Die US-Regierung hat an der Schnittstelle zwischen der Biden- und der Trump-Präsidentschaft ein Programm zur ›Modernisierung‹ ihrer nuklearen Arsenale eingeläutet. Das Programm erfasst den gesamten Bestand von über 5.000 nuklearen Sprengköpfen, darunter 400 auf interkontinentalen Raketen und knapp 1.000 auf ballistischen Raketen in U-Booten. Weitere Sprengköpfe befinden sich auf Luftwaffenbasen in den USA und auf europäischen Luftwaffen-Standorten, darunter Büchel bei Koblenz. Von Bernhard Trautvetter.
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Die NATO rechtfertigt ihre neue Steigerung der Nuklear-Rüstung mit Russlands Krieg gegen die Ukraine, um die Bevölkerung ruhigzuhalten. Die Fakten belegen die Des-Information des militärisch-industriellen Komplexes:
US-Experten erwarten, dass die Zahl der Standorte für nukleare Waffensysteme in den nächsten circa zehn Jahren zunehmen wird, da nukleare Speicherkapazitäten bei mindestens drei Bomberbasen der Luftwaffe neu hinzukommen.
Ergänzend tragen U-Boote der US-Navy mehr Nuklearwaffen als jede andere Basis in den Vereinigten Staaten.
Die USA verfolgen einen ambitionierten und entsprechend teuren Plan, um ihr nukleares Arsenal in den nächsten Jahrzehnten auf den technisch neuesten Stand zu bringen, obwohl damit große finanzielle, politische und logistische Herausforderungen verbunden sind. Schätzungen der »Congressional Budget Office« für 2017 gehen zunächst von 1.200 Milliarden US-Dollar aus.
Der vom US-Kongress angeforderte Bericht über „Amerikas strategische Haltung“ vom Oktober 2023 veröffentlichte eine Reihe von Empfehlungen für die Vereinigten Staaten, um sich auf die Erhöhung der Anzahl der eingesetzten Sprengköpfe vorzubereiten, und die Transportkapazität von Bombern, Marschflugkörpern und US-amerikanischen Offiziers-U-Booten auszubauen.
Der parteiübergreifendes Bericht der ›Strategic Posture Commission‹ drängte auf zusätzliche Nuklearwaffen, wie die Heritage Foundation 2023 berichtete.
Insgesamt sehen Experten, dass sich die Atompolitik der USA seit Jahren zuspitzt. Der NEW-START-Vertrag zwischen USA und Russland hat bisher die nuklear-strategischen Kräfte beider Länder unter Kontrolle gehalten. Wenn der Vertrag in ca. einem Jahr ohne Folgevertrag ausläuft, dann könnten sowohl die USA und Russland ihre nuklearen Arsenals verstärken.
Bis zur sogenannten ›Suspendierung‹ des Vertrages hatten die Vereinigten Staaten und Russland über 300 Inspektionen vor Ort durchgeführt und über 25.000 Meldungen ausgetauscht.
Atomplanung und Atomübungen
Wie frühere ›Nuclear Posture Reviews‹ sagten, behalten sich die USA das Recht vor, Nuklearwaffen unter sogenannten „extremen Umständen zur Verteidigung der lebenswichtigen Interessen der Vereinigten Staaten oder ihrer Verbündeten und Partner“ einzusetzen. Damit lehnen sie eine Politik des nuklearen „No-First-Use“ ab. Zitat aus „A-Z-Atomwaffen der Vereinigten Staaten, 2025“ von Hans Kristensen und Matt Korda:
„Der aktuelle strategische Atomkriegsplan – ÖLAN 8010–12 – besteht aus ‚einer Planfamilie‘, die sich gegen vier identifizierte Gegner richtet: Russland, China, Nordkorea und Iran. Bekannt als ‚Strategic Deterrence and Force Employment‘, trat OPLAN 8010–12 erstmals im Juli 2012 als Reaktion auf die operative Ordnung Global Citadel in Kraft. Der Plan soll flexibel genug sein, um normale Veränderungen in der Haltung zu absorbieren, wenn sie auftauchen, einschließlich derjenigen, die aus dem NPR fließen. … Die Änderung im April 2019 hat den Plan auf den ‚großen Machtwettbewerb‘ (Great Power Competition) neu ausgerichtet, einen neuen Cyberplan aufgenommen und Berichten zufolge die Grenze zwischen nuklearen und konventionellen Angriffen verwischt.“
Die USA unterstützen auch NATO-Atomwaffenstaaten wie Großbritannien, dessen nukleare Abschreckung auf Raketen auf U-Booten basiert.
In den nächsten Jahren ersetzen in Europa neue B61–12-Nuklear-Sprengköpfe alle sogenannten ‚Altbomben‘ B61. Diese neuen Systeme sind nach Berichten aus Militärkreisen gebrauchsfreudiger.
In den europäischen NATO-Staaten mit US-Atomwaffen werden F-35A-Nuklearbomber für den Einsatz vorgesehen, da sie die Schnittstellen aufweisen, die bei Atomangriffen mit den neuartigen B 61-12 technisch vorgesehen sind. Diese ‚modernisierten‘ Arsenale sind keine Fallbomben mehr, sondern sie sind mit einem Antrieb und mit einem Zielfindungskopf ausgestattet, sodass sie nach dem Ausklinken vom Träger-Bomber F 35 selbstständig und zielgenau einen Nuklearbunker, ein Raketensilo, eine Kommandozentrale oder eine politische Führungszentrale des Gegners ausschalten können. Die F 35 ist radartäuschend modelliert und beschichtet, sodass sie von der Aufklärung Russlands kaum oder nur sehr (zu) spät erkannt wird.
Im Ergebnis nehmen die NATO-Strategen damit in Kauf, dass die zuständigen Aufklärungs-Offiziere im Spannungs- oder gar Kriegsfall außerstande sind, über eine besonnene Reaktion auf eine Angriffsmeldung ihrer Systeme zu beraten. Der Atomkrieg aus Versehen ist dadurch unverantwortlich wahrscheinlich – ein Risiko, von dem niemand das Recht hat, es einzugehen.
Olaf Scholz täuschte die Öffentlichkeit, als er die Anschaffung der F 35 in seiner ‚Zeitenwende‘-Rede mit dem Ukraine-Krieg begründete. Er hätte dann sagen müssen, dass sich Deutschland die Option offenhält, in diesem Krieg das Ende der Zivilisation in einem unkontrollierbaren Inferno zu riskieren.
Fast alle Informationen im Text (so nicht anders belegt) sind aus: Hans M. Kristensen, Matt Korda, Eliana Johns und Mackenzie Knight. 2025. „A-Z-Atomwaffen der Vereinigten Staaten, 2025“ Bulletin der Atomwissenschaftler, 81(1): 53–79.
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