Man fühlt sich an Aussagen à la „Koste es, was es wolle…“ oder „Egal was meinen deutschen Wähler denken“ erinnert. Die Bundesregierung spricht sich für weitere Strafzölle auf Dünger aus Russland und Weißrussland aus, die bisher über ein Viertel aller Düngemittelimporte in die EU ausmachen. Auf eine Anfrage des BSW musste die Bundesregierung jetzt aber einräumen, dass sie die Folgekosten dieses Schritts für die deutschen Verbraucher, insbesondere was eine Verteuerung von Lebensmitteln angeht, nicht abschätzen kann. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, wieso die Bundesregierung solche Maßnahmen unterstützt, obwohl man selbst eingesteht, dass man die daraus folgenden Preiseffekte für die deutschen Verbraucher und Bauern, die sowieso schon unter einer enormen Preislast leiden, nicht einschätzen kann. Von Florian Warweg.
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„Die konkreten Auswirkungen der vorgesehenen Zölle der Europäischen Union (EU) auf die Märkte und Verfügbarkeit der betroffenen Düngemittel in der Bundesrepublik Deutschland und der EU lassen sich zum aktuellen Zeitpunkt durch die Bundesregierung nicht vorhersagen.“
So die Antwort der Bundesregierung auf eine entsprechende Anfrage der BSW-Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen, die den NachDenkSeiten vorliegt:
Hintergrund
Brüssel plant derzeit ein neues Sanktionspaket gegen Russland – mit mutmaßlich massiven Auswirkungen auf die Landwirtschaft in Europa. Denn diesmal stehen nicht nur ein Einfuhrstopp von Flüssiggas (LNG) und Stahlerzeugnissen aus Russland auf der Sanktionsagenda, sondern auch von Stickstoff- und Kalidünger aus russischer und weißrussischer Produktion. Die EU-Kommission schlägt vor, Strafzölle auf die verbliebenen Düngemittelimporte aus Russland und Weißrussland zu erheben, die bisher von Sanktionen ausgenommen waren. In den Worten des EU-Handelskommissars Maros Sefcovic:
„Unser Ziel ist es, die russische Kriegswirtschaft weiter zu schwächen, die Abhängigkeit der EU zu verringern, unsere Industrie zu unterstützen und die globale Ernährungssicherheit zu wahren.“
Laut Informationen von Telepolis spricht sich Deutschland sogar für ein noch härteres Durchgreifen aus. Demnach soll das von den Grünen geführte Auswärtige Amt (AA) sich für eine „umfassende Sanktionierung von russischen Düngemitteln“ aussprechen. Neben den Sanktionen gegen Stickstoff, Harnstoff und Ammoniak fordert das AA auch eine „Streichung der Quoten bei Kalidünger“.
Dabei muss man sich bewusst machen, dass bereits vor diesem Plan, die Sanktionen gegen russischen und weißrussischen Dünger auszuweiten, die Lage auf dem europäischen Düngemarkt schon als extrem angespannt galt. Bereits Anfang Januar 2025, also vor dem zuvor erwähnten Treffen in Brüssel, titelte das Branchenblatt agrarheute:
„Preisexplosion am Düngermarkt 2025 – Panik bei Landwirten und Düngerhändlern“
Das Fachportal der Agrarwirtschaft berichtet in dem Zusammenhang auch, dass Russland 2024 in der EU einen Marktanteil von 28 Prozent alleine im Bereich der Stickstofflieferung hielt, Tendenz steigend. Damit sei Russland der mit Abstand „wichtigste Stickstofflieferant Europas“. Weiter führt agrarheute aus:
„Da in der Regel 60 bis 80 Prozent der Produktionskosten auf Erdgas entfallen, ist der Gaspreis von entscheidender Bedeutung sowohl für die Düngerpreise in Europa als auch für die Angebotsmenge an Stickstoffdünger und die Versorgunglage am europäischen Düngermarkt. (…) Bereits im Oktober 2024 hatte der große europäische Hersteller LAT Nitrogen sich aufgrund steigender Gaskosten vom deutschen Markt zurückgezogen.“
Vor diesem Hintergrund erscheint das Vorgehen der Bundesregierung und auch der EU-Kommission geradezu einem agrar- und volkswirtschaftlichen Kamikazekommando gleichzukommen. Doch wie aus den von Telepolis erwähnten EU-Dokumenten hervorgeht, sollen lediglich Ungarn und Slowenien Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen dieser neuen Düngemittel-Sanktionen auf die eigene Bevölkerung (Lebensmittelpreise) und Landwirte (Produktionspreise) geäußert haben.
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 12. Februar 2025
Frage Warweg
Meine Frage geht an das Landwirtschaftsministerium: Die EU-Kommission plant weitere Strafzölle auf Dünger aus russischer und weißrussischer Produktion. Diese machen bisher über ein Viertel aller Düngemittelimporte in die EU aus. Die Bundesregierung hat kommuniziert, dass sie dem zustimmen will. Jetzt hat das Agrarministerium auf Anfrage des BSW aber eingeräumt, dass die Bundesregierung die Folgekosten dieses Schritts für die Verbraucher, insbesondere was eine Verteuerung von Lebensmitteln angeht, nicht abschätzen kann. Das führt mich zu der Frage, wieso die Bundesregierung einem solchen Schritt zustimmen will, obwohl man selbst eingesteht, dass man die daraus folgenden Preiseffekte für die deutschen Verbraucher und Bauern, die sowieso schon unter einer enormen Preislast leiden, nicht einschätzen kann? Können Sie diesen Widerspruch für mich auflösen?
Galle (BMEL)
Der kürzlich vorgelegte Entwurf der Kommission zu Zöllen auf landwirtschaftliche Produkte und nitratbasierte Düngemittel im Rahmen des 16. Sanktionspaketes befindet sich in der Prüfung der Bundesregierung.
Parallel zu diesem Sanktionspaket wurde von der EU-Kommission ein Verordnungsvorschlag vorgelegt, der die Einführung von zusätzlichen Zöllen – darauf spielen Sie an – auf aus der Russischen Föderation und Belarus eingeführte stickstoffhaltige Düngemittel ab 1. Juli 2025 vorsieht. Diese sollen bis zum Jahr 2028 schrittweise angehoben werden. Die konkreten Auswirkungen der in Aussicht genommenen Zölle der EU auf die Märkte und die Verfügbarkeit der Düngemittel lassen sich zum aktuellen Zeitpunkt nicht komplett vorhersagen. Allerdings – das ist unsere Einschätzung – dürften sich die Preiseffekte in Grenzen halten, insbesondere vor dem Hintergrund, dass EU-Importeurinnen und -Importeure sowohl auf Düngemittel aus heimischer Produktion als auch auf Düngemittel aus anderen Drittstaaten zurückgreifen können.
Wichtig zu sagen ist: Auch Branchenvertreterinnen und -vertreter rechnen bei Düngeverkäufen nicht mit besonderen Preissteigerungen, sondern lediglich mit einer Verringerung der derzeit hohen Gewinnmengen der russischen Seite. Gleichzeitig erwartet die Kommission – das kann ich hinzufügen -, dass die EU-Zölle das Wachstum der heimischen Produktion und der Düngemittelindustrie der EU fördern.
Darüber hinaus – das ist auch ein wichtiger Aspekt – sieht der aktuelle Verordnungsvorschlag der Kommission einen Monitoringmechanismus bezüglich der Preisentwicklung und möglicher Anpassungsmaßnahmen vor. – Das kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt dazu sagen.
Zusatzfrage Warweg
Wenn Sie gerade von Anpassungsmechanismen sprechen: Jetzt gibt es durchaus Experten, die einen weiteren Anstieg der Lebensmittelpreise in Deutschland aufgrund dieser Maßnahmen erwarten. Plant denn die Bundesregierung ähnlich wie die EU, aber explizit für deutsche Verbraucher, entsprechende Anpassungsmechanismen, um gerade in diesem existenziellen Sektor der Lebensmittelversorgung weitere Preissteigerungen zu verhindern?
Galle (BMEL)
Dazu kann ich Ihnen derzeit nichts sagen.
Zusatz Warweg
Aber der Regierungssprecher vielleicht.
Regierungssprecher Hebestreit
Dazu kann ich zum jetzigen Zeitpunkt auch nichts weiter sagen.
Aber ich freue mich, dass Sie mich für alles auskunftsfähig halten.
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