Wieso fordert Baerbock den Abzug der russischen, aber nicht der US-Militärbasen in Syrien?

Wieso fordert Baerbock den Abzug der russischen, aber nicht der US-Militärbasen in Syrien?

Wieso fordert Baerbock den Abzug der russischen, aber nicht der US-Militärbasen in Syrien?

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Im Rahmen ihres Syrien-Besuchs hatte Außenministerin Annalena Baerbock Russland aufgefordert, die dortigen Militärbasen zu verlassen. Neben den russischen, die völkerrechtskonform auf Vertragsebene eingerichtet wurden, gibt es allerdings auch mehrere US-Basen in Syrien. Exemplarisch sei auf Al-Tanf im Südosten des Landes verwiesen. Diese US-Basis wurde 2016, wie alle anderen US-Basen auch, ohne jede völkerrechtliche Grundlage errichtet. Laut Pentagon-Angaben sind dort derzeit 2.000 US-Soldaten stationiert. Die NachDenkSeiten wollten wissen, aus welchen Beweggründen sich die deutsche Außenministerin zwar für die Schließung der völkerrechtlich legitimierten russischen Basen, nicht aber für die Verlegung der völkerrechtswidrigen US-Basen auf syrischem Staatsgebiet ausspricht. Von Florian Warweg.

Hintergrund: Völkerrechtlich legale russische und illegale US-Militärbasen in Syrien

Nach aktuellem Stand betreibt Russland derzeit noch zwei Militärbasen in Syrien. Den im September 2015 in Betrieb genommenen Luftwaffenstützpunkt Hmeimim sowie die Marinebasis Tartus, beide im Westen des Landes gelegen. Tartus stellt seit 1971 den einzigen russischen (zuvor sowjetischen) Marine-Stützpunkt im Mittelmeer dar. Die Präsenz der russischen Militärbasen beruht auf Verträgen mit dem Staat Syrien und diese gelten daher als völkerrechtlich umfassend legitimiert. Solange diese Verträge nicht aufgekündigt werden, gilt dies auch unter den neuen, mit Waffengewalt an die „Regierung“ gekommenen dschihadistisch geprägten HTS-Vertretern (zuvor Al-Kaida Syrien).

Ganz anders gestaltet sich aus völkerrechtlicher Perspektive die Präsenz der US-Militärbasen in Syrien. Diese sind völkerrechtlich in keiner Form legitimiert. Nach offiziellen Angaben bestehen derzeit fünf US-Basen in Syrien mit einer Personalstärke von rund 2.000 Soldaten.

Quelle: Stars & Stripes

Lange Zeit hatte das Pentagon immer von „nur“ 900 in Syrien stationierten US-Soldaten gesprochen, bis es im Rahmen einer „internen Überprüfung“ im Dezember einräumen musste, dass es schon „seit einer Weile“ mehr als doppelt so viele seien wie zuvor offiziell bekannt gegeben:

Die Etablierung der genannten fünf US-Militärbasen zwischen 2016 und 2018 auf dem Staatsgebiet Syriens erfolgte ohne Einladung der syrischen Regierung oder irgendeine andere völkerrechtliche Legitimation. Diese Basen sind folglich unter völliger Missachtung geltenden Völkerrechts dort erbaut und mit US-Soldaten besetzt worden. Die größte US-Basis in Syrien, Al-Tanf, spielte laut Recherchen des britischen Telegraph eine zentrale Rolle bei der Koordinierung der verschiedenen „Rebellen“-Formationen im Zuge der Offensive im Dezember 2024, die zum Sturz der syrischen Regierung führte. So hätten US-Offiziere von Al-Tanf aus bereits Anfang Oktober 2024 die Brigade Abu Khatab und andere Milizen-Einheiten unter das gemeinsame Kommando der sogenannten Revolutionären Kommandoarmee (zuvor Neue Syrische Armee) gestellt und die Kommunikation und Koordinierung mit HTS, dem einstigen Al-Kaida-Ableger in Syrien, organisiert. Die Berichterstattung des Telegraph wurde von US-Seite nie dementiert.

Dass sich die deutsche Außenministerin, der die Einhaltung von Völkerrecht angeblich so am Herzen liegt, vor diesem Hintergrund bei ihrer Abzugsforderung ausgerechnet auf die russischen und nicht auf die US-Basen konzentriert, spricht Bände über das instrumentelle Verständnis von Völkerrecht im Auswärtigen Amt. Ganz dem Motto folgend: Das Völkerrecht ist eine wichtige Orientierungshilfe für andere Staaten, aber doch nicht für uns im „Wertewesten“. Entsprechend fällt dann auch die Antwort des AA-Sprechers Christian Wagner aus.

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz in der BPK am 8. Januar 2025

Frage Warweg

Im Rahmen Ihres Syrien-Besuchs hat Außenministerin Baerbock erklärt, es sei Zeit für Russland, seine Militärbasen in Syrien zu verlassen. Neben den russischen Militärbasen, die dort völkerrechtskonform auf Vertragsebene eingerichtet wurden, gibt es auch mehrere US-Basen in Syrien. Exemplarisch sei auf Al-Tanf im Südosten des Landes verwiesen; allein dort sind zum Stand Dezember 2024 laut Pentagon-Angaben 2000 US-Soldaten stationiert, dies allerdings ganz ohne Vertrag oder andere völkerrechtliche Grundlagen.

Herr Wagner, Sie werden meine Frage erahnen: Aus welchen Beweggründen hat sich die Außenministerin gegen die völkerrechtlich legitimierten russischen Basen ausgesprochen, aber nicht gegen die völkerrechtswidrigen US-Basen auf syrischem Staatsgebiet?

Wagner (AA)
Herr Warweg, die Außenministerin hatte sich im Rahmen ihrer Reise vor ihrer Ankunft schon dazu eingelassen. Wenn man auf die russischen Basen oder auf die russische Präsenz, den russischen Einfluss in Syrien schaut, muss man ja vor allen Dingen auf den Kontext schauen, dass Russland über Jahre das Regime von Baschar al-Assad und dessen Gewalt gegen die Zivilbevölkerung – es wurden ja Zivilisten bombardiert – unterstützt hat.

Ich glaube, auf was wir da abstellen, ist – und das hat die Außenministerin auch gesagt -, dass die Menschen in Syrien nicht vergessen haben, auf welcher Seite Russland da stand. Insofern ist das am Ende eine syrische Angelegenheit, und da stellt sich natürlich die Frage: Wie gehen die neuen Machthaber in Syrien mit der russischen Präsenz um? In diesem Kontext hat sich die Außenministerin eingelassen. Ich würde das nicht verknüpfen mit dem Antiterrorkampf, den die Amerikaner in Syrien führen.

Zusatzfrage Warweg
Die Antwort hat sich mir jetzt nicht ganz erschlossen. Sieht die Bundesregierung die US-Militärbasen – wohlgemerkt sind dort mehr als 2000 US-Soldaten auf syrischem Staatsgebiet stationiert, und das schon seit mehreren Jahren ohne jegliche Einladung – als völkerrechtskonform oder völkerrechtswidrig an? Wenn die Außenministerin die Militärbasen als völkerrechtswidrig ansieht, wieso verurteilt sie dies dann nicht oder fordert die US-Amerikaner zum Abzug auf?

Wagner (AA)
Herr Warweg, ich habe hier gar keine völkerrechtliche Einordnung geliefert, sondern ich habe dargelegt, dass es uns außenpolitisch jetzt darum geht, die Stabilisierung in Syrien zu begleiten und alles dafür zu tun, dass Syrien zu einer guten Entwicklung kommt.

Klar ist doch auch – und das ist auch Teil des Komplexes -, dass von Syrien lange Zeit Terrorismus ausging und es dort ein Engagement der Amerikaner und auch von anderen gab. Jetzt stellt sich aber doch die Frage: Wie gestaltet sich der Prozess in Syrien und wie ist die ausländische Einflussnahme auf diesen Prozess in Syrien? In diesem Kontext muss man auch die russischen Basen sehen.

Frage Warweg
Herr Wagner, ich versuche es noch einmal: Die schon genannte US-Militärbasis Al-Tanf in Syrien wurde 2016 etabliert, wie gesagt ohne jegliche völkerrechtliche Grundlage. Deswegen würde mich trotzdem noch interessieren – Sie können das gerne auch mit Ja oder Nein beantworten -: Sieht die Bundesregierung diese US-Militärbasis in Syrien als völkerrechtskonform an?

Wagner (AA)
Herr Warweg, da müssen Sie letztlich die Frage an die Regierung in Damaskus richten, ob sie mit einer Präsenz der Amerikaner in Syrien oder mit einer Präsenz der Russen in Syrien einverstanden ist. Ich habe zu diesem Komplex, zu dem Sie mich ja eben schon gefragt haben, das gesagt, was ich zu sagen habe.

Zusatzfrage Warweg
Aber der Punkt ist ja: Die Russen, die Sie genannt haben, haben seit über 50 Jahren – zum Beispiel im Fall von Tartus – völkerrechtliche Verträge mit der Syrischen Republik. Die US-Amerikaner sind einfach nach Syrien reingegangen und haben da ihre Militärbasis etabliert. Das hat unter Umständen ja auch einen Vorbildcharakter für andere Länder. Deswegen wäre es doch durchaus relevant, dass die Bundesregierung sich zu der Frage positioniert, ob sie so ein Vorgehen legitimiert oder nicht.

Wagner (AA)
Herr Warweg, ein Vorgehen, das wir nicht als legitim ansehen oder auch nicht gutheißen können, ist, wenn Russland über Jahre ein Regime in Damaskus gestützt hat, das für den Tod von hunderttausenden Menschen verantwortlich ist und sich auch aktiv an Kampfhandlungen gegen Zivilisten in Syrien beteiligt hat. Das ist doch der Hintergrund der russischen Präsenz in Syrien, und jetzt stellt sich für die neuen Machthaber in Damaskus eben die Frage, wie sie damit umgehen. Das ist deren Entscheidung. Aus unserer Sicht sollte Russland seinen Einfluss in Syrien zurückziehen.

BPK-Vorsitzende Wolf
Alle Fragen dürfen gestellt werden, „fair enough“, aber ich würde Sie bitten, dieselben Fragen nicht dreimal zu stellen.

Zuruf Warweg
Aber wenn die nicht beantwortet werden!

Vorsitzende Wolf
Das liegt dann in Ihrem Ermessen, und ich bewerte die Antworten jetzt auch nicht, aber trotzdem muss man die gleiche Frage nicht dreimal stellen.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 08.01.2025

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