Wie sich Lateinamerika für Trumps Comeback wappnet

Wie sich Lateinamerika für Trumps Comeback wappnet

Wie sich Lateinamerika für Trumps Comeback wappnet

Ein Artikel von amerika21

Trumps Pläne für die US-Politik machten bereits Schlagzeilen – vor allem im benachbarten Lateinamerika. Besonders Trumps Ankündigungen, die Grenze zu Mexiko dicht zu machen und den Panamakanal wieder unter US-Kontrolle zu bringen, sorgten jüngst für Aufsehen. Vielen Lateinamerikanern klingen die Beleidigungen aus seiner letzten Amtszeit noch in den Ohren. Die Schreckensbilder von getrennten Familien und festgehaltenen Kindern an der Grenze sind noch nicht verblasst. Trump hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, wie er über die Länder der Region denkt. Lateinamerika geht für ihn mit Kriminalität und Drogen einher. Einige Länder der Region bereiten sich mit Wohlwollen auf die Amtszeit von Trump vor, bei vielen anderen läuten die Alarmglocken. Von Sara Meyer.

Während seiner [ersten] Amtszeit besuchte er bis auf zwei Ausnahmen kein einziges Land der Region. Er reiste 2018 zum G20-Gipfel nach Argentinien und 2017 nach Puerto Rico, als der Hurrikan Maria tobte; ansonsten blieb er der Region fern. Das macht ihn zum Präsidenten mit den wenigsten Besuchen der Region seit Bill Clinton. Kurz vor seinem Abtritt ordnete er an, Kuba auf die Liste der Staaten zu setzen, die Terrorismus unterstützen.

Demnach ist eher Ignoranz statt Aufmerksamkeit von Trump zu erwarten. Es ist anzunehmen, dass Trump sich – wenn überhaupt – denjenigen Ländern zuwendet, die bereit sind, seinen Interessen zu dienen, insbesondere indem sie verhindern, dass ihre Bürger in die USA abwandern.

Jetzt läuft’s anders

Die Beziehungen zwischen den USA und Lateinamerika waren lange von Einmischung und Ausbeutung geprägt. Von der Monroe-Doktrin, die die Region vor Europa schützen sollte, bis hin zur Unterstützung von Diktaturen während des Kalten Krieges – die USA hatten immer das Sagen. Nach dem Ende der Sowjetunion verlor Lateinamerika an Bedeutung. Erst jetzt, wo China mit seinen Investitionen kräftig mitmischt, scheinen die USA wieder Interesse zu zeigen.

Die Region hat sich verändert. Wirtschaftliche Fortschritte, der wachsende Einfluss einer stärkeren Mittelschicht und ein neues Selbstbewusstsein gegenüber externer Einmischung machen eine rein hegemoniale Politik schwieriger. Lateinamerikanische Regierungen fordern Respekt und Mitsprache. Dennoch bleiben viele Länder wirtschaftlich und politisch eng mit den USA verbunden.

Harte Töne gegenüber Mexiko

Trump kündigte an, Zölle von 25 Prozent auf alle Waren aus Mexiko zu erheben, solange Mexiko weiterhin „Kriminelle und Drogen” in die USA schicke. In der Vergangenheit schockierte er oft mit harten Sanktionen und Schikanen gegen Migranten. Es sieht so aus, als würde er diese Linie noch weiter verschärfen. Mexiko hat bereits einen Notfallplan entwickelt, um seine Bürger zu schützen, und koordiniert Gespräche mit anderen Ländern, um auf mögliche „Massendeportationen” vorbereitet zu sein. Fast die Hälfte der geschätzt elf Millionen ohne Papiere in den USA sind Mexikaner, deren Überweisungen fast vier Prozent des mexikanischen BIP ausmachen.

Präsidentin Claudia Sheinbaum weiß, dass Mexiko auf die USA angewiesen ist, wehrt sich aber entschieden gegen Trumps Drohung, mexikanische Kartelle als „ausländische Terrororganisationen” zu bezeichnen. Sie betonte, Mexiko sei ein „freies und unabhängiges Land”. Die USA konsumierten den Großteil der Drogen, und auch die Waffen der Kartelle kämen dorther. „Wir werden uns niemals unterordnen”, sagte Sheinbaum.

Der Panamakanal: Ein heißes Eisen

Eine Äußerung, die in Lateinamerika für Empörung sorgte und an das “imperiale Zeitalter” erinnerte, betraf den Panamakanal. Trump bezeichnete die Gebühren für die Durchfahrt als „höchst ungerecht” und forderte, die Kontrolle über den Kanal an die USA zurückzugeben, falls sie nicht „fair behandelt” würden. Er könne nicht versprechen, keinen militärischen oder wirtschaftlichen Druck auszuüben. Panamas Präsident José Mulino erinnerte an die Unabhängigkeit seines Landes und hielt bei einer Ansprache die Übergabeverträge des Kanals in die Kamera (amerika 21 berichtete).

Die USA hatten den Kanal finanziert und gebaut, diesen aber am 31. Dezember 1999 im Rahmen eines nie angezweifelten Abkommens, das Präsident Jimmy Carter ausgehandelt hatte, an Panama übergeben.

Trump plant offenbar auch, den Golf von Mexiko in “Golf von Amerika” umzubenennen. Doch der Golf grenzt nicht nur an US-Bundesstaaten, sondern auch an Mexiko und Kuba. Eine Umbenennung würde wohl kaum die Zustimmung dieser Länder erfahren.

Kuba, Venezuela und Nicaragua: Auf alles gefasst

Kuba, Venezuela und Nicaragua haben eines gemeinsam: Sie stehen auf der US-Sanktionsliste, und unter Trump ist keine Lockerung zu erwarten. Während seiner ersten Amtszeit verschärfte Trump die Sanktionen gegen Kuba und setzte die Insel auf die Liste der Länder, die Terrorismus unterstützen. Es wird erwartet, dass er diesen Kurs fortsetzt und möglicherweise auch die “Politik des maximalen Drucks” gegen Venezuela und Nicaragua verstärkt.

In Venezuela hat die wirtschaftliche Krise durch die US-Sanktionen katastrophale Ausmaße erreicht. Eine Fortsetzung dieser Maßnahmen würde die Lage weiter verschärfen. Venezuelas Präsident Nicolás Maduro erklärte vor der Wahl: „Wir werden niemals vom Norden abhängig sein, noch werden wir eine Kolonie von irgendjemandem sein”, gratulierte Trump jedoch zum Sieg. Laut UN haben zwischen 2015 und 2023 7,1 Millionen Venezolaner ihr Land verlassen, die Mehrheit lebt in Kolumbien, viele haben auch die USA erreicht.

Kurz vor den Weihnachtstagen protestierten rund eine halbe Million Menschen vor der US-Botschaft in Kuba gegen die Wirtschaftsblockade und für die Streichung von der Terrorliste.

Kein Hinterhof mehr

Lateinamerika entfremdet sich zunehmend von den USA und strebt nach weniger Einmischung. Regierungen wie die von Gustavo Petro in Kolumbien, historisch einer der engsten US-Partner in der Region, kritisieren mittlerweile offen die USA. Auf der internationalen Konferenz “Retten wir den Planeten” bezeichnete Petro Trumps abwertende Äußerungen zu Latinos als “Terrorismus”. Seit seinem Amtsantritt fordert er ein Umdenken in der US-Drogenpolitik.

Lateinamerika will sich nicht länger als “Hinterhof” der USA behandeln lassen. Die Rhetorik Trumps könnte diese Haltung weiter verstärken.

Zum Amerika-Gipfel 2022 sagten viele Länder aus Solidarität zu den nicht eingeladenen Staaten Kuba, Venezuela und Nicaragua ab. Im Gegenzug gewinnen andere Staaten die Aufmerksamkeit Lateinamerikas durch Investitionen und ungebundene Kooperationen, etwa China oder Russland.

China hat die USA als wichtigsten Handelspartner in der Region längst abgelöst: 2001 machten US-Exporte noch 46,9 Prozent der Einfuhren Lateinamerikas aus, 2022 nur noch 31,4 Prozent. Für viele Länder sind Partnerschaften mit China und Russland inzwischen attraktiver als enge Bindungen an die USA. Projekte wie der von China initiierte Megahafen in Peru, der unter chinesischer Führung stehende Bau der Metro in Bogotá sowie die Rekordzahlen 2024 im russisch-brasilianischen Handelsvolumen sind nur wenige Beispiele, die diesen Trend verdeutlichen.

Lateinamerikanische Regierungen fordern mehr Zusammenarbeit auf Augenhöhe und weniger Einmischung. Und immer mehr Staatsoberhäupter der Region setzen auf Kooperation innerhalb Lateinamerikas. Kolumbiens Präsident Petro etwa kritisiert die USA und fordert ein stärkeres Zusammenrücken Lateinamerikas. „Die USA ruinieren praktisch alle Volkswirtschaften weltweit”, erklärte Petro.

Auch Mexiko, der größte Handelspartner der USA in Lateinamerika, setzt zunehmend auf Zusammenarbeit mit anderen lateinamerikanischen Ländern, um Migration und Sicherheitsfragen zu lösen.

Dennoch ist klar, dass man dem großen Nachbarn nicht einfach den Rücken kehren kann. Petro schrieb Trump nach dessen Wahlsieg einen Brief, in dem er betonte, dass Zusammenarbeit in „kritischen Zeiten” notwendig sei, und bot an, saubere Energie aus der Region zu liefern. Auch Mexiko signalisierte Bereitschaft zur Kooperation in verschiedenen Bereichen.

Guatemala verfolgt hingegen einen weitaus harmonischeren Kurs. Präsident Bernardo Arévalo betonte, dass das Migrationsthema gemeinsam mit den USA und Mexiko koordiniert werden müsse, da es sich um ein Problem handle, das aus einer „regionalen Perspektive” angegangen werden müsse. Die engen Beziehungen zu den USA, die Arévalo vergangenes Jahr während eines Putschversuchs gegen ihn unterstützten, mache es ihm gar unmöglich, sich von den USA abzuwenden. Hinzu kommt, dass mindestens 1,8 Millionen Guatemalteken in den USA leben. Viele Familien in Guatemala sind auf die Rücküberweisungen ihrer Verwandten angewiesen.

US-Fans in Lateinamerika

Lateinamerika ist kein einheitlicher Block in Sachen US-Politik. Neben Skeptikern gibt es klare Befürworter. Argentiniens Präsident Javier Milei, bekennender Trump-Fan, gratulierte als einziger in Englisch mit „Um Amerika wieder groß zu machen, können Sie auf Argentinien zählen”. Er sicherte sich 40 Millionen Dollar Militärhilfe zur Modernisierung der Armee. Auch Ecuadors Präsident Daniel Noboa erlaubte – sogar entgegen der Verfassung – künftig die Galápagos-Inseln als US-Militärstützpunkt zu nutzen, um „die Kontrolle über den Südpazifik” an Washington abzugeben. Perus Staatschefin Dina Boluarte kündigte ebenfalls eine US-Militärpräsenz an, und Paraguays Santiago Peña bleibt der traditionellen Partnerschaft mit den USA treu.

Trump und die Latino-Wählerschaft

Trotz Trumps harscher Rhetorik stimmten 2024 rund 42 Prozent der Latinos, die das Wahlrecht in den USA haben, für ihn. Warum?

Trump punktete mit Jobs und dem Versprechen auf niedrigere Lebenshaltungskosten. Als erster Kandidat stellte er sich in einem TV-Format nur den Fragen von Latinos. Er versprach legale Einwanderung für Arbeitskräfte in der Landwirtschaft und betonte seinen „guten Draht” zur Latino-Community. Gleichzeitig grenzte er „legale, hart arbeitende Latinos” von „Kriminellen” ab, die er mit irregulärer Migration verband.

Trump traf den Nerv vieler konservativer Latinos mit seiner Haltung zu Familie und Ehe. Andere sehen ihn als Bollwerk gegen Kommunismus. Auch Trump weiß: Die lateinamerikanische Community ist wirtschaftlich entscheidend. 2023 stellten sie 18 Prozent der US-Arbeitskraft und gründeten 25 Prozent der neuen Unternehmen.

Trumps Pläne zur Massendeportation könnten für die US-Wirtschaft schwere Verluste bedeuten und Branchen wie Landwirtschaft, Bauwesen und Gastronomie ins Wanken bringen.

Latinos sind in Sachen Trump keineswegs einer Meinung – doch sein Mix aus Härte und Versprechen auf ein besseres Leben zieht.

Abwendung statt Abhängigkeit

Seit Beginn der 2000er-Jahre nimmt der Widerstand gegen Washingtons Einmischung zu, viele Länder fordern eine respektvollere Partnerschaft. Unter progressiven Regierungen wie der von Petro in Kolumbien und Lula da Silva in Brasilien rückt regionale Zusammenarbeit und Unabhängigkeit wieder stärker in den Fokus. Beide streben an, Lateinamerika als vereinten Akteur in der Weltpolitik zu positionieren.

Die geopolitische Bedeutung Lateinamerikas wächst dank seiner Rohstoffe und Agrarprodukte, die Industriestaaten anziehen.

Länder wie Venezuela setzen auf exklusive Wirtschaftsabkommen mit China, und auch andere Staaten orientieren sich zunehmend gen Asien. Diese Entwicklung dürfte sich beschleunigen, solange die USA auf Abschottung setzen. Washington zeigt kaum Bereitschaft zu Dialog auf Augenhöhe.

Die Rückkehr Trumps ins Weiße Haus könnte die Abwendungstendenz deutlich verstärken.

Titelbild: Mit KI generiertes Symbolbild (per Grok)

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