Friede Springer, Großaktionärin des Springer-Imperiums, wird neueste Berliner Ehrenbürgerin

Friede Springer, Großaktionärin des Springer-Imperiums, wird neueste Berliner Ehrenbürgerin

Friede Springer, Großaktionärin des Springer-Imperiums, wird neueste Berliner Ehrenbürgerin

Ein Artikel von Frank Blenz

Die Hauptstadt Berlin hat selten einen besonderen Titel zu vergeben: Ehrenbürger Berlin. Jetzt – in reaktionären, rückwärtsgewandten Zeiten – wurde diese Ehrung im Roten Rathaus folgerichtig einer Persönlichkeit zuteil, die den Zeitgeist trefflichst verkörpert: Springer-Verlegerin und Aktionärin Friede Springer. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) lobte die Grand Dame der Boulevardpresse ausschweifend in den höchsten Tönen. Schließlich habe die sozial engagierte Frau einen kleinen Teil ihres Vermögens zur Förderung einer medizinischen Einrichtung Berlins bereitgestellt, ein Klacks für die Milliardärin. Ein Zwischenruf von Frank Blenz.

Elite ehrt Elite

Das hat schon was, das ist einleuchtend, könnte einem einfallen, denkt man an die neueste Ernennung eines Mitbürgers, hier einer Mitbürgerin, in die Liste der wenigen auserwählten Ehrenbürger Berlins, die den Titel also wahrlich verdient haben muss: eine reiche, was sage ich, eine superreiche Frau, charmant, zurückhaltend, klug, einflussreich. Sie macht all das, was sie eigentlich macht, und zwar knallharte Politik mittels Medienmacht doch in Wahrheit nur, um ihre hohen Erträge daraus, also wenigstens einen kleinen Teil davon, für soziale Zwecke zu spenden, nicht wahr? Wie spendabel, wie ehrenvoll. Logisch: Friede Springer ist völlig zu Recht Berlins neueste Ehrenbürgerin, in der Liste auf Platz 129 stehend.

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) schien sich gar nicht mehr einzukriegen, als er sich mit der großen Dame des Boulevards und der anderen Titel aus der Sparte großbürgerliche Presse zum Erinnerungsfoto mit Urkunde ablichten ließ. Politische Elite ehrt wirtschaftliche, publizistische, politische Elite, kam mir in den Sinn. Schaut auf diese Frau, schaut auf das, was sie leistete und leistet. Komisch, von ihrer einflussreichen, mächtigen, ambivalenten Medienarbeit war nicht die Rede. Der Regierende Oberberliner lobte anderes, was das Zeug hielt:

Wegner vorab: „Das Bekenntnis zu Berlin, zu Freiheit und Demokratie hat immer im Zentrum des unternehmerischen und gesellschaftlichen Engagements von Friede Springer gestanden. Als stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende begleitet Friede Springer die Axel Springer SE auf dem Weg der Transformation zu einem digitalen Unternehmen, das vom Standort Berlin aus im internationalen Wettbewerb bestehen muss. Unternehmertum in sozialer Verantwortung gehört zur Tradition ihres Hauses. Das spiegelt die großzügige Unterstützung, die Friede Springer in unserer Stadt und unserem Land, aber auch international leistet. Institutionen, die diesem Engagement dienen, sind die Axel Springer Stiftung, die Friede Springer Herz Stiftung, die Friede Springer Stiftung und zuletzt das Friede Springer Cardiovascular Prevention Center at Charité. Dessen Aufbau wird mit einem Betrag von bis zu 70 Millionen Euro gefördert. Dieses Engagement in der Medizin- und Gesundheitsforschung kommt dem Gesundheitsstandort Berlin und damit uns allen zugute.“

Wegner weiter: „Friede Springer hat immer wieder die Herausforderungen des Lebens und der Zeiten angenommen und bestanden. Seit vielen Jahren setzt sie sich auch aktiv für die Stärkung der Beziehungen zwischen Deutschland und Israel ein. Dabei unterstützt sie eine Vielzahl von Projekten der Gedenkkultur in Berlin, um die Geschichte der Shoah wachzuhalten und jungen Menschen ein Bewusstsein für die historische Verantwortung und Versöhnung zu vermitteln. Ihr unermüdliches Engagement und ihr bescheidenes und zugleich entschlossenes Auftreten machen sie zu einer sehr geschätzten Persönlichkeit. Unsere neue Ehrenbürgerin hat sich um unser Berlin verdient gemacht.“

(Quelle: Berlin.de)

Für all die hässlichen BILD-Schlagzeilen wurde Friede Springer nicht ausgezeichnet

Das Lob von Wegner aufnehmend, ist an und für sich wenig dagegen einzuwenden, es zu begrüßen, dass eine Bürgerin wie Friede Springer sich zu ihrer Stadt bekennt, zu Freiheit und Demokratie, wenn sie sozial eingestellt für ihre Mitarbeiter agiert, wenn sie ein paar Teile ihre überreichlich vorhandenen Mittel und Möglichkeiten für diese und für die Gesellschaft einsetzt.

Doch steht Friede Springer eben für mehr als das. Springer ist vor allem knallharte Unternehmerin und Großaktionärin des Springer-Imperiums, die stets nah an der Macht weilt. Nicht umsonst war und ist sie eine enge Freundin von Altkanzlerin Angela Merkel. Das Springer-Geschäftsmodell, dessen inhaltliche, politische, strategische Ausrichtung haben indes wenig mit einer liebreizenden Friede Springer zu tun. Verständlicherweise wurde diese Wahrheit offensichtlich bewusst oder nachlässig lieber nicht von Wegner besprochen. Aufatmend wäre einerseits zu sagen: BILD und Co. und die tagtäglich oft fragwürdigen, heftigen, zynischen Schlagzeilen sind nicht ausgezeichnet worden. Dafür Ehrenbürger zu werden, wäre fragwürdig.

Doch andererseits ist zu erahnen, dass Kai Wegner tatsächlich durchaus den Unternehmensstil, den Inhalt, die Ausrichtung, die Abgehobenheit von Vertretern der elitären Welt wie Friede Springer mit dem Titel Ehrenbürger honorierte. Sie ist eben eine von uns, eine der sogenannten Mitte, eine, die für unsere konservativen Werte steht und so weiter. Nebenbei, Friede Springer ist schon öfter ausgezeichnet worden: Bundesverdienstkreuz mit Stern, Verdienstorden des Landes Berlin, Bayerischer Verdienstorden.

Ein dichtes Verbreitungsnetz für fragwürdige Weltsichten und mediale Methoden

Denke ich an den Namen Springer, kommt mir sofort die Zeitung mit den vier großen Buchstaben in den Sinn. Ich bin schaudernd fasziniert wie auch misstrauisch und ablehnend ob der Energie, die von Springer ausgeht, welche Reichweite Springer erlangt hat. Bis heute. Dem Wort BILD entkommt kein Mensch, der sich in urbanen Räumen unseres Landes aufhält. Die vier Buchstaben auf der Titelseite der gleichnamigen Gazette schreien einen überall an, wo Zeitungen verkauft werden beziehungsweise die cleveren Verkaufsstrategen des Springer-Imperiums meinen, nah am Volk zu sein und ihre Produkte zu verbreiten: beim Bäcker, an der Tankstelle, am Kiosk und einst in den Händen Schlagzeilen ausrufender Zeitungsboten landauf und landab in unseren Städten. Springer ist längst nicht nur die Vier-Buchstaben-Zeitung. Der Name steht für ein bedrohliches Imperium, empfinde ich, für einen großen Konzern, der über beeindruckend wie beängstigend große Reichweite verfügt, zahlreiche Produkte hält, Umsätze erzielt (und Gewinne), die staunen lassen und in unserer bundesrepublikanischen Gesellschaft enormen Einfluss bis in die Herzen und Hirne von Menschen hat.

„Ich lese keine BILD, ich doch nicht.“, wer kennt diesen Spruch nicht von Menschen aus dem eigenen Umfeld, vielleicht gar von sich selbst? Zugegeben: Um das ganze Bild zu bekommen, um eine Neuigkeit etwas schneller zu erfahren und dazu noch erste detailliertere, bislang unveröffentlichte Nachrichten zu erhaschen, wäre diese deutsche Boulevardpresse mitunter „empfehlenswert“, weil sie schneller, direkter, härter, unbarmherziger als andere Medienanbieter ihre Arbeit serviert. Wenn die Meute loslegt, also die von Springer, gibt es kein Halten mehr. Was aber schlimmerweise vom Publikum durchgewinkt wird, ist: Springer ist anmaßend – meist wird in persönlicher Ansprache suggeriert, für ein ganzes Land, für deren Menschen zu sprechen. Die Springer-Leute ziehen vielfältige Trümpfe, um das Publikum zu beeinflussen, Meinung „zu machen“, die Springer-Imperium-Weltsicht von Freiheit und Demokratie unentwegt zu verbreiten. Freiheit und Demokratie sind dabei nur Schlagworte. Auf der einen Seite gibt sich Springer mit der Welt oder dem Welt TV seriös und stilvoll, auf der anderen Seite wird wie bei BILD grob hingelangt und nicht selten gegen die Schwachen der Gesellschaft ausgeteilt.

Springer verdiente den Ehrentitel, wenn …

Die Ehre wurde Friede Springer sehr wohl zuteil, weil sie die Führungsperson des Medien-Imperiums ist, doch genau das ist nicht verdient. Der Titel wäre verdient, würde Friede Springer für einen sozialen, gesellschaftskritischen Stil stehen, der Missstände nicht nur aufdeckt, Sauereien benennt, sondern auch Forderungen – vielleicht sogar im BILD-Stil – stellen würde.

Beispiel? Der andauernde Skandal der längst aus dem Ufer gelaufenen Mietpreise würde gut zum sozialen Engagement Friede Springers passen. Wie wäre es also mit einer Kampagne samt entsprechender Schlagzeilen wie der Forderung „Wir fordern Mietpreisdeckel! Dauerhaft!“?

Noch ein Beispiel. Wie wäre es mit einer Schlagzeilenserie: „Lieber Kanzler! Steig in den Flieger nach Moskau und mach endlich Frieden!“, „Wir brauchen keine neuen Waffen“, „Empörend: Rheinmetall-Aktien gehen durch die Decke – wie lange noch?“, „Macht endlich Frieden im Nahen Osten“?

Und schließlich noch eine Idee in Sachen Verteilung und soziale Gerechtigkeit: „BILD fordert Wiedereinführung der Vermögenssteuer“, Unterzeile: „Es ist genug – Reichtum endlich limitieren.“

Abschließend: Der Titel hat noch mehr zu bieten für die neue Trägerin

Friede Springer braucht indes nicht fürchten, dass das etwas wird mit der Vermögenssteuer. Passenderweise setzt sich ihr Medien-Imperium anderweitig ein, und sie selbst gibt die engagierte und gönnerhafte Frau mit allerlei Stiftungen und einhergehender Kontrolle über ihre Mittel und Möglichkeiten. Nun kann sie sich auf weitere Zugaben freuen:

Ehrenbürger erhalten einige Privilegien, auf die sie jedoch keinen Rechtsanspruch haben. Dazu zählt ein Porträtgemälde eines Künstlers ihrer Wahl, das später in einer Galerie im Abgeordnetenhaus ausgestellt wird. Dort hängen inzwischen 57 solche Porträts. Darüber hinaus werden Ehrenbürger als Ehrengäste zu Veranstaltungen des Landes wie Feierlichkeiten und Empfängen eingeladen. Falls sie bedürftig werden, erhalten sie eine “Ehrenversorgung”. Wenn sie sterben, übernimmt das Land die Kosten für ihr Begräbnis und sie erhalten eine Ehrengrabstelle auf einem Berliner Friedhof.

(Quelle: RBB24)

Titelbild: Screenshot rbb

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