Der Irrweg deutscher Kriegspolitik geht weiter

Der Irrweg deutscher Kriegspolitik geht weiter

Der Irrweg deutscher Kriegspolitik geht weiter

Ein Artikel von Marcus Klöckner

„Deutschland will erstmals Bundeswehrsoldaten permanent im Ausland stationieren“, heißt es gerade in Medienberichten. Dabei geht es um die Stationierung von Soldaten in Brigadestärke in Litauen, das heißt: direkt an der Grenze zu Russland. Dies birgt Gefahren – für die Soldaten, aber auch für Deutschland. Und wofür? Für eine aggressive NATO, die in Russland den großen Feind sehen will. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

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„Die Stationierung der Brigade Litauen schreitet konsequent und planmäßig voran“, so Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius am Mittwoch bei seinem Besuch in Litauen, berichtet das Handelsblatt. Ab 2027 sollen rund 5.000 Soldaten unweit von Russland stationiert werden. Die Botschaft dahinter ist eindeutig: Russland soll es nicht wagen, anzugreifen. Wenn doch, stellen sich deutsche Soldaten russischen Soldaten entgegen. Welch eine politische Bankrotterklärung und eine historische Unzumutbarkeit obendrauf.

Soldaten der Wehrmacht waren für Millionen russischer Toter verantwortlich. Bewaffnete deutsche Soldaten an der Grenze zu Russland? Dann auch noch in Stärke einer Brigade? Längst scheint der deutschen Politik jedes Taktgefühl im Umgang mit Russland abhanden gekommen zu sein. Deutschland hat sich vor den Karren einer transatlantischen Machtpolitik spannen lassen, die als altes, neues Feindbild Russland auserkoren hat. Eine andere, tragfähige Erklärung gibt es für diesen Schritt einer Politik, die auf die Mittel des Militärs setzt, nicht.

Schon jetzt arbeitet der „Aufstellungsstab für die Brigade mit etwa 150 deutschen Soldatinnen und Soldaten in Vilnius, Ende des Jahres sollen es 500 sein“, heißt es im Handelsblatt.

Was bedeutet dieser Schritt der Hochrüstung an Russlands Grenze? Immer wieder ist davon zu hören, dass Deutschland bis 2029 „kriegstüchtig“ sein müsse, da bis dahin Russland militärisch so stark sei, dass das Land die NATO angreifen könne. Gerade erst wurde der Zeitpunkt eines in Betracht gezogenen russischen Angriffs noch verkürzt. Schon 2028, so heißt es nun, könne es soweit sein. „Der neuen EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas zufolge warnen europäische Geheimdienste vor einem möglichen russischen Angriff ab 2028“, schreibt die Welt.

Nachrichten wie diese können als NATO-Propaganda verstanden werden, die dazu dient, Angst zu schüren und die Legitimation für die gewünschte Aufrüstung an breiter Front in der Bevölkerung durchzusetzen. Für Russland gibt es keinen Grund, die NATO anzugreifen. Allerdings birgt eine NATO, die immer weiter aufrüstet und immer aggressiver Russland als Feind benennt, die Gefahr, dass Russland mit immer größerem Argwohn auf die NATO-Staaten blickt. Irgendwann genügt vielleicht tatsächlich ein Funke, um die Lunte des großen Krieges zu entfachen. Dann stünde Deutschland mit Soldaten an vorderster Front. Rund 5.000 deutsche Soldaten müssten gegebenenfalls auf russische Soldaten schießen – oder würden erschossen. Allein rein theoretisch an ein solches Szenario zu denken, zeigt, dass hier Politikern das Koordinatensystem der Friedenspolitik abhandengekommen sein muss.

Ein Krieg mit Russland, der hier auf höchster Ebene für möglich gehalten wird, soll nicht an kalten Frontlinien durch militärische Muskelspiele verhindert werden – er hat in Gesprächen, in Diplomatie und in gegenseitigen, von Respekt geprägten Treffen in den Bereich des Unmöglichen getragen zu werden. Wir reden hier von über 80 Millionen Bundesbürgern, die bei einer militärischen Konfrontation zwischen NATO und Russland direkt betroffen sein können – von russischen Staatsbürgern, denen Deutschland aufgrund der Wehrmachtsverbrechen verpflichtet ist, ganz zu schweigen. Der Bundestag hat zwar noch nicht das Gesetz zur Umsetzung des Stationierungsabkommens durchgewunken, aber dass es so weit kommt, liegt nahe. Hier sind alle Abgeordneten gefragt, die sich darüber klar werden müssen: Es gibt keine Notwendigkeit für die Stationierung deutscher Soldaten in Litauen. Die Bedrohung der NATO durch Russland ist ein Hirngespinst. Die Gefahren hingegen, die sich aus einer wechselseitigen Aufrüstung ergeben, sind real. Der Politik der Konfrontation muss schnell eine Politik des Friedens entgegengesetzt werden.

Die BSW-Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen sagte gerade auf der Plattform X:

„Die dauerhafte Stationierung der #Bundeswehr an der russischen Grenze ist ein gefährlicher und kostspieliger (11 Milliarden!) Irrweg.“

So ist es! Ein Irrweg – in jeglicher Hinsicht.

Titelbild: Ryan Nash Photography/shutterstock.com