Wenn die deutsche Regierung in Brüssel „auf den Tisch gehauen“ hätte, gäbe es keine EU-Strafzölle gegen China. Das sagt im Interview der China-Experte Sándor Kusai, ehemaliger Botschafter Ungarns in China, der Mongolei und der Demokratischen Volksrepublik Korea. Im Gespräch geht er auf die Wirtschaftsbeziehungen im Dreieck USA-EU-China ein und erklärt die Chancen auf eine neutrale Wirtschaftspolitik, um die sich Ungarn bemüht. Das Interview mit dem Botschafter a. D. Sándor Kusai führte Éva Péli, die es für die NachDenkSeiten aus dem Ungarischen übersetzt hat.
Éva Péli: Herr Botschafter, Sie waren von 2008 bis 2014 Botschafter in China, aber auch in der Mongolei und in Nordkorea. Wie kam das?
Sándor Kusai: Da es damals keine ungarische Botschaft in diesen Ländern gab, habe ich Ungarn von Peking aus vertreten. Ich war also auch Ungarns Botschafter in diesen beiden Ländern und bin regelmäßig dorthin gereist.
Worin sehen Sie die Gründe für die wirtschaftlichen und sozialen Erfolge Chinas und seinen Fortschritt im Welthandel in den letzten Jahrzehnten? Wie lange halten Sie den derzeitigen Trend für nachhaltig?
China hat eine sehr spezifische wirtschaftliche und soziale Struktur, die das Ergebnis von Reformen ist, die 1979 begannen. Die Wirtschaftsstruktur ist durch ein starkes und bedeutendes öffentliches Eigentum gekennzeichnet, das eng mit Unternehmen im privaten Eigentum verflochten ist. Das Privateigentum hat ebenfalls an Bedeutung gewonnen, die beiden sind miteinander verflochten, und das chinesische Modell der Wirtschaftsführung spiegelt dies wider. China setzt sowohl die Instrumente der Planwirtschaft als auch die Marktmechanismen in koordinierter Weise ein. Dadurch ist es in der Lage, enorme Ressourcen auf Entwicklungsrichtungen zu konzentrieren, die für den wirtschaftlichen Fortschritt von überragender Bedeutung sind. China kann so in relativ kurzer Zeit große Sprünge in Technologie und Produktion machen sowie die Marktorganisation so verändern, dass die Wettbewerbsfähigkeit der chinesischen Produkte und der Wirtschaft steigt.
Dieser Prozess wurde von einer tiefgreifenden Umgestaltung der Gesellschaft begleitet. Heute verfügt China über die größte Mittelschicht der Welt, und sein riesiger Binnenmarkt ermöglicht es der chinesischen Wirtschaft, sich auf den internen Bedarf zu stützen. Dieser Reformprozess ging Hand in Hand mit der Integration Chinas in die Weltwirtschaft. Vor 1979 war China eine nach innen gerichtete Wirtschaft, doch dann wurde das Land zunehmend in die internationalen Produktionswertschöpfungsketten integriert. 2001 wurde China Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO) und ist damit praktisch ein vollwertiger Akteur und eine treibende Kraft der Globalisierung geworden. China ist damit zum weltgrößten Industrieproduzenten und Exporteur und zu einem der größten Verbraucher der Welt geworden.
Wie lange das so bleiben wird, ist eine relativ einfach zu beantwortende Frage, aber gleichzeitig eine schwierige. Die chinesische Wirtschaftsstruktur wurde in den letzten 44 Jahren etwa alle zehn bis zwölf Jahre umfassenden Reformen unterzogen, um das schnelle Wachstum aufrechtzuerhalten und den Einfluss in der Weltwirtschaft zu erhöhen. Dies ist bisher sechsmal geschehen, wobei die sechste Reformwelle im Oktober 2023 eingeleitet wurde.
Wenn sie erfolgreich ist, wird das Wachstum Chinas vermutlich weiterhin relativ schnell verlaufen und sein Aufstieg sowie seine Stellung im internationalen Vergleich werden sich fortsetzen. Scheitert die Reformwelle, sind Krisenphänomene, wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Probleme zu erwarten, und es könnte sich dann die Notwendigkeit einer Korrektur ergeben. Es ist zu früh, um zu sagen, wie das Ergebnis aussehen wird.
Das Dreieck USA-EU-China ist inzwischen zu einem Feld für Sanktionen geworden, die in der Regel von den USA und der EU initiiert werden. Inwieweit dienen diese Sanktionen den europäischen Interessen, und wie sehen Sie ihre schädlichen Auswirkungen?
Sie dienen den europäischen Interessen nur sehr wenig oder gar nicht. Diese Sanktionspolitik zielt darauf ab, die Entwicklung, das Wachstum und den technologischen Fortschritt Chinas zu bremsen und zu verhindern und damit Chinas Position in der Weltwirtschaft zu schwächen. Dies ist heute in erster Linie im Interesse der USA, das hat bereits unter der Obama-Regierung begonnen. Die Biden-Administration hat es intensiviert, und es scheint, dass auch die bald antretende zweite Trump-Administration Schritte in diese Richtung vorbereitet. Aber das werden wir nach dem Januar sehen.
Leider hat sich die Europäische Union in letzter Zeit als unfähig erwiesen, die europäischen Interessen zu vertreten. Aus für mich unerklärlichen Gründen folgt sie blind der wirtschaftspolitischen Linie der USA, die auf Konfrontation mit China setzt. Ideologisch verblendet ist sie auch bereit, die Beziehungen zu Russland abzubrechen – und das, obwohl diese beiden Sanktionspolitiken der Wirtschaft und der Gesellschaft der Europäischen Union spektakulären Schaden zufügen, da sich das Leben der Menschen und die Struktur der Gesellschaft in eine ungünstige Richtung verändern. Ich sehe das als großen Mangel. Ich verstehe einfach nicht, warum die europäischen Gesellschaften, die Wirtschaftseliten und die Anführer des europäischen Großkapitals, die Milliarden von Euro einstreichen, zulassen, dass zum Beispiel gegen China zerstörerische Maßnahmen zum Nachteil der europäischen Interessen ergriffen werden.
Denn die Entwicklungen der letzten eineinhalb bis zwei Jahre zeigen deutlich, dass sie China zwar wirtschaftliche Schwierigkeiten bereiten, aber seinen Aufschwung keineswegs aufhalten und die chinesische Wirtschaft nicht zum Einsturz bringen. Schon heute sind chinesische Elektroautos billiger als europäische Autos. Sie sind auch qualitativ mindestens genauso gut, wenn nicht sogar besser, und mindestens 30 bis 40 Prozent günstiger. Wir versuchen zu verhindern, dass chinesische Elektroautos nach Europa kommen, obwohl sie in der Zwischenzeit nicht schlechter geworden sind, während die europäischen Elektroautos leider nicht besser geworden sind. Die wichtigsten Märkte für chinesische Elektroautos sind jetzt Brasilien, Mexiko, Indien und eine Reihe anderer Länder in Südostasien. Mit anderen Worten, wir haben uns nicht nur in den Bereichen Elektronik, Mobiltelefone und Telekommunikation, sondern auch bei den Elektroautos selbst „erobert“. Wir geben den Vorteil eines billigen, aber qualitativ guten Produkts auf. Das ist nicht im europäischen Interesse – egal, wie gut es jemand meint, der diese Entscheidungen trifft, die ich für falsch halte. Außerdem ist dies nicht nur ein wirtschaftliches und ein soziales Problem, sondern auch ein Problem der Ökologisierung. Denn wenn es nur sehr teure „grüne“ Autos gibt, werden viele Menschen nicht in der Lage sein, sie zu kaufen, und folglich wird die Ersetzung der europäischen Autoflotte durch umweltfreundlichere Autos viel langsamer vonstattengehen.
Wir schwächen unseren eigenen Einfluss und unsere Position, und die Chinesen strukturieren sich allmählich um, indem sie ihre Märkte auf Länder in den Schwellenländern mit einer beträchtlichen Mittelschicht und einer großen Nachfrage verlagern, was den gegenwärtigen Druck kurzfristig mindert. Um nur ein Beispiel zu nennen: Im vergangenen Jahr war der Anteil der nichtwestlichen Länder am chinesischen Handel erstmals größer als der der westlichen Länder. Mit anderen Worten: Das Handelsvolumen zwischen China, den USA und Europa ist geringer als das Handelsvolumen, das China mit dem Rest der Welt abwickelt.
Sie verstehen also auch nicht, warum die EU gegen ihre eigenen Interessen handelt. Wie sehen Sie die Interessen der stärksten europäischen Industriemacht Deutschland in der Sanktionsdimension USA-EU-China?
Ich will ganz offen sein: Was ich am wenigsten verstehe, ist die deutsche Haltung in dieser Frage. Die deutsche Führung hat schwammig erklärt, dass sie keine Zölle auf chinesische Elektroautos unterstützt. Aber in Wirklichkeit hat Deutschland keine klare Kante gezeigt. Ich bin davon überzeugt, dass wir nicht gezwungenermaßen in diese Strafzölle verwickelt wären, wenn die deutsche Regierung in Brüssel auf den Tisch gehauen hätte, der Präsidentin der Europäischen Kommission, die eine Deutsche ist, erklärt hätte, wo Gott wohnt – was sie tun kann, denn Deutschland ist bei Weitem das wirtschaftlich stärkste europäische Land. Aus irgendeinem Grund hat die deutsche Regierung nicht die Schritte unternommen, die von ihrer Seite aus vernünftig gewesen wären und die sie hätte tun können.
Was ich außerdem nicht verstehe, ist das Verhalten der Leiter der großen deutschen Industriezweige in dieser kritischen Phase, insbesondere der Automobil-, Chemie- und anderen Schlüsselbranchen, die das Rückgrat der gesamten deutschen Wirtschaft sind. Denn der Prozess der Verschlechterung und des Abbaus der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Europa und China trifft die deutsche Industrie und ihre Arbeitnehmer am unmittelbarsten und tiefsten und schadet jetzt und in Zukunft der deutschen Gesellschaft insgesamt. Ich sitze also hier in Ungarn, nicht allzu weit von Deutschland entfernt, und schaue mit staunenden Augen auf das Harakiri, das die deutsche Wirtschaft derzeit begeht.
Im September hat der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán wirtschaftliche Neutralität erklärt, und auch die Politik Budapests gegenüber China spiegelt ein hohes Maß an Autonomie wider, das in der EU manchmal kritisiert wird.Wie beurteilen Sie die Beweggründe für die Ankündigung des Programms? Wie stehen aus Ihrer Sicht die Chancen für eine neutrale Wirtschaftspolitik heute, da eine Vielzahl von Sanktionsregelungen gegen EU-Mitgliedstaaten verhängt wurden?
Es gibt relativ geringe Möglichkeiten für Ungarn, erfolgreich, aber wirtschaftlich neutral zu sein, aber diese sollten maximal genutzt werden. Schließlich wissen wir, dass Ungarn weit davon entfernt ist, das entwickelteste Land in Europa zu sein, und der ungarische Lebensstandard ist, gelinde gesagt, nicht der höchste in Europa. Wir sind der Europäischen Union beigetreten, um die Entwicklung Ungarns zu beschleunigen, um aufzuholen, um den Lebensstandard der Österreicher und der Deutschen zu erreichen. Das war das Ziel der gesamten ungarischen Gesellschaft. Leider bietet die Europäische Union in ihrem jetzigen Zustand, in ihrem derzeitigen Entwicklungstrend nicht die Voraussetzungen für eine solche beschleunigte Entwicklung.
Das Problem ist, dass sich die ungarische Wirtschaft nicht schneller entwickeln wird, wenn sich die europäische Wirtschaft so langsam oder gar nicht entwickelt. Es ist daher logisch, dass die ungarische Regierung versucht, Märkte, Technologie und Zusammenarbeit außerhalb der Europäischen Union zu suchen. Die Entwicklung Ungarns erfordert breitere, globale Wirtschaftsbeziehungen. Es ist doch offensichtlich, dass wir ernsthafte Probleme bekommen werden, wenn wir nur in Europa bleiben.
Deshalb hat sich Ungarn vor elf Jahren gegenüber China geöffnet. Das war damals logisch, und das ist es auch heute, denn China ist eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt. Der Markt dort expandiert, neue Technologien werden entwickelt, und es gibt unter anderem Elektroautos, Batterien, die an der Spitze der modernen Welt stehen. Deren Investoren können nach Ungarn gelockt werden. Was die Energieversorgung anbelangt, ist die Situation ähnlich: Ungarn blickt in Richtung Russland und Aserbaidschan, sodass wir auch andere Energiequellen beziehen können und beispielsweise nicht nur auf das extrem teure US-Gas angewiesen sind. Es gibt also einen rationalen Grund für diese sogenannte neutrale Wirtschaftspolitik.
Aber Sie haben recht, dass das Sanktionsregime die Möglichkeiten der Wirtschaftspolitik einschränkt. Daher ist die Aufgabe der ungarischen Wirtschaftspolitik, auch die begrenzten Möglichkeiten zu nutzen. Und ich habe den Eindruck, dass sie das auch tut. Einerseits versucht sie, die Entfaltung des Sanktionsregimes in der EU zu verlangsamen, Einfluss darauf zu nehmen, dass es nicht zu neuen Sanktionen in Bereichen kommt, die für die ungarische Wirtschaft wichtig sind. Auf der anderen Seite versucht sie, die Möglichkeiten zu nutzen, die trotz der Sanktionen noch bestehen. Wir importieren zum Beispiel keine Elektroautos aus China mit hohen Zöllen, sondern wir bauen eine Elektroauto-Fabrik in Ungarn mit chinesischen Investitionen. Das ist ja durch die Sanktionen nicht eingeschränkt. Deshalb glaube ich, dass es mit einer akribischen Wirtschaftspolitik und sorgfältig geplanten Schritten möglich ist, die wirtschaftliche Neutralität zu verwirklichen.
Wenden wir uns nun den Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und China zu. Welche Ergebnisse könnte die von Präsident Donald Trump gewählte Handelspolitik, die China zurückdrängen soll, angesichts der wirtschaftlichen Möglichkeiten der beiden Länder erzielen? Besteht die Gefahr einer totalen Konfrontation? Welche Rolle könnte Taiwan dabei spielen?
Leider besteht die Möglichkeit, dass sich die Konfrontation zwischen den Vereinigten Staaten und China ausweitet und vertieft. Wie die neue US-Regierung ihre wirtschaftliche, geopolitische und militärische Politik gegenüber China gestalten wird, bleibt abzuwarten. Ich habe die Sorge, dass diese konfrontative Politik fortgesetzt und sogar noch verschärft wird, was wiederum zu entsprechenden Reaktionen Chinas führen würde. China wird nicht kapitulieren, es wird sich auf diesen Kampf einlassen. Das zeigt sich daran, dass die Chinesen auf die bisherigen Beschränkungen mit Gegenbeschränkungen nicht nur gegenüber Europa, sondern auch gegenüber den Vereinigten Staaten geantwortet haben. Die chinesische Regierung beschränkt nun die Ausfuhr von seltenen Erden – wichtige Rohstoffe für die Technologieindustrie. Das ist eine direkte Reaktion auf die US-amerikanischen Exportbeschränkungen für Chips. China hat daraufhin verweigert, Germanium an die USA zu liefern, das für die Herstellung von Chips verwendet werden kann. Der chinesische Präsident sagt nun lächelnd: „Wenn Ihr mir keine amerikanischen Chips gebt, werde ich meine eigenen entwickeln.“ China verfügt über alle Materialien, die Technik und das Geld, um sie zu entwickeln.
Dies ist also kein einseitiger Kampf. Selbst wenn die chinesische Seite diesen Kampf nicht eskalieren will, besteht die große Gefahr, dass die US-Seite dies tun wird, zum Schaden der gesamten Weltwirtschaft. Nicht nur für die US-Wirtschaft, wo die Strafzölle die Warenpreise in die Höhe treiben werden. Die Preise werden steigen, die Inflation wird in Folge zunehmen. Für die amerikanischen Verbraucher wird der Zugang zu Produkten, die sie gewohnt sind, teurer werden. Zugleich wird sich das Wachstum in China verlangsamen. In der Tat wird diese Eskalation die negativen Auswirkungen für beide Seiten verstärken, nicht die positiven. Ich sehe im Moment keine besonders positiven Anzeichen dafür, dass wir dies vermeiden können. Wenn dies geschieht und die Eskalation zunimmt, dann wird Europa, und leider auch Deutschland und Ungarn, noch stärker davon betroffen sein. Leider wird sich die vollständige Eskalation der Konfrontation zwischen den USA und China eindeutig nachteilhaft auf uns in Europa auswirken, da wir – als EU- und NATO-Mitglieder – auf einer Seite der Gleichung stehen; so sehr sich beispielsweise die ungarische Regierung auch bemüht, sich ein wenig in Richtung Neutralität zu bewegen.
Bleiben wir bei den Vereinigten Staaten: Was halten Sie von der in den letzten Tagen angekündigten Absicht Trumps, 100 Prozent Zölle auf Importe aus den BRICS-Ländern zu erheben, wenn diese nicht auf ihre Absicht verzichten, das Dollarsystem zu verlassen und ein neues Zahlungssystem zu schaffen?
Sagen wir einfach, dass ich die von Trump vorgebrachte Idee, diese Länder vom schönen US-Markt auszuschließen, für eine halbherzige Drohung halte. Der US-Markt ist in der Tat schön, aber er ist nicht mehr dominant, er macht nur noch etwa 15 Prozent des Weltmarktes aus. 1945 waren es 50 Prozent, 1970 waren es 35 Prozent. Wenn man also diese Länder mit Zöllen oder anderen Sanktionen ausschließt, werden sie sich nach einem anderen Markt umsehen, denn es gibt immer noch 85 Prozent der Welt, an die sie verkaufen können. Der gewählte US-Präsident hat dies damit begründet, dass diese Länder aus dem Dollarsystem aussteigen wollen. Doch sie wollen das Dollarsystem nicht verlassen. Diese Länder wurden von den USA hinausgedrängt. Russland ist vollständig von SWIFT abgeschnitten worden. Sie beschlagnahmten sein Vermögen im Westen, sie beschlagnahmten das Vermögen russischer Unternehmen und sogar von Privatpersonen. Auch eine beträchtliche Anzahl chinesischer Unternehmen wurde vom Markt ausgeschlossen. Das US-Finanzministerium droht den chinesischen Banken ständig damit, sie aus dem SWIFT-System auszuschließen.
Nun, wenn man große und wichtige Länder ausschließt, wollen sie sicher nicht singend und musizierend verhungern. Daher suchen sie nach anderen Lösungen. Und so entsteht langsam, ganz allmählich ein neues Zahlungssystem. Diese Länder handeln untereinander in ihren eigenen nationalen Währungen. Sie erlauben Überweisungen zwischen ihren eigenen Banken, die in nationalen Währungen erfolgen, unter Verwendung der Blockchain-Technologie, der modernsten elektronischen Methode. Die Konsequenz daraus ist, dass das US-Finanzministerium nicht sehen kann, was passiert, kann es also nicht verhindern, kann es nicht sanktionieren. Natürlich ist der US-Präsident darüber verärgert, aber kein hundertprozentiger Zoll wird diesen Prozess aufhalten. Es gibt nur eine Möglichkeit, ihn zu stoppen: Wenn der US-Präsident ankündigt, dass er ab morgen alle Länder wieder in SWIFT einbezieht und verspricht, dass sie das Dollarsystem, den Internationalen Währungsfonds nie wieder als politische Waffe einsetzen werden. Vielleicht bin ich in Finanzfragen nicht sehr bewandert, aber ich sehe die Strategie dahinter als einfach an. Ich glaube nicht, dass der US-Präsident seine Drohung wahr machen wird, weil er es nicht kann. Und diese Länder werden keine Angst haben, denn sie haben nichts, wovor sie Angst haben müssten.
Über den Gesprächspartner: Dr. Sándor Zoltán Kusai ist Außerordentlicher Professor an der Katholischen Péter-Pázmány-Universität in Budapest, unabhängiger Experte für internationale Beziehungen und China, Wirtschaftswissenschaftler sowie ehemaliger Botschafter Ungarns in China, der Mongolei und der Demokratischen Volksrepublik Korea.
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