20. Februar: Internationaler Welttag der sozialen Gerechtigkeit

20. Februar: Internationaler Welttag der sozialen Gerechtigkeit

20. Februar: Internationaler Welttag der sozialen Gerechtigkeit

Ein Artikel von Frank Blenz

Heute ist der Welttag der sozialen Gerechtigkeit, ein wichtiges, für die Erdbevölkerung essenzielles Thema, das mit diesem Tag durch die UNO seit 2009 ins Blickfeld gerückt wird – auch für die Bürger der Bundesrepublik. Ein Zwischenruf von Frank Blenz.

Die gesellschaftliche Leitidee für soziale Gerechtigkeit beschreibt gute Arbeit, sorgenfreie Lebensbedingungen, gleiche Bildungs- und Ausbildungschancen sowie eine leistungsgerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen für alle“, steht auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB). Die BpB schließt: „Durch diese Verteilung darf niemand benachteiligt werden.“
(Quelle: BpB)

Der engagierte Einsatz für soziale Gerechtigkeit dient dem Zusammenhalt eines Landes. Mit Blick auf unsere Republik ist festzustellen, dass soziale Gerechtigkeit in Deutschland in verschiedenen Bereichen ungenügend ausgeprägt ist. Die, denen dies egal ist, werden vielleicht meinen: Was soll‘s auch mit derlei naiver Romantik, wer braucht Zusammenhalt? Tatsächlich braucht eine Klassengesellschaft die Gemeinsamkeit, das Verbindende eher nicht. Teile und herrsche. Die Prioritäten des Handelns einflussreicher Mitbürger, die für gerechte(re) Verhältnisse sorgen (könnten), wirken stattdessen eher hin zu einer Vertiefung, gar einer Zementierung von Ungerechtigkeiten. Weil bei oberflächlichem Hinschauen in deutscher Zufriedenheit Ungerechtigkeiten gern übersehen und/oder relativiert werden, findet ein Gegensteuern nur halbherzig statt. Das jedoch hat inakzeptable Folgen hin zu einer verfestigten Sieger-Verlierer-Gesellschaft.

Der griffige deutsche Begriff „Ellenbogengesellschaft“ tönt gern von denen, die ihre Ellenbogen erfolgreich einsetzen. Die Motto-Auswahl dafür beschreibt: Jeder kann es schaffen, von unten nach oben aufsteigen, sein Glück selbst schmiedend. Die Sieger lachen, doch sind sie wie die anderen in Wahrheit letztlich auch Verlierer. Die Gewinner, die da meinen, verdientermaßen auf der Sonnenseite zu leben, profitieren nicht. Diese unsere Gesellschaft driftet auseinander, was mitunter kühl und schulterzuckend zugegeben wird, ohne Vorschläge für Veränderungen zu unterbreiten. Die Kälte wirkt: „Was soll‘s“, denken sich die Nutznießer. Sie lehnen sich zurück: „Hauptsache, uns geht es gut.“ Ja, es geht durchaus vielen (noch) gut. Oberste Schicht, Oberschicht, Mittelschicht … Das sind viele Millionen Menschen. Doch von der Gesamtbevölkerung geht es mehr und mehr Millionen gar nicht gut, weil das wohlhabende, selbstgefällige Deutschland es mit der sozialen Gerechtigkeit nicht so wichtig nimmt.

Statt Gerechtigkeit gibt es zunehmend Ungerechtigkeiten im reichen Deutschland

So ist es auch aus unserer deutschen Sicht und Betroffenheit betrachtet wichtig, dass es den 20. Februar gibt, auch wenn dieser nur ein „Ehren-Tag“ unter vielen ist, der Internationale Welttag für soziale Gerechtigkeit. Wir Deutsche müssten feststellen, dass wir in unserer Gesamtheit von einer umfassenden Gerechtigkeit, von allen zum Nutzen reichenden Lebensrealitäten noch um einiges entfernt sind.

Die Beispiele sind zugegeben drastisch, schwarz-weiß, bewusst undifferenziert: Die einen fliegen mit dem Privatjet durch die Gegend, sie genießen das Leben der Reichen und Schönen. Die anderen suchen nach Pfandflaschen in Abfallkörben, um etwas Geld zu erlösen. Die einen lassen sich den teuren Wein aus dem Keller kommen. Die anderen stellen sich bei der Tafel an, um ein paar Lebensmittel zu erhalten, die ein Supermarkt spendiert hat. Die Lebensmittel hätten sich die anderen, die unverschuldet armen Menschen, vorher im Supermarkt der Preissteigerungen und Mogelpackungen nicht kaufen können, weil ihr schmales Budget schon zur Mitte des Monats aufgebraucht ist.

Die einen stöhnen über die erdrückende Kostenlast, die das Leben schwerer und schwerer macht. Erleichterung ist nicht in Sicht. Von der Miete bis zum Strom – das Leben wird zu teuer. Das und mehr ist realer Albtraum vieler Menschen in unserem Land. Des einen Last ist dann des anderen Gewinn: Der reiche Vermieter freut sich, dass er nach der Mietanpassung (Erhöhung klingt nicht so gut) endlich noch mehr Geld auf sein Konto überwiesen bekommt. Dabei hätte er auch ohne Mieterhöhung genug Freude empfinden können, wäre er nicht der Gier und der Verlockung erlegen, der Verlockung, es tun zu dürfen: zu erhöhen, zu erpressen, den Hals nicht voll genug zu bekommen. Sozial ist das nicht, gerecht auch nicht. Und ja, nicht jeder Vermieter ist reich und gierig, das gehört ebenfalls erzählt.

Warum ist Ungerechtigkeit bis hin zu solchen Ausprägungen bei uns möglich? Weil diesem Treiben in unserem Land, obwohl es durchaus Gegenmöglichkeiten dazu gäbe, kein wirklicher Einhalt geboten wird. Nach oben gibt es bislang keine Grenzen. Die berühmten „Deckel“ halten das ungenügend auf. Diejenigen, die Einhalt fordern, sind letztlich zu schwach.

Soziale Gerechtigkeit zu fordern, das wird schon mal diffamiert. Das sei Gleichmacherei, eine bloße Neid-Debatte. Stein für Stein setzt sich zusammen – Begebenheiten, Lebenssituationen, gegensätzliche, unfaire Zustände – zu einem Schwarz-Weiß-Mosaik, zum Gesellschaftsgemälde. Sozial? Gerechtigkeit? Von wegen.

Gerechtigkeit bedeutet faire Verteilung. Einer reichen Gesellschaft wie die Bundesrepublik, in der es an sich viel zu verteilen gibt – das erarbeitet, erwirtschaftet, erschaffen, erreicht wird von den vielen Menschen in diesem Land –, wäre es ein Leichtes, relative Gerechtigkeit zu praktizieren. Alle Menschen mitzunehmen und sie wirklich teilhaben zu lassen, das ist doch eine wunderbare Sache. Es geht dabei gar nicht um ein Schlaraffenland, es geht um ein auskömmliches Leben dank unserer großen Möglichkeiten, dank einer gerechten Verteilung. Was ist Realität? Alle Bürger tragen in irgendeiner Weise zum Wohlstand bei und sind berechtigt, aber nicht alle werden fair und gerecht an den Ergebnissen beteiligt.

Vorhandene und erwirtschaftete Ressourcen wie Geld, materielles Eigentum, Lebensgrundlagen wie die Gesundheit oder die Möglichkeiten der Teilhabe, soziale Kontakte, Kultur, Bildung sind sehr ungleich verteilt, ein Merkmal einer ungerechten Gesellschaft. Deren Intensität wird durch das bewusste Handeln weniger einflussreicher Menschen verstärkt, durch die Heuchelei derer, die Entscheidungsträger sind, die dank des unverhältnismäßigen Besitzes von Ressourcen und ihrer einflussreichen Positionen über mächtige Gestaltungsmöglichkeiten verfügen, die viele ihre Mitbürger nicht oder ungenügend zur Verfügung haben. Die politische Klasse, die wirtschaftliche Elite gibt vor, sich dabei für alle einzusetzen – und arbeitet doch in die eigene Tasche.

Alltägliche Schlagzeilen der Ungerechtigkeiten

Das Schwarz-Weiß-Mosaik liegt vor uns. Schlagzeilen der Ungerechtigkeiten schreien:

Die Schere zwischen arm und reich klafft weiter auseinander“, „Jeder Fünfte ist von Armut und Ausgrenzung bedroht“, „Zahl der armutsgefährdeten Rentner steigt auf Rekordwert“, „Wenn Wohnen zum Armutsrisiko wird“.
(Quellen: RND, Tagesschau, Abgeordnetenwatch, FAZ, Tagesschau)

Neben den obigen Schlagzeilen gibt es auch solche, die den anderen extremen Teil Deutschlands, unsere reiche, unersättliche, selbstgefällige Gesellschaft offenlegen:

Rheinmetall-Aktie außer Rand und Band“, „Üppige Dividenden bei Autokonzernen“, „Darum gibt es mehr Milliardäre“
(Quellen: Der Aktionär, Handelsblatt, Tagesschau)

Was wäre zu tun? Soziale Gerechtigkeit steht ja für sorgenfreie Lebensbedingungen

Fest steht, dass in Deutschland in vielen Bereichen, Leitlinien, Ideen, Inhalten Defizite real sind, die ein faires gesellschaftliches Leben, Zusammenhalt, gedeihliches, fürsorgliches Miteinander, den Gesamtzustand eines vitalen, progressiven, lebenswerten, humanistischen Gemeinwesens ausmachen. Man braucht nur derlei Komponenten einzusetzen: Reichtum, Macht, Eigentum, Einfluss, Wille.

Die Bilanzen der Bundesregierungen der vergangenen Jahre sind ernüchternd. Preise, Mieten, Löhne, Gesundheit, Bildung, Forschung, Infrastruktur, Kommunales, Integration, Sport und Kultur, Soziales, Generationengerechtigkeit, Diplomatie, Völkerverständigung, internationaler Zusammenhalt, Handel und Wandel, Frieden – allesamt unfertige Baustellen.

Wohin sollen diese Entwicklungen noch führen? Wann ist der Gipfel der unnötigen Ungerechtigkeiten erreicht? Was folgt dann? Bedeutet der gegenwärtige, ungebremste Trend, dass unser Schnellzug Deutschland wirklich gegen die Wand rast?

Es ist einfach. Gelebte soziale Gerechtigkeit ist möglich, wenn sich der politische, der individuelle, der gesamtgesellschaftliche Wille dazu dauerhaft und verstetigt Bahn brechen würde. Es wäre kein Wunderwerk, Preise, Mieten, Löhne, Gesundheit, Bildung, Forschung, Infrastruktur, Kommunales, Integration, Sport und Kultur, Soziales, Generationengerechtigkeit, Diplomatie, Völkerverständigung, internationaler Zusammenhalt, Handel und Wandel, Frieden auf der Tagesordnung aktiv und konstruktiv anzugehen.

Titelbild: VectorMine/shutterstock.com

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