Während die USA unter US-Präsident Donald Trump die diplomatischen und auch wirtschaftlichen Kontakte mit der Russischen Föderation wieder ausweiten, verhängt die EU, maßgeblich mitgetragen von Deutschland, weitere Wirtschaftssanktionen und beklagt, dass bei den Gesprächen zwischen Moskau und Washington in Riad weder ukrainische noch EU-Vertreter eingeladen waren. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, ob die Bundesregierung es im Nachhinein als Fehler ansieht, dass man beim „Friedensgipfel“ im Juni 2024 in der Schweiz explizit Russland als eine von zwei Konfliktparteien nicht eingeladen und damit einen Präzedenzfall geschaffen hatte, und ob auch Berlin plant, die massiv zurückgefahrenen diplomatischen Kontakte mit Moskau wieder hochzufahren. Von Florian Warweg.
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 19. Februar 2025
Frage Jessen (freier Journalist, kooperiert mit Jung & Naiv)
Herr Hebestreit, Herr Wagner, es wird doch sichtbarer, dass das Zukunftsszenario der Ukraine so aussieht, dass sich zwei große Machthaber in imperialer Tradition über betroffene Dritte hinwegsetzen. Das Begehren sowohl Selenskyjs als auch der EU, an den Verhandlungen beteiligt zu werden, wird bislang zurückgewiesen.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, dass die EU und auch Deutschland nicht nur als ausführende Ebene, sondern tatsächlich an grundlegenden Entscheidungen über die Zukunft der EU beteiligt werden können?
Regierungssprecher Hebestreit
Herr Jessen, ich teile die Prämisse Ihrer Frage nicht. Gestern hat ein Gespräch zwischen der russischen Seite und der amerikanischen Seite stattgefunden. Im Kern ging es um die amerikanisch-russischen Beziehungen. Es gibt eine neue US-Administration, die im Umgang mit Russland einen neuen Stil etabliert. Das war es im Kern, was dort eine Rolle gespielt hat.
Der Bundeskanzler, der französische Präsident, der britische Premier und viele andere Staats- und Regierungschefs in Europa haben deutlich gemacht, dass es dabei bleibt: „Nothing about Ukraine without Ukraine.“ – Das heißt, dass selbstverständlich auch die ukrainische Seite in Gespräche eingebunden wird und sich auch Europa dabei einbringen wird. Denn schließlich geht es auch um die europäische Friedensarchitektur. Es wird sich in den nächsten Tagen und Wochen entwickeln, ein Format zu finden, in dem alle ihre berechtigten Vorhaben und Anliegen vortragen können.
Wagner (AA)
Ich kann das, was der Regierungssprecher gesagt hat, nur unterstreichen. Im Grunde knüpft das an die Gespräche an, die wir mit den Amerikanern auch in München geführt haben. Wie gesagt, gab es gestern im Nachgang noch ein Telefonat mit dem amerikanischen Außenminister. Sie haben sicherlich auch gesehen, was der amerikanische Außenminister zu der Frage einer Beteiligung der Europäer presseöffentlich gesagt hat. Insofern sind das laufende Gespräche.
Was, denke ich, für uns wichtig ist – das hat der Regierungssprecher gerade sehr deutlich gemacht -, ist, dass unsere Haltung als Europäer sehr klar ist. In Europa kann es keinen Frieden ohne Europa und ohne die Ukraine geben.
Zusatzfrage Jessen
Herr Hebestreit, Sie haben gesagt, in Riad sei es im Kern um die russisch-amerikanischen Beziehungen gegangen. Dort wurde offenbar besprochen, dass US-amerikanische Wirtschaftsunternehmen wieder stärker in Russland aktiv werden sollen. Von russischer Seite wurde mit dem Ausblick auf milliardenschwere Ölgeschäfte gelockt. In Trumps Sprache würde man vielleicht sagen: „Grab them by their purse.“ Gleichzeitig hat die EU Sanktionen gegen Russland beschlossen. Die Schattenflotte darf keine Häfen mehr anlaufen.
Wenn man die beiden Ebenen miteinander vergleicht, dann kommt man doch zu dem Eindruck, dass das, was die EU tut – „sorry to say“ – zunehmend unbedeutender gegenüber den Möglichkeiten wird, die direkt verhandelt werden.
Wie gehen Sie damit um?
Hebestreit
Ich muss damit gar nicht umgehen. Es gibt ein Sanktionsregime der Europäischen Union, das viele Lieferungen aus Russland angeht, mit dem klaren Ziel, dass wir das völkerrechtswidrige Vorgehen Russlands gegen die Ukraine damit sanktionieren. Das ist die Haltung, die uns prägt und die uns jetzt zum 16. Sanktionspaket geführt hat.
Frage Warweg
Noch kurz, wenn es mir erlaubt ist: Die Außenministerin hat auf jeden Fall auf die Coronawiederaufbauhilfen als Referenzwert Bezug genommen, und dieser betrug 720 Milliarden im Verlauf von sechs Jahren. Darauf baute auch die Aussage der „Berliner Zeitung“ auf, was ich als durchaus legitim ansehe. Das nur als kurze Erläuterung meiner Darstellung.
Sie haben jetzt mit Bezug auf die anstehenden Verhandlungen zwischen den USA und Russland bezüglich des Ukrainekriegs betont, dass es nicht gehe, dass die Ukraine und auch die Europäer daran nicht beteiligt seien. Im Juni 2024 hatten wir den Ukraine-Friedensgipfel in der Schweiz, zu dem Russland explizit nicht eingeladen worden war.
Bedauert die Bundesregierung im Nachhinein, dass man damals diesen Schritt gegangen ist und sozusagen einen Präzedenzfall geschaffen hat, indem man zu einer Friedenskonferenz eingeladen und eine der Konfliktparteien explizit nicht eingeladen hat?
Hebestreit
Herr Warweg, ich weiß nicht, wie es um Ihre Erinnerung bestellt ist, aber das war kein Friedensgespräch, sondern es ging darum, dass es in verschiedenen Foren eine ganze Reihe von Bemühungen gegeben hat, zuerst auf Ebene der nationalen Sicherheitsberater vieler unterschiedlicher Länder und dann Mitte Juni vergangenen Jahres in der Schweiz am Bürgenstock, dass die internationale Gemeinschaft mit der ukrainischen Seite zusammenkommt. Es war auch klar, dass bei einer Folgeveranstaltung auch die russische Seite als Teilnehmer vorgesehen wäre. Aber bisher ist es nicht zu einer Folgeveranstaltung gekommen. Aber das gleichzusetzen, wie Sie es tun wollen, das halte ich für historisch nicht belegbar.
Zusatz Warweg
Ich habe es nicht gleichgesetzt, sondern gesagt, dass es auf jeden Fall eine Art von Präzedenzfall war, und die aktuelle Lage vielleicht – – –
Hebestreit
Ich würde abstreiten, dass es ein Präzedenzfall war, weil das eine komplett andere Veranstaltung mit einem komplett anderen Ziel gewesen ist.
Wagner (AA)
Ich darf ergänzen. Ich würde wirklich darum bitten zu differenzieren, auch nach allem, was die Amerikaner über das Gespräch in Riad gesagt haben. Es handelt sich dort nicht um Friedensverhandlungen. Es war ein Gespräch zwischen dem amerikanischen Außenminister und seinem russischen Counterpart, bei dem es vor allen Dingen darum ging, wieder ins Gespräch zu kommen. Auf dieser Ebene gab es für lange Zeit keinen Direktkontakt.
Es ist nicht an mir, für den amerikanischen Außenminister zu sprechen, aber ich sage das hier zur Einordnung, weil das, denke ich, wirklich wichtig ist. Vielleicht haben Sie den „readout“ der Amerikaner dazu gesehen. Jetzt geht es vor allen Dingen erst einmal darum, über die Funktionsfähigkeiten von Botschaften zu sprechen und darüber ins Gespräch zu kommen. Insofern ist, denke ich, der Titel „Friedensverhandlungen“ für das, was dort in Riad passiert, der falsche Titel.
Zusatzfrage Warweg
Da wir gerade beim Thema der Wiederaufnahme diplomatischer Kanäle oder auch der Verstärkung derselben sind: Können Sie grob skizzieren, inwieweit das Auswärtige Amt auch eingedenk der aktuellen politischen Lage in Deutschland vielleicht ähnliche Schritte plant, was die Wiederaufnahme oder Verstärkung diplomatischer Kanäle zwischen Deutschland und Russland angeht?
Wagner (AA)
Es gibt ja diplomatische Kanäle zu Russland. Wir haben weiterhin eine Botschaft in Moskau. Es gibt eine russische Botschaft hier. Insofern steht keine Änderung des Status quo im Raum.
Im vergangenen Jahr – den konkreten Zeitpunkt habe ich jetzt nicht parat – gab es Ausweisungen russischer Diplomaten, weil diese hier einem nicht WÜD-konformen Verhalten nachgegangen sind, das im Zusammenhang mit nachrichtendienstlicher Tätigkeit stand. Aber es ist nicht so, dass wir keine Kanäle hätten, Herr Warweg.
Frage Abbas
Wird Deutschland angesichts der aktuellen Äußerungen Trumps zum Ukrainekrieg und zur Schuldumkehr seine Vorbereitungen auf mögliche Angriffe Russlands auf das NATO-Gebiet beschleunigen, bzw. gibt es angesichts dieser aktuellen Äußerungen bestimmte Vorbereitungen darauf?
Hebestreit
Jetzt bin ich doch etwas verblüfft, aber gut. – Nein.
Was wir tun, ist, dass wir die Bündnis- und Landesverteidigung seit dem russischen Überfall auf die Ukraine und angesichts des dort tobenden Krieges stärker in den Blick genommen haben. Es gibt Planungen innerhalb des NATO-Bündnisses. Das geschieht mit der nötigen Schnelligkeit, aber auch mit der nötigen Gründlichkeit. Der NATO-Generalsekretär ist gerade dabei, die Planungen auszufertigen. Für den Sommer werden erste neue Ergebnisse erwartet.
Grundsätzlich bleibt es dabei, dass die NATO ein starkes Verteidigungsbündnis ist und zumindest in Westeuropa 75 Jahre Frieden mitorganisiert hat. Es bleibt unser Verteidigungsbündnis, unsere Hauptsicherheitsarchitektur. Es wird auch nichts an seine Stelle treten. Wir machen immer wieder deutlich, dass der europäische Pfeiler dieser NATO stärker werden muss und stärker wird. Sie wissen, dass wir, Deutschland sowieso und bis auf einige wenige Länder auch alle anderen europäischen NATO-Länder, das Zwei-Prozent-Ziel jetzt erreichen oder es anstreben werden. Insofern wird deutlich mehr für Verteidigung ausgegeben. Wir fühlen uns auch mit der Verstärkung an der sogenannten Ostflanke der NATO – mit der deutschen Brigade, die in Litauen stationiert wird, mit den Schweden, die in Lettland stationiert sind; Sie wissen, welche Initiativen es in Polen gibt – gut gerüstet und gut geschützt.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 19.02.2025