Kriegstüchtigkeitspropaganda – der BR bereitet seine Zuschauer schon mal auf den kommenden Krieg vor

Kriegstüchtigkeitspropaganda – der BR bereitet seine Zuschauer schon mal auf den kommenden Krieg vor

Kriegstüchtigkeitspropaganda – der BR bereitet seine Zuschauer schon mal auf den kommenden Krieg vor

Ein Artikel von Marcus Klöckner

Was geht auf höchster Ebene im Innern der Bundeswehr vor? Immer deutlicher kommt ein Bild zum Vorschein, das zeigt, welche Vorstellungen in den Köpfen hochrangiger Militärs zu finden sind. Aktuelle Aussagen von Generalleutnant André Bodemann im öffentlich-rechtlichen BR führen in den Abgrund einer militärischen Denkweise, in der die Möglichkeit eines 3. Weltkriegs längst Realität ist. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

Da sitzt Generalleutnant Bodemann mit seiner Uniform auf einem eleganten Sofa und die Aufnahme des Bayerischen Rundfunks beginnt. Die „Klappe“ ist zu sehen und: Los geht’s! „Wir befinden uns – formaljuristisch – nicht im Krieg. Aber (…) auch schon lange nicht mehr im Frieden (…)”, sagt Bodemann. Das ist die erste Aufnahme, die der BR in einem Zusammenschnitt aus dem Interview vor den eigentlichen Beginn des Videos gestellt hat. Ein Teaser, wenn man so will. Dem Betrachter drängt sich die Frage auf: Warum sitzt dieser Mann mit Uniform da? Und warum auf einem Sofa? Wer die öffentliche Kommunikation beobachtet, weiß: Je höher der Rang, je wichtiger die Personen sind, umso stärker gilt es, bei der Betrachtung von Fotos und Filmaufnahmen den Inszenierungscharakter mitzudenken. Dass Bodemann hier in seiner Uniform sitzt, ist kein Zufall. Und dass er auf einem Sofa Platz genommen hat, auch nicht.

Die mehr oder weniger unterschwellige Botschaft ist eindeutig: Die Bundeswehr soll in der Mitte der Gesellschaft – wenn man so will: im heimischen Wohnzimmer – ankommen. Das tut sie mit diesen Bildern auch – zumindest über das Fernsehen. Ob sich die manipulative Kraft der Bilder dann auch in den Köpfen der Bürger entfalten wird, sei dahingestellt. Noch sieht es nicht danach aus, dass die breite deutsche Bevölkerung Lust darauf hat, „Hurra!“ zu rufen. Dass aber der öffentlich-rechtliche Rundfunk Bilder dieser Art liefert, sagt viel über den verlotterten Zustand des mit Milliarden ausgestatteten „Qualitätsjournalismus“ aus.

Zu einer „freien“ Meinungsbildung soll der Rundfunk beitragen. Und was macht der Bayerische Rundfunk mit diesem Beitrag? Er schafft hochgradig manipulative Bilder und inszeniert eine politisch-militärische Wirklichkeit, die an der Realität vorbeigeht. An keiner Stelle des Interviews werden die Aussagen Bodemanns kritisch hinterfragt. An den in den Raum gestellten Prämissen scheint es nicht den Hauch eines Zweifels zu geben. Dass auch noch der Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks das Interview vor der Kamera führt, unterstreicht markant das Grundproblem.

Wenn Bodemann sagt, dass „wir“ uns zwar „formaljuristisch“ nicht im Krieg mit Russland befinden, aber, dass „wir“ auch schon lange nicht mehr im „Frieden“ seien, dann sind das Aussagen, die voller Banalität stecken, in die aber zugleich ein enormes Propagandapotenzial eingewoben ist. Ganz Deutschland weiß, dass wir „formaljuristisch“ nicht im Krieg mit Russland sind. Ganz Deutschland weiß aber auch, dass es natürlich eine enorm angespannte Situation zwischen der NATO und Russland gibt. Es bedarf keines Generalleutnants, der diese Verhältnisse auf der Bühne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anspricht. Das zu sagen, würde auch der Hausmeister hinbekommen. Vermutlich würde der diese Sätze aber erst gar nicht aussprechen, weil: Warum etwas sagen, was ohnehin jeder weiß?

Da ist sie, die Banalität – aber eben auch die Propaganda. Bodemann wählt seine Worte mit Bedacht. Diese Aussagen vermitteln im Subtext eine Bedrohung, die über uns schwebt. Und sie stimulieren die Angst. Wenn ein solch ranghoher Vertreter der Bundeswehr sagt, dass es keine „formaljuristische“ Kriegserklärung gibt, aber „wir“ – das heißt: Deutschland – auch nicht mehr im Frieden seien, dann malt er genau jenes Bedrohungsszenario eines Krieges mit Russland an die Wand, auf das das gesamte Unternehmen „Kriegstüchtigkeit“ baut. Oder genauer: Auf das Politiker bauen.

Bodemann ist verantwortlich für die Umsetzung des Operationsplans Deutschland (siehe hierzu die Anmerkungen von Albrecht Müller). Im Operationsplan Deutschland, der unter Verschluss gehalten wird, findet die Unternehmung Kriegstüchtigkeit ihre Wegmarken. Bundeswehr und Politik wollen Kriegstüchtigkeit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden wissen. Zentrale Bereiche der Gesellschaft sollen, über kurz oder lang, in die Kriegstüchtigkeit eingebunden werden – auch die zivile Seite. „Die Bevölkerung kommt“, so sagt Bodemann, „vielleicht durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit zum Einsatz“ – der Generalleutnant redet an der Stelle von dem Fall, dass Krieg an der NATO-Ostflanke ausgebrochen und die Bundeswehr dort im Einsatz ist.

Das Erschreckende an dem Auftreten von Bodemann in diesem BR-Beitrag ist nicht nur das, was er sagt. Es ist vor allem auch das Wie. Bodemann spricht mit einer Selbstverständlichkeit über eine Situation, die mit „Katastrophe“ wohl noch viel zu zurückhaltend beschrieben wäre. In einer Situation, in der die deutsche Zivilbevölkerung „ehrenamtlich“ innerhalb des Landes einschreiten müsste, um die Bundeswehr bei einem Kampf an der NATO-Ostflanke gegen Russland zu unterstützen, würden wir vom 3. Weltkrieg sprechen – samt dem zu erwartenden Einsatz von Nuklearwaffen. Bodemann bietet durch seine Art, wie er spricht, einen guten Einblick in die in der Bundeswehr vorherrschende Gedankenwelt. Der Krieg mit Russland, der 3. Weltkrieg, muss dort in den Köpfen als mögliches Szenario bereits heißlaufen.

Auch wenn Bodemann betont, dass der Operationsplan Deutschland ja gerade nicht auf einen Krieg mit Russland hinsteuere, sondern, durch die Hochrüstung, auf die Verhinderung des Krieges: Macht sich der ranghohe Militär hier selbst etwas vor?

Für den Weg des Militärischen der „Kriegstüchtigkeit“ gibt es nämlich keine Notwendigkeit, er ist nicht zwingend. Dieser Weg beruht rein auf politischen (Fehl-) Entscheidungen. Bodemann scheint die Komplexität der politischen Verhältnisse nicht zu verstehen. Stattdessen bewegt er sich in seinen Gedanken, eindimensional, auf der operativen Ebene.

„Zur Gesundheitsversorgung, (…) im Falle eines Krieges, (…) werden wir rechnen müssen mit weitaus mehr Verwundeten und Gefallenen, die Bundeswehrkrankenhäuser allein werden nicht ausreichen, um die Soldaten (…) der Bundeswehr als auch der Alliierten tatsächlich (…) zu betreuen, weil ein Großteil der Ärzte und des Pflegepersonals bei der Truppe vorne sein wird. Das betrifft am Ende auch, dass Ärzte in der Lage sein müssen, die mit Verletzungsbildern umgehen müssen, mit Verwundungs-, Verletzungsmuster umzugehen, die sonst nicht jeden Tag in einem Krankenhaus auftauchen. Also Sprengverletzungen und Schussverletzungen (…) Nötigenfalls nicht nur unter Hingabe der eigenen körperlichen und sel (…) äh, psychischen Unversehrtheit oder sogar dem Tod, sondern auch verbunden mit selber töten zu müssen.“

Bodemann spricht an dieser Stelle ganz ruhig. Bei Lichte betrachtet würde es hierbei um die Verheizung einer ganzen Generation von jungen Leuten, letztlich: von unseren Söhnen und Töchtern, im 3. Weltkrieg gehen.

Man kann nur hoffen, dass es innerhalb der Bundeswehr verantwortungsbewusste Soldaten auf allen Ebenen der Hierarchien gibt, die begreifen, dass das Vorhaben Kriegstüchtigkeit von Anfang an auf einem Trugbild basiert. Die Gefahr, die an die Wand gezeichnet wird, gibt es nicht. Was es aber gibt, das ist: ein altes Feindbilddenken von alten und neuen Kalten Kriegern. Die Reaktivierung des Feindbildes Russland hat sich längst verselbstständigt. Auch in der Bundeswehr scheint sich eine Eigendynamik verfestigt zu haben, die nur dann Bestand hat, wenn keine der von politischer Seite gesetzten Prämissen kritisch hinterfragt wird. Da redet Bodemann „von der jährlichen Produktion von Panzern von etwa 1.000 bis 1.500“ der russischen Seite und merkt an, dass „nur ein ganz geringer Teil in die Ukraine wieder in den Krieg geht und der größte Teil in Depots“.

Was soll das sein? Unter der Voraussetzung, dass diese Zahlen stimmen: Was ist hier Ursache, was Wirkung? Wo ist der Anfang der Aufrüstung? Sind die Panzer der Anlass dafür, dass „wir“ kriegstüchtig werden sollen? Oder ist „unsere“ Kriegstüchtigkeit der Grund für die Panzerproduktion? Geht das Vorhaben Kriegstüchtigkeit auf den russischen Angriff auf die Ukraine zurück? Oder hat Russland die Ukraine aufgrund der geostrategischen und tiefenpolitischen Einmischung des Westens in der Ukraine angegriffen? Ist die Lage zwischen der NATO und Russland deshalb so angespannt, weil Russland die Ukraine angegriffen hat? Oder ist sie so angespannt, weil der Westen samt CIA in der Ukraine mindestens seit 2014, sagen wir: „agiert“? Rückt ein 3. Weltkrieg deshalb immer näher, weil Russland, angeblich, sich ganz Europa einverleiben will? Oder deshalb, weil der Westen trotz Zusagen immer näher mit der NATO an Russland heranrückt?

Für manche Militärs scheinen sich diese Fragen gar nicht zu stellen. Oder aber: Sie haben sie längst einseitig zu Gunsten des Westens beantwortet. Das ist gefährlich. Und es ist ein Bruch mit der Realität.

Titelbild: Screenshot BR

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