Ein Gastbeitrag von Susanne Louise Heiland, seit 2019 Teilnehmerin aus Schleswig-Holstein am Forum Endlagersuche. Im ersten Teil wurde der Start und der Verlauf der Endlagersuche bis 2021 behandelt, im heutigen zweiten Teil die Endlagersuche bis 2024.
Interesse am Beteiligungsverfahren geht zurück – Wie weiter?
Nach der Veröffentlichung des Zwischenberichts Teilgebiete im Jahr 2021 klaffe eine „Beteiligungslücke“, so das Nationale Begleitgremium (NBG). Fast gebetsmühlenartig formulieren daher NBG, BGE und BASE den Wunsch nach mehr Beteiligung.[1] Denn die Teilnehmerzahlen an den beiden noch existierenden Formaten, dem jährlich stattfindenden Forum Endlagersuche, vorbereitet vom Planungsteam Forum Endlagersuche (PFE), sowie an den Workshop-Angeboten des NBG gehen zurück. Für das Problem hat man sogleich Vorschläge parat: Partizipation und Prävention, Wiederaufbau von Vertrauen und ein Runder Tisch, um die gemeinsame Arbeit systematisch und kritisch zu hinterfragen.[2] Das ist nur ein Teil der vielen Worthülsen zu dem Thema.
Daumen drauf auf die Bürgerbeteiligung
Das NBG sprach von Reibungsverlusten beim Informationsaustausch und von Rollenkonflikten zwischen Aufsicht und Öffentlichkeitsbeteiligung.[3] Schon frühzeitig hatten auch die sehr bekannten Anti-Atom-Initiativen nach der Konferenz Teilgebiete kritisiert, dass das BASE ein Folgeformat ab 2022 vergessen habe.[4] Vielleicht absichtlich vergessen? Die bisherige Moderation wurde als zu dominant bezeichnet und hätte den bisherigen Austausch stark begrenzt, was bereits zu Widerstand und dem Rückzug zivilgesellschaftlicher Akteure geführt hätte. Der Prozess laufe nicht fair und könne nicht als solidarisches Suchverfahren bezeichnet werden.[5]
Die BGE stellt sich das so vor: „Über die Schulter schauen … und begleiten…“. Das bietet Iris Graffunder auf der BGE-Webseite an. Begleitung: Ja – Beratung oder etwa Mitbestimmung: Nein. Das Wort Beratung wurde kurzerhand gestrichen. Und wie weit man Beteiligung auslegen kann, das wurde von dem Wissenschaftler Dr. Dieter Kostka umfassend erörtert.[6] Helge Bauer kritisiert zu Recht heftig die „Sturheit“ der BGE und des BASE und spricht in seinem Blogeintrag auf ausgestrahlt.de auch von „Schein-Beteiligungs-Shows“. Als teilnehmende Beobachterin kann ich mich der These von Albert Denk und Achim Brunnengräber, dass die Öffentlichkeit bisher instrumentalisiert wurde, nur anschließen.[7]
Auf Eigeninitiative von Vertretern in Kommunen reagieren die Behörden etwas pikiert. Kritische Anmerkungen von Fachleuten lässt man unter den Tisch fallen. Das verdeutlichen zwei Beispiele: Der Landrat des Landkreises Aurich hat eigenständig die geologische Eignung für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle überprüfen lassen. Dafür wird er in einem Schreiben vom BGE fast schon gemaßregelt[8]. Der Chefgeologe aus Mecklenburg-Vorpommern, Karsten Obst, äußerte sich in der Expertenrunde auf dem NBG vom 14.11.2024 sichtlich betroffen zum Zwischenlager Nord (Lubmin), in dem, wie er betonte, die Zwischenlagerung für weitere 100 Jahre geplant sei. Er bezeichnete die Atmosphäre in der Halle, in der die Castoren lagern, als „bedrückend“. Insgesamt war man sich in der Runde einig, dass die Datenlage dünn sei und die BGE sich nicht immer in die Karten gucken ließe.[9] Aber das NBG vermeldete, dass die geologischen Landesdienste mit dem Ergebnis der Arbeit zufrieden seien.[10]
Seit 2024 ist der „Endlagersuche Navigator“ auf der BGE-Webseite online. Jeder Bürger in Deutschland könne nun bis zur voraussichtlichen Verkündung der „geeigneten Standortregionen“ im Jahr 2027 Arbeitsstände und detaillierte Infos für die Region, die ihn interessiert, abrufen.[11] Es gibt aber schon Einwände. Die Übersicht ginge verloren, es gebe nur Steckbriefe und ständig neue Studien überholen die Zahlen vom Gesetzgeber.[12]
Beteiligung der jungen Generation – Indoktrination im Klassenzimmer?
Mit den beiden geplanten Beteiligungsformaten, den Regionalkonferenzen und dem Rat der Regionen, die für 2027 schon vorbereitet werden und an denen v.a. „rekrutierte und befähigte“ junge Menschen ab dem 16. Lebensjahr „als zentraler Erfolgsfaktor“ teilnehmen sollen, will man Widerstand und Protesten in den Regionen, die dann als Standortregionen ausgewiesen werden, frühzeitig begegnen.[13] Kinder und Jugendliche sollen mit Medien und in der Schule Beteiligung lernen und das mithilfe von „spannendem“ Unterrichtsmaterial. Das Umwelt-Onlinemagazin ökoleo.de stimmt kindgerecht auf ein Endlager ein. Im „World Café“, was an „Weltladen“ für fair produzierte Produkte erinnert, werden Unterrichtsmaterialien angeboten, die u.a. Arbeitsaufträge und Planspiele wie „Bürgerdialog Mitthausen“, „Entwirf Dein Endlager“ und „Meine Lebenswelt und das Endlager“ enthalten. In einer App kann ein Comic-Kapitel erstellt werden und in einem Wettbewerb haben Jugendliche bereits ein Endlager in einem „Erlebnisraum“ entworfen und gebastelt, versehen mit Texten in Gedichtform und Klangkulisse. So wird jungen Menschen ein Narrativ von einem für eine Million Jahre sicheren Endlager eingehämmert. Sie sollen keine Angst vor radioaktiven Abfällen haben, sich ein Endlager positiv vorstellen und sich darauf freuen.[14]
Zwischenlagerung von Atommüll – Desaster für die nächsten 100 Jahre?
Die Bedingungen, unter denen alle Arten von Atommüll in unterschiedlichsten Behältnissen an etwa 50 Standorten in Deutschland schon länger als geplant lagern, sind mehr als besorgniserregend. Dies birgt unabsehbare Gefahren für Mensch und Umwelt. Die Lagerflächen waren für eine längerfristige Zwischenlagerung gar nicht vorgesehen und die Genehmigungen laufen zwischen 2034 und 2046 aus. Manche, wie Jülich und Brunsbüttel, sind schon 2013 bzw. 2015 ausgelaufen, aber die Abfalllagerung wird weiter geduldet.[15] Chemische Prozesse u.a. auch durch Grundwassereinbrüche haben mittlerweile zu Korrosionserscheinungen an vielen Behältnissen von innen und von außen geführt. Bekannt geworden durch solche Vorkommnisse ist besonders das ehemalige Salzbergwerk Asse. Die Rückholung von bis zu 220.000 Kubikmetern schwach- und mittelradioaktivem Abfall steht ab 2033 an.[16] Die Stilllegung des Zwischenlagers Morsleben, das knapp 37.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktiven Müll beinhaltet, ist noch immer nicht beantragt.
Und gegen die Genehmigung von Schacht Konrad als Endlager versuchen Umweltverbände weiter juristisch vorzugehen.[17] Die AG Schacht Konrad e.V. wirft der BGE auch vor, die Öffentlichkeit mit einer Überprüfung der sicherheitstechnischen Anforderungen in die Irre geführt zu haben.[18] Auch an den Zwischenlagern Ahaus und Brokdorf gebe es erhebliche Sicherheitsmängel. Im Falle von Anschlägen, Unfällen oder gar terroristischen Angriffen bestünden erhebliche Gefahren für die Anwohner, so eine Untersuchung von 2024[19]. Bis heute gibt es jede Menge Protest und Kritik in der Region, wovor die Behörden Angst haben. Schnell versucht man in einem Workshop „Zwischenlagerung – Eine Stimme den Regionen“, einen neuen Prozess anzubieten. Das NBG will die Ideen dafür sammeln und das BASE will eine Plattform schaffen, die einen Dialog der betroffenen Gemeinden um die 16 Zwischenlager, in denen mehr als 1.000 Castor-Behälter mit hochradioaktivem Müll lagern, ermöglicht.[20]
Viele Fragen – wenig Antworten
13 Anträge wurden auf dem 3. Forum Endlagersuche vom 22. bis 23. November 2024 eingereicht. Beschlüsse gibt es nur wenige und viele Fragen bleiben offen. Auf den Antrag 09 zum Thema Rückholung und Endlagerung der schwach- und mittelradioaktiven Abfälle sowie auch auf die Frage nach der Zuständigkeit für die Abfälle aus der Brennelemente-Produktion für das Ausland und auch der Urananreicherung einer privaten Firma in Gronau wurde in der Sitzung des PFE am 19. Februar 2025 eher abgewiegelt. Die Endlagerung von schwach- und mittelradioaktivem Müll würde auch erst im Oktober 2025 thematisiert werden.[21] Bei anderen Aspekten wurde darauf verwiesen, dass entsprechende Dokumente in Arbeit seien und das dauere.[22]
Endlagersuche – Eine unendliche Geschichte?
Es könnte bis 2074 dauern, bis die Entscheidung über einen Endlagerstandort getroffen wird. Bis dann die Einlagerung beginnt, kommen noch einmal Jahrzehnte hinzu.[23] Die BGE hat Maßnahmen für die Risiken, die zu zeitlicher Verzögerung führen, formuliert. Schließlich müssen ja auch noch mindestens drei Konzepte für Endlagerbehälter entwickelt werden.[24] Gerade weil eins der aufgezählten Risiken ist, dass die Öffentlichkeit die Methoden mehrheitlich nicht anerkennen könnte, muss diese sich in Stellung bringen. Vieles gibt es zu tun: Sich nicht zurückziehen, sondern sich auf den neusten Stand bringen. Sich weiter einmischen und mobilisieren. Die hochqualifizierten Arbeiten und Artikel aus den Anti-Atom-Initiativen weitertragen. Veranstaltungen besuchen. Kommunalpolitiker unterstützen, die sich in dem Bereich engagieren. Und: die Arbeit in den Schulen zu dem Thema kritisch begleiten.
Kaum zu glauben, aber düster …
… und fast eine Karikatur wert: Das ZDF informiert: Die europäischen Länder hätten sich zusammengeschlossen, um zu untersuchen, wie Hinweisschilder für Atommüll-Endlager erstellt werden können, die auch noch in einer Million Jahre lesbar sind.[25]

Titelbild: Hoika Mikhail/shutterstock.com
[«1] base.bund.de : Lebhafte Diskussionen beim 3. Forum Endlagersuche in Würzburg. 25. November 2024
[«2] Veranstaltung des NBG am 6. November 2021. Digital mit 150 TN, von denen 19 TN eine Befragung abgeschlossen haben.
[«3] nationales-begleitgremium.de : 3. Tätigkeitsbericht 11/2021
[«4] Dabei u.a: AG Schacht Konrad, Ausgestrahlt e.V., BUND, BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, Atomreaktor Wannsee dichtmachen.de, IPPNW
[«5] Aussage von Dörte Themann, FU Berlin, Alternative Statuskonferenz 2022. Eigene Mitschrift.
[«6] Dr. Dieter Kostka: Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Standortsuche für eine langfristige Tiefenlagerung hochradioaktiver Abfälle. 29. August 2024, S. 5 ff.
[«7] umweltfairaendern.de Dirk Seifert: Hochradioaktiv: Instrumentalisierte Öffentlichkeit – Drei Jahre Beteiligungsverfahren zur Standortauswahl f.d. langfristige Tiefenlagerung hochradioaktiver Abfälle. 29. August 2024.
[«8] base.bund.de Dokumentenverzeichnis: Schreiben der BGE an den Landrat des Landkreises Aurich vom 21. Dezember 2023.
[«9] nationales-begleitgremium : Was sagen die Geologischen Landesdienste zum Stand der Endlagersuche? Online-Veranstaltung am 14. November 2024.
[«10] Ebd.
[«11] bge.de Navigator Endlagersuche
[«12] Öffentliche Sitzung der Planungsgruppe Forum Endlagersuche am 19. Februar 2025. Eigene Mitschrift.
[«13] base.bund.de: Maßnahmen zur Informierung und Beteiligung junger Generationen. März 2024. Veröffentlicht im Mai 2024.
[«14] base.bund.de : Base auf der didacta: Spannende Unterrichtsmaterialien zur Endlagersuche. Veröffentlicht am 25. Februar 2025
[«15] Dipl.-Phys. Oda Becker im Auftrag des BUND: Aktuelle Situation der Zwischenlagerung der schwach- und mittelradioaktiven Abfälle in Deutschland. Juli 2021, S. 19 ff.
[«16] Ebd. S. 65 ff.
[«17] Klageeinreichung am 10. Oktober 2024 durch BUND und NABU
[«18] ag-schacht-konrad.de : KONRAD
[«19] ausgestrahlt,de Themen: Dipf.-Phys. Oda Becker und Prof. Dr. Jutta Weber: Mögliche Auswirkungen von Terrorangriffen auf Zwischenlager für hochradioaktiven Abfall. S. 5 ff. Erstellt 2024 für ausgestrahlt e.V.
[«20] Workshop „Zwischenlagerung – Eine Stimme den Regionen“ am 8. Oktober 2024. Ergebnisprotokoll vom 24. Oktober 2024.
[«21] Öffentliche Sitzung der Planungsteam Forum Endlagersuche am 19. Februar 2025. Stellungnahme und Fragen von Asta von Oppen von der Gruppe der kommunalen Gebietskörperschaften. Eigene Mitschrift.
[«22] Ebd. Aussagen Dagmar Dehmer, Leiterin der Unternehmenskommunikation bei der BGE.
[«23] Studie des Freiburger Ökoinstituts im Auftrag des BASE.
[«24] Bericht der BGE über die Durchführung des Standortauswahlverfahrens. S. 9-28. Stand 30. September 2024.
[«25] zdf.de Das Atomzeitalter: Vom Abrüsten bis zur Endlagersuche. Höllenfeuer und Hoffnung. 20. Oktober 2023.