Leserbriefe zu „Ach, Europa! – Tränen eines deutschen Europäers“
Leo Ensel diskutiert in diesem Beitrag über Europa. Vor hundert Jahren war es für die „weitsichtigen, versöhnungsbereiten Geister aller Länder die nationenübergreifende Vision einer friedlichen Zukunft auf unserem Kontinent“. Das sei „jahrzehntelang auch mein persönliches deutsch-französisches Glück“ gewesen, was anhand eines biographischen Rückblickes veranschaulicht wird. Inzwischen jedoch sei aus dem „Friedensprojekt Europäische Union“ eine „kopflos rasende Kriegsfurie“ geworden. Wir danken für die interessanten Zuschriften, die wir hierzu erhalten haben. Christian Reimann hat für Sie die nun folgende Auswahl der Leserbriefe zusammengestellt.
1. Leserbrief
Hallo, liebes Nachdenkseiten-Team,
mit grossem Interesse habe ich am 11.Februar den Artikel von Leo Ensel “Ach, Europa – Tränen eines deutschen Europäers” gelesen. Zufälligerweise wohne ich in diesem – von ihm wohl liebevoll-despektierlich- genannten “Kuhkaff”, das mittlerweile ca. 10000 Einwohner zählt und in dem Bürger aus weit über 100 Nationen leben.
Die deutsch-französische Freundschaft war uns immer schon sehr wichtig und deshalb gibt es auch in diesem nicht weit von Mainz entfernten Ort eine eigene Deutsch-französische Gesellschaft, in deren Vorstand auch ich lange Jahre aktiv war. Unter der langjährigen Vorsitzenden blühte der Verein richtig auf, regelmässige Freundschaftstreffen mit verschiedenen Aktivitäten gab es jedes Jahr, Buchlesungen und den legendären “Rotwein-Käse-Abend”. Im Gegensatz zur Vorsitzenden habe ich bei notwendigen Raumdekorationen aber nur widerwillig die Europafahne zwischen die deutsche und französische gehängt. Das war für mich schon damals eher eine suspekte Organisation.
Ich kann Herrn Ensel, der die Vorsitzende, deren Namen ich hier nicht nenne , bestimmt persönlich kannte nur voll und ganz zustimmen! Dieses Europa ist nicht das Europa der Völkerfreundschaften sondern eher ein Hass und Zwietracht säendes Monster!
Die ehemalige Vorsitzende würde mit maximaler Drehzahl in ihrem Grabe rotieren wenn sie z.B. erfahren würde, dass es nun wieder Grenzkontrollen zwischen unseren beiden Ländern gibt!
Da wir auch einen Wohnsitz in Frankreich haben pendelt meine Seele immer wieder zwischen den beiden Kulturen , in Frankreich, wo wir in einer ländlichen Gemeinde leben finde ich eher Ruhe und Gelassenheit, Hass und Hetze sind weit entfernt.
Es sind die Regierenden, die unseren Hass schüren, wir dürfen uns nicht instrumentalisieren lassen!
Liebe Grüße
Christine Reichelt
2. Leserbrief
Lieber Herr Ensel,
danke für diesen Artikel, ein Leuchtturm der Hoffnung!
Gewisse Außenminister*Innen wissen ja nicht einmal, dass das Beacon heißt und nicht Bacon. Wobei wir beim bekloppten, weltfremden, gefährlichen und bösen Aspekt wären, der Europäischen Politik. Den ich auch gleich wieder verlassen möchte.
Elsass, da fing für mich vor fünfzig Jahren die Liebe zu Frankreich an. Nein, das Elsass ist nicht deutsch, auch nicht französisch. Es ist etwas ganz besonderes. Mit der Liebe zu Frankreich wurde auch ich zum Europäer. Wobei es übrigens geblieben ist, Amerika und Asien konnten mich nicht überzeugen.
Dann, 1990, in Moskau auf dem Arbad. Das war ein frischer Wind, ein Blick auf die lebendige russische Kultur. Da haben “Meister und Margarita” aufgeatmet. Leider, leider ist die russische Küche nicht mit der französischen zu vergleichen, eher mit der deutschen. Die mögen stolz sein auf ihre Palmeni, aber so dolle ist das nicht.
Kurz darauf lernte ich meine Frau kennen. Die kommt aus dem Osten. Wir haben dann gemeinsam Europa erkundet. Mit mir war sie oft in Frankreich. Ich durfte die ehemalige DDR kennenlernen. Und Tschechien, Slowakei, Slowenien, Kroatien, Serbien, Rumänien, Bulgarien. Zwischen dort und Deutschland liegt Wien. Das ist für mich die Hauptstadt Europas. Am Ende war ich wieder der Reiseführer, in Griechenland. Seitdem ist der Balkan meine Heimat. In Bulgarien fühle ich mich aus vielen Gründen wohler als in Deutschland. Das Klima ist wärmer, sowohl meteorologisch als auch menschlich.
Mein Vaterland ist Deutschland dennoch geblieben. Ach ja, die giftigen Antideutschen mögen das Wort nicht. Aber wo mein Vater, meine Vorfahren waren, wo ich aufgewachsen bin, wie soll man das sonst nennen? Das kann man nicht verleugnen. Und auch wenn Deutschland aus der EU den schrecklichen Zombie gemacht hat, der sie jetzt ist, ich gebe die Hoffnung nicht auf. Deutschland ist das Geschöpf Bismarcks, 1871. Deutschland ist Preußisch geworden, leider. Besser, Preußen wäre deutsch geworden. Denn da ist ja noch die Kultur von Sachsen, Rheinland-Pfalz, Bayern, Baden-Württemberg, Ostfriesland, Schließlich-Holzbein, Niedersachsen, u.s.w..
Und die Versöhnung mit Russland? Da sollten wir uns auf die Menschen in der ehemaligen DDR verlassen, die dürften da noch Freude haben.
Viele Grüße,
Rolf Henze
3. Leserbrief
Ach Leo,
Sie sprechen mir so sehr aus der Seele und dem Herzen. Danke für Ihre Worte. Es wäre schön, wenn sie endlich Gehör finden könnten.
Ich bin froh, dass es all die noch gibt, die sich Gedanken machen und nach Wegen suchen, um Verständigung, Dialog und Freundschaft zu erhalten.
Im Geiste bin ich dabei, der Rest ist müde und erschöpft.
Liebe Grüße,
Christa
4. Leserbrief
Hallo Leo Ensel,
beim Lesen Ihrer Erinnerungen und “Bekenntnisse” habe ich fast das heulende Elend gekriegt: Genau so, wenn auch völlig anders, ging und geht es mir. Ich habe als junger Mensch die deutsch-französische Freundschaft in vollen Zügen genossen, unter anderem auf einer französisch-deutsch gemischten Freizeit in einem französischen Ferienlager-Heim in Südfrankreich, organisiert von “Student für Europa – Student für Berlin” (Ich war Westberliner!): Ich konnte kein Wort französisch, aber Babeth brachte es mir bei – und wie! Wir verloren uns dann aus den Augen, aber sechs Jahre später trafen wir, ein bisschen erwachsener, wieder zusammen – und wie! Ich studierte dann fast zwei Jahre in Caen, denn sie – eine Pariserin – studierte dort ebenfalls. Mit uns beiden ist es dann schlussendlich nichts geworden, ebenso wenig wie mit Béatrice, Chantal, Liz, Marie-Josephe, Anne, Beth, …. das volle klischéekonforrme Programm eines . . ääh . . frankreichbegeisterten jungmännlichen Vollidioten. Wunderbar!
Bin dann später, zurück in Deutschland und längst mit meiner immer noch aktuellen Besten Bekannten, der Normandie reisemäßig treu geblieben, auch die D-Day-Küste war mir wichtig geblieben. Ich war, wo ich ging und stand, Europäer mit Herz und Seele. Auch in Britannien zwei Jahre, Schottland, Äußere Hebriden (“Western Isles”): Europa! (Da draußen stimmte man aber so was von NICHT für Brexit!)
Als Kind/Jugendlicher gab ‘s Eurovisionssendungen im Fernsehen, “Spiel ohne Grenzen”, ein fröhlicher, etwas sportlich aufgemotzter Kindergeburtstag, und so manches andere rührend optimistische Europa-Geklingel.
Es tat, es tut mir richtig körperlich weh, dieses Europa, insbesondere das deutsch-französische, verkommen und vergammeln zu sehen.
Aber das war abzusehen: Die Aufnahme des europäischen Ostens, forciert einzig im Dienst der Konfrontation gegen Russland, veränderte die EU völlig. Dann noch der unselige Brexit . . . (Ich war ebenso viel Brit- wie Franz-affin!) AUS! Aus der Traum.
“Difficile est non semper Scheiße zu schreien.” (A. Schmidt)
Herzliche Grüße
Stephan Kendzia
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