Ein Steuerabkommen mit Sollbruchstellen
Die Bundesländer mit Regierungsbeteiligung der SPD, der Grünen und der Linkspartei verweigern bislang immer noch standhaft ihre Zustimmung zum nachverhandelten Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz. Und das ist gut so! Es ist besser kein Abkommen als dieses Abkommen zu unterzeichnen. Noch besser wäre es jedoch, das Bundesfinanzministerium nähme sich ein Beispiel an den US-Behörden und würde ein vernünftiges bilaterales Abkommen anstreben und gleichzeitig auf EU-Ebene eine multilaterale Basis schaffen, um Steuerhinterziehung wirkungsvoll zu bekämpfen. Doch daran scheint die deutsche Regierung kein Interesse zu haben. Von Jens Berger.
Zumindest Angela Merkel tut so, als habe sie nicht das geringste Verständnis dafür, dass einige Bundesländer das Steuerabkommen mit der Schweiz ablehnen. Die Länder sollten doch froh sein, dass sie durch das Abkommen zumindest einen kleinen Teil der hinterzogenen Gelder zurückbekämen, so die Kanzlerin sinngemäß. Das ist freilich ziemlich starker Tobak, wenn man bedenkt, dass ja der Staat – und somit wir alle – Opfer der Steuerhinterziehung in zwei- bis dreistelliger Milliardenhöhe sind; Opfer einer schweren Straftat, die mit einer Haftstrafe von bis zu zehn Jahren geahndet werden kann; eine Straftat, die von Schweizer Banken sogar gewerbsmäßig unterstützt wird. Angela Merkels Argumentation hat jedoch noch einen weiteren äußerst unerfreulichen Fehler. Sie versucht das Steuerabkommen als alternativlos darzustellen, die Länder sollten doch froh sein, wenn man ihnen den Spatz in der Hand feilbietet, die Taube auf dem Dach sei ohnehin nicht greifbar. Doch genau diese Argumentation ist – fahrlässig oder vorsätzlich – falsch. Bessere Alternativen sind nicht nur greifbar, sie drängen sich vielmehr förmlich auf.
Auf europäischer Ebene wird seit mehr als drei Jahren im Europäischen Rat (im ECOFIN) eine Ausweitung der gemeinsamen Zinsbesteuerungsrichtlinie debattiert. Bereits der erste Entwurf der Novelle sah sehr weitreichende Reformen vor, mit denen man die vorhandenen Schlupflöcher für Steuerhinterzieher wirkungsvoll schließen würde und die den Staaten der EU wirksame Werkzeuge zur Verfolgung von Steuerstraftaten in die Hand geben würde. Es ist vollkommen klar, dass nicht alle EU-Staaten ein Interesse daran haben, die Steuerkriminalität innerhalb der EU zu unterbinden, profitieren ihre Banken doch selbst vom Geld der Kriminellen. Der Widerstand von Luxemburg und Österreich war somit nicht wirklich überraschend. Überraschender ist es da schon, dass ausgerechnet das deutsche Finanzministerium im Februar dieses Jahres dafür gesorgt hat, dass die Novelle von der Tagesordnung des ECOFIN verschwindet. Der deutsche Frontalangriff ergibt nur dann einen Sinn, wenn man dem Finanzministerium unterstellt, dass es einerseits gar keine wirkungsvolle Bekämpfung der Steuerkriminalität will und andererseits das bilaterale Steuerabkommen mit der Schweiz nicht durch ein wesentlich wirkungsvolleres Abkommen auf europäischer Ebene gefährden will.
Um das geplante Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz möglichst objektiv bewerten zu können, lohnt es sich daher auch, seine Schwachstellen auszuloten und mit dem ECOFIN-Entwurf zu vergleichen. Gleichzeitig bietet sich auch noch ein Vergleich mit dem Steuerabkommen zwischen den USA und der Schweiz an, das durch den massiven Druck seitens der amerikanischen Steuerbehörde IRS kurz vor dem Abschluss steht und zeigt, dass die Schweiz auch bilaterale Abkommen unterzeichnet, die – aus Sicht der Kriminalitätsbekämpfung – weitaus effektiver sind als der aktuelle deutsch-schweizer Entwurf.
Schwach- und Sollbruchstellen des Steuerabkommens
- Das Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz betrifft ausschließlich Konten, deren Inhaber eine natürliche Person ist, die in Deutschland ansässig ist.
Wer der Besteuerung entgehen will, muss demnach nur eine Körperschaft (z.B. GbR oder OHG) gründen und sein Konto auf diese Körperschaft umschreiben. Wer es noch sicherer haben will, der gründet einfach eine „Limited“ in Großbritannien, Malta oder Zypern und unterläuft damit das Abkommen gleich doppelt, da der Konteninhaber nun weder eine natürliche Person, noch in Deutschland ansässig ist.
Der ECOFIN-Entwurf für die EU-Zinsrichtlinie würde auch juristische Personen wie GbRs und OHGs umfassen, da die Geschäftsführung dieser Gesellschaften eine sogenannte „Zahlstelle kraft Vereinnahmung“ [PDF – 120 KB] würde und dem Fiskus die Nutzungsberechtigten mitteilen müsste. Da es sich um eine EU-Richtlinie handelt, würde dies sogar für Briefkastenfirmen in Großbritannien, Malta und Zypern gelten.
Das Steuerabkommen zwischen den USA und der Schweiz sieht bei juristischen Personen eine Trennung nach Verteilung der Stimmrechte/Anteile vor. Wird eine Unternehmung mehrheitlich von US-Amerikanern kontrolliert/gehalten, unterliegt sie dem Steuerabkommen.
Diese „kleinen“ Umgehungen sind natürlich eher etwas für die Amateure unter den Steuerhinterziehern, professionelle Steuerbetrüger haben ganz andere Möglichkeiten, Straftaten zu begehen und zu vertuschen.
- Das Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz schließt ganz explizit Trusts und Stiftungen aus.
Was für die großen Fische schon längst gängige Praxis ist, könnte durch das Steuerabkommen auch für bislang eher unbedeutende Steuerhinterzieher zur Regel werden. Wenn ein Schweizer Konto weder einer Person, noch einem Unternehmen, sondern einem Trust oder einer Stiftung „gehört“, fällt es ausdrücklich auch nicht [PDF – 320 KB] unter das Steuerabkommen. Voraussetzung dafür ist, dass der Stifter keine „feststehende wirtschaftliche Berechtigung“ auf die Vermögenswerte der Stiftung hat. Dies ist bei Stiftungsmodellen aus Liechtenstein, den Kanalinseln oder den karibischen „Steueroasen“ pro forma der Fall – de facto bestimmt der Stifter freilich auch bei diesen Modellen über die Vermögenswerte der Stiftung.
Hintergrundinformationen: Jens Berger – Whistleblower vor Gericht – die Rudolf-Elmer-Story
Das Problem bei solchen Modellen ist eher der Rückfluss der Vermögenswerte. Der Stifter kann beispielsweise seine eigene Stiftung „beraten“ und dafür jedes erdenkliche Honorar verlangen. Selbstverständlich ist dieses Honorar jedoch ein zu versteuerndes Einkommen. Wer das Geld lieber gar nicht versteuern will, findet jedoch dafür auch Mittel und Wege. Sehr beliebt sind beispielsweise Immobilienkäufe über die Stiftung. Pro forma lebt man dann in einer Villa, die der eigenen Stiftung gehört und zahlt – je nach Ermessen – eine symbolische Miete an die eigene Stiftung. Was für Immobilien gilt, gilt auch für Luxuswagen, Yachten und Flugzeuge, die man in diesem Falle von der eigenen Stiftung least. Wer es ganz bunt treiben will, kann auch die teure Ausbildung der eigenen Kinder über ein selbst geschaffenes Stipendium seiner Stiftung finanzieren. Dieses Stipendienmodell ist übrigens auch ein sehr beliebtes Instrument bei der Bestechung von Staatsbeamten, da das Bestechungsgeld nicht über Konten läuft, die von der Staatsanwaltschaft offengelegt werden könnten. Die Liste von Beamtenkindern aus Staaten wie Turkmenistan oder China, die auf Kosten einer Liechtensteiner Stiftung eine feine Privatschule in der Schweiz besuchen, ist lang.
Wenn ein deutscher Staatsbürger bereits heute ein solches Stiftungsmodell betreibt, ist er auch in Zukunft vor dem Zugriff des deutschen Fiskus sicher. Hat er bis dato ein Schweizer Konto, das auf seinen Namen läuft, kann er es schon morgen in ein Stiftungskonto umwandeln. Die dafür notwendigen Formulare liegen bereits in den Schreibtischschubladen der Kundenberater – dies ist ein offenes Geheimnis.
Sowohl der ECOFIN-Entwurf als auch das Steuerabkommen zwischen den USA und der Schweiz sehen keine Ausnahmeregelungen für Trusts und Stiftungen vor. Der ECOFIN-Entwurf dreht beispielsweise den Spieß einfach um und unterstellt, dass der Stifter/Treugeber auch der Nutznießer ist und unterlegt die Einnahmen der Stiftung der Steuerpflicht im Heimatland des Stifters/Treugebers. Dieser Steuerpflicht entkommt der Stifter/Treugeber nur dann, wenn er seinem heimischen Finanzamt en detail belegen kann, dass er kein Nutznießer seiner eigenen Stiftung ist. Freilich stellt sich dann die Frage, wofür er eigentlich eine Stiftung in Liechtenstein oder einen Trust auf den Caymans betreibt, dienen solche Konstrukte doch nahezu ausschließlich der Verschleierung von Steuerstraftaten.
- Das Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz betrifft ausschließlich Konten.
Wer sein Schwarzgeld in der Schweiz auch weiterhin dem deutschen Fiskus verheimlichen will, muss nur sein Konto auflösen und das Geld in einem Schließfach bei seiner Schweizer Bank deponieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Bargeld, Wertgegenstände, Gold, Aktien oder Anleihen handelt. Schweizer Banken müssen auch künftig bei konkretem Verdacht auf eine Steuerstraftat weder die Existenz noch den Inhalt eines Schließfaches preisgeben.
- Das Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz betrifft ausschließlich Konten in der Schweiz und keine Konten bei Schweizer Banken in anderen Staaten.
Wer dem deutschen Fiskus entgehen will, muss seinen Schweizer Bankberater nur darum bitten, sein Konto in der Schweiz aufzulösen und das Geld auf ein Konto derselben Bank in einem anderen „steuerfreundlichen“ Land zu verschieben. Das ist eine Sache von wenigen Minuten und wenigen Mausklicks. So unterliegen beispielsweise Konten von Schweizer Banken, die pro forma in der Niederlassung auf den Caymans oder in Singapur geführt werden immer noch dem unantastbaren Bankgeheimnis und werden selbst bei konkretem Verdacht dem deutschen Fiskus nicht mitgeteilt.
Dies wäre bei einer Umsetzung des ECOFIN-Entwurfs nicht möglich, da die Bank (inkl. Ihrer Tochtergesellschaften) sämtliche Zinsgewinne an den Fiskus melden und die Steuern einbehalten müsste. Dies ließe sich nur durch viel kriminelle Energie und Zuhilfenahme eines Strohmanns umgehen. Aber selbst diesen Service bieten Schweizer Banken an, aber da dies selbst nach Schweizer Gesetzgebung illegal ist, lassen sich die Banken dies teuer bezahlen. Solche Serviceleistungen sind eher etwas für Drogenbarone und Mafia-Paten und nicht unbedingt für deutsche Steuerkriminelle.
Wie man die „Pro-forma-Verlagerung“ von Konten in Drittstaaten verhindern kann, beweisen die USA. Dort wird ab 2013 ein Gesetz namens FACTA (Foreign Account Tax Compliance Act) in der Form verschärft [PDF – 171 KB], dass man allen Finanzinstituten, die in den USA Geschäfte machen (und das sind alle größeren Banken) vorschreibt, alle Bankkonten und –daten von US-Steuerpflichtigen automatisch an die US-Steuerbehörde weiterzuleiten. FACTA sieht ausdrücklich vor, dass dies nicht nur die Bankgesellschaften selbst, sondern auch alle ihre Tochtergesellschaften und damit verbundenen Unternehmen in allen Ländern der Welt betrifft. Wer sich nicht an diese Informationspflicht hält, muss fortan eine Quellensteuer in Höhe von 30% auf sämtliche in den USA erzielten Einkünfte entrichten. Unter dieser Bedingung ist es freilich faktisch unmöglich, weiterhin Geschäfte in den USA zu betreiben. Will die Bank Julius Bär also weiterhin in den USA aktiv sein, muss sie nicht nur die Bankdaten von US-Amerikanern der Schweizer Niederlassungen, sondern auch die Daten von US-Kunden der Julius-Bär-Töchter in den intransparenten Steueroasen der Karibik an die US-Steuerbehörde IRS übermitteln. Dies ist ein echter Schlag gegen die systematische Beihilfe zum Steuerbetrug durch Schweizer Banken.
- Das Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz behindert die deutschen Finanzbehörden.
Hat ein deutsches Finanzamt einen konkreten Verdacht gegen einen vermeintlichen Steuerstraftäter, so muss es sich beeilen. Das Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz sieht in den ersten zwei Jahren nach der Ratifizierung lediglich maximal 650 Anfragen pro Jahr vor – diese Zahl könnte in den Folgenjahren sogar sinken. Wenn man einmal bedenkt, dass die USA alleine 2009 im Rechtsstreit gegen UBS-Kunden auf einen Schlag die Übermittlungen von 5.000 Datensätzen erzwingen konnten, ist das Zugeständnis an die deutschen Behörden ein schlechter Witz. Hinzu kommt, dass ein Passus die Deutschen verpflichtet, die Verdächtigen schon zum Zeitpunkt des Auskunftsersuchens zu informieren. Dies eröffnet denen natürlich eine ganze Reihe von Verschleierungs- und Verdunklungstaktiken. Deutschland erklärt sich ferner dazu bereit, auf den „aktiven“ Erwerb von Kundendaten aus der Schweiz zu verzichten. Ein Ankauf von Daten-CDs wäre dann nicht mehr möglich.
Siehe dazu: Wolfgang Lieb – Das Steuerabkommen mit der Schweiz – Ein Freibrief für Steuerhinterzieher und die Schweizer Banken
Was mit ein wenig Druck zu erreichen ist, beweisen auch in diesem Punkt die USA. Im Steuerabkommen zwischen den USA und der Schweiz wird – aller Voraussicht nach – sogar eine Abfrage von sogenannten „Gruppenanfragen“ enthalten sein. Die USA können dann beispielsweise Daten über US-Amerikanern abfragen, deren Finanztransaktionen einem bestimmten Muster entsprechen, das den Verdacht nahelegt, dass hier Steuern hinterzogen werden sollen. Dafür brauchen die US-Behörden dann noch nicht einmal konkrete Namen. Davon können die deutschen Finanzbehörden bestenfalls träumen, brauchen sie doch de facto bereits konkrete Beweise gegen namentlich bekannte Steuerkriminelle, bevor die Schweizer Banken sich zur Datenübermittlung bereit erklären.
- Durch das Abkommen wird ein Teil der Steuerhinterziehung legalisiert
Das Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz sieht vor, dass die Banken eine Quellensteuer von deutschen Kunden einbehalten und die einbehaltenen Gelder in anonymisierter Form an den deutschen Fiskus überweisen. Dadurch wird de facto jedes Schweizer Konto eines deutschen Staatsbürgers weißgewaschen und der Fiskus muss künftig davon ausgehen, dass die Einkünfte ordnungsgemäß versteuert wurden. Das heißt im Umkehrschluss, dass die Schweizer Banken zu „Hilfsbeamten“ des deutschen Fiskus werden und es keine Kontrollinstanz gibt, die überprüfen kann, ob die Banken denn auch tatsächlich alle steuerpflichtigen Konten gemeldet und deren Einkünfte vertragsgemäß besteuert haben. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Der deutsche Staat überträgt den Schweizer Banken, die sich der Beihilfe zu Steuerstraftaten schuldig gemacht haben, die Verantwortung für die ordnungsgemäße Besteuerung von Einkünften, die nach internationalen Gesetzen einzig und allein dem deutschen Staat zustehen. Auch beim Steuersatz für Zinsgewinne der letzten Jahre wird den Schweizer Banken die Bestimmungskompetenz zugestanden. Ob Zinsgewinne auf Schweizer Konten nun mit 21% oder mit 42% für den deutschen Fiskus versteuert werden, entscheiden die Banken im Einzelfall. Es gibt zwar Richtlinien für den anzusetzenden Steuersatz, aber wer soll die Einhaltung der Richtlinien überprüfen, wenn die Datensätze nicht nur anonym, sondern den deutschen Behörden auch gänzlich unbekannt sind? Nach Berechnungen von Prof. Frank Hechtner dürfte es angesichts der komplizierten Berechnungsformeln nur ganz wenige Fälle geben, die mit 42% versteuert würden, der Löwenanteil liegt unter der deutschen Abgeltungssteuer.
Und wer soll die Daten überhaupt zusammenführen, wenn die Konten anonym sind? Wenn ein deutscher Steuerbetrüger sein Geld auf viele kleinere Konten bei verschiedenen Schweizer Banken verteilt hat, wird er automatisch zum günstigsten Satz (21%) nachversteuert, da es den Banken selbst dann nicht möglich ist, ein komplettes Bild über die Einkünfte zu erlangen, wenn sie wirklich ernsthaft recherchieren. Das Schweizer Banken jedoch eine selektive Sehbehinderung haben, wenn es um das Suchen nach Geldern geht, die sie lieber nicht finden wollen, ist hinlänglich bekannt.
Hintergrundinformationen: Jens Berger – Die Schweiz, das Geld und die Moral
Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg
Die USA haben gezeigt, welche Sprache Schweizer Banker verstehen. Während die Amerikaner Schweizer Banker wegen Beihilfe zum Steuerbetrug verhafteten und drohten, zur Not den gesamten Vorstand der UBS mittels internationalen Haftbefehl jagen zu lassen, geben die deutschen Behörden sich mit Vergleichen zufrieden, die – egal welchen Maßstab man angelegt – nur als unzureichend charakterisiert werden können. Provokant könnte man daraus folgern, dass der deutsche Gesetzgeber überhaupt kein Interesse daran hat, Steuerstraftätern das Handwerk zu legen. Die deutsche Blockade im ECOFIN verstärkt diesen Verdacht zusätzlich. Peer Steinbrück wollte den Schweizern einst die Kavallerie schicken, was ankam, war ein taubblinder Hilfssheriff auf einem abgehalfterten Pony. Man wird Steuerstraftaten nie komplett verhindern können, genauso wenig wie man Morde oder Vergewaltigungen komplett verhindern kann. Der Gesetzgeber hat jedoch die Pflicht, dafür zu sorgen, dass den Straftätern zumindest effektive Hürden in den Weg gestellt werden und die Behörden wirksame Werkzeuge in die Hand bekommen, um diese Straftaten aufzudecken und – wenn möglich – bereits im Vorfeld zu vereiteln.
Gesetzeswerke wir das amerikanisch-schweizerische Steuerabkommen oder der ECOFIN-Entwurf für eine gemeinsame Zinsbesteuerungsrichtlinie sind geeignete Instrumente im Kampf gegen das Verbrechen, das deutsch-schweizerische Steuerabkommen hingegen, ist selbst in der überarbeiteten Fassung eine Einladung an die Kriminellen und ein Kotau vor dem Schweizer Bankenbanditismus (Zitat: Jean Ziegler). Dass die Schweiz einlenkt, wenn man nur eine glaubhafte Drohkulisse aufbaut, haben uns die US-Amerikaner gelehrt. Aber dies wäre nur der erste Schuss in einem wünschenswerten Krieg gegen das organisierte Finanzverbrechen. Nicht nur die Schweiz, auch „Staaten“ wie die Kanalinseln, die Bahamas, die Caymans, Singapur und Hong Kong leisten Steuer- und Finanzstraftätern nur allzu willig Beihilfe. Und es ist weit und breit nicht zu erkennen, dass die Opfer dieser Straftaten, wie beispielsweise Deutschland, ernsthaft daran interessiert sind, dagegen vorzugehen. Das weitreichende Finanzembargo gegen den Iran hat gezeigt, dass es sehr wohl möglich ist, einen Staat wirkungsvoll vom internationalen Finanzmarkt abzuschneiden. Warum verhängt man kein Finanzembargo gegen Steueroasen? Und da soll niemand sagen, so etwas sei nicht möglich, der Status Quo sei alternativlos. Das stimmt nicht, es gäbe Alternativen, es fehlt jedoch ganz offensichtlich der Wille, diese Alternativen auch nur anzudenken.