Elon Musk und seine Wahlbeeinflussung
Ein Oligarch mischt sich in die Politik ein. Der Multimilliardär Elon Musk hat die Kanzlerkandidatin der AfD Alice Weidel am 9. Januar 2025 auf seinem Nachrichtendienst X interviewt und die Partei mit den Worten „Nur die AfD kann Deutschland retten“ zur Wahl empfohlen. [1] Dasselbe hatte er bereits am 29. Dezember 2024 in einem Gastbeitrag in der Welt am Sonntag geschrieben. Empörung in Politik und Medien: Musk habe damit in unzulässiger, womöglich rechtswidriger Weise Einfluss auf die Wahlen zum Deutschen Bundestag genommen, so heißt es. [2] Der Deutsche Bundestag und die EU prüfen, ob sich Musk strafbar gemacht hat. Von Wolfgang Bittner.
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hält die Aussagen von Musk in dem Welt-Artikel für „übergriffig und anmaßend“. In einem Interview sagte er: „Ich kann mich nicht erinnern, dass es in der Geschichte der westlichen Demokratien einen vergleichbaren Fall der Einmischung in den Wahlkampf eines befreundeten Landes gegeben hat. … Stellen wir uns einen kurzen Augenblick die – berechtigte – Reaktion der Amerikaner auf einen vergleichbar einseitigen Beitrag eines namhaften deutschen Unternehmers in der New York Times zugunsten der Wahl eines Außenseiters im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf vor.“ [3]
Ähnlich verhalten sich die Die SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken. Klingbeil verglich Musk mit Putin: „Elon Musk versucht nichts anderes als Wladimir Putin. Beide wollen unsere Wahlen beeinflussen und unterstützen gezielt die Demokratiefeinde der AfD. Sie wollen, dass Deutschland geschwächt wird und ins Chaos stürzt.” Er wandte sich gegen Desinformation und forderte „rechtliche Instrumente gegen Fake-News“: „Wir müssen noch viel offensiver werden und die Macht der großen Internet-Plattformen wie Musks Kurznachrichtendienst X wirksam begrenzen. Hier versucht ein Tech-Milliardär, seinen Einfluss zu nutzen, um den Gang der Weltpolitik zu beeinflussen.“ [4]
Unzulässige Wahlbeeinflussung
Es ist zwar ist richtig, dass es sich bei den Aktivitäten Musks um eine anmaßende, unzulässige Wahlbeeinflussung handelt. Ein Oligarch, in diesem Fall der reichste Mensch der Welt, der in erster Linie seine eigenen Interessen verfolgt, mischt sich in innerstaatliche Angelegenheiten Deutschlands ein. Aber geschieht das nicht ständig durch Kapitalgeber, Nichtregierungsorganisationen sowie durch die CIA und NSA, die spitzeln, abhören und intervenieren? Haben sich die genannten Politiker jemals darum gekümmert? Insofern mutet ihre Empörung heuchlerisch und verlogen an.
Esken sprach von einer „wehrhaften Demokratie“, die „nicht käuflich“ sei. Und weiter: „Wer unsere Wahl von außen zu beeinflussen versucht, wer eine antidemokratische, menschenfeindliche Partei wie die AfD unterstützt, sei die Einflussnahme staatlich organisiert aus Russland oder durch die geballte Geld- und Medienmacht von Elon Musk und seinen Milliardärsfreunden im Konzernvorstand von Springer, der muss mit unserem harten Widerstand rechnen.“ [5] Dass jeweils ein gehässiger Seitenhieb auf Russland erfolgt, ist in der Berliner Politik inzwischen gang und gäbe.
Esken lobte das Verhalten von Welt-Redakteurinnen und -Redakteuren, die gegen die Veröffentlichung des Artikels protestiert hatten: „Die Debatte und die teils harten Reaktionen, die die Veröffentlichung dieses Gastbeitrags auch in den Redaktionen ausgelöst hat, sind ein Hoffnungszeichen für die Widerstandskraft unserer unabhängigen Medien und unserer Demokratie.“
Angriffe Musks gegen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz verurteilte Esken als „niveaulose Angriffe“. Sie seien „eine würdelose Grenzüberschreitung“ und zeigten Musks „Respektlosigkeit gegenüber unserer Demokratie“. [6] Offensichtlich hatte Esken vergessen, dass sie in der Corona-Krise Impfverweigerer als „Covidioten“ bezeichnet hat.
Viele Politiker wenden sich gegen Hass und Hetze im Internet, aber nicht gegen Diffamierungen, Hass und Hetze, soweit es gegen Russland, kritische Menschen und die AfD geht. Der russische Präsident Wladimir Putin darf Verbrecher, Mörder oder Autokrat genannt werden, Andersdenkenden dürfen Bankkonten gesperrt und bei einer Demonstration selbsternannter Verteidiger der Demokratie durfte skandiert werden „Ganz Berlin hasst die AfD“. [7]
Wissenschaftler und Gewerkschafter melden sich zu Wort
Auf der ersten Seite meiner Tageszeitung vom 11. Januar 2025 lautet die Überschrift eines Artikels: „Hochschulen legen ihre X-Accounts still“. Ich lese: „Zu viel Hass, Desinformation und Manipulation – mehr als 60 Hochschulen und Forschungsinstitute deutschlandweit legen ihre Accounts auf der Plattform X still. Die aktuelle Ausrichtung der Plattform sei nicht vereinbar mit den Grundwerten der beteiligten Institutionen wie Weltoffenheit, Transparenz und demokratischer Diskurs.“ [8]
Weiter heißt es in dem Artikel: „Die jüngsten Veränderungen auf X von der algorithmischen Verstärkung rechtspopulistischer Inhalte bis zur Einschränkung der Reichweite seien für die Organisationen unvertretbar. ‚Die Werte, die Vielfalt, Freiheit und Wissenschaft fördern, sind auf der Plattform nicht mehr gegeben.‘ Der gemeinsame Austritt solle ein Zeichen ‚für eine faktenbasierte Kommunikation und gegen antidemokratische Kräfte‘ setzen.“ Ja werden denn diese beschworenen Werte auf anderen Plattformen gepflegt? Verstärken und propagieren sie nicht auch populistische und ideologische Inhalte, wenn auch mit anderer Zielsetzung?
Ich würde gerne wissen wollen, was sich diese Leute denken, die als „wissenschaftliche Experten“ das große Wort führen und meinen, die Wahrheit zu vertreten, während sie willfährig nachbeten, was ihnen von der zumeist aus Washington gesteuerten Politik vorgesagt wird. In der Corona-Krise hat sich gezeigt, wie bescheiden es um ihre Wissenschaftlichkeit und ihr Demokratieverständnis steht.
Nach einschlägigen Erfahrungen wundere ich mich auch nicht, dass die Gewerkschaft Verdi und die Lehrergewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ihre X-Accounts gekündigt haben. In einer Mitteilung vom 9. Januar 2025 ist zu lesen, X sei ein „Forum für die Verbreitung von rechtsextremistischen Positionen, von Hass und Hetze, von Demokratiefeindlichkeit und Desinformation“. [9] Anlass war das Livegespräch zwischen Musk und Weidel.
Parteiverbot für die AfD?
Wieder wird von einigen Politikern ein Verbot der AfD ins Gespräch gebracht. Aber über diese Partei mag man denken, was man will, die AfD ist eine zugelassene Partei, die nur durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts verboten werden kann. Soweit das nicht geschieht, gilt das Parteienprivileg des Artikels 21 des Grundgesetzes auch für die „mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitende parteioffizielle Tätigkeit der Funktionäre und Anhänger“, wie das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung vom 21. März 1961 festgestellt hat. [10]
Weiter führte das BVerfG aus: „Ihre Tätigkeit ist durch das Parteienprivileg auch dann geschützt, wenn ihre Partei durch eine spätere Entscheidung des BVerfG für verfassungswidrig erklärt wird… Die Anhänger und Funktionäre einer solchen Partei handeln, wenn sie die Ziele ihrer Partei propagieren und fördern, sich an Wahlen beteiligen, im Wahlkampf aktiv werden, Spenden sammeln, im Parteiapparat tätig sind oder gar als Abgeordnete sich um ihren Wahlkreis bemühen, im Rahmen einer verfassungsmäßig verbürgten Toleranz. Das Grundgesetz nimmt die Gefahr, die in der Gründung oder Tätigkeit einer solchen Partei bis zur Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit besteht, in Kauf.“
Diese Entscheidung, die in der Vergangenheit von manchen Gerichten aus ideologischen Gründen ignoriert wurde, betraf seinerzeit die KPD, aber sie hat selbstverständlich auch für jede andere Partei Geltung. Denn für die rechtliche Bewertung der Zulassung einer Partei und für deren Tätigkeit ist es unerheblich, ob sie dem rechten oder linken Spektrum angehört. [11]
Zweierlei Maß
Die Angriffe gegen Elon Musk, der sich in innerstaatliche Angelegenheiten nicht nur in Deutschland einmischt, entbehren jeglicher politischen Stringenz, sie sind scheinheilig. Sollten Merz, Klingbeil, Esken und andere wirklich nicht wissen, dass der Multimilliardär Bill Gates seit Längerem Einfluss auf die deutsche Politik nimmt, indem er willfährige Medien wie Spiegel Online und Die Zeit, aber auch Forschungsinstitute und Unternehmen sponsert? [12] Gates durfte sogar im deutschen Fernsehen auftreten. Ebenfalls sehr aktiv in politischer Einflussnahme – um nur einen weiteren Fall von vielen zu nennen – ist der US-amerikanische Investor und Multimilliardär George Soros mit seinen Stiftungen.
Aber soweit die ideologische Ausrichtung stimmt, nimmt im sogenannten Wertewesten niemand Anstoß daran. Vergessen ist, dass die Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel in US-Medien Wahlkampf gegen Donald Trump betrieb und dass zahlreiche deutsche Politiker und Politikerinnen Propaganda für Hillary Clinton, Joseph Biden und Kamala Harris machten.
Gelassenheit ist angesagt
Wenn allerdings Alice Weidel, die hin und wieder gute Reden im Bundestag hält, Hitler „kommunistisch“ nennt, Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel als „Sozialistin“ bezeichnet und von einer „Sowjetischen Europäischen Union“ spricht, [13] zeugt das von einer grundlegenden politischen Verwirrtheit. Insofern hat sie sich und ihrer Partei mit ihrem spektakulären Auftritt keinen Gefallen getan.
Erfreulich, dass Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki wie auch einige andere Politiker zur Gelassenheit rieten. [14] Scholz sagte, Meinungsfreiheit gelte auch für Multimilliardäre, und „dass man Dinge sagen kann, die nicht richtig sind und keinen guten politischen Ratschlag beinhalten“. Kubicki ist der Ansicht, dass sich die Tesla-Fahrer in Deutschland nicht „von dieser Meinungsäußerung in ihrer Wahlentscheidung beeinflussen lassen“. Eventuell könnte das auch auf die ehemaligen Montagsdemonstranten, die Covid-Verweigerer und manch andere kritische Bürger zutreffen.
Von Wolfgang Bittner ist kürzlich das Buch „Niemand soll hungern, ohne zu frieren – So wie es ist, kann und wird es nicht bleiben“ im Verlag zeitgeist erschienen.
Siehe auch: Im Gespräch Wolfgang Bittner Niemand soll hungern, ohne zu frieren
Quellen und Anmerkungen:
[«1] Siehe: https://www.tagesschau.de/inland/weidel-musk-100.html. Das Interview in deutscher Übersetzung: https://www.youtube.com/watch?v=bY-KmcP64hE
[«2] Vgl. https://www.n-tv.de/politik/Bundestag-prueft-ob-sich-Musk-zu-sehr-in-Wahlkampf-einmischt-article25477786.html
[«3] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/bundestagswahl-uebergriffig-und-anmassend-merz-kritisiert-elon-musks-afd-empfehlung-01/100097558.html
[«4] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-12/elon-musk-gastbeitrag-welt-afd-wahlaufruf-spd-kritik
[«5] https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/musk-wahlkampf-esken-merz-100.html
[«6] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/musk-beschimpft-steinmeier-x-wahlkampf-100.html
[«7] https://rp-online.de/info/consent/
[«8] Göttinger Tageblatt, 11./12.1.2025, S. 1.
[«9] https://www.gew.de/presse/pressemitteilungen/detailseite/verdi-und-gew-verlassen-twitter-nachfolger-x
[«10] BVerfG E 12, 296, 306
[«11] Dazu Wolfgang Bittner mit weiteren Hinweisen: „Niemand soll hungern, ohne zu frieren“, Verlag zeitgeist 2024, S. 178.
[«12] Dazu Wolfgang Bittner, „Deutschland – verraten und verkauft“, Verlag zeitgeist 2021, S. 220.
[«13] Vgl. https://www.tagesschau.de/inland/weidel-musk-100.html, sowie https://www.youtube.com/watch?v=bY-KmcP64hE
[«14] https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/musk-deutscher-wahlkampf-100.html