmt, dass ein Mindestlohn in einer bestimmten Höhe dazu führt, dass Arbeit unterhalb dieser Schwelle nicht mehr auf legale Weise zustande kommen kann. In diesem Fall ist mit dem Wegfall von Arbeitsplätzen im Inland zu rechnen, außerdem mit Preiserhöhungen, da Löhne zum Teil eben auch angehoben werden müssen. Dies erhöht die Anreize auf Schwarzarbeit, (Schein-)Selbstständigkeit oder Beschäftigung im Ausland auszuweichen.“
Noch härter in seiner Ablehnung wieder Experte des IW: „Wenn sich der Lohn für einfache Tätigkeiten massiv erhöht, wird Beschäftigung in diesen Bereichen abgebaut. Zum Teil wandert diese Beschäftigung ins Ausland. Bei einigen Dienstleistungen (z.B. Friseur) ist das nicht möglich. Hier wird es zu zunehmender Eigenproduktion kommen oder zu einer starken Zunahme von Schwarzarbeit. Oder diese Dienstleistungen sterben aus und werden gar nicht mehr nachgefragt. Ein Mindestlohn von 7,50 Euro würde mindestens zwei Millionen Arbeitsplätze gefährden.“
Diese Horrorzahl von einer Gefährdung von zwei Millionen Arbeitsplätzen wird einfach so in die Welt gesetzt, ohne weitere Begründung und ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, warum in einer großen Zahl von Ländern mit Mindestlohn, diese Katastrophe nicht eingetreten ist.
Damit wir nicht der Parteilichkeit zugunsten der Arbeitnehmer geziehen werden können, verweisen wir – um die fehlende Glaubwürdigkeit solcher Behauptungen zu belegen – einfach auf die Aussagen von John Cridland, dem Generaldirektor des britischen Unternehmerverbandes Confederation of British Industry, der für Großbritannien schlicht feststellt: „Der Mindestlohn ist ein Erfolg.“ (Quelle: FR)
Also, lieber Herr Plasberg, seien Sie hart, aber bleiben Sie fair! Sollten Sie Ihre angeblich „harten“ Fakten weiter so einseitig aus dem Arbeitgeberlager oder von so ideologisch einseitig ausgerichteten „renommierten Experten“ beziehen, können Sie zwar von sich behaupten, dass Sie zwar „hart“ am Kurs der Arbeitgeberinteressen segeln, aber als „fair“ gegenüber der großen Masse der Arbeitnehmer können Sie sich dann nicht mehr bezeichnen.
Der Titel Ihrer Sendung hielte nicht mehr, was er verspricht, Ihre Talkshow wäre nicht nur unfair sondern auch eine gezielte Irreführung der Zuschauer.
Vielleicht sollten Sie sich, wenn Sie sich auch in Zukunft als unabhängigen Journalisten bezeichnen wollen, ihre Nebentätigkeiten doch (wenigstens auch) außerhalb des Unternehmerlagers suchen. Denn entgegen dem alten Spruch, stinkt Geld doch.