Leserbriefe zu „Tabubrüche, Brandmauern und Wahlkampf“

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Jens Berger kommentiert hier die „an Hysterie grenzende Aufregung über `Tabubrüche` und `gefallene Brandmauern`“ anlässlich des im Deutschen Bundestag beschlossenen Entschließungsantrags der Union zur Asylpolitik. Zugestimmt haben auch Abgeordnete von FDP und AfD. Das und die Abstimmung zum eingebrachten „Zustrombegrenzungsgesetzes“ hätten keine rechtlichen Folgen, seien aber symbolisch sehr wohl von Interesse. Das Gerede von Brandmauern solle lieber sein gelassen werden. Wir danken für die zahlreichen und interessanten Zuschriften. Hier nun eine Auswahl der Leserbriefe. Christian Reimann hat sie für Sie zusammengestellt.


1. Leserbrief

Endlich wächst zusammen, was zusammen gehört

Die gespielte Empörung der Regierungskoalition ist eine Beleidigung für jeden mitdenkenden Bürger. Die politische Aufwertung der AFD wurde nicht nur von der CDU betrieben. Das haben andere von langer Hand verbockt: Die Olivgrünen und der Zeitenwendekanzler, der andere aufgrund von Koalitionserhalt machen lies oder bei der angekündigten Nordstreambeendigung nichts zu sagen wusste. Als wäre das nicht schlimm genug ließ man noch den Wirtschaftsminister mit katastrophalem Ergebnis in der Volkswirtschaft rumpfuschen – die AFD musste nur daneben sitzen und geduldig warten. Hinsichtlich ihrer neoliberalen Ausrichtung und unsozialen Politik passt die AFD schon wie ein siamesischer Zwilling zur CDU. Große Teile der CDU sind ebenso eurokritisch und „patriotisch“ (Stichwort Werteunion) wie die Damen und Herren der AFD. Das Ergebnis war schon lange absehbar: Endlich wächst zusammen, was zusammen gehört. 

Günter Krieg


2. Leserbrief

lieber jens,

danke für deine einordnung, der ich zustimme – die inhalte des antrags sind nicht zustimmungsfähig, egal wer sich dem antrag anschliesst. dankbar bin ich auch für den hinweis auf das scheitern des verstaubten gesetzentwurfs im september 2024 in den ausschüssen (hat da die fdp nicht noch dagegen gestimmt ?). andrerseits wundert mich die fehldiagnose des bsw, die sich mit der niederlage natürlich auch politisch selbst überrannt hat.

was mich aber ärgerlich stimmt ist die untätigkeit von spd und grünen, mit einem alternativantrag ihre position zur migration sichtbar zu machen. da sitzen in den ministerien 1000 beamte auf ihren warmen stühlen und warten auf einen auftrag, mit dem sie die ursachen der migration erklären und gesetzgeberisch initiativ bekämpfen statt der migranten. merz fleddert im bundestag und scholz schwänzelt in regensburg statt den fehdehandschuh im bundestag beredt aufzunehmen. aber wahrscheinlich traut er sich wieder nicht und verschweigt sich, denn “remigration” führt bei ihm zum würgen, “im grossen stil abschieben” auf die titelseite des spiegel. wahrscheinlich erspart er sich die pein des auftritts, um seine vizekanzlerschaft unter einem kanzler merz nicht zu gefährden. zuzutrauen wäre es diesem schweigsamen kanzler, der die politische kompetenz der spd mit seiner “zeitenwende” gegen null befördert hat.

sapere aude, albert klütsch


3. Leserbrief

Lieber Herr Berger, NDS Redaktion und Leser,

Tabubrüche und 180 Grad Kehrtwenden sind fast täglich zu beobachten in der Politik, wie es eben so passt und als nützlich eingeschätzt wird.

Eine Brandmauer hat ganz faszinierende und besondere Eigenschaften.

Was in der Innenpolitik eine Brandmauer ist, als Beispiel die Isolierung von extrem rechts, kennt man in der Aussenpolitik nicht. Meloni, Geert Wilders und viele andere kein Problem.

Kehrtwendungen machen sich im Wortgebrauch bemerkbar:

Syrien, Ahmed al-Sharaa im Rekordtempo von Terrorist zu Rebellenführer zu ex Rebellenführer zu respektiertem Staatsmann im Maßanzug, tiptop frisiert und Bart getrimmt.

Wie Politik und Medien es immer wieder fertig bringen Worte zu erfinden um die wirkliche Bedeutung zu verhüllen, da staunt sogar der Fachmann.

Zustrombegrenzungsgesetz das klingt nach einem Umweltschutzgesetz: Zustrom von Nebenflüssen begrenzen um Überschwemmung durch Flüsse zu verhindern bei extremem Regenfall.

Eine schöne Wortschöpfung wäre es wenn es um die Begrenzung des Zustroms von Reichtum bei den Reichen gehen würde.

Nein es geht um die Begrenzung von ankommenden Flüchtlingen. Das dieser Zustrom wohl etwas zu tun haben könnte mit Aussenpolitik, wo es ‘normal’ geworden ist dass jeder jeden bombardiert, nein der Gedanke kommt nicht.

Ich vermute das Herr Merz, Mitglied einer christlichen Partei täglich dem Schöpfer dankt dass Gaza sich hinter einer undurchdringlichen Mauer befindet.

Ob sich Herr Merz schon mal Gedanken gemacht was er mit Flüchtlingen aus Grönland machen will wenn die USA dort einmarschiert, nach einem Bombenhagel auf Inuit Dörfer?

Wahlkampf, da steht ja nicht umsonst Kampf drin, das Wort Wahlkrieg bietet sich an, aber das geht echt nicht. Wahlwettbewerb wäre ideal.

Mit freundlichem Gruß
Patrick Janssens


4. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Berger,

wenn man die Reaktionen von SPD, GRÜNEN und LINKEN betrachtet, dann könnte man meinen, CDU/CSU und AfD (und FDP) hätten am 29. Januar 2025 im Bundestag die Errichtung der Höcke-Diktatur beschlossen, einschließlich der Errichtung von Konzentrationslagern. Das ist aber offensichtlich böser Nonsens.

Tatsächlich zeugen die Reaktionen von SPD, GRÜNEN und LINKEN von einer Erkenntnis, nämlich der Erkenntnis, dass ihre schädliche, antidemokratische und ideologische Migrationspolitik nun sogar im Bundestag zu scheitern droht.

Der Beschluss des “5-Punkte-Plans” der CDU/CSU ist offensichtlich jedenfalls teilweise europarechtswidrig. Das weiß Herr Merz natürlich. Aber gleichwohl hat die CDU/CSU eine wichtige politische Entscheidung für einen Richtungswechsel in der Migrationspolitik getroffen. Herr Merz wird daran nach der Bundestagswahl als Kanzler gemessen werden. 

Beste Grüße
Militzer


5. Leserbrief

Moin,

im Entschließungsantrag steht wörtlich über die AfD “Deshalb ist diese Partei kein Partner, sondern unser politischer Gegner.” Und solch einem Antrag stimmt die AfD zu? Eine Partei, die sich so verbiegt, ist nicht ernst zu nehmen. Und eine Partei – die CDU – die die Positionen der AfD durchsetzt, ist eben so wenig ernst zunehmen. Alles nur heiße Luft. Aber es gab schon immer Steigbügelhalter für die Faschisten. Und hinterher heißt es: Wir haben es nicht gewußt. 

MfG
Helmut Specht


6. Leserbrief

Lieber Jens Berger!

Die Union ist für mich nicht wirklich eine Partei – jedenfalls nicht in dem Sinne, was ich darunter verstehen würde. Es ist doch eher ein Gebilde einer Verwaltungseinheit, in der sich besonders angepasste und opportunistische Zeitgenossen zusammengefunden haben, um die seit Jahrzehnten – wenn nicht teils Jahrhunderten – existierenden gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen aufrecht zu erhalten. In diesem Sinne wirken diese Leute eben vor allem eindämmend und begrenzend. Sie werden niemals aus sich selbst heraus eine wirklich befreiende und damit menschlichere Entwicklung anstoßen. Bestenfalls können sie Entwicklungen stoppen, die, möglicherweise auch, in die falsche Richtung laufen. Ansonsten verwalten sie vor allem die bestehenden Verhältnisse.

Die AfD möchte zurück in eine romantisierte Welt in der die Dinge noch einfach und klar waren. Vor allem bezieht sich das natürlich auf die Macht – und Besitzverhältnisse und diese orientieren sich einmal mehr an einer klar gefassten hierarchischen Ordnung in einem überschaubaren Sippendenken.

Etwas überspitz formuliert ist es doch der Union relativ egal was sie verwaltet. Entscheidend ist am Ende, dass die eigenen Pfründe nicht abhanden kommen und man, vor Allem, nicht irgend einem Kontrollverlust anheim fällt.

Herzliche Grüße!
Frank Kanera


7. Leserbrief

Liebe NDS, Jens Berger,

ich denke, das war ein “Merz-Test”, um nach der Wahl ggf. auch als Minderheitenregierung zu regieren und mit den Stimmen der AfD aus der Opposition das CDU-Programm durchzubringen.

Die AfD kann nur regieren, wenn sie die absolute Mehrheit bei der Wahl erhält, was nicht eintreten wird. Da die Altparteien keine Koalition mit der AfD eingehen, ergeht der Auftrag zur Regierungsbildung unter den aktuellen Umfragezahlen an die CDU/CSU. Diese müsste dann voraussichtlich mit der SPD für Mehrheiten koalieren. Das wird aber nicht reichen. Wenn man die Grünen mit in eine Koalition nimmt, verliert Merz die Unterstützung in der Bevölkerung, denn es sind gerade die konservativen CDU-Wähler, die eine Regierung mit Beteiligung der Grünen grundsätzlich ablehnen. Merz könnte also am Ende mit einer Minderheitsregierung bei der Wahl enden. Dann kann er aber mit den Stimmen der AfD und ggf. des BSW in der Opposition regieren, da die für Merz wichtigsten Teile der Programme von CDU/CSU und AfD in weiten Bereichen deckungsgleich sind. Die AfD kann und wird massiven Druck ausüben, um einen politischen Wandel in wichtigen Bereichen erzwingen. Da die AfD eine Kriegstreiberei gegen Russland blockiert, kann sich Merz aus seinem “Ultimatum-Dilemma gegen Russland” zurückziehen – eine Win-Win-Situation.

Was am Ende zählt: Was kommt für die Bevölkerung dabei heraus!

Das Spektakel, das wir erleben zeigt, wie weit sich die “zu junge SPD” mit ihren “queer-gendernden Kollegen von den Grünen” von jeglichen Demokratieregeln verabschiedet haben. Die AfD ist eine vom Bundesverfassungsgericht zugelassene, wählbare und demokratisch gewählte Partei. Nach den Regeln unseres Parlaments muss über alles geredet und abgestimmt werden. Es zählen nur die Inhalte und die Mehrheiten dazu. Und zu denen gehören auch Mehrheiten durch Parteien der Opposition. Sonst wären Minderheiten-Regierungen nicht möglich!

Im Gegenteil, das jetzt veranstaltete Spektakel um die Abstimmung ist rechtlich sogar illegal, weil es einen Aufruf darstellt, ein Abstimmverhalten ausschließlich nach Inhalten zu einer Abstimmung gegen eine demokratisch gewählte Partei zu machen. Das ist nicht Aufgabe der Parlamentsarbeit und auch nicht erlaubt, da es eine Diskriminierung eines Teils der Wählerschaft darstellt. Nur das Bundesverfassungsgericht kann einer Partei rechtlich die Zulassung zu Wahlen entziehen, was aber im Fall der AfD bedeuten würde, mehr als 30% der Bevölkerung und vor allem der absoluten Mehrheit in Ostdeutschland das Stimmrecht massiv einzuschränken. Das Gerede um Brandmauern und Tabubrüche ist also Bullshit. Ein “Tabu” gegen eine demokratisch zugelassene und gewählte Partei ist illegal und darf es erst recht nicht geben. Nur die Mehrheiten zu rationalen Inhalten stehen bei Abstimmungen zur Wahl – keine irrationalen Emotionen und auch kein “Parteiverbot durch die Hintertür” gegen das Bundesverfassungsgericht !!

Grüße
von unserem Leser R.O.


8. Leserbrief

Liebe Redaktion und Jens Berger!

Vielen Dank für euren neuen Artikel ‘Tabubrüche, Brandmauern und Wahlkampf‘! Es tut immer wieder gut durch Lesen zu sehen, dass es noch Journalisten mit klarem Verstand gibt. 

Nur warum sind die ‘führenden’ Medien durch die Bank weg unfähig, aktuelle Ereignisse und Debatten so klar und objektiv darzustellen? Die Antwort ist ebenso einfach wie erschreckend: Medien leben von Krisen! Je schlechter die öffentliche Stimmung, umso besser geht es ihnen. So wie Ärzte, Rechtsanwälte und Rüstungskonzerne verdienen sie besser, wenn Leute krank, uneinig oder im Krieg sind.

Dabei sind beide Seiten einfach zu verstehen: Die einen wollen die ‘Brandmauer gegen Rechts’, weil die AfD in der Migrationsdebatte auch Rassisten anzieht. Das beschwört für sie Erinnerungen an die dunkelste Zeit unserer Geschichte – der “Nie wieder”-Reflex löst aus! Die anderen wünschen sich vermutlich eine Brandmauer gegen so schreckliche Vorfälle wie in Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg, etc etc.

Beide Wünsche sind berechtigt, aber im Wahlk(r)ampf ist für ausgewogene Argumentation kein Platz, sie werden von Machtgier verdrängt, so läuft eben das Politikgeschäft. Wir sollten dem Geschrei gar nicht mehr zuhören, geschweige denn mitmachen, um unseren Rest von Vernunft zu behalten!

Danke noch einmal für eure gute und ehrenvolle* Arbeit! (* In Anspielung an ‘ehrenamtlich’): Viele von euch schreiben pro bono, verdienen also weniger als ihre Leitmedien-Kollegen, können dafür aber mehr nachdenken und klarer urteilen, getreu ihrer Web-Domäne…! ;-)

Grüße, A. Berger


9. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Berger,

Für den anregenden Artikel bedanke ich mich und möchte ihn mit mehreren eigenen Blickwinkeln ergänzen. In zwei Artikel habe ich mich in den letzten Tagen selbst mit dem Anschlag von Aschaffenburg und dem Papier von Friedrich Merz sowie dem ganz drumherum beschäftigt (1, 2).

Ihre Frage ist vollkommen berechtigt „Was soll also die ganze Aufregung?“ Ich denke, dass die These, es handelt sich insbesondere um Theater, mit dem die Wähler davon abgehalten werden sollen, sich im Zusammenhang mit der Wahl Gedanken über die wirklich relevanten Themen zu machen, eine Relevanz hat.

Nach meinem Dafürhalten ist das Flüchtlingsthema für die deutsche Bevölkerung das drittwichtigste Thema: Das Wichtigste ist die Frage von Krieg und Frieden. Vielen Wählern ist zumindest irgendwie bekannt, dass Friedrich Merz, Robert Habeck und Christian Lindner den TAURUS an die Ukraine liefern wollen: Weniger bekannt ist dann schon die rote Linie, die Russland damit als für den Kriegseintritt Deutschlands damit überschritten sieht. Jeder weiß auch, dass CDU/CSU, die SPD, die Grünen und die FDP die Ukraine unterstützen wollen, bis der letzte Ukrainer gefallen ist – in der trügerischen Hoffnung, auf dem Weg dahin zu einer Situation zu kommen, die man als Sieg verkaufen und in der man den Russen was diktieren kann. Zu diese Parteien gesellt sich die AfD bei dem Bemühen hinzu, Donald Trump hinsichtlich des ausgegebene Ziel entgegenzukommen, 5% des BIP für die Aufrüstung auszugeben.

Insofern ist die Moral dieser dem Wähler bekannten, aber ansonsten nicht übereifrig diskutierten Absichten: Die Bundestagswahl wird zu einer Volksabstimmung über Deutschlands Weg zum Krieg. Niemand wird sich – ganz im Gegensatz zur „Zeitenwende“ – herausreden können, er hätte nicht gewusst, was da auf ihn zukommt.

Das zweitwichtigste Thema ist die Frage, was aus Deutschland angesichts von dauerhaft hohen Energiekosten, Inflation, Rezession, Abwanderung von Industrien, steigende Insolvenzen und absehbar steigenden Arbeitslosenzahlen wird: Wer hat ein Konzept, mit dem diese Problem übergreifend und nachhaltig gelöst werden kann?. Ich sehe das bei niemandem.

Lasse Sie mich abschließend noch auf einen anderen Aspekt hinweisen, von dem ich, als ich ihn erstmals las, erst an einen Fake dachte. In ihren beiden Papieren bemüht sich die CDU/CSU- Fraktion ernsthaft, die Schuld für die Flüchtlingskrise Russland in die Schuhe zu schieben: Putin hätte den Bürgerkrieg in Syrien angefacht, würde Flüchtlinge über Weißrussland einschleusen und der russische Angriffskrieg täte sein Übriges. Zum ersten Punkt kann auf die CIA-Operation Timber Sycamore verwiesen werden, zum zweiten Punkt darauf dass von den 847.000 Asylanträgen zwischen 2022 und 2024 nur 22.021 durch die Route über Weißrussland herbeigeführt wurden: Also ca. 3%. Niemand käme auf den Gedanken, Politiker in Nordafrika oder Giorgia Meloni vorzuwerfen, dass Flüchtlinge über die Mittelmeerroute den Weg nach Deutschland finden. Den dritten Punkt vertiefend zu analysieren, erspare ich mir jetzt mal: Es würde zu ähnlichen Ergebnissen führen.

Mit freundlichen Grüßen
Bernd Liske


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