Nun ist es so gekommen, wie es kritische und vom politischen und medialen Mainstream diffamierte Zeitgeister vorhergesagt haben: US-Präsident D. Trump und der russische Präsident W. Putin scheinen eine bilaterale Lösung des Ukraine-Krieges anzustreben. Die EU-Staaten waren nicht beteiligt, wurden nicht einmal informiert, geschweige denn konsultiert. Dieses bilaterale Format erinnert ein wenig an die Verhandlungen von Jalta 1945 zwischen den drei Alliierten USA, UdSSR und Großbritannien zur europäischen Nachkriegsordnung.* Damals galten Frankreich und Großbritannien noch als Weltmächte. Heute scheint sogar EU-Europa nicht mehr als ernst zu nehmende Gestaltungskraft in der Weltpolitik, ja nicht einmal mehr auf dem eigenen Kontinent ernst genommen zu werden. Wie konnte es so weit kommen? Und was wird aus der EU und der NATO? Von Alexander Neu.
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Wie konnte es dazu kommen?
Vor einigen Wochen, noch vor dem Amtsantritt D. Trumps, habe ich in einem NachDenkSeiten-Beitrag mit dem Titel „Sicherheit und Frieden von Europa für Europa“ folgende Prognose gewagt:
EU-Europa hat „keine Idee, kein Konzept zu einer nachhaltigen neuen Friedensordnung für Europa von Europa, die die EU zu einem echten souveränen Akteur mit Gestaltungspotenzial erheben könnte. Die EU besitzt nicht einmal die Kraft zur Regulierung innereuropäischer Konflikte – siehe die Nicht-Beilegung des Ukraine-Krieges. D. Trump wird mit hoher Wahrscheinlichkeit das tun, wozu die EU nicht in der Lage ist: einen Waffenstillstand unter US-amerikanisch-russischen Bedingungen herbeiführen. Ob die USA auch die Friedensverhandlungen für die Europäer führen werden und die EU mit den Ergebnissen der Friedensverhandlungen – politische Konsequenzen und finanzielle Belastungen – in die Verantwortung entlassen werden oder die Trump-Administration der EU gesichtswahrend sogar die formalen Friedensverhandlungen in dem bereits von Washington und Moskau gesetzten engen Rahmen des Waffenstillstandes überhelfen, ist derzeit offen. Und über diese dann noch zu „gestaltenden Friedensverhandlungen“ in dem von den USA und Russland gesetzten Korsett besteht die Gefahr massiver Spannungen innerhalb der EU hinsichtlich der Fragen zur Finanzierung der Ukraine und des künftigen Verhältnisses zu Russland. So oder so, die EU wird faktisch als Zaungast die Entscheidungen für einen Waffenstillstand zwischen Washington und Moskau zähneknirschend hinnehmen müssen, da die Bedingungen für die russisch-ukrainischen Konfliktregulierung weit von dem entfernt sein werden, was in EU-Europa seit 2022 propagiert wurde: Sieg der Ukraine.“
Was hat zu der fatalen Situation EU-Europas geführt?
Die Liste an politischen Fehlern dürfte sehr lang sei. Hier nur einige, aber zentrale Beispiele:
Statt der Umsetzung der „Charta von Paris“ aus dem November 1991, in der das Konzept der ungeteilten Sicherheit im Zentrum steht – ein inklusives, alle Staaten der nördlichen Hemisphäre umfassend –, wurde nach Auflösung des sowjetisch dominierten Militärbündnisses der Gegenpart, die NATO (exklusiver transatlantischer Club, in dem die USA die europäische Sicherheit so ganz uneigennützig „gestalten“) nicht aufgelöst. Im Gegenteil, die NATO wurde um Post-Warschauer-Pakt-Staaten und post-sowjetische Staaten erweitert und auch mit neuen, „existenzlegitimierenden“ Aufgaben (Out-of-area-Einsätze, darunter auch völkerrechtswidrige) „betraut“, womit die NATO vom Verteidigungsbündnis in ein geopolitisch-expansives Instrument umfunktioniert wurde. Das vielversprechende Konzept der unteilbaren Sicherheit – dokumentiert und ratifiziert in der „Charta von Paris“ – wurde, trotz Ratifikationen der Teilnehmerländer, nie ernsthaft in Washington, Brüssel und Berlin in Erwägung gezogen, denn es stand dem Streben nach westlicher Globaldominanz im Wege. Schließlich meinte man ja, man habe den Kalten Krieg gewonnen. Und nun werde der Preis eingefahren („The winner takes it all“), statt auf Kompromisse in Richtung eines nachhaltigen Konzepts der gemeinsamen Sicherheit auf der nördlichen Weltkugel einzugehen.
Dieses Konzept der gemeinsamen Sicherheit, bestenfalls als kollektives, mindestens aber als kooperatives Sicherheitskonzept ernsthaft umgesetzt, hätte Europa Stabilität, Sicherheit und Souveränität bringen können und vermutlich auch gebracht. Die ehrliche Umsetzung des Konzepts hätte Europa den Jugoslawien-Krieg sowie den Ukraine-Krieg ersparen können. Stattdessen NATO, NATO, NATO und die fortgesetzte Unterwürfigkeit gegenüber den USA – sowohl bilateral als auch im NATO-Kontext. Europäische Sicherheit wurde uneingeschränkt und mit viel transatlantischer Lyrik und Romantik den USA überantwortet. Man kann derart politisch unverantwortlich handeln. Aber sich dann zu wundern und zu beklagen, dass die USA plötzlich eine andere Agenda verfolgen, über die Köpfe der Europäer auch zu ihrem unmittelbaren Nachteil entscheiden, ja diese nicht einmal mehr zu außen- und sicherheitspolitischen Themen zumindest formal konsultieren oder auch nur zu informieren, sagt mehr über den politischen Zustand EU-Europas als über die USA aus. Man erinnere sich, wie D. Trumps Amtsvorgänger J. Biden im Februar 2022 die einseitige „Stilllegung“ von Nord Stream 2 angekündigte und ein schweigender Noch-Bundeskanzler O. Scholz in devoter Haltung vor der Weltöffentlichkeit danebenstand. Man erinnere sich, wie J. Biden im Sommer 2024 am Rande des NATO-Gipfels erklärte, die USA würden weitreichende und neuartige Waffensysteme (Mittelstreckenraketen, Marschflugkörper und Hyperschallwaffen) in Deutschland stationieren. Und O. Scholz fand das so richtig gut, ohne die daraus erwachsenen Gefahren der Stationierung dieser Waffen für Deutschland überhaupt zu verstehen, geschweige denn überhaupt zu kapieren, dass ein Drittstaat einseitig entscheidet, was dieser in und mit Deutschland alles so tut und tun kann.
Nicht minder fatal war und ist das geradezu ideologisch verblendete Vorgehen im Ukraine-Krieg. Aus den EU-Europa-Hauptstädten sowie aus der EU selbst kamen mit Ausnahme Ungarns und der Slowakei keinerlei Verhandlungs- und Friedensinitiativen, nicht einmal -signale. Die Initiativen anderer Staaten wie der Zwölf-Punkte-Plan Chinas, der Zehn-Punkte-Plan afrikanischer Staaten und ihrer Afrikanischen Union (AU), der gemeinsame Friedensplan Brasiliens und Chinas – all diese Vorschläge wurden nicht nur nicht ernst genommen und belächelt, sondern bisweilen diffamiert. In der von Hybris geprägten Überzeugung der eigenen Überlegenheit wurden diese Initiativen anderer, nicht westlicher Staaten sogar als unerhörte Einmischung in die westliche Strategie empfunden. Wenn überhaupt, dann hätten sich diese Staaten der westlichen, also unilateralen Sanktionspolitik anzuschließen – basta.
Und dieser ideologische Fanatismus in der Ukrainefrage geht sogar so weit, den eigenen wirtschaftlichen Untergang fahrlässig in Kauf zu nehmen. ‚Sieg der Ukraine bis zum Selbstmord EU-Europas‘ scheint die ultimative Parole in so manchen politischen und medialen Köpfen in EU-Europa zu sein. Diese Haltung zeugt davon, dass es in EU-Europa ganz offensichtlich an strategisch denkenden Politikentscheidern mangelt. Der Fachkräftemangel in Deutschland scheint nicht nur auf der Handwerkerebene zu bestehen. Mit den USA an der Seite EU-Europas glaubte man trotz objektiver Gegenfakten an einen Sieg.
Und dann kam D. Trump, so völlig unerwartet wie das jährliche Weihnachtfest, wenn man am 26. Dezember feststellt, dass der Kalender einen überrumpelt hat. Und D. Trump verfolgt auch noch einen anderen politischen Kurs: weniger Europa, mehr Südostasien und Pazifik. Die Europäer sollen selbst für ihre Sicherheit sorgen, so die Ansage. Dass D. Trump nicht die NATO verlassen will, wird schon als positives Zeichen interpretiert. Dafür ist man auch bereit, wesentlich mehr Steuergelder in die Militärhaushalte zu stecken als in eine gute und funktionierende Infrastruktur, in Gesundheit, Bildung, Wohnungsbau und Soziales. Die Wahlprogramme diverser Parteien – Die Grünen, SPD, AfD, FDP und CDU (hier und hier) überbieten sich in Angeboten an D. Trump hinsichtlich der Erhöhung deutscher Militärausgaben – also deutscher Steuergelder, die dann eben in anderen Bereichen eingespart werden müssen. Geht es nach diesen Parteien, werden wir in den nächsten Jahren eine riesige Umverteilung unserer Steuergelder in die Bundeswehr und in die Ukraine erleben. Der deutsche Michel soll also die Zeche für eine vergangene und fortgesetzte, völlig verfehlte Außen- und Sicherheitspolitik zahlen. Nach wie vor kommt man in den EU-europäischen Hauptstädten nicht auf die Idee, eine neue gesamteuropäische – also inklusive – Sicherheitsarchitektur herbeizuverhandeln, um aus der Sackgasse herauszukommen und eine nachhaltige Stabilität von Europa für Europa zu schaffen. Stattdessen agieren die politischen Entscheider in EU-Europa so wie der verzweifelt gegen Windmühlen ankämpfende Don Quichote – hier personifiziert in Gestalt der EU-Kommissionspräsidentin U. von der Leyen: „Putin wird scheitern, Europa und die Ukraine (sic! Genau in dieser Reihenfolge) werden gewinnen“ (Von der Leyen: „Wir werden obsiegen – Durchhalten und Russland besiegen“).
Alle diese oben aufgeführten Fehler kulminieren sich nun zu einer für Europa katastrophalen Situation. Sie wäre vermeidbar gewesen.
Das Trump-Putin-Telefonat
In den EU-Hauptstädten und in Brüssel wird dieser Tage über das Telefonat und die möglichen inhaltlichen Punkte Gift und Galle gespuckt. Nur, was erwarten diese ideologisch verblendeten Politikdarsteller in Brüssel und den Hauptstädten der EU-Mitliedstaaten denn angesichts ihres Totalausfalles hinsichtlich der Gestaltung europäischer Sicherheit von Europa für Europa? Was hat D. Trump Putin als Konzession in Aussicht gestellt, was EU-Europa auf die Palme bringt?
Nach all dem, was bekannt ist:
- Keine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine – was im Übrigen das Kernmotiv des russischen Einmarsches in die Ukraine darstellt. Ein Fakt, der bis heute im Westen („unprovoked“) geleugnet wird, außer von D. Trump, der genau diese NATO-Osterweiterungsambitionen um die Ukraine den Vorgängerregierungen unter Biden und Obama als kriegsauslösend anlastet. Und auch der damalige NATO-Generalsekretär J. Stoltenberg räumte so ganz unfreiwillig im Rahmen einer wahrlich ungeschickten Argumentationskette vor einigen Monaten diesen Beweggrund Russlands ein:
„Hintergrund war, dass Präsident Putin im Herbst 2021 erklärte und tatsächlich einen Vertragsentwurf schickte, den sie von der NATO unterzeichnen lassen wollten, keine weitere NATO-Erweiterung zu versprechen. Das hat er uns geschickt. Und war eine Voraussetzung dafür, nicht in die Ukraine einzumarschieren. Das haben wir natürlich nicht unterschrieben.
(…) Er wollte, dass wir dieses Versprechen unterzeichnen und die NATO niemals erweitern. (…) Also zog er in den Krieg, um die NATO, noch mehr NATO, in der Nähe seiner Grenzen zu verhindern.“
(Quelle: NATO)
- Territoriale Akzeptanz der von Russland eroberten ukrainischen Gebiete – was als Zugeständnis an den Aggressor in EU-Europa abgelehnt wird, weil es das Völkerrecht verletze. Allein, diese Feststellung ist richtig. Aber aus dem Munde EU-europäischer Politiker wirkt es doch verstörend: Bis heute verweigern die Bundesregierungen wechselnder Konstellationen beispielsweise die Völkerrechtswidrigkeit des NATO-Angriffs auf Jugoslawien, die forcierten Sezessionsbestrebungen und rechtswidrige diplomatische Anerkennung illegaler Grenzverschiebungen Jugoslawiens zu sechs Zwergstaaten, den rechtswidrigen Angriff der unter US-Führung „Koalition der Willigen“ gegen den Irak, die rechtswidrige militärische Anwesenheit von NATO-Mitgliedsstaaten in Syrien, wie auch vom Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages auf meine Gutachtenanfragen hin bestätigt. Die vielfache Nicht-Umsetzung verbindlicher UNO-Sicherheitsratsresolutionen wie zu Minsk 2 oder zu Jugoslawien/Serbien und seiner Provinz Kosovo. Man kann selbstverständlich die Rechtswidrigkeit dieser Handlungen bis ins Absurde bestreiten, und das wird auch so gemacht. Entscheidend ist indessen, wie der große Rest der Welt das sieht. Und der sieht es nun mal anders. Diese Politik der Doppelstandards stärkt nicht unbedingt die westliche, die EU-europäische Glaubwürdigkeit und Seriosität in der internationalen Politik.
- Europa soll den Wiederaufbau der Rest-Ukraine finanzieren. Es dürfte sich dabei um Milliardenbeträge im dreistelligen Bereich handeln. Diese Gelder werden in anderen politischen Feldern wie Gesundheit, Soziales, Bildung etc. in Deutschland fehlen. Sollte sich eine künftige Bundesregierung darauf einlassen, würde dies den beschleunigten Niedergang unseres Gemeinwesens (Gesellschaft, Wirtschaft und Staat) bedeuten. Wir würden und werden Deutschland in wenigen Jahren nicht mehr wiedererkennen.
- Es sollen Sicherheitsgarantien für die Ukraine auch durch Truppenentsendung in die Ukraine festgelegt werden; nur ohne US-Truppen und ohne NATO-Beteiligung und -Strukturen, sodass Art. 5 des NATO-Statuts im Falle von militärischen Zwischenfällen zwischen den in der Ukraine stationierten Sicherheitskräften und Russland nicht zu einem NATO-Fall führen wird.
Ob diese Konditionen letztlich auch so umgesetzt werden, ob die USA auf Druck der EU-Europäer und Kiew ihre Konditionen nachschärfen oder ob W. Putin mehr fordern wird, ist derzeit offen. Dass die Ukraine am Verhandlungstisch sitzen wird, dürfte wohl auch für D. Trump und W. Putin außer Frage stehen – alles andere wäre tatsächlich absurd.
Ob EU-Europa mit am Tisch oder nur am Katzentisch oder gar nicht dabei sein wird und nur die Beschlüsse „umsetzen darf“, ist bislang unklar. Offenkundig ist das Ego des US-Präsidenten: Handelte er entsprechend seines Egos, dann will er die Beendigung dieses Krieges nicht nur rasch herbeiführen, sondern auch diese Leistung sich selbst auf die Fahnen schreiben können und damit in die Geschichtsbücher eingehen. Damit ist wenig Platz für EU-europäische Mitwirkung. Mehr noch: Er wird im Zweifel auch gegen die Widerstände in EU-Europa mit Russland ein Friedensabkommen verhandeln und beschließen. Ganz nach der Weisheit des damaligen außenpolitischen Beraters Willy Brandts – eine Person noch von strategischem Format – Egon Bahr: „Wenn die Elefanten anfangen zu tanzen, dann treten die Mäuse am besten ruhig zur Seite“. Die EU-„Mäuse“ geben sich indes selbstbewusst, jedoch mit wenig materieller Grundlage: Wenn die Konditionen nicht stimmten, so die EU-Außenbeauftragte K. Kallas, würde ein Abkommen ohne EU scheitern. „Denn, es wird Europa und die Ukraine benötigt, um das Abkommen zu implementieren. Ohne uns (EU und Ukraine) am Verhandlungstisch kann beschlossen werden, was auch immer, es wird einfach nicht funktionieren (…) Die Ukraine wird ablehnen und wir werden die Ukraine unterstützen.“
Dass ist tatsächlich ein tragendes Argument von der EU-Außenbeauftragten K. Kallas. Auf der anderen Seite: Was will EU-Europa tun, wenn sich D. Trump und W. Putin über ein Abkommen einigen? Es nicht umsetzen? Okay, aber was dann?
Will EU-Europa tatsächlich allein diesen Konflikt fortgesetzt sehen, bis die Ukraine siegen wird? Das wird nicht passieren. Will EU-Europa Russland und den USA gleichzeitig die Stirn bieten? Die EU vermochte es nicht einmal, Russland mit Sanktionen in die Knie zu zwingen. Und nun Druck auf die USA – welche Selbstüberschätzung! Was und wie die neue US-Administration über Europa denkt, hat jüngst der US-Vizepräsident D. Vance auf der „Münchner Sicherheitskonferenz“ zum Entsetzen der anwesenden EU-Europäer kundgetan. Welche Gefahren und Risiken bedeutet ein Alleingang oder besser gesagt ein Alleingang der EU gegen die USA und gegen Russland? Weiter: Werden sich die EU-Mitgliedsstaaten tatsächlich geschlossen auf Gedeih und Verderben hinter die EU-Bürokratie und die Ukraine und gegebenenfalls gegen die USA stellen, oder würde es zu erheblichen Zerwürfnissen in der EU führen – bis hin zum tendenziellen Zerfall EU-Europas? Überhebt sich die Außen- und sicherheitspolitische Maus EU-Europa hier nicht? Aber auch mit der „freiwilligen“ Umsetzung der oben benannten möglichen Verpflichtungen im Rahmen eines Trump-Putin-Deals würde sich EU-Europa eklatant überheben.
EU-Europa ist sehenden Auges und völlig selbstverschuldet in einer Einbahnstraße gelandet, mit fatalen Folgen für Gesamteuropa, und dies wird bis jetzt immer noch nicht verstanden. Die europäische Integration steht durch eine gefährliche Kombination von Arroganz und Ignoranz gegenüber realpolitischen Entwicklungen ganz real auf dem Spiel. Wie sehr die Kombination von Arroganz und Ignoranz zu surrealen politischen Entscheidungen führt, zeigt sich eindrucksvoll am Beispiel der „Münchner Siko“ mit dem diesjährigen Motto „Frieden durch Dialog“. Deren Leiter Ch. Heusgen erklärt, es seien keine russischen Regierungsvertreter für die Siko akkreditiert worden – also nicht eingeladen worden –, wohl aber ein paar Vertreter der russischen Opposition. Es tun sich hiermit drei Problemfelder auf: Erstens: Wenn man „Frieden durch Dialog“ will, ist der Dialog mit dem Gegner wohl unvermeidlich. Eigentlich eine Weisheit – nicht so bei der Siko. Zweites Problem: Will der Leiter der Siko mit der machtlosen Opposition einen „Dialog zum Frieden“ führen? Das dürfte wohl weitgehend ergebnislos hinsichtlich der realpolitischen Konsequenzen sein. Drittes Problem: Während so mancher auf der Siko wohl von einem Regime Change in Moskau (eingeladene Opposition) träumt, verhandeln die USA und Russland über das Schicksal der Ukraine und auch Europas. Wie viel absurder könnte die Realitätsperzeption noch sein?
Und, welche Konsequenzen hätte es für die NATO, wenn die US-Führungsmacht des Bündnisses der Weigerung der EU-Europäer mit der weiteren Abwendung der USA von der NATO beantworten würde – würde die NATO zerfallen? Was eint eigentlich die NATO noch, wenn der Frieden ausbräche zwischen der Ukraine und Russland, wenn die USA sich mit Russland auf dem Rücken der Europäer zur Ukraine und ggf. anderen strategischen Herausforderungen verständigen würden?
Dass sind die großen Fragen, die nun sehr rational, und das heißt unideologisch, geklärt werden müssen, um den anstehenden Schaden nicht nur für EU-Europa, sondern für Gesamteuropa zumindest zu begrenzen.
* Korrektur 18. Februar 2025 11:00 Uhr: Das irrtümliche Datum 1943 sowie die Teilnahme Frankreichs wurden berichtigt.
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