Der vom öffentlich-rechtlichen Sender ARD als repräsentativ, somit gültig und wahr bezeichnete DeutschlandTrend hat wieder zugeschlagen. Dieser Trend, eine Umfragesammlung zu den verschiedensten Bereichen, hat zum Thema Verteidigungsausgaben Ernüchterndes für die Kritiker und Jubel-Arien für die Reaktionäre zu melden: 66 Prozent der deutschen Bürger sollen dafür sein, mehr und noch mehr in die Rüstung zu stecken, alle Bremsen zu lösen, nicht nach dem Morgen zu fragen. Und ja, für mehr Geld für Infrastruktur zu sein, das wurde auch ein wenig besprochen, ein schäbiger Taschenspielertrick. Ein Kommentar von Frank Blenz.
Es geht um Rüstung, nicht um die Zivilgesellschaft
Die subtile Fragestellung der ARD-DeutschlandTrend-Umfrage unter der Bürgerschaft des Landes war möglicherweise deshalb mit Zweidrittelmehrheit „pro“ so „ertragreich“, weil die horrenden, die drohenden Summen für Rüstung und für eine ungeheuerliche Militarisierung der Gesellschaft versteckt unter der geschickt formulierten, sachlich klingenden Überschrift „Infrastruktur und Verteidigung“ liefen. Der veröffentlichte und von ARD-Machern geradezu bejubelte „Trend“ wirft Fragen auf: Wie kommt eine Mehrheit darauf, dem Irrsinn zu folgen? Wie kann es sein, dass offenbar wird, dass großspurige Wahlversprechen des Wahlsiegers, also Merz samt C-Parteien, nach dem Votum von genau demselben Merz einkassiert wurden?
Gut. Wer soll etwas gegen Investitionen in unsere maroden Straßen und Brücken haben? Diese natürliche Vernunft jedoch mit dem Wahnsinn Militarisierung zu koppeln, ist perfide. Die Masche, die Taktik, die Hinterlist verfängt aber. Sie wird tagtäglich angewandt, der Wahnsinn wird voll auf Durchzug von den öffentlich-rechtlichen Medien und ihren meinungsmachenden Instrumenten gegen die Bevölkerung getragen, verkauft, eingepeitscht. Immer und immer wieder wird lediglich eine einzige Richtung offenbart und so getan, als wäre das gut und wir die Guten. Das ganze Bild? Fehlanzeige.
Die Macher der Tagesschau finden die bösen Entwicklungen offensichtlich klasse (von wegen pluralistisch) und haben für den braven Bürger auch gleich eine in Wahrheit lächerliche Erklärung parat: Der mächtige weiße Mann hinterm Atlantik schwimmt gerade nicht auf gemeinsamer Welle mit. Wir müssen also selbst ran.
Unwidersprochen lässt der staatliche, unser aller Sender sogleich den Noch-nicht-Kanzler zu Wort kommen. Der ist noch gar nicht im Amt, gerade erst Wahlsieger mit seiner Partei. Er verspricht jetzt ganz offen, noch mehr aufzurüsten nach dem Motto „was auch immer nötig ist“. Der brave Autor des Tagesschau-Artikels leitet seinen Text süffisant und richtig chic angelsächsisch ein (obwohl wir uns doch von den Amerikanern emanzipieren wollen):
„Whatever it takes” – mit diesen Worten hat CDU-Chef Friedrich Merz am Dienstag den Plan für milliardenschwere Investitionen in Verteidigung und Bundeswehr präsentiert. Auf den haben sich CDU, CSU und SPD geeinigt, noch ehe sie sich überhaupt auf eine gemeinsame Regierung verständigt haben.
Die Tagesschau jubelt weiter und erklärt:
Mehrheit zeigt sich in Umfrage offen für mehr Schulden
Mehr Geld für Infrastruktur und Verteidigung – das findet im ARD-DeutschlandTrend breite Zustimmung. Dass dafür mehr Schulden in Kauf genommen würden, hat auch mit Trump zu tun: Das Vertrauen in die USA ist auf einem Tiefpunkt.
„Angesichts der Bedrohungen unserer Freiheit und des Friedens auf unserem Kontinent”, so Merz, solle für die Verteidigung künftig das Motto „was auch immer nötig ist” gelten. Dafür wollen CDU, CSU und SPD Ausnahmen bei der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse durchsetzen.
Quelle: Tagesschau
Auf eine falsche Fährte gelockt
Damit der deutsche Michel sich nicht erschrickt, damit er die Kröte der fortwährenden Militarisierung schluckt und sogar aktiv und begeistert mitmischt, wurde der Bürger auf eine falsche Fährte gelockt. Rüstung pur schreckt auf, aber so? Bis vor wenigen Wochen war von diesem „Sondervermögen“ noch gar nicht die Rede, nun soll es auf einmal sogar viel Geld für ganz und gar nicht Militärisches geben:
Zusätzlich soll ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro für Investitionen in die Infrastruktur her, um die Wirtschaft anzukurbeln. Für beides wird eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag benötigt.
Siehe da! Die Bevölkerung ist nach dem DeutschlandTrend schon schneller als der Bundestag und in passender Zwei-Drittel-Mehrheit-Stimmung. Der Bundestag muss nur noch mitziehen. Das sei unbedingt erwähnt: Der angesprochene Bundestag einschließlich der dortigen Machtverhältnisse ist schon abgewählt. Doch genau diese alten Verhältnisse versprechen Merz und seinen reaktionären Planern und Polittaktikern womöglich die Durchsetzung wahnsinniger Konzepte. Soll dieses Ansinnen wirklich Realität werden? So eine Frage wird DeutschlandTrend eher nicht repräsentativ stellen beziehungsweise gelenkt beantwortet haben wollen.
Man feuert anders aus allen Rohren: ARD-DeutschlandTrend, das klingt zweifach seriös und gültig: 1. Der öffentlich-rechtliche Sender genießt noch traditionell Vertrauen in der Bevölkerung. 2. Einen Trend für das ganze Land gültig zu erklären, wer soll danach etwas dagegen einzuwenden haben?
Die Tagesschau macht bei dem gegenwärtigen Spiel mit. Der perfide Trick: Die Infrastruktur wurde bei dem Wahnsinn Rüstung mit ins Spiel gebracht. Infrastruktur? Da war doch was!? Ja, die ist wirklich marode. Nur allzu vernünftig ist es deshalb, neben der ja wirklich ach so notwendigen Aufrüstung auch in diesem Bereich etwas zu unternehmen. Und schwupps: Der Umfragetrend bewegt sich hin zu einer seltsamen Offenheit der deutschen Bevölkerung für all diese Summen. Was verschwiegen wird: Das viele Geld gibt es nur in Verbindung mit der Militarisierung … Nebenbei: Die Erneuerung der deutschen Infrastruktur steht auch und gerade auf dem Zettel militärischer Planer. Für die Kriegstüchtigkeit müssen Straßen, Brücken, Schienen, Häfen usw. auf Vordermann gebracht werden – Infrastruktur halt. Und nochmal ein „Nebenbei“: Von sozialer, kultureller, medizinischer und Bildungsinfrastruktur ist nirgends die Rede; von „Wir müssen sparen“ in den vielen Kommunen des Landes im Zwei-Drittel-Mehrheit-Taumel für Rüstung schon.
Nicht auf die falsche Fährte locken lassen
Den vielen, zu vielen Zustimmenden sei zugerufen: Fällt Ihnen eigentlich auf, dass Ihre Zustimmung ergaunert wurde? Das gelang durch das Weglassen von wichtigen Informationen, durch das Weglassen von Gegenfragen, Gegenproben, durch das Verhüllen des ganzen Bildes – durch Meinungsmache, permanent.
Was fehlt bei Tagesschau und Co.? Wo stehen neben den permanenten Sätzen wie „Wir müssen aufrüsten“, „Wir müssen kriegstüchtig werden“, „Wir müssen Europa militärisch stärken“ solche Worte: „Wir müssen abrüsten“, „Wir brauchen ein friedliches, soziales Europa“, „Wir wollen gute Nachbarn sein“, „Wir müssen Feindbilder, Konfrontationen und Ablehnung abbauen“?
Sie werden solche Sätze durchaus finden, wenn Sie die Probe in ihrer persönlichen Umgebung bei kritischen Menschen, Mitbürgern mit einem gesunden Misstrauen machen. Schauen Sie nicht nur in meinungsführende, angesagte Medien. Sehen Sie nicht nur die hochgepushten populären TV-Shows und Nachrichtensendungen. Machen Sie sich das ganze Bild, indem Sie sich vielfältig medial, privat, in der Gesellschaft informieren. Fragen Sie stets und geduldig nach, ob der ganze Rüstungswahn wirklich populär ist!
Mein persönliches Erleben ist davon geprägt, dass ich bisher zum Glück keinen Mitmenschen getroffen habe, bei dem im Gespräch – mal ein kurzes, mal ein ausgiebigeres – der Spruch kam: Das ist in Ordnung mit der Rüstung, das müssen wir jetzt machen, da müssen wir jetzt durch. Stets habe ich Menschen getroffen und welche um mich wissend, die den Kopf schütteln ob des Fanatismus für die Militarisierung unserer Gesellschaft in allen Bereichen. Diese Mitmenschen gehören also zu dem verbliebenen Drittel. Sie sind gerade ohne große Chance, gehört zu werden. Dieses Drittel wird tatsächlich nicht von Tagesschau und Konsorten abgebildet …
Wie sehr durch Weglassen der Gegenfrage, der Gegenperspektive durch Medien, die das Sagen haben, ein einseitiges, ein geschlossenes, somit vorerst gültiges Bild erzeugt wird, sah ich an einem kleinen Beispiel: der medialen Begleitung des Selenskyj-Besuches in Washington.
Der ukrainische Staatschef hatte Streit im Weißen Haus. Eine deutsche TV-Korrespondentin in Kiew, immerhin die journalistische Zeitzeugin für uns in der Ukraine, berichtete, dass die Kiewer entsetzt gewesen seien. Nicht über Selenskyj, sondern darüber, wie er behandelt worden sei. Die Korrespondentin verbreitete, das Entsetzen der Bürger sei groß und der Schulterschluss geschlossen. Was sie unterließ: die andere Seite des Landes. Informationen über die Befindlichkeiten der einfachen Ukrainer erfuhr ich nicht durch sie, sondern durch einen Freund, der Ukrainer aus familiären, freundschaftlichen und beruflichen Begegnungen kennt. Der sagte: Viele Ukrainer seien tatsächlich entsetzt, und zwar über die Sturheit und die Unnachgiebigkeit ihres Präsidenten. Sie verstehen nicht, dass er fortwährend so fanatisch handelt, was nur auf Kriegsverlängerung und weiteres Leiden hinausläuft – ein Leiden, das nicht der Präsident, sondern seine Soldaten, seine Zivilgesellschaft ertragen müssten.
Und Deutschland? Die politische Klasse will keinen Frieden
Die Lektüre alternativer Medien und Schriften lohnt. Was Tagesschau nicht bringt und doch dem mündigen Bürger hätte anbieten müssen, sind Worte der Gegenseite. Hier welche von Sahra Wagenknecht:
Das ist das wahnwitzigste Aufrüstungspaket und der größte Wählerbetrug in der Geschichte der Bundesrepublik! Alle Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen von den Beschränkungen der Schuldenbremse ausgenommen werden. Was das bedeutet? 100 Milliarden? 500 Milliarden? 1000 Milliarden? „Whatever it takes“, sagt Friedrich Merz. Das Geld wird zudem nicht nur in die Bundeswehr, sondern vor allem auch in das ukrainische Militär fließen. Diese Ausnahme von der Schuldenbremse ist ein faktischer Dauerauftrag des deutschen Steuerzahlers an die Aufrüstung der Ukraine.
Die Gegenseite, hier Wagenknecht, kritisiert indes nicht nur, sie macht auch Vorschläge, welche Tagesschau und herrschende Politik gerade nicht beeindrucken:
Genau umgekehrt müsste Deutschland vorgehen: Harte Schuldenregeln bei Rüstungsausgaben und eine Öffnung der Schuldenbremse für sinnvolle Investitionen in die Infrastruktur. Die 500 Milliarden Sondervermögen für die Infrastruktur sind dagegen nichts als ein Feigenblatt für höhere Rüstungsausgaben.
Zusammenfassung – der Zwei-Drittel-Mehrheit wird die Wahrheit verschwiegen
Was sind das für Zeiten? Wie kann man dafür sein, Zwei-Drittel-Mehrheit? Die monströse Rüstungsorgie wäre die größte Neuverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik, Hunderte Milliarden würden bewilligt, es gäbe potenziell keine Obergrenze. Nirgends sind, wohlweislich ein Augenöffner für die Menschen, konkrete Mehrsummen zu lesen. Die konkrete Zahl gibt es nur in Sachen Infrastruktur: 500 Milliarden Euro. Die reaktionären Experten des bösen Treibens denken schon mal weiter, die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse solle angepasst werden, auf dass die enormen und „nicht planbaren“ Rüstungsausgaben ausgenommen wären, die über einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Nach oben soll es keine Deckelung geben, ermöglicht werden damit also theoretisch unbegrenzte Kredite.
Da sage noch mal einer, wir haben kein Geld.
Titelbild: Screenshot Tagesschau