Der Berufsverband deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) gibt eine mögliche berufsbedingte Zurückhaltung auf und erklärt sein Engagement für Klimaschutz mit einer Pflicht zu planetarischer Verantwortung. Er wird damit Teil einer aktivistischen Bewegung. Mit ihrer Überzeugung, dass der Klimawandel wesentlich menschengemacht sei und Katastrophen recht bald drohten, will der BDP das Potenzial der Psychologie zur Menschheits- und Erdenrettung einsetzen[1]. Ein Essay von Jürgen Mietz.
Eine frühere, berufsbedingte Zurückhaltung solle überwunden werden, ist die Empfehlung. Dabei geht der Verband weit: Die Aussagen von sogenannten Klimaleugnern müssten unterbunden werden. Auch will dem Psychologenverband nicht auffallen (oder er sieht es als nachrangig oder erwünscht an), dass Selbstbestimmungsrechte, Wissenschaft als Dialog von gleichberechtigten Menschen aufgegeben werden. Belehren, Anreizen und Motivieren sind in diesem Konzept akzeptierte und gewollte Vorgehensweisen. Wo die Grenzen zu Manipulation, Propaganda und Zensur verlaufen, bleibt offen. Vermutlich sind sie an die Einschätzung der bevorzugten Wissenschaftler und an die Gefahreneinschätzung der Expertinnen und Experten gebunden.
Nach Corona ist der Klimaschutz das nächste Terrain, auf dem der größte Psychologieverband Deutschlands als Freund autoritärer Maßnahmen agiert. Diese Wende ist zumindest einigen Kolleginnen und Kollegen im BDP bewusst. Klimaschutz und effizientere Vertretung der Berufsinteressen gehen Hand in Hand. Man verspricht sich eine Reputationssteigerung des eigenen Berufsstandes.
1) Das Potenzial der Psychologie und ihr fehlendes Einfühlungsvermögen
Es lohnt sich, einen Blick in einzelne Beiträge des Konzeptpapiers zu werfen. Meine Auswahl und die Art meiner Einordnung gruppieren sich um den Punkt einer Gefährdung von Freiheits- und Grundrechten sowie um Fragen des gleichberechtigten Dialogs zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, wie auch zwischen Bürgern und Bürgerinnen.
Quelle: BDP
Die als belegt angenommene Prämisse allen Werbens und Forderns des BDP ist, dass der Klimawandel außergewöhnlich und menschengemacht sei, hervorgerufen durch einen übermäßigen CO2-Ausstoß. Mit dem Beginn der Industrialisierung in den 1860er-Jahren sei die Bedrohung eingetreten und baue sich mehr und mehr auf. Alle erforderlichen Informationen für mehr klimapolitische Maßnahmen lägen auf dem Tisch, die Menschen jedoch seien unverständig, träge und verdrängten die beunruhigenden Erkenntnisse. Gegen diese Unvernunft gelte es, die Potenziale der Psychologie in Anschlag zu bringen.
Die teilweise geradezu aufgewühlte Psychologenschaft sieht sich, angesichts der bevorstehenden Katastrophen, gedrängt, das gesamte Arsenal von Beeinflussung, Lenkung und Manipulation in die Schlacht zu werfen. Zunächst klingt es harmlos, wenn die Präsidentin im erwähnten Papier schreibt:
„Wir können Interventionen entwickeln, die Menschen zu Veränderungen ihrer Lebensgewohnheiten motivieren… Psychologische Erkenntnisse können helfen, das Bewusstsein für die Dringlichkeit von klimabewusstem Handeln zu schärfen.“
Die Lage rechtfertigt nach Ansicht des BDP, Motivationen zu fördern, die in Richtung „Aktivwerden“ gehen.
„Nur durch ein tiefes Verständnis der menschlichen Psyche können wir langfristige Veränderungen erreichen, die sowohl der Umwelt als auch der Gesellschaft zugutekommen.“
Man legt Wert darauf, sich auf der Höhe der Zeit zu bewegen:
„Rechtzeitig zur COP29-UN-Klimakonferenz 2024 im November in Baku hat der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen nun seinen Klimabericht 2024 „Psychologische Perspektiven im Klimawandel: Strategien und Konzepte“ veröffentlicht“, heißt es in einer Pressemitteilung vom 4. November 2024.
Dem BDP geht alles zu langsam:
„Gleichzeitig warnen uns Wissenschaftler*innen davor, dass möglicherweise schon sehr bald globale Kipppunkte erreicht sein werden, die unumkehrbare Veränderungen des Klimas auslösen können.“ (S. 15) (Kursive Hervorhebungen von mir, JM)
Es gibt zwar keine konkreten, belegbaren Hinweise für einen Zeitpunkt der Katastrophe, man raunt und warnt aber schon einmal und leistet damit einen Beitrag zur allgemeinen Beunruhigung, die sich dann wieder in Umfragen messen und „ernten“ lässt und als Begründung für das eigene notwendige Engagement genommen wird. („Wir können also einen deutlichen Wandel in der Einstellung der Bevölkerung zu Umweltfragen feststellen.“) – und für die Einforderung von Fördermitteln und Strukturen. Dass es Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gibt, die keine Warnungen aussprechen oder dem Sinne nach gar von einem Fehlalarm sprechen, bleibt unerwähnt.
Schon 2021 sah sich der BDP in einer Stellungnahme dazu aufgerufen, „die gesellschaftliche Akzeptanz klimapolitischer Maßnahmen zu erhöhen.“ (S. 16) Es bleibt offen, was denn eine sinnvolle klimapolitische Maßnahme sein könnte. Ist es das Heizungsgesetz, eine Förderung des E-Autos, oder ist eher das Gegenteil der Fall?
Ist die politisch gewollte Absage an russisches Erdgas, das eine günstige Übergangstechnologie zur Wasserstofftechnologie hätte sein sollen oder können – oder ist der stattdessen notwendige, vierfach (oder mehr) teurere Zukauf von schädlichem Fracking-Gas doch eine Fördermaßnahme für dortige Fossilunternehmen und ihre Aktionärinnen? Womöglich macht es einen Unterschied, was klimapolitisch wünschenswert und was physikalisch und ökonomisch machbar ist. Mir kommen zumindest erhebliche Zweifel, ob ein Psychologieverband mit ausreichender Sicherheit sagen kann, welche klimapolitische Maßnahme unterstützenswert sei und welche nicht.
Man ist sich aber sicher, dass die Bedrohung groß und real ist und dafür „irgendwelche“ Maßnahmen richtig sein werden. Man beruft sich auf verschiedenste Organisationen, Initiativen etc. Es handelt sich dabei um Aufrufe, die auf der physikalischen und operativen Ebene viele Fragen offenlassen, wie sich bei intensiverer Befassung mit dem Thema zeigt. Als Plan einer Umsetzung dürften sie kaum zu gebrauchen sein. Die oft allgemein formulierten Ziele internationaler Organisationen sind ja in der Regel Formelkompromisse, deren unterschiedliche oder widersprechende Hintergründe je nach Interessen interpretiert werden. Die ökonomischen, technologischen und kulturellen Differenzen hinsichtlich der Einschätzung von Bedeutung und Ausgleich scheinen immens. Die geforderte „Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele“ ist selbst Teil einer politischen Auseinandersetzung, die je nach Land und Machtmitteln „dort“ um- und durchgesetzt wird. Nach Lage der politischen Kräfteverhältnisse bedeutet das, dass die Ärmsten verlieren werden, Mittelschicht und Reiche haben Aussichten auf Gewinn.
Eine Stimmungsmache für „Klimaschutz“ – und sei sie noch so gut gemeint – hat im gegenwärtigen Politikstil und unter der Dominanz des renditeorientierten Kapitals für die ärmeren Teile der Bevölkerung gravierende, konkrete Konsequenzen.
Die Argumentationen des BDP bewegen sich dagegen oft in einem Feld des Ungefähren, was es einem erschwert, sich eingehend mit ihnen auseinanderzusetzen. Wer wird in welchem Maße wie belastet, ist eine Frage, die die unteren Einkommensschichten zu Recht bewegt. Es gibt einen Punkt der Existenz, der sich nicht allein mit einem „guten Gefühl“ für eine nicht überprüfbare Klima- und Menschheitsrettung zufriedengeben kann.
Was ist „Klimaschutz“? Was ist „Klimakommunikation“? Das mögliche denkbare Spektrum dieser Begriffe ist breit. Beispiel: So lässt sich wohl sagen, dass Warnungen vor einer Flut ruhig, verlässlich und eindeutig übermittelt werden sollten, wenn die Lage es hergibt und nahelegt. Ebenso sollten Dienste und Versorgungseinrichtungen vorsorgend und nachsorgend „gut“ ausgestattet sein. Andererseits scheint es mir zweifelhaft, mit einer Anhäufung von Studien, die alle irgendwie große Gefahren melden, aber vermutlich zumindest teilweise mangelhaft sind, einen Druck aufzubauen, „mehr“ zu tun – bei tatsächlich unklarer oder gar widersprüchlicher Forschungslage.
Lea Dohm und andere[2] sind sich sicher, dass sich „die [Erde] durch den zunehmenden Ausstoß von Treibhausgasen [aufheizt]“. Sie wundern sich, dass es vielen Menschen immer noch schwerfalle, die drohenden und laufenden Veränderungen wahrzunehmen. Eigentlich sei es doch banal, die Botschaft der Klimabewegung aufzunehmen. Denn angeblich gebe es doch einen wissenschaftlichen Konsens von 97 Prozent der Wissenschaftler, die von einer menschengemachten Erderwärmung ausgingen. Darauf wird zurückzukommen sein.
Im Wesentlichen fahren die Autorinnen und Autoren jede Menge Studien auf, die alle belegen, dass die Menschen Bequemlichkeits-, Vermeidungs- und Fluchtmechanismen zum Opfer fallen. (Symbolische Abwehrhandlungen, Skepsis, Widerstand, Bagatellisierung, Verdrängung – alles im Dienste einer Neigung, die eigene Welt als stabil wahrnehmen zu wollen, kann den „Geblendeten“ nachgesagt werden.) (S. 21 ff. des BDP-Berichts) Dohm u.a. führen Klage, dass „fossile Akteure“ „bewusst manipulativ“ entwarnende Inhalte mitteilten. So könnten sich die Menschen (bedauerlicherweise?) entlasten. Der Abgründe des Vermeidungsverhaltens können die Psychologen einige aufzählen.
Aus den Studien wissen die Wissenschaftler, was helfen könnte: „Befriedigung der Grundbedürfnisse nach Kompetenz, Autonomie und Zugehörigkeit und der Bereitstellung klarer Handlungsempfehlungen sowie der Vermittlung von Selbstwirksamkeit …“.
Es klingt so, als müsste man den Menschen, die die Flucht ergreifen und sich ein schönes, bequemes Leben machen wollen, nur das „richtige“ pädagogisch-psychologisch optimierte Spielgerät an die Hand geben und das korrekte Klimaverhalten könne beginnen. Als wäre das genusssüchtige, bequeme, falsche Leben nicht wesentlich Folge eines seit Generationen immer wieder „dynamisch“, so totalitär wie flexibel gestalteten Wirtschaftssystems, das alles erlaubt, was Profit und Rendite verspricht. Davon ist doch recht wenig im Konzept des BDP zu lesen. Wenngleich in manchen Beiträgen die strukturelle und systemische Seite des Problems gleichsam ergänzend „und wie der Vollständigkeit halber“ (“Kontextbedingungen“) erwähnt ist.
Dass es Grundbedürfnisse nach sozialer Sicherheit, nach bezahlbaren Mieten, nach Frieden wie auch nach Ablenkung und Genuss gibt, findet keine ernsthafte Würdigung. Phasenweise kommt es einem so vor, als machten sich die Klimaexperten und -expertinnen auf die Jagd nach Klimaschädlingen und auf die Suche nach „Schlupflöcher[n]“ (S. 42 BDP-Bericht), um sie zu verstopfen.
Die erwähnten „bereitzustellenden Handlungsempfehlungen“ sind auf Glaubwürdigkeit und Vertrauen angewiesen. Und um dieses Vertrauen ist es nicht zum Besten bestellt. So ist der BDP mit seiner regierungskonformen Coronapolitik nicht gerade als Tribun für Unabhängigkeit und Wissenschaftlichkeit – also glaubwürdig und vertrauensbildend – aufgefallen[3]. Die auch im BDP-Papier gelegentlich erwähnte Bedingung der Demokratie etc. scheint nicht besonders glaubhaft, da es keine Auseinandersetzung mit den Verletzungen der Wissenschaftlichkeit, des Rechts der freien Meinungsäußerung und des Grundrechteschutzes gibt. Sich da auf Solidarisierungserfahrungen der Millionen Menschen zu berufen, die Teil einer Klimabewegung geworden seien, die erfüllend und bedeutungsvoll (gewesen) sein mögen, wirkt dann doch das Problem verkürzend und von ihm ablenkend.
2) Klimarettung im Kampagnenstil und als Verkaufsschau
Auch im Beitrag von Janna Hoppmann[4] geht es um den Einsatz psychologischer Techniken. Ob die von ihr festgestellte Passivität vieler Menschen gegenüber den Bedrohungen realpolitische Hintergründe hat, ist nicht Gegenstand ihres Konzepts von “Klimakommunikation“. Die Psychologin verspricht ein „wissenschaftlich fundiertes Kochrezept für Klimagespräche“. Schlüsselerkenntnisse der Psychologie sollen „helfen, die menschlichen Lebensgrundlagen zu schützen“, einen „lebenswerteren gesellschaftlichen Weg einzuschlagen“ und „Gespräche so zu führen, dass es unsere Gegenüber zum Handeln motiviert“. (S. 29 im BDP-Bericht)
Interessanterweise geht die Autorin genau die Probleme eines eventuellen Gesprächs durch, die mir beim Lesen des BDP-Konzepts zu schaffen machten. Drängen und Bevormunden wirken sich ungünstig auf Veränderungsbereitschaft aus. Die Sachverhalte sind unübersichtlich: Sie sind verzwickt, undefiniert, komplex. Rebound-Effekte machen gute Absichten zunichte, also unerwartete Nebenwirkungen und Rückkopplungen. „Konflikte um Detailprobleme [können] lähmend sein.“ Und einer “Problemtrance“ Vorschub leisten, ist das betrübliche Fazit.
Es geht weiter: Mit wem und mit welcher Aufmerksamkeit gesprochen wird, will gut überlegt sein. So sollte den harten Leugnern nicht zu viel Aufmerksamkeit zuteilwerden (“False-Balance-Effekt“). Am besten geeignet für ein Gespräch sind „Zielgruppen der Mehrheitsgesellschaft“, die „um die Klimakrise wissen“, „ihr persönliches Risiko … als gering betrachten“, die „optimistisch sind“, die „Lust haben, selbst aktiv zu werden“. Auch empfiehlt es sich, sich auf die Glaubensvorstellungen, Werte etc. „einzustimmen“. Die „Individualisierung“ sollte verbessert werden: Für jede Zielgruppe speziell geeignete Botschafter/innen werden empfohlen. Und wenn so viel Planung noch nicht den unbefangenen Zugang zum Mitmenschen sabotiert hat, kann vielleicht der Hinweis helfen, dass es „wichtig für die Effektivität [ist], dass diese [Botschafter*innen] als glaubwürdig wahrgenommen werden“. Aus diesen Überlegungen zur Glaubwürdigkeit leitet Janna Hoppmann die Frage ab: „Von wem werden wir Psycholog*innen als glaubwürdig angesehen? Für wen sind wir als Botschafter*innen ideal?“ In der Tat. Eine Psychologie, die sich derart die Menschen zu Objekten macht, braucht Menschen, die selbst nicht mehr Subjekte sein können und wollen; die durch Geschichte, Biografie und Sozialisation in den Institutionen die Möglichkeit und den Anspruch verloren haben, autonom zu denken und urteilsfähig zu sein.
Nun, was es hier zu sehen gibt, ist die Anwendung von Konzepten der Werbe- und Verkaufspsychologie auf das Feld des Produkts „Klimaschutz“. Meine Vermutung ist, dass die potenziellen Kunden und Kundinnen den Tricks der Verkäufer und Trainer auf die Spur kommen könnten. Früher oder später könnte es einen Effekt der Entzauberung geben, vor allem dann, wenn das Produkt nicht hält, was die Verpackung verspricht. Andererseits lebt das Angebot auch davon, dass es einen Bedarf an Illusionen gibt. Die Menschen brauchen etwas, um sich den Alltag auf irgendeine Weise zu verschönern. Es bleibt eine offene Frage, wie tragfähig und nachhaltig (wie viele Ressourcen können und sollten sinnvollerweise aufgewendet werden, die an anderer Stelle fehlen?) ein Konstrukt sein kann, das auf Manipulation und Lenkung statt auf Gleichheit, Freiheit der Meinungsäußerung und Demokratie gründet?
3) Schule und Klimaschutz
Es hätte überrascht, wären Schule und Bildung im BDP-Bericht nicht aufgetaucht. Sich Schule als Quelle und Ort einer Verbesserung der Welt vorzustellen, ist keineswegs ungewöhnlich. Die Autoren Margret Rasfeld und Felix Peter[5] fordern „eine radikale Neuausrichtung der Schule“. Überwindung von Leistungsdruck, Fremdbestimmung, Einsatz des systemischen und präventiven Wissens von Psychologie statt eines Klammerns an Psychologie als Reparaturbetrieb gehören zum Grundbestand pädagogischer (und psychologischer) Hoffnungen und Forderungen – seit Jahrzehnten. Die Analyse einer solch gruseligen Tradition könnte vielleicht helfen, die Möglichkeiten einer Reform der Schule realistischer abzuschätzen. Heinz-Elmar Tenorth hat mit seinen ausführlichen Werken zur Geschichte der Pädagogik und in einem kurzen, gut lesbaren Essay[6] auf den Fehlschluss hingewiesen, über die Schule eine Verbesserung gesellschaftlicher Zustände zu erreichen.
„… in der aktuellen Gegenwart bessere Welten konstruieren, andere Zeiten eröffnen, neue Menschen schaffen. Das sind, für nüchterne Beobachter, ganz erstaunliche Versprechen, die dabei immer neu vorgetragen werden.“ (a.a.O., S. 51)
Über verschiedenste Ideologien hinweg scheinen die Klüfte zwischen Absicht und Wirkung für die Versprechen einer besseren Zukunft unerheblich zu sein.
„Wenn Bildung dann in spezifischen Erziehungsutopien seit der Französischen Revolution als eigenständige und machtvolle Form der Umwälzung gedacht wird, dann erschrecken die Praktiken, denen sich die Emanzipation verdanken soll, und die Kontrollfantasien, in denen die Pädagogen auf Individuen und Bildungswelten in bester Absicht zugreifen, erzeugen Angst.“ (S. 52)
Er schätzt ein: „Die Rolle von Bildung und Erziehung ist eher problematisch, subjektfeindlich und freiheitsbedrohend.“
Voller Skepsis schreibt Tenorth als Ergebnis seiner Forschungen:
„Es gehört zum klassischen Bestand der dabei entfalteten Konstruktion neuer Welten, dass die je individuelle, das heißt die nicht kontrollierte Aneignung von Welt, Bildung im emphatischen Sinne der idealistischen Tradition, und damit die Individuen selbst als die wirkliche Bedrohung der neuen Ordnung interpretiert werden.“ (S. 53)
In Tenorths Überlegungen kommt der Antizipation besserer Welten immerhin die Funktion zu, politisch und für Verantwortung, für Kritik und Selbstkritik zu plädieren. Angesichts der Dringlichkeit und des Eifers, mit dem die Klimaschützer agieren, könnte eine Gewissheit Tenorths allerdings in Frage gestellt sein:
„Wer gar „Einübung in ‘parteiische Weisheit‘“ als „politische Bildung“ propagiert, kann sich zwar auf Ernst Blochs Utopiedenken stützen, aber zum Glück heute kaum noch Gefolgsleute erwarten.“ (S. 59)
Liest man die Vorstellungen zu Schule und Klima im Kontext des Gesamtkonzepts “Psychologische[r] Perspektiven“, kann einem schon bange werden. Die angebliche banal-einfache Faktizität der Klimazerstörung durch menschengemachtes CO2 (und die daraus folgende einfache Rettung) ist ja nur schwach wissenschaftlich begründet und soll repressiv, wenn auch im Gewande der Demokratie abgewendet werden. Die Fantasie der sich selbst verwirklichenden Mitglieder der Schule, selbstbestimmt lernend, spielt sich ja vermutlich in einem Rahmen (oder ist es ein Käfig?) ab, der von der Überzeugung bestimmt ist, den Zweiflern und Skeptikern keinen Raum der Entfaltung und des Gehörtwerdens zu überlassen. Entsprechend wird die klima(schutz-)bewusste Schule mit ihren Strukturen und Sozialcharakteren verfasst sein, also versehen mit den Zutaten einer Umerziehungsdiktatur.
Die Einlassungen von Margret Rasfeld und Felix Peter erinnern mich an eine Erfahrung deutscher Schul- und Emanzipationsgeschichte: Dort, wo eine politisch-ökonomische Analyse (auf die Gegenwart und Zukunft ließe sie sich um eine technologisch-physikalische Dimension erweitern) und ein darauf aufbauender Entwurf für Veränderung nicht gelingt, tritt ein entpolitisiertes Engagement an ihre Stelle. So verwandelte sich die anfangs emanzipatorische, an eine polit-ökonomische Analyse und an ein Klassenbewusstsein gebundene Bildungspolitik der frühen SPD in ein entpolitisiertes, reformpädagogisches Projekt der 1920er-Jahre in der Weimarer Republik. Die Enttäuschung über die politischen Niederlagen konnten von Lehrerverbänden und Bevölkerung nicht in neue politische Kämpfe übertragen werden. Was an politischer und gesellschaftlicher Bewegung nicht durchsetzbar war, versuchten nun engagierte Bildungsleute als Reformpädagogik zu verwirklichen. Ich erwähne das, weil ich hinter den (falschen) Ansätzen einer Klimapolitik eine Analyse politisch-ökonomischer-technologischer Verhältnisse der Klimastreiter im BDP vermisse. Anstelle gründlicher Analyse scheinen auch hier eine Reformpädagogik und ein Konzept der Umerziehung zu stehen.
4) „Wir können wirksam sein – … “
Im Beitrag von Katharina Simons[7] ist unter anderem davon die Rede, dass es darauf ankomme, „zentrale Hebel heraus[zu]arbeiten, die kleine Veränderungen mit großer Wirkung ermöglichen, und leicht umsetzbare Lösungen und gut adressierbare Akteur*innen finden“. (S. 59)
Um so überraschender ist, dass zwei denkbare Hebel in ihren Überlegungen keine Berücksichtigung finden. Zwar ist in den gängigen Medien nicht leicht zu finden, dass Krieg und Rüstung wie auch das Leben der Reichen einen enormen Einfluss auf das Klima und die Atmosphäre haben, aber es ist auch nicht so verborgen, dass man es unerwähnt lassen müsste. Als Verursacher von CO2-Ausstoß hätte man hier zwei Ansatzpunkte mit starken Hebeln zur Klimarettung (und noch mehr), wenn man denn wollte. Der Freitag[8] und die Zeit[9] berichten über die Lasten und Kosten des Militärs. Oxfam[10] berichtet von Folgen eines Luxus und Reichtums, ebenso wie der Deutschlandfunk[11]. Ohne an dieser Stelle ausführlich in eine Debatte um den Zusammenhang zwischen Rüstung bzw. Reichtum und Klimaschutz eintreten zu wollen, sei zumindest darauf hingewiesen, dass es doch kurios anmutet, der Bevölkerung und den Entscheidungsträgern Trägheit, Bequemlichkeit, die Suche von Schlupflöchern anzulasten und andererseits die erwähnten, leicht identifizierbaren Adressaten zu ignorieren.
5) Der 97-Prozent-Konsens
Es ist feste Überzeugung der Aktivistinnen und Aktivisten im BDP, dass es einen katastrophalen Klimawandel gibt und geben wird, der von den Menschen gemacht sei und auf den CO2-Ausstoß zurückgeht. Der CO2-Ausstoß ist der Schlüssel zu allem. Der BDP zieht in dieser Richtung mit und macht sich damit die Positionen von Plattformen, Institutionen, Vereinen zu eigen, die die Glaubwürdigkeit ihrer Position damit begründen wollen, dass eine übergroße Mehrheit „der Wissenschaft“ sie vertrete. Dass Wissenschaft so nicht funktioniert und Wahrheit nicht nach dem Mehrheitsprinzip festgestellt wird, sei nur nebenbei erwähnt. Allerdings macht es den verunsicherbaren und verunsicherten Menschen Eindruck, wenn sie sich einer Mehrheitsmeinung anschließen können. Sie fühlen sich auf der sicheren Seite. Insofern ist ein 97-Prozent-Konsens ein „starkes“ Argument. In einer Metastudie von Cook u.a. (s. BDP-Bericht) wird berichtet, 97 Prozent der Wissenschaftler gingen davon aus, dass der Klimawandel menschengemacht sei.
Karl Reitter geht, sich auf Arbeiten von Markus Klöckner und anderen beziehend, dieser Aussage nach – und kommt zu überraschenden Ergebnissen[12]. Zusammenfassend lässt sich feststellen: Dieses annähernde 100-Prozent-Ergebnis wurde mit statistischen Tricks „errechnet“. Tausende Arbeiten wurden auf einer siebenstufigen Skala eingeordnet. Eins bedeutet: Bestätigung, dass der Klimawandel menschengemacht sei, Stufe sieben: Anteil des Menschen am Klimawandel: unter 50 Prozent. Wenn in den Studien keine Tendenz zu erkennen war, wurden sie den „Stufen des menschengemachten Klimawandels zugerechnet. Bei korrekter Zählweise hätten nur 32,62 Prozent Konsens herauskommen dürfen[13].
Im gleichen Kapitel finden sich noch weitere Hinweise, die an der wissenschaftlichen Redlichkeit der Klimaretter zweifeln lassen. In Bezug auf Temperaturentwicklung[14], Meeresspiegel und Rolle von CO2 für das Temperaturgeschehen finden sich Ergebnisse und Interpretationen, die weit weniger dramatisch und bedrohlich klingen als beim BDP und bei den Organisationen, auf die er sich stützt.
Unberücksichtigt scheint in den Modellrechnungen der Klimaschützer zu bleiben, dass ab einer bestimmten Temperatur die Luft sich nicht weiter linear mit CO2 anreichert, also eine Sättigung eintritt[15]. Ein Vorwurf der Kritiker ist, dass die Klimaschützer in ihrer einseitigen und monokausalen Argumentation darüber hinaus weder Wolkenbildung noch die Sonne berücksichtigen. Gerade den letztgenannten Einflussfaktoren wird eine hohe Wirksamkeit nachgesagt. Immer wieder ist auch von Geo-Engineering im Zusammenhang mit ungewöhnlichen Wetterereignissen die Rede, das unerwähnt bleibt. So überrascht es nicht, dass kritische Wissenschaftler zu ganz anderen Deutungen des Klimawandels und zur zukünftigen Entwicklung gelangen.
Das „Phänomen Klima“ ist schwer zu definieren. Zahlreiche Einflussgrößen und Wechselwirkungen zwischen ihnen sind dem Anschein nach noch nicht verstanden. So scheint es verwegen, auf die Größe „CO2“ als Erklärung und Lösungsansatz für eine vermutete Katastrophe zu setzen und Temperaturanstiege von 1,5 Grad in 100 Jahren vorhersagen zu wollen. Die zunächst polemisch klingende Frage hat vielleicht doch Relevanz: Wie will man einen Temperaturanstieg von 1,5 Grad in 100 Jahren vorhersagen, wenn selbst die Vorhersage des Wetters für die nächsten fünf Tage schon mit reichlich Unsicherheiten belastet ist?
Die Website tkp.at berichtet häufig kritisch über die Datengrundlage der Klimaschützer, u.a. über sogenannten “Klimabetrug“[16]. Natürlich kann ich letztlich die Ergebnisse beider Seiten nicht überprüfen. Ich würde jedoch erwarten, dass jemand, der ernsthaft das Klima „schützen“ will, Eingriffe in Daten transparent macht. Oder setzen die mediengewandten Aktivisten darauf, dass kritische Stimmen schon nicht an eine größere Öffentlichkeit gelangen – und man mit seiner Kommunikationsstrategie der Verschleierung unbehelligt weitermachen kann?
6) Die Arbeit mit Angst und Schuld – die religiöse und anti-aufklärerische Dimension der Klimarettung
Die Veröffentlichung des BDP-Konzepts zum Klimaschutz hat eine stark missionarische Tönung. Man verlässt sich einseitig auf aktivistische Quellen und schirmt sich gegen Kritik und Fragen ab. Wer nicht glaubt, wird zum Feind und mit Verfolgung und Ausschluss bedroht. Die Begründung des eigenen Glaubensansatzes wirkt stark vereinfacht: Eine einzige Größe (CO2-Ausstoß) zieht jeden denkbaren Schaden nach sich.
Die – wenngleich nicht beweisbar – angeblich von Menschen gemachte Klimaerwärmung knüpft an über Generationen eingeübte Vorstellungen von Schuld an. Schuld zu haben ist beschämend, gefährdet das Ansehen und verhindert, einen Platz unter den Geachteten einnehmen zu können. Schlimmer noch: Wer jetzt nicht die Richtung ändert, könnte vor dem jüngsten Gericht entehrt vor dem Herrn stehen und müsste seine Seele verloren glauben.
Selbst wer nicht religiös und gottgläubig erzogen wurde, weiß, dass auch atheistisch eingestellten Menschen diese Mechanismen und Muster nicht fremd sind. Oder anders ausgedrückt: Die Mittel Schwarzer Pädagogik, das Machtmittel der Angsterzeugung, die Drohung mit Strafe und Weltuntergang und Verderben, die zur Disposition stehende Zugehörigkeit zu Gruppe und Gesellschaft, die Belohnung für Gehorsam sind in der (vermeintlich) aufgeklärten Gegenwartsgesellschaft wirksam. Möglicherweise erwachen die alten Disziplinarmittel zu neuem Leben, weil die Herrschenden den Eindruck haben, die Massen könnten ihre Weisungen nicht befolgen.
So ging es im sogenannten Panikpapier der Coronazeit um gezielte Angsterzeugung, im weiteren Verlauf der „Pandemie“ um Bestrafung durch Ausschluss (aus der Gemeinschaft, aus dem Arbeitsprozess, aus der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben). Erst wer sich der Impfforderung unterwarf, hatte Aussicht, vor dem Urteil der Herrschaft und der Gemeinschaft der Gläubigen bestehen zu können. Angstmache und Drohen bis hin zu juristischer Verfolgung sind in der Beurteilung des Ukraine-Russland-Kriegs zu einem Machtmittel geworden. In keinem dieser Felder gesellschaftlicher Auseinandersetzung setzt(e) sich der BDP für die Freiheit des Wortes und des Denkens ein, er macht(e) nicht auf die psychischen Belastungen aufmerksam, die eine solche Politik des Drohens und des Erzwingens auslösen kann.
Naomi Klein hat mit ihrem Buch “Die Schock-Strategie“ beschrieben[17], wie Katastrophen inszeniert und/oder genutzt werden, um Herrschafts- und Eigentumsverhältnisse neu zu justieren. Wie diese sich allein seit den Finanzkrisen seit 2009 über die Coronakrise 2020 ff. bis zum Ukraine-Krieg verschoben und das gesellschaftliche Klima verschoben haben, wird kaum in den geführten Debatten erwähnt – und doch könnten sie eng mit der Sicherung von Profiten und Versuchen, einer widerspenstig werdenden Bevölkerung Disziplinierung angedeihen zu lassen, zu tun haben.
7) Klimarettung als Industrie und Eroberungsstrategie
Klimaschützer sind kein loser Verbund von verzweifelten, uneigennützigen Einzelkämpfern. Sie besitzen Strategien der Macht(eroberung), die nicht allein auf die Kraft des guten Arguments vertrauen. Sie verstehen sich darauf, einzuschüchtern und diejenigen, die sie stören, zu verjagen. Politische Entscheidungsträger, die ihnen ihrer Auffassung nach nicht entschlossen genug gegen die Störer auftreten, werden unter Druck gesetzt. Gerne wollen sie das von den Wählerinnen und Wählern besorgen lassen, die sie mit Psychotechniken des Behaviorismus in die „richtige“ Richtung lenken wollen.
Im BDP gibt es Stimmen, die für diese Arbeit noch ungenutzte Ressourcen der Einflussnahme sehen. Man geht von einer besonderen Glaubwürdigkeit der Fachkräfte des Gesundheitswesens aus, die es zu nutzen gelte. Das „Thema “Gesundheitsschutz“ … als wichtigstes Lebensziel“ scheint sich „für das Voranbringen der sozial-ökologischen Transformation“ besonders gut zu eignen (S. 60 im BDP-Bericht). Die im System einer ins Kraut schießenden Kommerzialisierung gewachsenen Ängste und eines um sich greifenden Misstrauens sollen nun im Sinne des alles bedrohenden Klimawandels auf ebendiesen Angstpunkt gelenkt werden. Das berechtigte Lebensziel „Gesundheitsschutz“ wird auf dem Hintergrund von Verunsicherung und Angst ausbeutbar.
Die eingeforderte sozial-ökologische Transformation wird nicht näherungsweise beschrieben. Man darf also getrost davon ausgehen, dass diese Form des Klimaschutzes sich in den bekannten kommerziellen Kontexten mit Ausbau einer Apparatemedizin, mit Digitalisierung im Interesse der Konzerne des pharmazeutisch-medizinisch-industriellen Komplexes einschließlich einer Normalisierung von Überwachung stattfinden soll. Mit diesem Verbund ließe sich die Bevölkerung im Sinne der Macht bzw. der zur Religion erhobenen Wissenschaft weitgehend störungsfrei führen. Das Muster der Corona-Maßnahmen mit konditionierten Freiheitsrechten bis hin zu Berufsverboten für Störer, Zweifler und Uneinsichtige schimmert durch das wohlige Bild der Fürsorge hindurch.
Dass man bereit ist, den Boden der gleichberechtigten Diskussion zu verlassen (oder ihn gar nicht erst zu betreten) und lieber auf das Terrain der Werbung und Public Relations setzen will, wird auch daran erkennbar, dass die Botschaften der Klimaschützer „insbesondere durch gut erzählte Geschichten ein Publikum finden“ sollen. „Solche Geschichten können persönliche Barrieren in konstruktive Emotionen verwandeln“ (a.a.O., S. 59 f.). Man will das Publikum offensichtlich auf eine Reise schicken, deren verlässliche Grundlage nur den Gläubigen bekannt ist, aber nicht einem Dialog der Fragen und Argumente standhalten kann.
Die Klimaschützer verfügen über unterschiedliche Medien und Plattformen, mit denen sie im Stil der Propaganda und einer public-relations-bewussten Öffentlichkeitsarbeit Wirkung entfalten (wollen). Teilweise identisch oder ähnlich formulierte Einlassungen finden sich im Konzeptpapier des BDP und auf den Plattformen/Medien der Klimaschützer.
Es gehört zum Angebot dieser Einrichtungen, Journalisten Artikel anzubieten, die es ihnen erlauben sollen, ohne großen Aufwand passende „wissenschaftliche“ Artikel zu schreiben und zu veröffentlichen. Zwischen dem Anschein nach unabhängigen Institutionen gibt es Personengleichheiten auf Führungsebenen. So kann man sich gegenseitig zitieren, ohne dass die Zusammenhänge transparent wären. Oder man zitiert gegenseitig aus dem Schein nach unabhängigen Quellen, die allerdings von identischen Personen mit hochrangigen Verantwortlichkeiten in ebendiesen Quellen vertreten sind. (vgl. Reitter, Abschnitt „klimajournalismus.de, klimajournalismus.at“)
Die offensichtlich sehr einflussreiche Website klimafakten.de wird von Reitter folgendermaßen zitiert:
„Im Jahr 2023 gibt es einfach kein gutes Argument gegen die Klimawissenschaft. Und wenn man die Wissenschaft akzeptiert, kann man die Notwendigkeit eines schnellen, energischen Handelns nicht leugnen. Geschichten oder Kommentare, die den wissenschaftlichen Konsens bestreiten oder Klimaaktivismus lächerlich machen, gehören nicht in Nachrichtenagenturen.“
Die Anweisung an Multiplikatoren verlangt – in welchem Spezialgebiet jemand auch tätig sei –, Klimazusammenhänge herauszustellen. Das ist genau eine Tendenz, die man in den Beiträgen des BDP-Berichts erkennen kann. Die Klimaschützer/innen im BDP haben klare Vorstellungen. „Sie [die politischen Entscheidungsträger*innen] haben bei der Bewältigung des Klimawandels eine große Verantwortung. Sie müssen für soziale Gerechtigkeit sorgen, die soziale Entwicklung fördern und gegen Klimaleugner*innen vorgehen.“ (BDP-Bericht, S. 85)
Selbst dann, wenn man die Aussagen von Karl Reitter für anzweifelbar halten mag, liefern sie doch so viel Substanz, dass den Klimarettern daran gelegen sein sollte, die eigenen Positionen in einem offenen, gleichberechtigten Dialog darzulegen und diejenigen der Kritiker zu widerlegen. Auch beim BDP scheint es keine Anzeichen dafür zu geben, einen klärenden Dialog eröffnen zu wollen. Eher scheint man mit dem Rigorismus des Ausschließens und des Dialogabbruchs zu sympathisieren. Damit würde sich der BDP tatsächlich vom Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, Rationalität und vom Geist der Aufklärung[18] verabschieden.
Auch Hans von Storch[19], der durchaus der Meinung ist, dass der Klimawandel wesentlich von Menschen gemacht ist, wirft der Klimaschutzbewegung overselling vor, was auf mittlere oder längere Sicht dazu führen könne, dass die Klimaforschung nicht mehr ernst genommen werden könnte.
8) Alles ist Klima – gefährliche Einseitigkeit
Klimakrise und Klimakatastrophe liefern für alles Leiden eine Erklärung und Ursache. In einem Beitrag von Julia Scharnhorst[20] im BDP-Bericht heißt es:
„Die Wahrnehmung des Klimawandels als globale Bedrohung kann psychologische Auswirkungen haben.“
„Solche Emotionen können zu psychischen Belastungen führen und die psychische Gesundheit beeinträchtigen. Der Begriff der „EcoAnxiety“ beschreibt das Phänomen von Angstzuständen im Zusammenhang mit Umweltproblemen, wie sie durch den Klimawandel verursacht werden.“
Um so dringlicher wäre es, ernsthaft zu prüfen, wie die Ursachenketten aufgebaut sind. Offenbar wird dem Klima, wenn irgendetwas mit ihm in Verbindung steht, „gern“ die Verursachung zugeschrieben, wenn schädigende Emotionen festgestellt werden. Die Ungewissheit einer möglichen Katastrophe kann zweifellos Ursache einer psychischen Belastung sein. Vielleicht könnte ein höherer Deich helfen oder eine Umsiedlung, wenn es um konkrete Ereignisse geht. Es könnte sich bei Problemen auch um Fehler in der Landschafts- und Bebauungsplanung handeln, aus Profitstreben, Dummheit oder Nachlässigkeit u.a.m. Auch dagegen ließe sich etwas tun.
Diffuse Ängste wiederum könnten abgebaut werden durch sachliche Kommunikation. Immer wieder einen (mehr oder weniger diffusen, mehrdeutigen) Zusammenhang zum Klima herstellen zu „müssen“ (wenn es nach denen geht, die Politiker und Journalisten systematisch betreuen), lenkt von konkreten Hilfemöglichkeiten und möglichen anderen Ursachen ab. Warum muss bei einer Überflutungskatastrophe, wie im spanischen Valencia im Herbst 2024, der vermutlich „unschuldige“ CO2-Ausstoß, der zudem schwer zu beeinflussen wäre, herangezogen werden, wenn eine historische und polit-ökonomische Sicht rasch Klarheit bringen kann? 1957 gab es schon einmal eine Überflutung im selben Gebiet. Man erließ restriktive Bebauungspläne, die später aufgeweicht wurden. Es gab EU-Fördermittel für Renaturierungen, sodass, da eventuell unzureichend reflektiert ausgeführt und ohne die Möglichkeit von Kollateralschäden zu bedenken, ein Rückbau von Dämmen zur Katastrophe beitrug. Industrieller Gemüseanbau mit Eingriffen in die Wasserentnahme, Flussbettverlegungen, Missachtung traditioneller Wasserbaumaßnahmen etc. sollten bei der Ursachensuche nicht außen vor gelassen werden. Der ständige Hinweis auf einen Klimawandel durch CO2-Ausstoß wirkt da eher ablenkend und wenig lösungsorientiert.
Wie auch im Ahrtal spielten in Spanien für die schwerwiegenden Folgen konkurrierende Verwaltungsebenen und fehlende Wachsamkeit eine Rolle.
Solche Einflussfaktoren wie auch das Geo-Engineering nicht zu erwähnen, kommt einer Beeinflussung durch Weglassen nahe. Das erwähnte Stresserleben kommt sicherlich nicht allein durch „objektive“ Wahrnehmung von Wetter- und Klimaverhältnissen zustande. Es ist auch die Art der Berichterstattung, die Stresserleben forcieren oder reduzieren kann. Eine sachliche und Panik reduzierende Haltung wird erschwert, wenn Klimaschutzorganisationen und BDP in ihren Regeln der Klimakommunikation dazu aufrufen, Verbindungen zum vermeintlich „schuldigen“ und Lösung versprechenden CO2-Ausstoß herzustellen, wenn sie also ein Narrativ bedienen wollen.
Gut lesbare und noch dazu unterhaltsame Artikel, u.a. zu Begriffen wie „Kipppunkte“[21] und „Klimaschutz“[22], finden sich in einigen Artikel von Thomas Brussig und Bernhard Weißling[23].
9) Die Ausnahmeposition der Psychotherapeuten im BDP
Es scheint der Untergruppierung (Sektion) Verband psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (VPP) im BDP vorbehalten zu sein, auf alarmistische Töne zu verzichten. Man gibt vielmehr zu bedenken:
„Belastende Emotionen werden jedoch auch durch Kommunikation mitbestimmt. Angst- und aggressionsfördernde Medienberichte (in Wort und Bild) erhöhen die emotionalen Belastungen – und verhindern den Blick auf menschliche Ressourcen und Resilienzfaktoren.“ (S. 83 im BDP–Bericht)
„Unklar ist, inwieweit es zu einer allgemeinen Zunahme psychischer Erkrankungen bundesweit durch den Klimawandel kommt und ob neue Formen psychischer Störungen auftreten werden. Einer Zunahme von psychischen Erkrankungen sollte entgegengewirkt werden. Wir halten eine wissenschaftliche Begleitforschung und einen kritischen Diskurs zu diesem Thema für wichtig.“[24]
10) Kapitalozän
Obwohl an einigen Stellen des BDP-Berichts von systemischen Einflussfaktoren die Rede ist, bleiben politische und ökonomische Aspekte wie auch weitergehende Fragen der Gesellschaftsorganisation (Produktionsverhältnisse, Eigentumsfragen) für Erklärung und Lösung der „Klimakrise“ im Dunkeln. Der Kapitalismus als (Teil-)Ursache und Bedingung für Lösungsmöglichkeiten muss jedoch mitgedacht werden. Im Begriff des Kapitalozäns kommt das zum Ausdruck[25]. Auf diesen Zusammenhang macht Carl Waßmuth aufmerksam.
Solche Zusammenhänge werden vernebelt, wenn in schuldevozierender Weise die mangelnde Einsichtsfähigkeit „der Menschen“ in den Mittelpunkt der Interventionsmöglichkeiten gestellt wird, noch dazu mit einer Zerrform von Wissenschaftlichkeit. Nur so allerdings gelingt es dem BDP, der Psychologie eine zentrale Funktion für die Rettung von Klima und Menschheit zuzuschreiben. Den Lobbyisten der fossilen Industrien eine „bewusst manipulative“ (BDP-Bericht, S. 23,) Haltung zu unterstellen und gleichzeitig die Interessen einer grünen und digitalen Industrie zu ignorieren, wird den Erfordernissen einer sozialökologischen Transformation nicht gerecht. Immerhin haben auch grüne Institute und Industrien Interessen an Refinanzierung und an einem gesellschaftlichen Klima, welches Wertschöpfung ermöglicht. Wer vom Klimawandel, von der Klimakrise, vom Klimaschutz reden will, darf vom Kapitalismus nicht schweigen.
11) Ist die Klimakrise ein psychologisches Problem, das mit einer Psychologie der Verhaltensökonomie zu lösen ist?
Der BDP hat sich in seinem „Klimapapier“ darauf festgelegt, dass der Klimawandel menschengemacht durch den CO2-Ausstoß sei. Wenn es also keine physikalisch-technologischen Zweifel auf der Sachebene gibt und die Gesellschaftsform nebensächlich ist, bleibt der Mensch als Ziel des Angriffs. Der Mensch muss in die Richtung der Vernunft gelenkt werden. Dafür kommt das Arsenal der Verhaltensbeeinflussung in Betracht. Insofern ist das Konzept auch eine Werbemaßnahme sowie ein Antrag an Politik und Gesellschaft, Psychologie nicht nur zu beachten, sondern auch Strukturen für ihr Handeln und für die Beschaffung von Stellen zu schaffen.
Begleitung des normalen Publikums (z.B. für die passende Motivierung), Beratung der Politik auf allen Ebenen, Beratung von Unternehmen und Behörden, die alle für den Klimaschutz aktiv werden müssen, sind dann zentrale Adressaten der Psychologie. Psychologische Kleinunternehmen, Institute und Institutionen werden gefragt sein. Weil es sich um ein Projekt der Bildung, der Bewusstseinsbildung und Umerziehung eines ganzen Volkes handelt, geht es um eine immerwährende Operation, in der Psychologinnen und Psychologen vertreten sein müssen. Berufsständische Interessen und gesellschaftliche Interessen gehen in wunderbarer Weise Hand in Hand.
Die Einfach-Erklärung (der CO2Ausstoß erhitzt die Erde, was die Menschheit bedroht) schafft eine Erzählung, die eine dem Anschein nach einfache Lösung erlaubt, sie geradezu zwingend macht. („Eigentlich ist die Botschaft der Klimabewegung banal“, heißt es auf S. 20 im BDP-Bericht). Es kommt also darauf an, diese Einfach-Ursache unters Volk und in die Politik zu bringen. Und weil das Problem ein psychologisches ist, gilt es, (gleichsam in einem Krieg um die Köpfe) die Welt davon zu überzeugen, dass mehr Psychologinnen und Psychologen in Stellung gebracht werden müssen.
Für die (Um-)Erziehungsaufgabe werden Konzepte der Psychotechnik, des Behaviorismus, der Verhaltensökonomie (re-)aktiviert. Sie werfen Fragen nach dem Menschenbild auf, danach, wer mit welcher Legitimation Verhaltens- und Erziehungsziele definiert. Tatsächlich aber werden diese Fragen gar nicht gestellt. Die Antworten sind selbstverständlich schon gegeben – von „der“ Wissenschaft und den nach „wirksamem Regieren“ strebenden Staat. Der BDP steht mit seinen Perspektiven in der Tradition von Edward Bernays[26] und Walter Lippmann[27], den „Erfindern“ der Propaganda, die später in Public Relations umgetauft wurde. Beide und ihre Schulen waren davon überzeugt, dass die Massen einer vorsichtigen, aber bestimmten Lenkung einer klügeren Führung bedürfen, wenn nicht Wohlstand und Demokratie (!) gefährdet sein sollten. So ist vermutlich nicht auszuschließen, dass sich das Klimaschutzprogramm des BDP auch als Demokratieförderung konzipieren lässt – geht es doch gegen „Klimaleugner“, von denen Verschwörungserzähler in der Regel nicht weit entfernt sind.
12) Der BDP beteiligt sich an der Zerstörung des Subjekts
Mit dem Aufruf, Psychologinnen und Psychologen sollten sich als Change agents verstehen, macht sich der BDP zum „Aktivisten“. Dem entspricht die als Verhaltensökonomie firmierende Variante einer Psychologie, die in Expansion begriffen ist und die das Anstupsen oder Schieben in die „richtige“ Richtung (Nudging) betreibt (vgl. Bastian Barucker[28]). Angeblich werde damit zum Wohle kollektiver Interessen gehandelt, heißt es bei den Protagonisten einer solchen Psychologie. Es sind die Fachleute, die wissen, worum es geht.
„Vielleicht ist es letzten Endes eine Parallele zwischen Klimakrise und Killervirus, dass der vermeintliche Konsens in der Wissenschaft und die Alternativlosigkeit der verkündeten Maßnahmen so nicht gegeben sind, die durchgeführten Maßnahmen oft auch nicht primär dem Wohl der Gemeinschaft dienen, dem Steuerzahler und Wähler aber zugleich immense Kosten aufbürden und daher „richtig kommuniziert“ werden müssen.“ (Barucker)
Mit seinem Vorgehen entfernt sich der BDP von einer Philosophie der Subjektentwicklung, der Bewusstwerdung von Bedingungen des eigenen Lebens. Er untergräbt Prozesse der (Selbst-)Aufklärung und (Selbst-)Erkenntnis der eigenen Gewordenheit im Kontext von Familie, Arbeit, Lernen und gesellschaftlicher Entwicklung. Stattdessen lenken Psychologinnen und Psychologen die Menschen in eine Richtung, die die vermeintlich wahre und richtige ist.
Zum Verhältnis von Aktivismus und Objektivität schreibt der Naturwissenschaftler und Blogger Gunnar Jeschke:
„Politischer Aktivismus verträgt sich nicht mit Objektivität. In der Politik geht es um Meinung und Macht. „De omnibus dubitandum est“. An allem muss man zweifeln ist keine mögliche Haltung von politischen Aktivisten. Ein Wissenschaftler kann im persönlichen Leben politischer Aktivist sein, aber nicht in seiner Eigenschaft als Wissenschaftler. Wahrheit und politische Argumente sind disjunkte Teilmengen des menschlichen Intellekts.“[29]
13) Thesen zur Bereitschaft, sich autoritärer Mittel zu bedienen und wissenschaftlichen Dialog durch Glauben zu ersetzen
Was in dem umfangreichen Bericht des BDP zum Ausdruck kommt, ist eine Fülle von überzeugungsstarken, jedoch nicht wissenschaftlich und objektivierten Positionen. Die Grundlagen einer evidenzbasierten, an Objektivität und Dialog interessierten Psychologie werden aufgegeben zugunsten eines parteilichen Aktivismus. Es war meine Absicht, die Gefahren, die im Ansatz „Lasst uns Change agents sein“ liegen, aufzuzeigen. Eine subjektorientierte und emanzipatorische Psychologie kommt damit unter Druck. Darüber hinaus bleibt die Frage: Welcher gesellschaftlich-psychologischer Voraussetzungen bedurfte es, um innerhalb weniger Jahre sich einer subjektfeindlichen und kontra-emanzipatorischen Ausrichtung zu öffnen? Dazu nun noch einige Thesen.
Die gegenwärtige, dem Anschein nach so verantwortungsvolle und aktivistische Gruppe dürfte in ihrer eigenen Sozialisation viel Ermutigung und Anregung zu umweltbewusstem Handeln erfahren haben. Sie könnten die Söhne und Töchter von Eltern sein, die selbst „Gutes“ hatten tun wollen, jedoch ohne sich auf die Mühen gesellschafts- und systemkritischer Analyse einzulassen. Als 68er und Nach-68er mögen sie subjektiv den Anspruch (gehabt) haben, auf der Seite von Demokratie, Frieden und Umwelterhalt zu stehen.
Zwar hat es mit den 68ern und ff. einen politisch-kulturellen Aufbruch gegeben, der aber im Laufe der Jahre politisch und institutionell wieder einkassiert wurde. Demokratie und Mitbestimmung wurden geschliffen (Schul- und Hochschulpolitik, Rechte der Personal- und Betriebsräte eingeschränkt, Verlagerung von Entscheidungen in von Betrieben oder Behörden leicht beeinflussbaren Maßnahmen der Organisationsentwicklung). Was sich mit der Herausbildung von Friedens- und Umweltbewegung tat, war zumindest teilweise die Auflösungserscheinung einer breiteren gesellschaftlichen Bewegung. Nach der Revolte kamen die Anpassung und die Selbstintegration in die bestehenden Verhältnisse. „Nicht alles ist schlecht“ war eine verbreitete Haltung, bot doch das System Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten, unter Abstrichen von einstigen „Plänen“ bestanden Aussichten auf ein gutes Leben. Das machte eine (selbst-)kritische Aufarbeitung eigenen Handelns und der eigenen Rolle obsolet. Ebenso „entfielen“ eine Analyse oder auch nur ein Verstehen dessen, was die Gesellschaft war, in der man lebte.
Der revoltierende, emphasische Überschuss wurde abgedrängt – und tauchte in Gestalt der „privaten“ Erziehung, in der institutionalisierten Erziehung und in der PR-Kommunikation auf – „befreit“ von politischen und gesellschaftlichen Analysen. Stattdessen konnte mit Abstufungen „bereut“ und Moral im überschaubaren Initiativenbereich gezeigt werden. Das konnte Entlastung und Re-Integration in die Gesellschaft bewerkstelligen. Die zuvor mehr „gefühlte“ als ausformulierte Systemkritik mündete nicht in eine reflektierte Auseinandersetzung, sondern in einen Rückzug auf das Machbare, dessen Basis immer schmaler wurde.
Vieles von dem, was an „Weltverbesserung“ auf der Strecke geblieben war, geriet auf die Auftragsliste für den eigenen Nachwuchs. Kommend aus einer aufregenden Zeit, erfahrungsgesättigt und klug geworden zeigte man der nachfolgenden Generation, wo es hingehen sollte. Das galt vermutlich nur für einen kleineren, aber einflussreichen Teil der Mittelschicht. Bildungsbewusst, konkurrenzbereit, systemkompetent – ohne gesellschaftskritischen Schnickschnack – begleitete und ermunterte man die in den Nach-68er-Jahren Geborenen. Umweltbewusstsein und schlaues Agieren im sich ausbreitenden Neoliberalismus, u.a. das Finden für Möglichkeiten der Selbstvermarktung, wurden die Kompetenzen der Stunde. Projektarbeit und Kompetenzorientierung vermittelten eine handhabbare, machbare Welt – jedoch losgelöst von gesellschaftlichen Widersprüchen, Interessenlagen etc.
Kritisches Denken, Gesellschaftskritik waren angesichts des implodierten Sozialismus und des übriggebliebenen westlich-kapitalistischen Erfolgsmodells verpönt. Die Engführung des neoliberalen Denkens auf sich rechnende (Selbst-)Optimierung zum Erhalt der Existenz bzw. Aufstieg im krisenanfälligen Wettbewerb erzeugte Anpassungsleistung, durchaus auch Anstrengungsbereitschaft bis hin zur Selbstausbeutung. Das Soziale und Menschliche verschwanden nicht vollständig, verloren aber an Wert und fanden sich in einem ständigen Kampf mit der Ökonomisierung und Rationalisierung aller Lebensverhältnisse. Gleichsam selbstverständlich und fraglos entstanden Normen über Zugehörigkeit und Ausschluss, über Unerlaubtes und Zulässiges. Wo das Denken von Kategorien des Nützlichen, Brauchbaren, Unbrauchbaren, von der „Warenhaftigkeit“ und der Notwendigkeit der (Selbst-)Vermarktung dominiert wird, entstehen Fremdheit und Entfremdung, Unbehagen und Vertrauensverlust. Dem, der führen will, stellt sich das leicht als problematischer Rückzug dar. Was sich auflöst und außer Kontrolle zu geraten droht, wird mit Appell, Kontrolle, Drohung, Zwang zurückgeholt – jedoch, wenn überhaupt möglich, auf labiler Grundlage. Dort, wo das gesellschaftliche Sagen zu Hause ist, lernt man, „expansiv“ und „fürsorglich“ für die weniger Einflussreichen zu denken und zu planen. Auch wenn es gut gemeint sein mag, muss es im Ergebnis nicht gut sein – und ist es meistens auch nicht.
Das vermeintliche (Besser-)Wissen verführt in Verbindung mit fehlender Vorstellungsfähigkeit für die Welten „anderer“ und für „anderes“ zu feudalistischen Führungsmustern. Eine in diesem Sinne der „exzellenten“ Führungsberechtigung herangewachsene Schicht, die nun Schaltstellen einnimmt, kann durchaus zu dem Ergebnis kommen, die Massen bändigen und erziehen zu müssen. Wo systemische und Gesellschaftsanalyse (und das Leben der anderen) keinen Platz haben, kann sich die Vorstellung der Legitimität von Zwang, Bestrafung, Durchregieren, Ausschluss aus der bürgerschaftlichen und wissenschaftlichen Debatte einstellen. Haben sich wissende Eliten erst einmal aus dem Dialog mit dem Jenseitigen, dem Fremden und Unzugänglichen abgemeldet, werden Drohung und Zwang zu legitimen Mitteln verantwortlichen Handelns.
Ist die früh herangebildete Sensibilität für mögliche Beschädigung der Umwelt angesprochen, drohen Panik und Eskalation; denn es mangelt an der Fähigkeit zur zeitweiligen Positionsübernahme des Gegners, zum Aushalten zuwiderlaufender Annahmen, zu Rationalität gegenüber der Sache und dem Widersacher. Der Umgang mit „Uneinsichtigen“ ist getönt von einer Annahme gegnerischer Obstruktion und Feindseligkeit.
Eine Notwendigkeit des Durchregierens vermittelt sich gleichsam natürlich angesichts des erzeugten Mangels an analytischem Werkzeug. Wer überzeugt davon ist, recht zu haben und noch dazu das Überleben der Menschheit im humanen Visier hat, kann, nein muss sich die Erlaubnis geben, wenn er denn einmal eine Position der Macht hat, mit Zwang zu regieren. Die Anzeichen einer solchen Haltung sind im Alltag des gesellschaftlichen und politischen Betriebs zu erkennen.
Titelbild: Screenshot des BDP Berichts 2024
Corona aufarbeiten – Ohne Psychologinnen und Psychologen?
Psychologie als Regierungsinstrument: Manipulation durch „Nudging“
Corona und Psychologie: Angst arbeitet dem demokratischen Miteinander entgegen
[«1] Psychologische Perspektiven im Klimawandel: Strategien und Konzepte im Klimawandel, hrsg. vom Vorstand des BDP, 2024, Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen, Berlin
[«2] Lea Dohm, Felix Peter, Biance Rodenstein, Fabian Chmielewski: Wenn Warnungen ungehört verhallen – psychische Prozesse im Umgang mit der Klimakrise, in Psychologische Perspektiven im Klimawandel, Strategien und Konzepte, 2024
[«3] vgl. Jürgen Mietz: Corona aufarbeiten – Ohne Psychologinnen und Psychologen?, 02.12.2024
[«4] Janna Hoppmann: Kommunikation in der (Klima-) Krise. Orientierung und Mut für Gespräche über ein „wicked Problem“, in: BDP-Bericht 2024 – Psychologische Perspektiven im Klimawandel: Strategien und Konzepte, S. 29 ff.
[«5] Margret Rasfeld und Felix Peter: Bildung für eine nachhaltige Entwicklung und Zukunft, in Psychologische Perspektiven … BDP 2024
[«6] Tenorth, Heinz-Elmar. (2018). Neu wird der Mensch! Kursbuch. 54. 51-64, 02.01.2025
[«7] Katharina Simons: Wir können wirksam sein – Psycholog*innen und Psychotherapeut*innen als „Change Agents“, in BDP-Bericht 2024 – Psychologische Perspektiven im Klimawandel: Strategien und Konzepte
[«8] Anika Limbach: Klimabilanz von Kriegen: Wie hoch sind die globalen CO₂-Emissionen des Militärs?, 04.01.2025
[«9] Carolin Wahnbaeck: Wie Krieg den Klimawandel anheizt
[«10] Oxfam: Klima der Ungleichheit. Wie extremer Reichtum weltweit die Klimakrise, Armut und Ungleichheit verschärft, Herausgeber: Oxfam Deutschland e. V., November 2023, 03.01.2025
[«11] Deutschlandfunk: Luxus und CO2-Ausstoß. Wie Reiche den Klimawandel antreiben, 03.01.2025
[«12] Reitter, Karl: Gemeinsam das Klima retten? Promedia Druck- und Verlagsgesellschaft, 2024;
[«13] a.a.O., Kapitel 10 „Die Informationslobbys und der 97 Prozent-Konsens“
[«14] a.a.O., Kapitel 3: Temperaturentwicklung, Temperaturmessung …
[«15] tkp.at/2024/12/21/auswirkungen-von-netto-null-bis-2050-0073-c-weniger-und-explodierende-kosten/
[«16] Thomas Oysmüller: Der umfassende Temperatur-Betrug der Klima-Industrie, 04.01.2025
[«17] Naomi Klein: Die Schock-Strategie. Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus, Hoffmann und Campe, 2023
[«18] Bernd Schoepe: Plädoyer für eine neue Aufklärung. Wie die spätestens seit der Panik-Pandemie etablierte Herrschaft der Unvernunft durch ein ganzheitliches Projekt der Bildung, Selbstermächtigung und Selbstorganisation überwunden werden kann, 22.12.2024
[«19] Hans von Storch (Wikipedia-Eintrag)
[«20] Julia Scharnhorst: Wie steht die Gesundheitspsychologie zum Klimawandel?, in: BDP-Bericht 2024 – Psychologische Perspektiven im Klimawandel: Strategien und Konzepte
[«21] Thomas Brussig: Ob Greta oder Letzte Generation: Warum die Panik vor Klima-Kipppunkten falsch ist, 05.01.2025
[«22] Thomas Brussig: Thomas Brussig: Warum die naiven Parolen der Klimaaktivisten nutzlos sind, 05.01.2025
[«23] Bernhard Weißling: Die nackte Wahrheit der Entropie: Verfahren für CO₂-Entzug sind nicht nachhaltig, 05.01.2025
[«24] Susanne Berwanger: Besorgt und besonnen dem Wandel entgegentreten, in BDP-Bericht 2024, Psychologische Perspektiven
[«25] Carl Waßmuth: Mehr als Katastrophen-Rhetorik? Warum wir Klima-Kipppunkte nicht verharmlosen dürfen, 12.01.2025
[«26] Edward Bernays: Propaganda – Die Kunst der Public Relations, Orange press 2013
[«27] Walter Lippmann: Die öffentliche Meinung, Westendverlag 2021, oder The Walter Lippmann Reader (englisch)
[«28] Bastian Barucker: Mit Verhaltensökonomie „wirksam regieren“, 28.12.2024)
[«29] Gunnar Jeschke: Was ist Wahrheit?, 29.12.2024