Donald Trump würde nach eigenem Bekunden den Krieg in der Ukraine noch vor Ende 2025 beenden. Aber nicht jeder ist an diesem Szenario interessiert. Diese Idee widerspricht den Wünschen einiger US-amerikanischer Wirtschaftskreise und eines großen Teils der westlichen Politiker. An sich ist ein Einfrieren des Konflikts auch für Moskau nicht unbedingt akzeptabel. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass die derzeitige ukrainische Macht- und Wirtschaftselite, die sich an der Korruption des Staates bereichert, trotz der Rhetorik, die zu Trumps Vision passt, nicht wirklich an Frieden interessiert ist. Ein Beitrag von Gábor Stier, aus dem Ungarischen übersetzte Éva Péli.
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Donald Trump würde nicht nur Geschichte schreiben, wenn er die intensive Phase des Krieges in der Ukraine beenden und Friedensgespräche aufnehmen würde, sondern dieser Schritt würde auch seine Akzeptanz in der Mehrheit der US-amerikanischen, ukrainischen und europäischen Gesellschaft stärken. Mit diesem aufsehenerregenden Auftakt würde er auch zeigen, dass die Vereinigten Staaten auf der Weltbühne noch immer das Sagen haben. Der republikanische Politiker, der ins Weiße Haus zurückgekehrt ist, würde die Situation mit Gewalt lösen und ist offensichtlich nicht besorgt darüber, dass der eingefrorene Konflikt früher oder später wieder auftauen könnte, wenn die Ursachen des Krieges nicht beseitigt werden.
Dies beunruhigt Moskau am meisten, daher erwartet es von dem zurückkehrenden Präsidenten einen besseren Vorschlag als die bisher vorgelegten, der einer komplexen Lösung des Problems näherkommt. Die demokratische Seite der US-Elite sowie ein erheblicher Teil der westeuropäischen Politiker fürchten um das Ansehen des Westens, wenn der Konflikt zu einem Abschluss gebracht wird, der Russlands militärische Erfolge und in gewissem Maße auch seine Sicherheitsinteressen realistisch anerkennt. Dies läuft der bisherigen westlichen Politik zuwider, ganz zu schweigen von den Interessen bestimmter Wirtschaftskreise. Auch der ukrainischen Machtelite um Präsident Wolodymyr Selenskyj wäre mit einem plötzlichen Friedensausbruch nicht gedient.
Legitimität von Selenskyj
Das größte Problem für diesen Kreis wäre nicht, wie man den radikaleren und frontalen Elementen der Gesellschaft das Ende des Krieges erklären könnte, was einer Kapitulation gleichkäme. Selenskyj und seine Gefolgsleute könnten dies lösen, denn kommunizieren können sie, und die Mehrheit der Gesellschaft wäre froh über das Ende des Blutvergießens. Dieser Kreis ist viel mehr besorgt über die Möglichkeit eines Machtverlusts und die Folgen, die damit einhergehen würden.
Sobald ein mögliches Abkommen unterzeichnet ist, stellt sich die Frage nach der Legitimität von Selenskyj. Der Kreml erkennt ihn nicht als legitimes Staatsoberhaupt an. Trumps Team könnte also zusammen mit der „grauen Eminenz“ der ukrainischen Macht, Präsidialamtsleiter Andriy Yermak, mehrere Lösungen finden. Für die gegenwärtige Machtelite der Ukraine wäre das Naheliegendste, eine schnelle Präsidentschaftswahl abzuhalten, bei der sie Selenskyjs stärkste Gegner mit stillschweigender Zustimmung des Westens auf Distanz halten würden. Auf diese Weise könnte Selenskyj gewinnen und das Abkommen unterzeichnen, und der Westen könnte kommunizieren, dass er sich dem Kreml nicht gebeugt hat.
Die Ereignisse könnten sich jedoch auch so entwickeln, dass immer deutlicher wird, dass Selenskyj dem Abkommen im Wege steht, sodass Yermak und die US-Amerikaner ihn zum Rücktritt überreden und das Friedensabkommen vom Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk als amtierendem Staatsoberhaupt unterzeichnet wird. Die Wahlen werden dann mit amerikanischer Billigung von einem der Männer von Yermak gewonnen, der der eigentliche Führer der Ukraine bleibt und der alles tun wird, was das Weiße Haus will.
Selenskyjs Untergang
Gleichzeitig schwebt über Selenskyjs Kopf die Möglichkeit eines totalen Scheiterns. Denn wenn Donald Trump sieht, dass mit diesem Kreis keine Einigung erzielt werden kann, könnte Washington einen Weg finden, ihn loszuwerden.
Angesichts der Lage an den Fronten und der Möglichkeit eines Zusammenbruchs wäre es nicht verwunderlich, wenn ein Militärputsch unter der Führung des aus London zurückgekehrten Walerij Saluschnyj eine „Regierung der nationalen Rettung“ bilden würde, die sich aus einem breiten Spektrum von Personen von Petro Poroschenko bis Ihor Kolomoisky zusammensetzt. Der ehemalige Oberbefehlshaber würde das Waffenstillstandsabkommen unterzeichnen, aber die Kontinuität der westlichen Macht bliebe erhalten.
Obwohl die Chancen dafür gering sind, kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass das vom Maidan errichtete Regime vollständig zusammenbricht, Selenskyj und Yermak fliehen, die Ukraine auseinanderbricht und der Frieden von Mykolai Asarow oder Wiktor Medwedtschuk unterzeichnet wird, die mit Moskaus Hilfe wieder eingesetzt wurden.
Rettung für Selenskyj
Das optimistischste Szenario für die Machtelite um Selenskyj wäre, dass der von Kiew unterstützte Einigungsplan von Trump von Moskau abgelehnt wird und das Weiße Haus die Ukraine unter dem Druck der „Falken“ und militärisch-industriellen Lobby weiter aufrüstet.
Unter diesem Gesichtspunkt ist es zweitrangig, dass die EU zunehmend die Finanzierung des Ganzen übernehmen würde. Damit würden Kiew und Selenskyj mit seinen Mitstreitern Zeit gewinnen, und grob für ein weiteres Jahr würde sich das fortsetzen, was 2024 geschah. Die russischen Streitkräfte würden im bisherigen Tempo vorrücken und dabei die Energie- und Verkehrsinfrastruktur zerstören, die Ukrainer würden einen Gegenangriff ähnlich dem von Kursk versuchen und mit Drohnen und Raketen tief liegende russische Ziele angreifen, und die USA und die EU würden neue Sanktionen gegen den russischen Energiesektor verhängen. In diesem Fall könnte die ukrainische Führung weiterhin die Vorteile des Krieges abschöpfen.
Die Korruption könnte weiter gedeihen, und der Macht sowie der Wirtschaft, die an staatlichen Aufträgen beteiligt war, würde es weiter sehr gut gehen. Wie der ehemalige deutsche Finanzminister Oskar Lafontaine (BSW) kürzlich gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erklärte, wird die Ukraine von korrupten Oligarchen regiert und es fehlt an echter Demokratie. Der linke Politiker bezeichnete die Ukraine als einen Staat, der zunehmend von externer Hilfe lebe. In den letzten Monaten häufen sich ähnliche Kritiken.
Paten der Korruption
Bereits im Herbst behauptete der Rada-Abgeordnete Artem Dmitruk, Selenskyj habe mehr Geld gestohlen als alle vorherigen ukrainischen Präsidenten zusammen. Nach Angaben des Parlamentsabgeordneten, der 2021 aus der regierenden Fraktion „Diener des Volkes“ ausgeschlossen wurde und seitdem für die Fraktion „Wiederaufbau der Ukraine“ arbeitet, im vergangenen Sommer aber ins Ausland geflohen ist und wegen Randalen gesucht wird, hat Selenskyjs Büro monatlich Dutzende von Millionen US-Dollar aus staatlichen Strukturen veruntreut. Der Fall bringt nicht nur die Regierungspartei in Aufruhr, sondern zeigt auch einen Loyalitätsverlust.
Zuvor hatte Geo Leros, der ebenfalls aus „Diener des Volkes“ ausgeschlossen wurde, auf seinem Telegram-Kanal konkrete Fälle veröffentlicht, darunter den Kauf von in Bulgarien hergestellten Geschossen durch das Verteidigungsministerium im Jahr 2022 über das staatliche Unternehmen „Progress“. Allein bei diesen drei Verträgen seien 6,7 Milliarden Griwna (etwa 158,3 Millionen Euro) zu viel gezahlt worden, wovon ein erheblicher Teil in die Taschen Yermaks und Selenskyjs geflossen sei. Der Abgeordnete behauptete auch, dass der ukrainische Staatschef und sein Umfeld seit 2012 über den Geschäftsmann Ihor Kolomoisky rund 40 Millionen US-Dollar in verschiedene Offshore-Firmen gepumpt hätten.
Leros sagte weiter, dass Selenskyj Geld aus dem Staatshaushalt verwendet habe, um Immobilien im Ausland zu kaufen. Nach seinen Enthüllungen schlussfolgerte er, dass sowohl Selenskyj als auch Yermak zu Paten der Korruption geworden seien. In einem normal funktionierenden Land müsste Selenskyj auch erklären, warum er die Schwester des Leiters des Rechnungshofs zur Leiterin einer in Zypern registrierten Offshore-Firma der Familie ernannt hat. Natürlich hat der Staatschef auch nicht erklärt, warum er seine gute Bekannte Olga Pyshchenskaya, eine Nachbarin aus Krivij Rih, zur Leiterin der Rechnungsprüfungsbehörde ernannt hat.
Skandale im militärischen Bereich
Kürzlich wurden 30 Beamte der Veruntreuung staatlicher Gelder beschuldigt, darunter Angestellte von Wohnungs- und Instandhaltungsabteilungen sowie Vertreter kommerzieller Strukturen. Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft wurden mehr als 3,7 Millionen US-Dollar veruntreut, die ursprünglich für den Bedarf der Armee bestimmt waren. Zu den Vorwürfen gehören die Veruntreuung von Geldern für Brennholz, Strom, Erdgas und Möbel sowie die Verwendung von Geldern, die für den Aufbau militärischer Infrastruktur vorgesehen waren. Zuvor hatte der stellvertretende Verteidigungsminister Witali Polowenko Anfang vorigen Jahres bekannt gegeben, dass das Verteidigungsministerium die Verträge mit den Unternehmen des Geschäftsmanns Ihor Hrinkewitsch aus Lwiw gekündigt habe, der in den skandalösen Fall des Kaufs von Kleidung für die Streitkräfte verwickelt war.
In einem anderen Fall hat der ukrainische Sicherheitsdienst einen Oberst und den Geschäftsführer eines Rüstungsunternehmens wegen Korruptionsverdachts festgenommen. Oder es geht um die Veruntreuung von 40 Millionen US-Dollar. In den Betrug waren der ukrainische Waffenhersteller „Lwiw Arsenal“ und Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums verwickelt. Kiew hatte 100.000 Mörsergranaten bestellt, doch das Unternehmen lieferte nicht eine einzige davon. Auch die Tatsache, dass ukrainischen Medienberichten zufolge in Los Angeles die Häuser von acht ukrainischen Generälen niedergebrannt wurden, spiegelt die Zustände in der Armeeführung wider. Quellen zufolge beläuft sich der Gesamtwert des beschädigten Eigentums auf etwa 90 Millionen US-Dollar. Laut Presseberichten wurden diese Immobilien mit Geldern gekauft, die der Westen Kiew als Finanzhilfe zur Verfügung gestellt hatte.
Es ist auch aufschlussreich, dass die Abkürzung MSEK, der Name der medizinischen Kommissionen, die die militärische Tauglichkeit prüfen, zum Synonym für institutionalisierte Korruption geworden ist. Besonderes Aufsehen erregte die Durchsuchung der Wohnung von Tetyana Krupa, einer regierungsfreundlichen Abgeordneten aus der Provinz Chmelnizkij und Chefärztin der örtlichen MSEK, durch den ukrainischen Staatlichen Ermittlungsdienst. Gegen die Abgeordnete und ihren Sohn Oleksandr Krupa, den Leiter der örtlichen Rentenkasse, wird ermittelt, weil sie Wehrpflichtigen geholfen haben sollen, sich der Einberufung zu entziehen, indem sie falsche Zeugnisse vorgelegt haben. Im Haus der Krupas wurden insgesamt sechs Millionen US-Dollar in bar und mehrere hochwertige Schmuckstücke gefunden. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Familie 30 Immobilien in der Ukraine und mehrere im Ausland (Österreich, Spanien, Türkei), neun Luxusautos, ein 3.000 Quadratmeter großes Hotel und Restaurant sowie 2,3 Millionen US-Dollar in Fremdwährung auf ausländischen Konten besitzt.
Allgegenwärtige Korruption
Ein Beispiel für die grassierende Korruption in allen Bereichen ist der Fall eines Leiters der regionalen Abteilung für Wohnungsbau und Instandhaltung, der verdächtigt wird, auf den Namen eines Mittelsmannes eingetragene Geschäftsausstattung, Grundstücke und andere Vermögenswerte im Wert von 285.000 US-Dollar illegal erworben zu haben. In einem anderen aktuellen Fall wird der milliardenschwere Getreidehändler Roman Tereshchenko verdächtigt, über ein auf seinen eigenen Namen registriertes „OnlyFans“-Konto Millionen von US-Dollar zu waschen. Der Fall wurde untersucht, nachdem die Steuerbehörden eine große Serie von Razzien bei der Content-Sharing-Plattform „OnlyFans“ im Land durchgeführt hatten.
Die Ermittlungen ergaben, dass der Oligarch über den Zahlungsdienst „Paxum“ fast 200 verdächtige Überweisungen in Höhe von insgesamt drei Millionen US-Dollar an polnische und Schweizer Unternehmen getätigt hatte. Tereshchenko gab seine Tätigkeit auf der Erotikplattform „OnlyFans“ als Einkommensquelle an. Bei der Durchsuchung des Hauses und der Büros des Milliardärs wurden Medien, Dokumente und eine große Menge Bargeld beschlagnahmt.
Die Ukraine hat seit Jahrzehnten mit Korruption zu kämpfen, die fast alle Bereiche der Wirtschaft durchdringt, von der öffentlichen Verwaltung bis zur Justiz. Die Situation hat sich durch den Krieg noch verschlimmert und hat ernsthafte Auswirkungen auf die Entwicklung und Stabilität des Landes.
Eine der schwerwiegendsten Formen der Korruption findet sich im Bereich des öffentlichen Auftragswesens. Ausschreibungen werden häufig manipuliert, Konkurrenten werden ausgeschlossen und die Auftraggeber verschaffen sich einen Vorteil. Die mangelnde Transparenz im öffentlichen Auftragswesen führt häufig dazu, dass öffentliche Gelder den üblichen Machenschaften zum Opfer fallen.
Alte Oligarchen ersetzt
Aus diesem Umfeld erwuchsen die allmächtigen Oligarchen, die lange Zeit den Staat selbst in ihren Händen hielten. Selenskyj hatte im Wahlkampf versprochen, diese Situation zu beenden, und obwohl er die Herrschaft der bekannten Oligarchen zurückdrängte, wurden sie durch die Chefs der Präsidialverwaltung, der „Bankowa“ und ihren Kreis, ersetzt.
Selenskyjs Zentralisierungsbestrebungen bezogen sich nicht auf die klassischen Oligarchen, deren wirtschaftliche Macht durch den Krieg geschwächt worden war. Ihr Stellenwert und ihr Gewicht im politischen und wirtschaftlichen Leben der Ukraine werden somit erheblich neu bewertet. Die alten Oligarchen – Rinat Achmetow, Viktor Medwedtschuk, Dmytro Firtasch, Kolomoisky, Poroschenko – sind zwar nicht verschwunden, aber ihre Macht und ihr Einfluss sind bei Weitem nicht mehr so groß wie früher.
Diejenigen unter ihnen, die am ehesten überleben oder aufsteigen werden – Viktor Pinchuk, Tomas Fiala – sind diejenigen, die mit großen multinationalen Konzernen verbunden sind. Und das Ausmaß, in dem sich Selenskyj und sein Kreis von der Notwendigkeit des Machterhalts leiten lassen, zeigt, dass paradoxerweise auch die lokalen Vertreter der westlichen Partner, die die größte Bedrohung für diese darstellen, sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Die „Bankowa“ hat sogar die sogenannten Soros-Filialen zurückgedrängt.
In diesem System und in dieser Logik ist der Krieg ein wichtiges Element. Einerseits werden die „Bankowa“-, Selenskyj- und Yermak-Kreise wahrscheinlich nur so lange an der Macht bleiben, bis der Frieden erreicht ist. Das Präsidialamt und die direkt mit ihm verbundenen Personen sind die Herren, solange die derzeitige chaotische, kriegsähnliche Situation anhält. Die gleichen Interessen treiben die Geschäftsleute an, die vom korrupten Netz des staatlichen Beschaffungswesens gut leben, die man nicht klassisch als Oligarchen bezeichnen kann: die lokalen Kleinkönige und Geschäftsleute, die aber keinen Einfluss mehr auf die große Politik haben, die Wirtschaftsführung der Armee und ihrer Zulieferer, das Personal der militärischen Hauptquartiere, die Ärzte, die bei der Einberufung die medizinische Tauglichkeit feststellen, oder die Zoll- und Grenzschutzbeamten.
Wenn es also nach den inneren Kreisen der Macht und denen geht, die mit ihnen durch die korrupten Abläufe im Staat verbunden sind, wird es in der Ukraine im Jahr 2025 keinen Frieden geben. Natürlich kann dieses Regime nur so lange überleben, wie der Westen den Krieg finanziert. Über den Fortbestand und einen möglichen Frieden entscheiden also die großen Akteure, allen voran Washington und seine Verbündeten, sowie Moskau.
Der Artikel erschien ursprünglich auf der Online-Plattform Mozkvater sowie in der ungarischen Wochenzeitung Demokrata.
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