Wie reagiert man in Russland auf die zweite Präsidentschaft von Donald Trump? Während nach seinem ersten Amtsantritt 2016 in der russischen Duma noch Jubel erklang, gab es nach Trumps Vereidigung am Montag vorsichtiges Abtasten und skeptische Stimmen. Aus Moskau berichtet Ulrich Heyden.
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Der Amtsantritt von Donald Trump war für die Welt wie ein Gewitter: Manche freuten sich, manche fürchteten sich, manche rätselten. Trump präsentierte sich vor seiner Amtseinführung zwar als eine Art Reformator und Friedensbringer. Nachdenklich stimmt jedoch, dass auf seiner Gästeliste Fans und Gesinnungsgenossen standen, die für Anhänger von sozialer Gerechtigkeit Grusel auslösen, wie die national-liberale AfD-Politikerin Alice Weidel, die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der Anarcho-Liberale Javier Milei, Präsident Argentiniens.
Gratulation von Putin
Kurz vor dem Amtsantritt gratulierte Wladimir Putin Donald Trump in einem Video-Auftritt. Der Wahlkampf sei für Trump nicht leicht gewesen, erklärte der Kreml-Chef. Sogar auf Mitglieder der Trump-Familie sei „starker Druck“ ausgeübt worden. Außerdem habe es einen Anschlag auf Trump selbst gegeben.
Russland sei immer für einen Dialog gewesen, insbesondere über die Festigung der strategischen Stabilität und den Konflikt in der Ukraine, erklärte der russische Präsident. Und weiter:
„Wir erkennen beim wiedergewählten Präsidenten der USA und den Mitgliedern seiner Mannschaft den Wunsch, direkte Kontakte mit Russland wiederherzustellen, die nicht durch unsere Schuld von der letzten Administration unterbrochen wurden.“
Man habe die Erklärung von Trump gehört, dass es nicht zu einem Dritten Weltkrieg kommen dürfe.
Putin erklärte, es gehe jetzt vor allem darum, „die Gründe“ für den Ukraine-Konflikt zu beseitigen. Nicht „ein kurzer Waffenstillstand, bei dem die Kräfte umgruppiert werden“, könne das Ziel sein, „sondern ein langer Frieden“.
Trump: „Für Putin lief es in der Ukraine nicht ganz erfolgreich“
Donald Trump erklärte zu einem möglichen Waffenstillstand in der Urkaine, „es gibt nur eine Strategie, und die hängt von Putin ab. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er begeistert ist davon, wie alles gelaufen ist, weil es für ihn auch nicht ganz erfolgreich war.“
Noch vor dem Amtsantritt von Trump leitete Putin eine Videokonferenz des russischen Sicherheitsrates. Auf dieser Konferenz erinnerte der russische Außenminister Sergej Lawrow daran, dass es trotz des Waffenstillstands zwischen Israel und der Hamas keine „überzeugende Stabilität“ gibt. Beide Seiten würden sich Verletzungen des Waffenstillstands vorwerfen.
Zudem gab Lawrow zu bedenken, dass Trump während seiner ersten Amtszeit zum Nahen Osten eine Konzeption vertreten habe, „die sich grundlegend von den arabischen Friedensinitiativen unterscheidet“.
Der Nahe Osten bleibe eine „sehr unruhige Region“, erklärte Lawrow. Man dürfe auch Afghanistan nicht vergessen, wo die Amerikaner „eine bestimmte Präsenz wieder herstellen wollen“. Dafür würden sie Nachbarländer benutzen, „um dorthin mit ihrer militärischen Infrastruktur zurückzukehren“. Das erinnere an die Politik der letzten US-Administration.
Was die Ukraine betrifft, gäbe Trump zu verstehen, dass er „einige Aspekte der russischen Position, zum Beispiel, dass die Ukraine nicht Mitglied der Nato werden kann, versteht“.
Die zurückhaltende, diplomatische Sprache von Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow unterscheidet sich im Ton deutlich von der Sprache, die in russischen Medien gesprochen wird.
Russische Journalistin: „In Amerika hat man verstanden, dass Russland gesiegt hat“
Beispielhaft möchte ich aus einem Kommentar zitieren, den Jelena Karajewa, eine Journalistin der russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti, geschrieben hat. Die Überschrift des Beitrags lautet: „Die amerikanische Tragödie: In Washington hat man verstanden, dass Russland gesiegt hat“. Der Text beginnt folgendermaßen:
„In wenigen Stunden gibt es ein schreckliches Ende. Für diejenigen, die versuchten, uns zu drücken, zu begrenzen und plattzumachen. Die beschämende Präsidentschaft Bidens wird auf der Mülldeponie landen, und die Müllmänner der Geschichte werden sich mit ihm beschäftigen. Biden ist uns egal, wie alle amerikanischen Spiele in der großen Politik, im ‚tiefen Staat‘, in ‚der glitzernden Stadt auf dem Hügel‘. Wir sind aus dem geopolitischen Kindergarten und seinen Metaphern schon lange herausgewachsen.
Das Einzige, was uns — wenn auch nicht viel — beschäftigt, ist die Frage, wie schnell die Wahlversprechen des neuen Herren im Weißen Haus, ‚den Krieg in der Ukraine in 24 Stunden zu beenden‘, wie ein Kinderschloss aus Sand zerfallen sind.
Die Amerikaner sprechen über unsere Konfrontation mit ihnen und unsere Spezialoperation mit diesen Worten. Sie haben in ihrer kurzen Geschichte noch nicht das Schießpulver einer Aggression von außen und eine Okkupation gerochen und aufgrund von Infantilismus spielt man mit schweren Ausdrücken.
Wenn ich ganz ehrlich bin, Hand aufs Herz: Weniger Desinteressierte, die Konfrontation zu beenden, als Washington und das von ihm beaufsichtigte Kiew, sind jetzt äußerst schwierig zu finden. Für den Fall, dass die USA Vereinbarungen treffen, mit denen wir übereinstimmen, und das gewaltige ‚Sägen‘ an drei Budgets – dem amerikanischen, dem europäischen und natürlich dem Kiewer – gestoppt wird. Aber wo Finanzen sind, da gibt es Interessenten. Und wo es Interessenten gibt, da gibt es Lobbyisten. Kurz gesagt, es wird problematisch sein, mit dieser Krake voller Blut fertig zu werden, trotz all der Vorrechte, die Trump erhalten wird.
In den westlichen Medium verbreitet sich die Idee vom ‚Deal — jetzt und sofort‘. Alles ist gut und alle haben verstanden, wer in hypothetischen Diskussionen eine starke Position hat und wer eine schwache Position hat.“
Die Financial Times habe in diesen Tagen berichtet,
„dass Russland wahrscheinlich fordert, seine Aktiva freizugeben, deshalb sucht die politische Elite in Europa, dem zu widerstehen. Es gibt genug Unordnung. Orban droht, gegen die Verlängerung der Sanktionen zu stimmen und sich mit Trump zu verständigen, um auf Putin zu drücken. Man winkt Putin mit einer Karotte im Wert von 300 Milliarden Euro.
Das ist der ganze Chic und die Schönheit der europäischen Diplomatie in Lebensgröße und ohne Feigenblätter. Die Eurodiplomaten wollen, dass Russland mit ihnen feilscht. Diese Brüsseler sind nicht bereit zuzuhören. Aber die Werte zu zersägen, wird nicht gelingen. Sie sind mit den Gehirnen von geizigen Ladenbesitzern geboren.“
Im weiteren Verlauf ihres Textes stellt die Autorin den US-Amerikaner Thomas Graham vor, Professor der Yale-Universität und ehemaliger Mitarbeiter der US-Botschaft in Moskau und jetzt Berater von Trump.
Graham habe vor der russischen „Spezialoperation“ in der Ukraine noch gesagt, „Putins Ziel besteht darin, den russischen Einfluss auszuweiten und sein nahes Ausland, wie bei einem Imperium, in einen russischen Puffer zu verwandeln“. Doch nun habe sich die Position des Beraters grundlegend geändert:
„Graham sagt – und vielleicht zum ersten Mal seit Beginn der akuten Phase unserer Konfrontation mit den USA -, dass es an Amerika ist, die Bedingungen Russlands zu erfüllen. Die erste Bedingung ist, dass der Kreml der gleiche Baumeister und Garant für das internationale Sicherheitssystem ist, mit dem gleichen Gewicht und dem gleichen Recht auf Besorgnis, wie das Weiße Haus. (…) Für jeden Punkt wird Washington einen Kompromiss finden müssen, mit dem Moskau klarkommt.”
Die russische Journalistin schließt mit den frohlockenden Worten, „die Macht Amerikas und des ganzen Westens ist eine Macht auf tönernen Füßen“.
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