Propaganda statt Aufklärung: Wie aus Dialog „Pekings geheimes Netzwerk“ gemacht wird

Propaganda statt Aufklärung: Wie aus Dialog „Pekings geheimes Netzwerk“ gemacht wird

Propaganda statt Aufklärung: Wie aus Dialog „Pekings geheimes Netzwerk“ gemacht wird

Ein Artikel von Tilo Gräser

Über Kampagnenjournalismus und dessen Grundlagen klärte eine Veranstaltung in Berlin auf, was ursprünglich nicht beabsichtigt war. Eigentlich sollte es darum gehen, wie Medien über China berichten können. Doch da haben Differenzierungen kaum Platz – wie in anderen Fällen. Ein Bericht von Tilo Gräser.

„Wie über China berichten?“ – diese Frage versuchte Ende Januar in Berlin eine Veranstaltung zu beantworten. Das gelang zwar nicht, aber es wurde deutlich, wie nicht über China berichtet werden sollte. Zugleich gab sie einen Einblick, warum medial ein Zerrbild des großen Landes im Osten vermittelt wird. Zu der Diskussionsveranstaltung mit den Journalisten und Buchautoren Wolfgang Hirn, Finn Mayer-Kuckuk (als Moderator) und Markus Frenzel in der Reihe «China Kontrovers: Positionen und Debatten» hatte der Verein „China-Brücke“ und das Center for Cultural Studies on Science and Technology in China (CCST) der Technischen Universität (TU) Berlin eingeladen. Ich muss gestehen, ich wollte diesmal nur zuhören und nicht berichten. Aber im Laufe des Abends wurde mir klar, ich muss auf das, was ich hörte, aufmerksam machen.

Die mehr als 100 Gäste der Veranstaltung erlebten ein Beispiel dafür, wie ein Land ins Visier der Eliten des US-geführten Westens gerät und die Menschen im Westen mit psychologischer Manipulation auf Kurs gebracht werden, auch auf Kriegskurs. Was China nun seit einigen Jahren als neuer vom Westen auserkorener Rivale erlebt, wurde und wird bereits an Russland vorexerziert. Dieses Muster beschreibt Hauke Ritz in seinem Buch „Vom Niedergang des Westens zur Neuerfindung Europas“. Demnach hat etwa ab 2008 „eine massive Verschlechterung der Berichterstattung über Russland in der westlichen Presse“ und damit ein massiver Informationskrieg gegen Russland begonnen:

Über mehrere Jahre wurden ausschließlich negative Nachrichten über Russland in der Presse gestreut, während neutrale und erst recht positive Nachrichten möglichst unterdrückt wurden. Informationskriegsführung ist im Grunde genommen eine für militärische Zwecke eingesetzte Negativwerbung.

Der Effekt sei, „dass es irgendwann legitim erscheint, gegen den betreffenden Staat und seine Gesellschaft Maßnahmen zu ergreifen, die man gegenüber keinem anderen Land zulassen würde“. Damit sei der psychologische Boden für den heute zu erlebenden Wirtschaftskrieg und den militärischen Stellvertreterkrieg in der Ukraine gegen Russland «als Hindernis auf dem Weg zu einer unipolaren Weltordnung» im Sinne der USA bereitet worden.

Einseitiger Blick

Das ist derzeit auch im Fall China zu erleben und zeigte sich bei der Veranstaltung in Gestalt des RTL-Journalisten Markus Frenzel. Der hatte 2024 das Buch „ChinaLeaks“ über „Pekings geheimes Netzwerk in Deutschland“ veröffentlicht. Damit will der sich als „investigativer Journalist“ selbst bezeichnende Autor bloßstellen, wer hierzulande die „Narrative eines verbrecherischen Regimes“ verbreitet. Immerhin stellte er sich der Diskussion mit einem Publikum, in dem einige derjenigen saßen, die er in seinem Buch und TV-Beiträgen nicht nur „bloßstellt“, sondern als vermeintliche Propagandisten Pekings diffamiert.

Dazu gehörte auch Michael Schumann von der „China-Brücke“, der ebenfalls auf dem Podium saß und die Veranstaltung mit organisiert hatte. Der Unternehmensvertreter wies wie andere Betroffene Frenzel nach, dass dieser Zusammenhänge einseitig unterbelichtete und schon den Dialog mit Vertretern des offiziellen Chinas als „Skandal“ darstellt. Es gebe einen Unterschied zwischen der Lebenswirklichkeit derjenigen, die wie er mit China zusammenarbeiten und den Dialog fördern wollen, und dem Medienbild, das von ihnen gezeichnet wird, stellte er fest.

Die Diffamierungskampagne bekommen selbst China-Experten wie der langjährige Redakteur des Manager Magazins, Wolfgang Hirn, zu spüren, der auf dem Podium neben Frenzel saß. Der RTL-Journalist hatte auch ihn ins Visier genommen, weil Hirn im Vorstand der „China-Brücke“ tätig ist. Zu den Folgen gehört, dass der versierte Journalist und Buchautor Hirn es für notwendig hielt, zu Beginn zu erklären, dass er ein Demokrat und froh sei, „dass ich in einer Demokratie lebe und nicht in China“. Er habe niemals Anweisungen und Geld aus Peking erhalten oder ausgeführt, betonte Hirn tatsächlich.

Degenerierte Diskussionskultur“

Er bedauerte, dass inzwischen als „Chinafreund“ diffamiert werde, wer über das asiatische Land differenziert berichte. Das zeuge von einer „degenerierten Diskussionskultur“, in der es nicht um Zuhören und Dialog gehe, sondern nur noch um Rechthaben. Während es aus China auch Gutes zu berichten gebe, wie zum Beispiel, dass Millionen Menschen aus der Armut befreit wurden, werde in bundesdeutschen Medien nur ein schlechtes Bild des Rivalen des Westens gezeichnet.

Warum sich Journalisten und jene, die sich so nennen, daran aktiv beteiligen, machte RTL-Mann Frenzel wohl eher unbeabsichtigt deutlich. So bezeichnete er das politische System in China als „Ein-Mann-Diktatur“ und mehrmals als „verbrecherisches Regime“, über das er aufklären müsse. Deshalb müsse er jene, die mit chinesischen Vertretern im Verborgenen sprechen und zusammenarbeiten, an das Licht der Öffentlichkeit bringen – wobei er sich mehrmals dabei ausgerechnet auf Einschätzungen des Verfassungsschutzes über die Rolle Chinas und dessen Institutionen berief. Nicht nur das sorgte für Kopfschütteln und Widerspruch im Publikum.

Shan Fan, Künstler aus China und Präsident der Brand University in Hamburg, sprang empört auf – ein eher seltenes Verhalten bei Chinesen in der Öffentlichkeit –, als Frenzel erklärte, dass Chinas Verständnis von Menschenrechten nicht richtig sei. Bei diesen geht es laut dem RTL-Mann nur um Freiheit und nicht um Dinge wie Wohlstand, Bildung oder Wohnen, wie die chinesische KP behaupte. Er sei vor fast 60 Jahren beinahe an Hunger gestorben, rief Shan Fan dazwischen und erklärte empört, er sei der chinesischen Führung dankbar für das, was sie gegen die Armut im Land getan habe – „eine der größten Leistungen Chinas“. Die sozialen Menschenrechte seien ebenso wichtig wie die Freiheitsrechte.

Arrogante Ignoranz

Dabei hatte der chinesische Künstler genau die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UNO von 1948 auf seiner Seite, auf die sich Frenzel berief. In der gehe es nur um „Freiheit“, behauptete er. Vielleicht hat er vor lauter investigativer Recherche das Dokument gar nicht richtig gelesen, denn in diesem gibt es mehrere der insgesamt 30 Artikel, die sich auf soziale Rechte wie das Recht auf soziale Sicherheit (Artikel 22), das Recht auf Arbeit und gleichen Lohn sowie auf Bildung und Wohlfahrt beziehen.

Damit zeigte er die ignorante und arrogante Haltung Vieler in etablierten bundesdeutschen Medien, die aus einer „werteorientierten“ Position heraus über andere Länder und Menschen urteilen. Und sie tun das von einem hohen moralischen Ross herunter, auch wenn sie wie Frenzel erklärtermaßen wenig Ahnung von China haben. Dabei diffamieren sie und verletzen sie die Ehre und Würde Anderer, die wissen, wovon sie sprechen, die aber als auf der „falschen Seite“ stehend bloßgestellt werden. Das geschieht auch, indem sie mit den Betroffenen nicht einmal reden, wie im konkreten Fall Anwesende berichteten. Darauf angesprochen erklärte Frenzel, das halte er nicht für nötig, weil Berichte anderer Medien ihm ein ausreichendes Bild über die Personen und vermeintlich skandalösen Vorgänge vermitteln würden.

Damit sorgte er erneut für Kopfschütteln und Fragen nach den journalistischen Standards bei seiner Arbeit. Doch das schien ihn nicht weiter zu beeindrucken, da er ja aufdecken will, wer „Kontaktperson eines verbrecherischen Regimes“ ist, wie er erklärte. Dabei stützt er sich wie schon erwähnt immer wieder auf Einschätzungen bundesdeutscher Behörden wie dem Verfassungsschutz. Aber nicht nur das: Shan Fan wollte von ihm wissen, auf welche Quelle er sich bei seinem Buch stütze und mit welchen US-Institutionen er dabei zusammengearbeitet habe. Daraufhin erklärte der RTL-Mann, dass er mit seinem Team die genaue Quelle des „China-Leaks“, einer Liste mit 47 deutschen Kontaktpersonen, nicht nennen könne, weil er aufgrund des „Anfangsverdachts“ gleich über die Betroffenen recherchiert habe.

Unbeabsichtigtes Lehrstück

Zum anderen habe er dabei Unterstützung bekommen von Peter Mattis aus den USA, dem Präsidenten der geheimdienstnahen Jamestown Foundation, der vorher unter anderem für die CIA tätig war und offen auf antichinesischem Kurs ist. Die Frage, ob es sich dabei um einen „Einflussagenten“ handeln könne, wie er sie auf der chinesischen Seite sieht und aufdecken will, schien Frenzel sich nicht zu stellen. Dafür nannte er als weitere Unterstützer seiner „Recherchen“ die Sinologin Mareike Ohlberg vom German Marshall Fund (GMF), einer ausgewiesenen US-Einflussorganisation, sowie eine ehemalige belgische Parlamentsabgeordnete, die heute für sogenannte Nichtregierungsorganisationen (NGO) tätig sei.

China-Experte Hirn forderte gegen Ende der Veranstaltung noch einmal, dass über das «Reich der Mitte» differenzierter berichtet werden müsste. In den etablierten Medien werde eine „Einheitssoße“ über China ausgegossen, so dass sich viele nicht mehr trauen würden, auch über die positiven Dinge dort zu berichten. RTL-Journalist Frenzel hatte eher unbeabsichtigt ein Lehrstück in Kampagnenjournalismus und dessen Grundlagen geliefert. Bedauerlich ist, dass seine vermeintlichen „Enthüllungen“ bei vielen, die nichts wissen über China oder nur die einseitigen Berichte darüber lesen, sehen und hören, verfangen. Moderator Mayer-Kuckuk erklärte, es sei wichtig, unterschiedliche Sichten zuzulassen und auszutauschen. Doch der notwendige Dialog funktioniert nicht mit Vorverurteilungen und nicht mit moralischer Überheblichkeit, wie sich zeigte.


Dieser Bericht ist am 25. Januar 2025 auf Transition News erschienen.

Titelbild: SkazovD / Shutterstock

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