Nach Branchen und Regionen differenzierte Kombilöhne – wie soll das funktionieren?
Der designierte SPD-Vorsitzende Kurt Beck will den differenzierten Einsatz von Kombilöhnen. In Branchen und Regionen, die keine höhere Löhne zahlen können, wie z. B. bei Spargelbauern, sollen Kombilöhnen möglich sein, bei anderen nicht. Eine absurde Vorstellung, die vor allem etwas sagt über den ökonomischen „Verstand“ der führenden Personen. Im folgenden finden Sie den einschlägigen und kritischen Böckler Impuls. Vorweg noch einige Anmerkungen.
Wie will man einen nach Branchen und Regionen differenzierten Kombilohn handhaben? Soll der pfälzische Spargelbauer den öffentlichen Zuschuss erhalten, der mecklenburg-vorpommersche Rinderzüchter aber nicht? Und warum nicht die Kleiderfabrik oder die Schreinerei oder die Porzellanfabrik in der Pfalz oder am Niederrhein oder in Thüringen? Wenn sie einen Zuschuss zum Lohn erhielten, wären sie auch konkurrenzfähiger. So schön eine Regelung des Kombilohns im Einzelfall aussieht, sie ist nicht zu handhaben. Außerdem muss man ja wohl beachten, wer dann wieder den Zuschuss bezahlt. Das sind vor allem die Mehrwertsteuer- und Lohnsteuerzahler.
Becks Vorschläge sind in Rettungsversuche aus der Misere, die uns die miserable Makropolitik auch dieser Bundesregierung beschert. Würde unsere Wirtschaft brummen, dann hätten mehr Menschen Beschäftigung und es müsste über so etwas Absurdes wie einen Niedriglohnsektor mit Kombilöhnen gar nicht philosophiert werden.
Und hier der
Böckler Impuls 06/2006
Kombilöhne
Viel Geld für wenig neue Jobs
Lohnzuschüsse im Niedriglohnbereich schaffen kaum zusätzliche Arbeitsplätze für gering Qualifizierte. Eine flächendeckende Einführung von Kombilöhnen würde die öffentlichen Haushalte enorm belasten. Einige Modelle könnten immerhin zur Armutsbekämpfung beitragen. Das zeigt der neue IMK-Report der Hans-Böckler-Stiftung.
WSI und IMK, die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute der Hans-Böckler Stiftung, haben nationale und internationale Erfahrungen mit Kombilöhnen ausgewertet. Ihr Fazit: „Insgesamt fallen die Netto-Beschäftigungseffekte eher bescheiden aus. Mitnahme- und Verdrängungseffekte schmälern die Beschäftigungswirksamkeit.“ Deutsche Kombilohnversuche – vom Mainzer bis zum Hamburger Modell – sind in der Vergangenheit auf wenig Resonanz gestoßen und verfehlten zum Teil ihre Zielgruppen. Doch auch der flächendeckende Einsatz von Kombilöhnen in Frankreich und den USA löst die Arbeitsmarktprobleme nicht. Dass die Therapie ihr Ziel verfehlt, liegt nach Ansicht der WSI- und IMK-Forscher an einer falschen Diagnose.
Gängige Vorstellungen vom Niedriglohnsektor sind korrekturbedürftig.
Viele Kombilohn-Befürworter machen einen Mangel an Niedriglohnjobs für die hohe Arbeitslosigkeit unter gering Qualifizierten verantwortlich. Laut WSI und IMK eine Fehleinschätzung: Tatsächlich bestehe in Deutschland „ein bedeutsamer Niedriglohnsektor, der sich zudem in den letzten Jahren permanent vergrößert hat, ohne dass sich die Beschäftigungschancen der Zielgruppe vergrößert hätten“. Zudem entspreche der vermutete Zusammenhang zwischen Einkommens- und Qualifikationsniveau – wer wenig verdient, ist schlecht ausgebildet – nicht der Realität: Weit mehr als die Hälfte aller Niedriglohnbezieher hat eine Berufsausbildung oder sogar einen Hochschulabschluss.
Mehr Billigjobs helfen nicht.
Aus den empirischen Befunden zum Niedriglohnsektor folgern die Wissenschaftler: Weil in Deutschland insgesamt – also auch in mittleren und höheren Lohn- und Gehaltsklassen – Arbeitsplätze fehlen, verdrängen qualifizierte Arbeitskräfte Ungelernte aus schlecht bezahlten Positionen. Ein Mangel an Billig-Jobs ist demnach nicht der Grund die Arbeitslosenquote gering Qualifizierter, die mehr als doppelt so hoch ist wie im Durchschnitt.
Das Globalisierungsargument taugt nicht.
Zwar ist der Preis für einfache Arbeit – verglichen mit Ländern wie China – hierzulande recht hoch. Damit könne aber allenfalls die hohe Arbeitslosigkeit unter gering Qualifizierten erklärt werden, jedoch nicht, dass sich auch viele gut ausgebildete Arbeitskräfte mit bescheidenen Löhnen begnügen müssen. Tatsächlich übt über die Hälfte der Niedriglohnbezieher „eine eher qualifizierte Tätigkeit“ aus.
Die Löhne stehen bereits heute unter Druck.
In einigen Dienstleistungsbranchen oder Regionen, vor allem in Ostdeutschland, werden Stundenlöhne von drei bis fünf Euro gezahlt. Dies widerspricht der These, die deutschen Löhne würden nicht auf den gewachsenen Konkurrenzdruck reagieren. Das Gegenteil ist bei den „Working Poor“ zu beobachten: Arbeit schützt nicht mehr automatisch vor Armut.
Die Arbeitsanreize reichen aus.
Das Argument, der Lohnabstand (die Differenz zwischen Sozialleistungs- und Lohnniveau) sei zu gering, überzeugt die Forscher ebenfalls nicht. Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigen, dass viele Arbeitslose bereits bei einem Stundenlohn von 3,10 Euro besser dastehen würden als mit Sozialleistungsbezug.
Lohnzurückhaltung wirkt nicht.
Die Arbeitskosten haben sich in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland sowohl gemessen an den Gewinnen als auch im Vergleich zu anderen Industrieländern sehr moderat entwickelt. Das Resultat sind nicht mehr, sondern weniger Jobs. Dies wiederum ist die Folge einer „zähen Nachfrageschwäche insbesondere beim privaten Verbrauch“, so die Forscher.
Hohe Kosten, aber keine neuen Jobs.
Wenn die hohe deutsche Arbeitslosenquote jedoch nicht an zu hohen Löhnen liegt, dann können Kombilöhne – die aus Unternehmersicht wie eine Lohnsenkung wirken – auch keinen positiven gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungseffekt haben, argumentieren WSI und IMK. „Dann aber werden die fiskalischen Belastungen durch Kombilöhne zu einer schweren Hypothek für die öffentliche Hand.“ Zumal die eingesetzten Mittel auch anderweitig verwendet werden könnten. Beispielsweise könnte das Geld statt für Lohnsubventionen für öffentliche Investitionen ausgegeben werden, deren Wachstumseffekte „weitgehend unumstritten“ seien.
Kombilöhne können allenfalls einen Beitrag zur Armutsbekämpfung leisten.
Zumindest von einigen der aktuell diskutierten Kombilohnmodelle versprechen sich die Forscher einen gewissen Nutzen – wenn sie auch nicht zum Abbau der Arbeitslosigkeit beitragen würden. Das von den Grünen vorgeschlagene Progressivmodell, das Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen – ähnlich wie das DGB-Modell – von Sozialbeiträgen entlastet, könnte Geringverdiener wenigstens vor Armut schützen. Es würde in Kombination mit Mindestlöhnen beispielsweise die Situation derjenigen verbessern, die nach den Hartz-Gesetzen in eine „Abwärtsspirale“ aus zugemuteter Arbeit und erneuter Arbeitslosigkeit mit niedrigeren Lohnersatzleistungen geraten sind.