„Zäsur“, „Wegscheide“, „Epochenbruch“ – O-Töne zur Münchner Sicherheitskonferenz

„Zäsur“, „Wegscheide“, „Epochenbruch“ – O-Töne zur Münchner Sicherheitskonferenz

„Zäsur“, „Wegscheide“, „Epochenbruch“ – O-Töne zur Münchner Sicherheitskonferenz

Ein Artikel von: Redaktion

Die zu Ende gegangene Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) wird sicherlich in die Geschichtsbücher eingehen als ein Wendepunkt in den transatlantischen Beziehungen. US-Vizepräsident JD Vance hat in seiner Rede den Europäern mangelhafte Demokratie zur Last gelegt und angedeutet, dass die bisherige amerikanische Unterstützung für Europa keine Selbstverständlichkeit mehr sei. Die Palette der Reaktionen der meisten MSC-Teilnehmer darauf lag zwischen Empörung und Ratlosigkeit. Eine neue Ausgabe der O-Töne.



US-Vizepräsident James David „JD“ Vance am 14. Februar 2025

„Die Bedrohung, die ich sehe, die mir am meisten Sorgen macht, ist nicht Russland oder China oder irgendwelche anderen externen Akteure, sondern es ist eigentlich aus dem Inneren heraus, aus Europa, und zwar ist es ein Weggehen von den grundsätzlichen Werten von den Europäern und auch den Vereinigten Staaten. (…) Ich glaube, es gibt keine Sicherheit, wenn man Angst hat vor den Meinungen und auch das Gewissen ihres eigenen Volkes. Europa steht vor vielen Herausforderungen, aber das, was ich meine, wir gemeinsam vorstehen, ist eines, das hausgemacht ist. Wenn wir Angst vor den eigenen Wählern haben, gibt es nichts, was die Vereinigen Staaten für Sie tun kann.“

(Quelle: ZDF heute, ab Minute 10:07 und ab Minute 19:55)


Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius am 14. Februar 2025

„Ich bin überzeugter Transatlantiker, leidenschaftlicher Transatlantiker, ein großer Freund Amerikas. Der American Dream hat mich schon früh fasziniert und geprägt. Und gerade deswegen kann ich nicht zur Tagesordnung gehen. Gerade deswegen kann ich die Rede, die wir vorhin vom US Vice President gehört haben, nicht unkommentiert lassen. (…) Wenn ich ihn richtig verstanden habe, vergleicht er die Zustände in Teilen Europas mit denen in autoritären Regimen. Meine Damen und Herren, das ist nicht akzeptabel. (…) In dieser Demokratie hat jede Meinung eine Stimme. Sie ermöglicht es, in Teilen extremistischen Parteien wie die AfD ganz normal Wahlkampf zu machen, ganz wie jeder anderen Partei. Das ist Demokratie. (…) In unseren Pressekonferenzen werden übrigens auch Medien zugelassen, die russische Propaganda verbreiten, und die Vertreter der Bundesregierung müssen ihnen Rede und Antwort stehen. Ausgeschlossen wird niemand, nur weil er unser Wording nicht teilt.“

(Quelle: phoenix, ab Minute 0:33 und ab Minute 1:19 und ab Minute 2:02)


Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 14. Februar 2025

„Die neue amerikanische Administration hat ein anderes Weltbild als wir – eines, das keine Rücksicht nimmt auf etablierte Regeln, auf gewachsene Partnerschaft und Vertrauen. Das können wir nicht ändern. Das müssen wir akzeptieren und damit müssen wir umgehen. Aber ich bin überzeugt, es ist nicht im Interesse der Staatengemeinschaft, dass dieses Weltbild das allein dominierende Paradigma wird. Regellosigkeit darf nicht zum Leitbild für eine Neuordnung der Welt werden, meine Damen und Herren. (…) Die Demokratie ist keine Spielwiese für Disruption. Disruption – das ist ein Begriff, bei dem Tech-Unternehmen und politische Populisten sich derzeit gerne treffen. ‚Werft das Alte auf den Müllhaufen der Geschichte!‘ Und ja – dieser Ruf hat viele Märkte und Geschäftsmodelle umgekrempelt, sogar revolutioniert. Das stimmt. Aber es stimmt eben auch: Die Demokratie ist kein Geschäftsmodell.“

(Quelle: phoenix vor ort, ab Minute 1:13 und ab Minute 3:58)


Bundeskanzler Olaf Scholz am 14. Februar 2025

„Die AfD ist eine Partei, aus deren Reihen heraus der Nationalsozialismus uns seine monströsen Verbrechen, Menschheitsverbrechen, wie sie in Dachau geschehen sind, als ‚Vogelschiss der deutschen Geschichte‘ verharmlost werden. Ein Bekenntnis zum ‚Nie wieder‘ ist daher nicht mit der Unterstützung für die AfD in Einklang zu bringen. (…) Deshalb werden wir es nicht akzeptieren, wenn Außenstehende zugunsten dieser Partei in unserer Demokratie, in unseren Wahlen und in die demokratische Meinungsbildung eingreifen.“

(Quelle: phoenix, ab Minute 1:32 und ab Minute 2:06)


Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am 15. Februar 2025

„Wir können es nicht ausschließen, dass Amerika vielleicht ‚nein‘ sagt zu Europa bei Themen, die Europa bedrohen. Viele, viele Staats- und Regierungschefs haben über Europa gesprochen, ein Europa, das eigene Streitkräfte braucht. Eine europäische Armee, eine Armee Europas. (…) Letzten Herbst, in meinem Siegesplan, da habe ich vorgeschlagen, dass wir ein Teil der US-Militärpräsenz in Europa mit ukrainischen Streitkräften ersetzen, wenn die Ukraine in die NATO kommt, natürlich. Wenn die Amerikaner selbst entscheiden, sich zurückzuziehen bzw., Verzeihung, diesen Weg zu gehen, ihre Präsenz herunterzufahren, das ist nicht gut, das ist selbstverständlich sehr gefährlich, aber wir alle in Europa müssen bereit sein. (…) Die alten Zeiten sind vorbei, in denen Amerika Europa unterstützt hat, weil es das immer getan hat. Aber Präsident Trump hat einmal gesagt: ‚Was wichtig ist, ist nicht die Familie, in die man hineingeboren wurde, sondern die Familie, die man sich selbst aufbaut. Wir müssen die engstmöglichen Beziehungen mit den USA aufbauen, und ja – eine neue Beziehung mit den USA, aber als Europäer und nicht als einzelne Nationen.“

(Quelle: BRlive, ab Minute 7:23 und ab Minute 11:13 und ab Minute 16:21)


Wirtschaftsminister Robert Habeck am 16. Februar 2025

„Diese Rede war der Abschied oder der angedrohte Abschied der Amerikaner aus dem Wertebündnis mit Europa. Ich würde von einer Zäsur reden, das war es ohne Frage, ein Turning Point in unserer Beziehung. Da ist halt noch nicht wirklich was passiert. Das ist der Unterschied zur ersten Zeitenwende, sondern nur angedroht, angekündigt, aber wir sollten den Worten Glauben schenken, wir sollten jetzt nicht so weiter vor uns rumtrödeln und sagen, wird schon gutgehen. Wir sind gut beraten, das alles sehr ernst zu nehmen, und jetzt endlich, endlich, endlich den Rücken gerade zu machen, die eigenen Stärken wieder zu identifizieren, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen, und da, wo wir sie noch nicht vollständig ausüben, machen wir das halt jetzt.“

(Quelle: Munich Security Conference, ab Minute 19:39)


Ex-Chef der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger am 16. Februar 2025

„Wir erleben hier aber in der Tat, denke ich, eine Wegscheide. Man kann vielleicht auch tatsächlich von einem transatlantischen Epochenbruch sprechen, weil wir spüren, dass es nicht mehr reicht, sozusagen, rhetorisch zu diskutieren über die Frage. Die Europäer müssen mehr machen. Ich glaube, jetzt sind wir wirklich an dem Punkt angekommen, wo wir mehr machen müssen, wenn wir überhaupt in irgendeiner Form in Washington, in Moskau und in Peking noch respektiert werden wollen als Akteure.“

(Quelle: WELT TV, ab Minute 01:33)

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