Während die Öffentlichkeit zurzeit noch davon ausgeht, dass die angekündigten Verhandlungen zwischen den USA und Russland den Krieg in der Ukraine schon bald beenden könnten, sorgt ein Interview, das die deutsche Außenministerin Baerbock dem US-Medium Bloomberg am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz gegeben hat, für Aufregung. Darin kündigt Baerbock ein gigantisches Finanzpaket der EU an, das „in naher Zukunft kommen wird“. Bloomberg zitiert EU-Beamte mit den Worten, man wolle die neuen Pläne erst in der nächsten Woche, nach den Bundestagswahlen bekannt geben, „um Kontroversen vor der Wahl zu vermeiden“. Es geht um Rüstung und um Waffen aus den USA für die Ukraine. Trump zeigte sich derweil bereits offen für diese Idee. Die Bundesregierung sollte zu diesen Aussagen Stellung beziehen. Was plant sie konkret, und warum darf der Wähler dies nicht wissen? Von Jens Berger.
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Dass die USA sich unter dem Präsidenten Trump aus der finanziellen und materiellen Unterstützung der Ukraine zurückziehen werden, ist bereits länger bekannt. Trump hatte dies immer wieder im Wahlkampf gefordert. Es lohnt sich jedoch, hier genauer hinzuschauen, was Trump konkret gesagt hat. Er hat nämlich niemals ausgeschlossen, dass US-Waffen weiterhin in die Ukraine geliefert werden; er hat lediglich gesagt, dass diese Waffen künftig nicht mehr vom US-Steuerzahler finanziert werden. Auf die Idee, dass die EU diese Waffen bezahlt, kam nur damals niemand. Das hat sich nun geändert.
Bereits am letzten Wochenende bekräftigten gleich mehrere europäische Politiker, dass die EU gewillt ist, die nun wegfallende amerikanische Unterstützung sowohl materiell als auch finanziell zu kompensieren. Nun wird berichtet, dass Präsident Donald Trump offen dafür sei, Europa den Kauf von in den USA hergestellten Waffen zu erlauben, die an die Ukraine geliefert werden sollen. Dieser Deal würde es der Ukraine ermöglichen, amerikanische Waffen einzusetzen, selbst wenn die USA ihre militärische Unterstützung für das Land zurückziehen, während die US-Regierung parallel dazu mit Russland Verhandlungen über ein Ende des Krieges führt.
Doch hierbei geht es keinesfalls nur um die Unterstützung der Ukraine im fortwährenden Krieg. Vor allem die EU plant bereits weiter. Sie will die Ukraine auch nach einem möglichen Waffenstillstand massiv aufrüsten, um das Land auch ohne Sicherheitsgarantien aus den USA möglichst bald wieder zu einem militärischen Bollwerk an der russischen Flanke zu machen. Dass die chronisch finanzschwache Ukraine diese Waffen nicht bezahlen kann, versteht sich von selbst. Aber das muss sie ja auch nicht, die EU will offenbar die Kosten dafür übernehmen – das heißt, der europäische Steuerzahler wird am Ende die Rechnung bekommen. Und die fällt nicht zu knapp aus.
Die Berliner Zeitung berichtete heute davon und schreibt von „etwa 700 Milliarden“, die offenbar bereits auf EU-Ebene freigegeben sind, was aber erst nach den Bundestagswahlen bekannt gegeben werden soll. Wie man auf diese Zahl kommt, ist unklar; zumal es bei dem EU-Plan anscheinend nicht „nur“ um von der EU bezahlte US-Waffen für die Ukraine geht, sondern um einen viel größeren Rahmen.
Baerbock wird von Bloomberg mit den Worten zitiert: „Ähnlich wie beim Euro oder der Coronakrise gibt es jetzt ein Finanzpaket für die Sicherheit in Europa. […] Das wird in naher Zukunft kommen.“ Von welchem Paket die Rede ist, wird erst im Kontext klar. Es geht um Waffen und Unterstützung für die Ukraine, aber auch um eine massive Erhöhung der Militärausgaben der EU-Länder selbst. Die Weichen dafür sind politisch bereits gestellt. Was aber noch unklar ist, ist, wie viel man für Rüstung nun konkret mehr ausgeben will und vor allem, woher dieses Geld kommen soll. Und genau an diesem Punkt scheint sich eine „Revolution“ anzubahnen.
Offenbar will die EU für Rüstungsausgaben eine Ausstiegsklausel aus den EU-Haushaltsregeln verkünden. Rüstungsausgaben würden dann nicht mehr zu den Stabilitätskriterien zählen, und jedes Land könnte sich unabhängig von den Neuverschuldungsregeln für militärische Ausgaben so hoch verschulden, wie es will. Diese Idee hatte Ursula von der Leyen in ihrer Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz bereits vorgetragen. Auch Der EU-Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis brachte dies gegenüber den Medien gestern ins Spiel: „Wir suchen derzeit nach mehr Flexibilität in Bezug auf die europäischen Haushaltsregeln für die Verteidigung und prüfen, wie wir die Ausweichklausel anwenden können, die wir in unserer Gesetzgebung haben“, so Dombrovskis. Dass von der Leyens Idee offenbar bereits beschlossen wurde und Dombrovskis’ Klausel nicht mehr gesucht werden muss, sondern bereits gefunden wurde, nur in Hinblick auf die Bundestagswahlen noch nicht verkündet werden kann, war jedoch bislang nicht bekannt.
Doch das ist wohl noch nicht alles. Von einer „historischen Entscheidung“ spricht der französische Minister für europäische Angelegenheiten Benjamin Haddad gegenüber Bloomberg und bringt dabei die Einführung von Eurobonds für Rüstungsausgaben ins Spiel. Diese Forderung hatte auch schon der französische Präsident Macron aufgestellt, und auch der wahrscheinliche nächste Bundeskanzler Merz ist offen für diese Idee. Laut Haddad soll diese Frage „in den nächsten Tagen besprochen werden“. Was aber, wenn diese Frage bereits besprochen wurde? Die Äußerungen von Baerbock legen das zumindest nahe. Warum sollte sie sonst Parallelen zur Eurokrise und zu den Corona-Hilfsmaßnahmen ziehen?
Und in der Tat sind spezielle Eurobonds für Rüstungsausgaben der einzig denkbare Weg, wie die EU-Staaten die gigantischen geplanten Kosten für ihr Militär und die Aufrüstung der Ukraine überhaupt stemmen wollen. Die 700 Milliarden Euro, die die Berliner Zeitung ins Spiel bringt, sind da jedoch noch viel zu klein gedacht. Bloomberg Economics geht vielmehr von 3,1 Billionen US-Dollar aus, die in den nächsten zehn Jahren für diese beiden Posten anfallen werden. Zur Einordnung: Das sind rund 7.000 Euro pro EU-Bewohner! Dass diese Summe nie und nimmer über die regulären Haushalte unter Einhaltung der Verschuldungskriterien mobilisiert werden kann, versteht sich von selbst.
Die Einführung von Eurobonds, also gemeinschaftlichen Schulden, die in diesem Fall an der Schuldenbremse und den Neuverschuldungskriterien der EU und der Eurozone vorbeilaufen, ist somit sehr wahrscheinlich. Es ist wirklich unglaublich. Für sinnvolle Investitionen, für die Energiewende oder Bildung und Forschung ist kein Geld da und Pläne, diese Ausgaben über Eurobonds zu finanzieren, wurden immer barsch – vor allem von Deutschland – abgelehnt. Aber wenn es um den Kauf von Waffen in Billionenhöhe geht, opfert man sogar sein – falsches – Leitbild der schwäbischen Hausfrau und verschuldet sich bis unter beide Ohren. Die Staatsschulden aller Euroländer zusammen betragen rund 13 Billionen Euro. Drei Billionen Euro für Rüstung und die Ukraine würden die Schuldenquote somit um rund ein Viertel erhöhen.
Es ist verständlich, dass man dies dem Wähler nicht vor den Wahlen sagen will. Dumm, dass Annalena Baerbock sich nun verplappert hat; da die großen Medien dieses Thema jedoch totschweigen, dürfte der Betrug dennoch aufgehen. Am Sonntag wird gewählt, nächste Woche wird der Wähler vor vollendete Tatsachen gestellt.
P.S.: Die Märkte sind wie so oft bereits informierter als der Wähler. Die Aktie von Rheinmetall legte seit dem Wochenende um sportliche 30 Prozent zu. Klar: Unsere Schulden sind deren Gewinne.
Titelbild: Maksim Safaniuk/shutterstock.com