Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus hat viele Spekulationen über die US-Außenpolitik ausgelöst. In Venezuela ist die Erinnerung an seine “Kampagne des maximalen Drucks” für einen Regime Change noch sehr frisch. Viele Wunden sind noch offen. Die neue Regierung geizt nicht mit US-amerikanischem Großmachtgehabe und hat mit ihrer Anti-Migrationspolitik gleich ein schweres Geschütz aufgefahren. Donald Trumps Sondergesandter Richard Grenell hielt ein viel beachtetes Treffen mit dem venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro ab, bei dem es Berichten zufolge darum ging, sicherzustellen, dass Caracas Abschiebeflüge für Migranten akzeptiert. Von Ricardo Vaz.
Aber abgesehen von den unmittelbaren Maßnahmen gegen die US-Migrantenbevölkerung, welche Pfeile zieht Washington aus seinem imperialistischen Köcher gegen Venezuela? Was plant es, mit der ultrarechten Opposition zu tun? Und welche Optionen gibt es in der Sanktionspolitik?
Das Dilemma der Parallelregierung
Eine der wichtigsten Entscheidungen, die die Trump-Regierung zu Beginn treffen muss, ist die Entscheidung, ob sie erneut den Weg einer Parallelregierung einschlagen will – mit anderen Worten, ein “Guaidó 2.0”-Szenario. Abgesehen davon, dass man die besten Plätze für die “State of the Union”-Ansprache oder private Führungen durch das Weiße Haus verschenken würde, ist dies eine Entscheidung mit mehreren Konsequenzen.
Die Erste hat mit Geld zu tun. Derzeit erkennt Washington ein nicht mehr existierendes Parlament, dessen Amtszeit vor vier Jahren abgelaufen ist, als “legitime Regierung” Venezuelas an. Diese Pseudo-Nationalversammlung besteht aus Dutzenden irrelevanter ehemaliger Politiker, die sich nicht einmal mehr die Mühe machen, den Schein zu wahren.
Dennoch ist dieser Platzhalter eine bekannte Größe – korrumpiert und mittelmäßig, aber dennoch bekannt.
Die offizielle Anerkennung des Ex-Kandidaten Edmundo González würde bedeuten, dass man sich mit einem komplett neuen bürokratischen Apparat auseinandersetzen und diesen natürlich finanzieren müsste. Regierungsvertreter der USA würden an Handlungsspielraum verlieren, wenn sie jemanden beachten müssten, den ihre Regierung als den wahren Anführer Venezuelas ansieht, selbst wenn dieser keinerlei Macht innerhalb des Landes hat.
Ein Wachwechsel könnte auch zu Unterbrechungen laufender Gerichtsverfahren führen, allen voran der vom Gericht in Delaware angeordneten Auktion der in den USA ansässigen Tochtergesellschaft des staatlichen venezolanischen Erdölunternehmens PDVSA, Citgo.
All dies könnte erklären, warum das neue Weiße Haus bisher nur rhetorisch in die Offensive gegangen ist und González vom “gewählten Präsidenten” zum “rechtmäßigen Präsidenten” gemacht hat. Darüber hinaus erfordert die Erfüllung von Trumps Anti-Migranten-Versprechen eine Zusammenarbeit mit der Maduro-Regierung, eine vordringliche Aufgabe für den Sondergesandten Grenell.
Hartes Vorgehen gegen Migranten hat Priorität
Der neue Bewohner des Weißen Hauses surfte auf einer Welle von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ins Amt, die ihn dazu veranlasste, Migranten mit immer absurderen und falschen Geschichten zum Sündenbock zu machen. Ironischerweise ist ein Großteil der Migration, insbesondere von Venezolanern, direkt mit der Politik der ersten Amtszeit von Trump verbunden, insbesondere mit seinen Sanktionen des “maximalen Drucks”, die von der Regierung unter Joe Biden weitgehend beibehalten wurden.
Die Darstellung der Migranten als Feindbild hat jedoch wenig mit der Realität zu tun, und keine der ergriffenen Maßnahmen geht die eigentlichen Ursachen des Phänomens an. Trump versucht lediglich, etwas zu verkaufen, das wie ein Sieg aussieht.
Deshalb bestand der erste Schritt darin, direkt mit der Maduro-Regierung zu verhandeln. Und es ist davon auszugehen, dass es in naher Zukunft eine Reihe von Abschiebeflügen geben wird. Caracas kann auch einen PR-Sieg verbuchen, indem es zeigt, dass die USA anerkennen, wer das Sagen hat, und die zurückgekehrten Staatsbürger in ihr Programm “Rückkehr ins Heimatland” aufnehmen kann.
Außerdem ist es nicht abwegig zu erwarten, dass die venezolanische Regierung zumindest Zusicherungen dafür erhalten hat, dass die Sanktionspolitik in den kommenden Monaten nicht verschärft wird. Einige Analysten hatten sogar die Vermutung geäußert, dass die Kooperation Venezuelas in Migrationsfragen im Gegenzug für begrenzte Ölexportlizenzen erfolgen könnte.
Letztendlich bleibt jedoch ein Regime Change in Caracas das oberste Ziel der USA, das hauptsächlich durch wirtschaftliche Kriegsführung verfolgt wird.
Entzug der Lizenz für Chevron
Sowohl die venezolanische ultrarechte Opposition als auch außenpolitische Falken in den USA fordern lautstark eine Verschärfung der Sanktionspolitik gegen das karibische Land. Der neu ins Amt eingeführte Präsident selbst hat die Möglichkeit ins Spiel gebracht, dass die USA „kein Öl mehr” aus Venezuela kaufen.
Sollte die Trump-Regierung diesen Weg einschlagen, wäre der Ausgangspunkt die Lizenz von Chevron. Der Ölriese erhielt Ende 2022 eine Ausnahmegenehmigung, um die Rohölförderung und den Verkauf in seinen Joint Ventures in Venezuela wieder aufzunehmen. Derzeit sind die vier Projekte, an denen Chevron (Minderheits-)Anteile hält, für etwa 25 Prozent der Gesamtproduktion Venezuelas verantwortlich.
Die Frage nach Chevron stand bereits früher auf der Tagesordnung. Im Jahr 2020 ordnete die erste Trump-Regierung an, dass das Unternehmen seine Aktivitäten in Venezuela einstellt. Damals lautete die Begründung, dass das Unternehmen kurzfristig einige Opfer bringen sollte und nach einem erfolgreichen Regime Change zu einer lohnenden Ausbeute zurückkehren würde. Aber Guaidó ist dem Präsidentenpalast nur etwa fünf Millimeter näher gekommen als zu Beginn, sodass Chevron sich fragen könnte, warum es das noch einmal durchmachen sollte. Aber letztendlich liegt die Entscheidung nicht in seinen Händen.
Ein eventueller Entzug der Lizenz von Chevron wäre ein unmittelbarer Schlag für die Ölproduktion Venezuelas, mit Folgewirkungen in Bereichen wie der Kraftstoffproduktion und dem Zugang zu US-Dollar. Allerdings würde dies die Branche nicht annähernd auf die historischen Produktionsniveaus von Mitte 2020 zurückwerfen.
Die politischen Entscheidungsträger in Washington scheren sich nicht um das Leid der einfachen Venezolaner, aber sie werden sich fragen, ob der Ausschluss von Chevron aus der Gleichung einen Regime Change tatsächlich wahrscheinlicher macht.
Den maximalen Druck noch verstärken
Über den Widerruf der Lizenzen für Chevron und die eventuelle Vertreibung europäischer Unternehmen, die eine viel kleinere Rolle spielen, hinaus stehen dem US-Finanzministerium aktuell keine weiteren Maßnahmen zur Verfügung, die für Schlagzeilen sorgen könnten.
Es kann jedoch weitere Schritte unternehmen, um die Durchsetzung der Sanktionen zu verschärfen. Mit anderen Worten: Es kann gegen die Zwischenhändler vorgehen, die venezolanisches Rohöl kaufen und weiterverkaufen, sowie gegen diejenigen, die Caracas dabei helfen, die Sanktionen zu umgehen, um die Einnahmen aus den Ölexporten einzutreiben.
Das erfordert viel Personal und Ressourcen, und es wird kein entscheidender Schlag sein, den Trump als großen Sieg präsentieren kann.
Washington kann den Export von venezolanischem Rohöl nicht wirklich stoppen, es sei denn, es verhängt eine Seeblockade. Aber eine Verschärfung der Strafverfolgung und sekundäre Sanktionen würden die “Kosten für Geschäfte” mit Venezuela angesichts des zusätzlichen Risikos in die Höhe treiben. Anders gesagt: Die Maduro-Regierung müsste noch größere Rabatte auf den Export von Rohöl gewähren.
Die Kunst des Deals
Abgesehen von den außenpolitischen Hardlinern flüstern auch Öllobbyisten und “Make America Great Again”-Think Tanks der Regierung ins Ohr. Weniger an die traditionellere US-amerikanische Propaganda für “Freiheit und Demokratie” gebunden, sähen sie es lieber, wenn Trump die gegenwärtigen Bedingungen zugunsten der US-Interessen nutzen würde.
In einem politischen Papier wurde dargelegt, wie eine “America-first-Sanktionspolitik” aussehen könnte. Sie würde bedeuten, den Weg für US-Unternehmen zu ebnen, um Geschäfte nach dem Vorbild von Chevron abzuschließen, und die wirtschaftlichen Probleme Venezuelas auszunutzen, um günstige Bedingungen auf Kosten der Souveränität des Landes zu sichern. Für die Regierung Maduro wäre es eine vertraute Wahl zwischen “schlechtem Deal oder keinem Deal”, und sie könnte versucht sein, zu akzeptieren, um mehr Einnahmen zu sichern.
Laut dem Autor Brian Fonseca von der Florida International University würden die Verhandlungen zugunsten von US-Firmen mit der Verhängung von Sekundärsanktionen gegen alle anderen Akteure einhergehen. Das erklärte Ziel ist es, den Einfluss der USA auf den venezolanischen Ölsektor wiederherzustellen, auch im Hinblick auf zukünftige Privatisierungen, die bei Ölmanagern für Begeisterung sorgen würden.
Dieser Ansatz würde sich von den kurzsichtigen Angriffen der ersten Trump-Regierung unterscheiden und stattdessen darauf abzielen, die Souveränität Venezuelas nach und nach zu untergraben.
Wichtige Entscheidungen
Für einen selbsternannten erfolgreichen Geschäftsmann wie Trump könnte der Sanktionsansatz “America First” am sinnvollsten sein. Wenn er erfolgreich ist, und das ist ein großes “Wenn”, könnte er sich damit brüsten, China aus Venezuela zu vertreiben und den früheren Einfluss der USA auf die venezolanische Ölindustrie wiederherzustellen.
Das würde jedoch bedeuten, die Maduro-Regierung in Ruhe zu lassen, und das könnte für Leute wie Rubio ein Ausschlusskriterium sein. Es würde viel rhetorische Geschicklichkeit erfordern, US-Unternehmen in den venezolanischen Ölsektor zu bringen und gleichzeitig zu behaupten, alles für einen Regime Change zu tun. Irgendwann muss irgendjemand nachgeben.
Es liegt auf der Hand, dass Venezuela auf diesem komplexen Schachbrett kein passiver Akteur ist, und seine Bemühungen, Widerstand gegen Sanktionen aufzubauen und die regionale Integration voranzutreiben, bestimmen ebenfalls die Strategie seines Gegners. Die einzige beständige Annahme, um Che Guevara zu paraphrasieren, ist, dass man dem Imperialismus niemals trauen kann.
Übersetzung: Vilma Guzmán, Amerika21
Titelbild: The Trump White House, Public domain, via Wikimedia Commons