Wieso traf sich Wirtschaftsminister Habeck in seiner Amtszeit über 180-mal mit Rüstungslobbyisten?

Wieso traf sich Wirtschaftsminister Habeck in seiner Amtszeit über 180-mal mit Rüstungslobbyisten?

Wieso traf sich Wirtschaftsminister Habeck in seiner Amtszeit über 180-mal mit Rüstungslobbyisten?

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Auf eine Anfrage des BSW nach Drehtüreffekten zwischen Bundesverteidigungsministerium und „Interessenverbänden der Rüstungsindustrie“ antwortete die Bundesregierung, dass seit 2022 über 400 Bundeswehrangehörige und fünf Ministerial-Beamte direkt zu Rüstungskonzernen wie Rheinmetall, ThysenKrupp, Diehl Defence und Krauss-Maffei gewechselt sind. Das Ganze ohne jede Karenzzeit. D.h. ein zuvor für die Waffenbeschaffung zuständiger Beamter kann umgehend auf die andere Seite als Lobbyist für Waffenverkäufe wechseln. Zudem kam durch die Anfrage heraus, dass Wirtschaftsminister Habeck sich in seiner Amtszeit 181-mal mit Rüstungslobbyisten traf. Das entspricht mehr als einem Treffen pro Woche. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, wie das Fehlen der Karenzzeit und die Anzahl der Lobby-Treffen von Habeck gerechtfertigt werden. Von Florian Warweg.

Wie rechtfertigt Habeck 181 Treffen mit Rüstungslobbyisten?

Die BSW-Gruppe im Bundestag wollte in einer Kleinen Anfrage mit dem Titel „Kontakte der Bundesregierung zur Rüstungsindustrie“ (Drucksache 20/14635), initiiert von Christian Leye, unter anderem von der Bundesregierung wissen, wie oft sich Wirtschaftsminister Robert Habeck, der sich seit April 2024 regelmäßig als „Rüstungsindustrieminister“ bezeichnete, in seiner Amtszeit mit Rüstungslobbyisten traf sowie wie viele Mitarbeiter unter der Ampelregierung von Bundesministerien und der Bundeswehr „zu einem Unternehmen oder Interessenverband der Rüstungsindustrie“ gewechselt sind. Die Antworten haben es in sich.

So präsentiert die Bundesregierung auf die Frage nach Treffen von Habeck mit Interessenverbänden der Rüstungsindustrie eine 26 Seiten umfassende Liste, auf der sage und schreibe 181 solcher Treffen im Zeitraum von 2022 bis Ende 2024 aufgeführt werden. Das ergibt einen Durchschnitt von einem Treffen pro Woche mit Vertretern der Rüstungsindustrie. Bei dieser Kalkulation sind die zweimonatige parlamentarische Sommerpause pro Jahr sowie die Urlaubstage von Habeck noch nicht mit eingerechnet.

Der fragwürdige Drehtüreffekt zwischen Bundeswehr und Rüstungsindustrie

Ebenfalls bemerkenswert ist die Antwort der Bundesregierung auf die Frage des BSW nach Wechseln zwischen Mitarbeitern des Verteidigungsministeriums und der Bundeswehr zu Rüstungsunternehmen. Von Oktober 2021 bis Mitte Dezember 2024 seien 411 Ministerialbeamte und Soldaten in die Rüstungsindustrie gewechselt:

„Im Erhebungszeitraum vom 26. Oktober 2021 bis 13. Dezember 2024 haben aus dem Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) und dem entsprechenden Geschäftsbereich insgesamt 411 Bundeswehrangehörige (406 Soldaten und fünf Beamte) beabsichtigte Tätigkeiten nach Beendigung des Dienstverhältnisses bei einem Unternehmen oder Interessenverband der Rüstungsindustrie angezeigt.“

Die dann folgende Auflistung der konkreten Rüstungsunternehmen umfasst das gesamte „Who is who“ der deutschen und europäischen Rüstungsindustrie:

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 26. Februar 2025

Frage Warweg
Auf eine Anfrage des BSW nach dem Drehtüreffekt zwischen Bundesverteidigungsministerium, Bundeswehr und Unternehmen oder Interessensverbänden der Rüstungsindustrie antwortet die Bundesregierung, dass unter ihrer Ägide 411 Bundeswehrangehörige, darunter fünf Ministerialbeamte, direkt zu Rüstungskonzernen wie Rheinmetall, ThyssenKrupp, Diehl Defence und Krauss-Maffei gewechselt sind, und das Ganze ohne jede Karenzzeit. Das heißt, ein Beamter, der zuvor für die Waffenbeschaffung tätig war, kann völlig umgehend als Lobbyist für Waffenverkäufe auf die andere Seite wechseln. Da würde mich grundsätzlich interessieren, wieso das BMVg in solchen Fällen, in denen der Interessenswiderspruch evident ist, keine Karenzzeit vorsieht.

Stempfle (BMVg)
Ich reiche die Antwort nach.

Zusatzfrage Warweg
In derselben Anfrage wird nach dem Treffen von Wirtschaftsminister Habeck mit Vertretern der Rüstungsindustrie gefragt, und daraufhin hat die Bundesregierung eine erstaunlich lange Liste vorgelegt, auf der 178 solcher Treffen seit Amtsantritt von Habeck 2022 bis Ende 2024 aufgeführt sind. Das ergibt ja umgerechnet ein Treffen pro Woche mit Rüstungslobbyisten. Da würde mich interessieren: Wie rechtfertigt Herr Habeck diese enorme Anzahl an Vertretern der Rüstungslobby in seiner Amtszeit?

Einhorn (BMWK)
Wir wissen ja alle, was – ich glaube, es war vorgestern – vor drei Jahren mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine passiert ist. Das hat – auch das ist hier sehr häufig besprochen worden – natürlich auch in der Rüstungspolitik und mit den Rüstungsunternehmen viel Austausch in Deutschland erfordert. Das ist also der Zusammenhang, in dem diese Treffen vornehmlich zu sehen sind.

Zu der Gesamtzahl kann ich jetzt nichts sagen. Das sind vielleicht auch Treffen, bei denen mehrere Unternehmen an einem Termin teilgenommen haben. Das ist jetzt aber nur eine Mutmaßung. Die Antworten auf eventuelle konkrete Nachfragen müsste ich nachreichen.


In diesem Fall lieferte (Rubrik Zeichen und Wunder) das Verteidigungsministerium tatsächlich die angekündigte Nachreichung einen Tag später nach:

„Nach Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. Dieser verfassungsrechtliche Grundsatz gilt selbstverständlich auch für alle (ehemaligen) Angehörigen des Bundesministeriums der Verteidigung und der Bundeswehr.

Die einfachgesetzlichen Regelungen des Soldatengesetzes (§ 20a SG) und des Bundesbeamtengesetzes (§ 105 BBG) sehen für den jeweils adressierten Personenkreis eine Anzeigepflicht vor. Anzeigepflichtig im Sinne der genannten Normen sind beabsichtigte Erwerbstätigkeiten oder sonstige Beschäftigungen außerhalb des öffentlichen Dienstes, die mit der dienstlichen Tätigkeit (der anzeigenden Person) in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden aus dem Wehrdienst bzw. vor Beendigung des Beamtenverhältnisses im Zusammenhang stehen und durch die dienstliche Interessen beeinträchtigt werden können. Für politische Beamtinnen und Beamte und solche, die sicherheitsempfindliche Tätigkeiten ausgeübt haben, gilt die Anzeigepflicht für jede Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes. Für beabsichtigte Beschäftigungen für eine fremde Macht oder einen ihrer Mittelsmänner ordnen die obigen Vorschriften eine weitergehende Genehmigungspflicht an. Für ausgeschiedene Tarifbeschäftigte besteht keine Anzeige- oder Genehmigungspflicht. Soweit die Besorgnis besteht, dass durch die beabsichtigte Beschäftigung nach Beendigung des Dienstverhältnisses dienstliche Interessen beeinträchtigt werden, ist die Anschlusstätigkeit zu unter- bzw. zu versagen; ein Ermessen besteht insofern nicht. Wie für das vollumfängliche Beschäftigungsverbot, sind auch sonstige in Betracht kommende Einschränkungen von Anschlusstätigkeiten (z.B. Anordnung von Auflagen oder Teilverboten) je nach Fallkonstellation für einen Zeitraum bis maximal zehn Jahre nach Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis auszusprechen. Dies erfolgt stets aufgrund einer individuellen Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Die Maßnahmen reichen damit in ihrer die Berufsausübungsfreiheit einschränkenden (zeitlichen) Wirkmöglichkeit über Karenzzeitregelungen aus anderen Bereichen deutlich hinaus. Im Übrigen gilt für alle Statusgruppen auch nach Beendigung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses die weiter, zeitlich unbegrenzt fortbestehende Pflicht zur (Amts-)Verschwiegenheit (vgl. § 14 SG, § 67 BBG, § 3 Abs. 1 TVöD).

Darüber hinaus gibt es keine gesetzlichen Regelungen, die den mit einer allgemeinen Karenzzeit oder ähnlichem verbundenen Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit rechtfertigen könnten.“

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 26.02.2025

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