Wie unsere „Super-Demokraten“ den Skandal von Rumänien verniedlichen

Wie unsere „Super-Demokraten“ den Skandal von Rumänien verniedlichen

Wie unsere „Super-Demokraten“ den Skandal von Rumänien verniedlichen

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Dem aussichtsreichsten Kandidaten bei der Präsidentschaftswahl in Rumänien, Calin Georgescu, wurde die Teilnahme an der kommenden Wahl untersagt. Das ist die Fortsetzung einer antidemokratischen Farce , denn bereits der vorherige Wahlgang wurde „annulliert“. Wäre Georgescu pro-westlich eingestellt, dann würden nun leidenschaftliche Phrasen zur Verteidigung der Demokratie erklingen. Aber viele Journalisten und Politiker sind sich offensichtlich einig, dass man einen „rechtsextremen Kremlfreund“ nicht gegen formale Tricks verteidigen muss. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Am Sonntag hat die zentrale Wahlkommission in Rumänien dem Präsidentschaftskandidaten Calin Georgescu die Teilnahme an der Wahl untersagt, wie Medien berichten. Eine offizielle Erklärung legte die Behörde demnach nicht vor, laut den Berichten begründete sie ihre Entscheidung mit unvollständig eingereichten Unterlagen. Strafrechtliche Vorwürfe gegen Georgescu hätten demnach keine Rolle gespielt. Georgescu könne bis Mittwoch Berufung einlegen, doch es sei unwahrscheinlich, dass er damit Erfolg haben werde. Weitere (entsprechend inhaltlich gefärbte) Infos finden sich etwa hier oder hier oder hier – zum Stil dieser Berichte folgt weiter unten mehr.

Ein dreister anti-demokratischer Akt

Der Vorgang um die Präsidentschaftswahl in Rumänien ist extrem fragwürdig und er ist die Fortsetzung eines dreisten anti-demokratischen Aktes. Zur Erinnerung: Georgescu hatte die letzte Wahl im vergangenen November gewonnen – daraufhin war diese Wahl „annulliert“ worden. Auf den skandalösen Vorgang einerseits und auf die „verständnisvollen“ Reaktionen europäischer Medien und Politiker andererseits sind wir auf den NachDenkSeiten etwa in den Artikeln „Deutsche Medien ignorieren weiterhin den Skandal von Rumänien“ oder „Wie bewertet die Bundesregierung die komplette Annullierung der Präsidentschaftswahl in Rumänien?“ eingegangen.

Auf diesen beiden Ebenen spielt sich nun auch die Fortsetzung ab: Zum einen werden in Rumänien weiter ganz offen demokratische Regeln gebrochen, um den aus Sicht seiner Gegner unzuverlässigen und „pro-russischen“ Kandidaten vom Rennen auszuschließen. Zum anderen schweigen dazu jene Stimmen, die sich sonst gar nicht leidenschaftlich genug für „die Demokratie“ einsetzen können oder sich sogar manchmal in einer lächerlichen Selbstüberhöhung damit gleichsetzen wollen.

Die Vorgänge in Rumänien werfen auch ein Licht auf die Debatte über Einmischungen in andere Länder aus wirtschaftlichen und/oder geopolitischen Motiven. Es ist Heuchelei, wenn die EU über zahlreiche Programme zur „Förderung der Demokratie“ in anderen Ländern politische Initiativen unterstützt, eine solche (mutmaßliche) Unterstützung von anderer Seite aber als Grund verteidigt, eine Wahl zu „annullieren“. Grundsätzlich sind alle Einmischungen sehr problematisch, im konkreten Fall kommt aber bei der Bewertung des Vorgangs noch schwere Heuchelei vonseiten „des Westens“ dazu. Ein Grund, warum es so starke Widerstände gegen einen russlandfreundlichen Präsidentschaftskandidaten in Rumänien gibt, könnte unter anderem darin liegen, dass in Rumänien gerade Europas größter NATO-Stützpunkt gebaut wird.

Das alles sagt nichts über die politischen Inhalte der diversen Kandidaten in Rumänien aus, es geht in diesem Text ausschließlich um die formalen Tricks, die angewandt werden, um einen von ihnen zu benachteiligen, während man sich sonst als Gradmesser demokratischer Gerechtigkeit darstellt. Die politischen Forderungen von Georgescu mache ich mir nicht zu eigen, ebensowenig wie teilweise harte Äußerungen von ihm selber oder aus seinem Umfeld. Das Vorgehen gegen Georgescu wird auch von politischen Konkurrenten in Rumänien scharf kritisiert. Wie die taz berichtet, betonte etwa die „liberale“ Kandidatin Elena Lasconi, dass der Vertreter ihrer Partei in der Wahlbehörde gegen den Beschluss gestimmt habe: Es gebe keine haltbaren juristischen Argumente für die Abweisung der Kandidatur Georgescus. Auf die vorübergehende Inhaftierung von Georgescu sind die NachDenkSeiten letzte Woche in diesem Text eingegangen.

„Proteste für den rechtsextremen Kremlfreund“

Wie schon bei der „Annullierung“ der Wahl in Rumänien wird von vielen deutschen Kommentatoren auch jetzt angesichts des Ausschlusses des aussichtsreichsten Kandidaten von der Wiederholung der Wahl ein betont sachlicher Ton angeschlagen, als würde ein Fußballspiel abgesagt. Es wird also auf die sonst gerne genutzten feurigen Phrasen zur Verteidigung von „der Demokratie“ verzichtet. Gleichzeitig sind die Bezeichnungen „rechtsextrem“ und „pro-russisch“ sehr präsent in den Berichten. Der Spiegel schreibt unter dem Titel „Proteste für den rechtsextremen Kremlfreund“:

Der kremlfreundliche Rechtsextremist hatte die erste Runde der Präsidentenwahl in Rumänien am 24. November des Vorjahres überraschend für sich entschieden. Kurz vor der Stichwahl annullierte das Verfassungsgericht die erste Runde wegen Unregelmäßigkeiten bei der Wahlkampffinanzierung. Die Wahl wird am 4. Mai wiederholt.“

Die Deutsche Welle skandalisiert die undemokratischen Vorgänge ebenfalls nicht und legt den Fokus auf die teils militanten Proteste dagegen – Proteste, die das Medium vermutlich in emotionalen Worten als wichtigen Kampf für „das Gute“ überhöht hätten, wenn sie einen „pro-westlichen“ Charakter hätten:

Die rumänische Wahlbehörde hat die Kandidatur des prorussischen Politikers Calin Georgescu für die Präsidentenwahl im Mai abgewiesen. Die Folge: Gewaltbereite Anhänger des Rechtsextremisten gehen auf die Barrikaden.

Das Medium Euro-News behauptet:

Georgescu, der als ‚TikTok-Messias‘ bezeichnet wird, hatte die erste Runde der rumänischen Präsidentschaftswahlen im vergangenen Dezember gewonnen. Das rumänische Verfassungsgericht hat die Wahl annulliert, nachdem Geheimdienstberichte eine russische Beteiligung an der Beeinflussung von Wählern über soziale Medien zur Unterstützung des damals relativ unbekannten Kandidaten belegt hatten.

Dass der rumänische Geheimdienst russische Beteiligungen eben nicht „belegt“ hatte, sondern dass teils sogar Indizien eher für eine Urheberschaft von ganz anderer Seite bestehen, das hat kürzlich Florian Warweg in diesem Artikel bezüglich der rumänischen „Tik-Tok-Kampagne“ beschrieben, demnach hat laut einem renommierten Recherche-Portal „die NATO-freundliche Präsidenten- und Regierungspartei PNL höchstselbst die Kampagne initiiert und bezahlt“. Auch die Berliner Zeitung schreibt aktuell, bisher seien „keine konkreten Beweise für eine direkte russische Einflussnahme oder eine Finanzierung Georgescus vorgelegt“ worden. Die Zeitung beschreibt weiter, dass die rumänische Staatsanwaltschaft parallel zur Wahlannullierung ein Strafverfahren gegen Georgescu eingeleitet hatte. Sie fragt zu Recht:

Zunächst wurde die Wahl annulliert, dann folgten Ermittlungen gegen den Kandidaten. Sollte es in einem Rechtsstaat nicht eigentlich umgekehrt sein?

Selbstverständlich sollte es das, aber wenn es geopolitisch in den Kram passt, dann werden Prinzipien eben ganz schnell über Bord geworfen.

Titelbild: Vladirina32 / Shutterstock

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