Leserbriefe zu „Stoppt endlich die Asozialen Medien“
In diesem Beitrag diskutiert Christian Kreiß über das vom australischen Parlament mit überwältigender Mehrheit beschlossene Gesetz, das Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren die Nutzung von Social Media verbietet. Die derzeitige exzessive Nutzung habe zu negativen Auswirkungen auf die Erziehung, die geistige Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden geführt. Auch in Deutschland würden drei von fünf Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 derzeit ein „problematisches Internetnutzungsverhalten“ zeigen. Abschließend wird gefordert: „Daher sollten wir dringend dem australischen Weg folgen, die Nutzung der Asozialen Medien unter 16 verbieten und damit die größte Vernichtung von Humankapital in der Menschheitsgeschichte zu stoppen“. Wir danken für die interessanten Leserbriefe, in denen aus unterschiedlichen Gründen auch kritische Meinungen vertreten werden. Es folgt nun eine Auswahl. Für Sie zusammengestellt von Christian Reimann.
1. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Kreiß,
danke für den ausführlichen Artikel.
Vorab möchte ich informieren, dass ich Lehrer/Schulleiter bin und in der Schule stets mit dem Problem der Smartphone-Nutzung konfrontiert bin. Es lässt sich faktisch nicht regulieren.
Kürzlich wurde ich von der Mutter eines 10jährigen Sohnes angesprochen, die mir sagte, dass sie das australische Verbot super findet. Auf meine Frage nach dem Warum antwortete sie, dass sie, falls das in D ebenfalls durchgesetzt würde, nun endlich ein Argument in der Hand hätte, ihrem Sohn die Nutzung von Instagram usw. zu verbieten.
Damit ließ sie mich ziemlich ratlos zurück. Wer kauft den Kindern die Smartphones? Wer lässt sie damit ungebremst und unbeaufsichtigt im Netz surfen? Brauchen Eltern Gesetze, um ihre (nicht vorhandenen?) Erziehungsziele durchzusetzen?
Das alles ist ein Armutszeugnis.
Folgende Argumente musste ich mir schon so oft anhören: Mein Kind soll eigentlich kein Handy haben, aber alle anderen Kinder in der Klasse haben bereits eins. Ich möchte nicht, dass mein Kind in der Schule gemobbt wird.
Ersetzt man hier nicht Pest durch Cholera? Sobald die Kinder die Smartphones haben, schreiben sie wie wild irgendwelchen Blödsinn in WhatsApp usw. Da wird ohne Hemmung gelästert und niedergemacht.
Gut, das gilt sicher nicht für alle Kinder, aber dem Missbrauch ist Tür und Tor geöffnet. Vieles offenbart sich uns auch nicht.
Ich bin grundsätzlich dagegen, dass sich der Staat in alles einmischt und reguliert, was die Bürokratie so hergibt. Bei diesem Thema muss ich allerdings einräumen, versagt die Selbstverantwortung der Eltern für sich und ihre Kinder. Ich finde, dass der Gesetzgeber sogar so weit gehen sollte, die Smartphones, Tablets usw. komplett aus der Schule zu verbannen und diese – wider meiner Überzeugung – gesetzlich zu verbieten.
Mit freundlichen Grüßen
Steffen Pauli
2. Leserbrief
Sehr geehrte Damen und Herren,
netter Artikel. Und netter Versuch, auch von Australien, aber nicht die Wurzel all diesen Übels. Lediglich eine der vielfachen Folgen. Und stets ein leichtes Kratzen an der Oberfläche.
Konkreter: Zum einen gefragt, wers machen soll, hierzulande? (Von ‘wir’ und ‘sollen’ oder ‘müssen’ ist ja zu gern die Rede.) Wo davon doch schon die meisten „derart versaut sind“? Und dann die Frage: Meint man, dass das Erfolg hat? Wo es im Kapitalismus doch ausschließlich ums Geld und Geldverdienen geht? Um Posten, Pöstchen und Macht in Folge? Da finden sich rasch wieder welche, die solche Regelungen kippen.
Obendrein ist es nicht „nur“ das, sondern die gesamte heutige Erziehung – im (kollektiven) Westen. Die (Un)Werte, die darin vermittelt werden, WEILS Kapitalismus ist. Und dann auch noch der „auf höherer Stufe“.
Wie gesagt: Netter Artikel und netter Versuch.
Mit freundlichen Grüßen,
H. Sommer
eine natürlich schon ältere und (ost)deutsche Leserin
3. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Kreiß,
danke dass Sie auf das Problem hinweisen, seinen Umfang, seine Ursprünge und seine Allgegenwart. Helfen Verbote? “Was verboten ist, das macht uns gerade scharf”, sagte man vor 50 Jahren. Helfen könnten den Kindern ihre Eltern, durch Aufklärung und Vorbild. Aber die hängen ja auch alle mit dem Smartphone rum!
Die Gesellschaft ist krank (siehe z.B. “Die narzisstische Gesellschaft”, Hans Joachim Maaz). Die Internetkonzerne nutzen das aus und befeuern es noch. So lange der einzelne Mensch vor seinen Ängsten und sich selbst davon läuft, wird sich nichts ändern. Da ist er leichte Beute für Scharlatane und Betrüger.
Technische Hilfe:
- Internet-Endgerät mit Open Source Betriebssystem (da schon mal fallen alle Smartphones weg).
- Handy (zum telefonieren, GSM, kein GPS, kein IP) nur einschalten wenn ich telefonieren oder erreichbar sein will (gängiger Spruch im Top-Management eines großen Deutschen Technik-Konzerns vor 20 Jahren: “Ist er wichtig oder ist er erreichbar?”).
- Wie kann ich mich auf einen sozialen Kontakt verlassen? Einige male persönlichen Kontakt (direktes Gespräch) haben. Dann Telefonkontakt. Wenn das alles verlässlich funktioniert hat, reicht eine Email.
Damit fallen Facebook, X, und wie sie alle heißen, weg. Wer es dennoch tut, sollte wissen was er da macht. Ob er das macht oder Kokain schnupft, an der Nadel hängt, in den Puff geht, die Funktion und das Suchtpotential sind in etwa gleich.
Viele Grüße,
Rolf Henze
4. Leserbrief
Hallo NDS,
auf den ersten Blick kann ich dem nur zustimmen. Die negativen Auswirkungen des maßlosen Missbrauchs dieser Medien durch Kinder und Jugendliche sind zweifellos gravierend.
Aber wie soll so ein Verbot denn praktisch umgesetzt werden? Um wirklich wirksam zu werden, muss die Altersangabe des Nutzers doch vorweg verifiziert werden – wie denn? Muss dann bei Eröffnung eines Accounts grundsätzlich der (digitale) Personalausweis vorgelegt werden? Die Datenkraken des Internets würden sich freuen und die Anonymität im Internet wäre endgültig Geschichte.
Nützlicher, wenn auch wesentlich aufwendiger wäre m.E. die Kontrolle der Inhalte (Spiele etc.), die angeboten werden und ggf. deren Löschung bzw. Verbot der Verbreitung über die (a)sozialen Medien. Aber wer macht bzw. entscheidet das?
Verbieten ist leicht und das australische Verbot ist wohl auch nur Symbolpolitik ohne ernsthafte Absicht zur Durchsetzung.
Frdl. Gruß
Heinz Kreuzhuber
5. Leserbrief
Liebes Team der Nachdenkseiten
Vielen Dank für den Artikel über unsere Jugend und die asozialen Medien. Das Thema halte ich gesellschaftlich gesehen nach der Wohnungspolitik für das dringlichste Thema, das viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommt.
Ein Aspekt kommt allerdings in diesem Artikel zu kurz. Unsere Jugend ist nicht nur asozialen Medien und Spielen ausgeliefert, sondern auch harter Pornographie, vor der meine Generation noch geschützt wurde.
Komischerweise konnte bei der Cannabis-Legalisierung das Thema Jugendschutz gar nicht hoch gehalten werden. Beim Thema Pornographie hört man nichts.
Was macht es mit einer Generation, die die Liebe nicht mehr selbst entdeckt, sondern der vorgegeben wird, wie Männer und Frauen angeblich zu sein haben und welche sexuellen Wünsche sie zu erfüllen haben? Was macht es mit der Jugend, wenn sie härteste sexuelle Praktiken sehen kann, einfach so, mit einem Klick….?
Ich bin selbst Mutter eines Teenagers und er darf nicht ungehindert frei im Internet surfen oder Apps herunterladen (und auch nicht Fortnite spielen ). Leider sehe ich im näheren Umfeld immer wieder, daß andere Eltern sich nicht mal ansatzweise die Mühe machen, das Internet für ihre Kinder zu reglementieren. Was für ein Versagen meiner Generation!
Die Quittung kommt bald und ist schon jetzt zu sehen, wenn man liest, wie Teenager andere umbringen oder für eine Challenge ihre Gesundheit aufs Spiel setzen.
Kennen Sie das Lied “Diese gottverdammte Pleite” von Ludwig Hirsch? Ich muss oft daran denken, denn so wird es kommen, wenn Eltern und Gesellschaft reihenweise versagen.
Beste Grüße
Michaela Sch.
6. Leserbrief
Sehr geehrte Redaktion,
Ihr eigentlich sehr lesenswerter Artikel zu dem Jugendschutzverbot dieser “Asozialen Medien” geht am Kern des Anliegens dieses Verbotes vorbei. Vor kurzem erst ist der Wahlsieg des nicht-prowestlichen Kandidaten in Rumänien von dem dortigen Gericht annulliert worden, weil angeblich zu viele Wähler durch “TicTOc” desinformiert falsch gewählt hätten. Als in den USA D.Trump zum ersten male siegte, analysierte man, daß die nicht kontrollierten “asozialen Medien” schuld daran seien. Die “asozialen Medien” gefährden also die Demokratie, weil in ihnen nicht hinreichend genug zensiert wird. Was nützt da das Verbot von “Rußland heute”, wenn diese Medien immer wieder gegen die Politische Korrektheit verstoßen und so gerade junge Menschen “desinformieren”.
Was der DDR Regierung einst der nicht unterbietbare Empfang der Westmedien war, ist den westlichen Demokratien die Politische Inkorrektheit dieser Medien, vor denen nun die Jugend zu schützen ist.
Hochachtungsvoll
Uwe Lay, ein Ihnen sehr zugetaner Leser
7. Leserbrief
Ich habe nur den letzten Absatz gelesen.
und damit die größte Vernichtung von Humankapital
“Humankapital”
Und sollte man der Jugend die “sozialen Medien” verbieten, dann wird man wahrscheinlich in ein paar Jahren rumjammern, dass die Jugend nicht mal mehr “nix” kapiert und “wir” noch mehr den Anschluss an die modernen Technologien verloren haben.
Mit freundlichen Grüßen
Günther Gottheis
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Bill Gates fordert digitale Ausweispflicht für Internetzugang
13. Dezember 2024von Dr. Peter F. Mayer3,9 Minuten Lesezeit
Der Milliardär Bill Gates fordert von Regierungen auf der ganzen Welt, Vorschriften einzuführen, die den Internetzugang auf diejenigen beschränken, die ihr Alter mit einem digitalen Ausweis nachweisen können. Der Tech-Tycoon verbrämt den Ausweiszwang, mit dem Schutz von Kindern vor vielen Teilen des Internets, die für Kinder nicht geeignet sind.
Der Hintergrund ist aber die Abschaffung des Rechts auf private Kommunikation, Rede- und Meinungsfreiheit – aus Grundrechten soll eine zu gewährende Gunst werden. Damit fallen auch Redaktionsgeheimnis, Beichtgeheimnis oder Vertraulichkeit der Kommunikation mit Ärzten und Rechtsanwälten.
tkp.at/2024/12/13/bill-gates-fordert-digitale-ausweispflicht-fuer-internetzugang/
Mit freundlichen Grüßen
Günther Gottheis
8. Leserbrief
Moin,
ein Aspekt geht bei dem Ganzen unter:
Durch die Altersbeschränkung muß JEDER Nutzer verifiziert werden, was eine Strafverfolgung deutlich erleichtert und die digitale Totalüberwachung vorantreibt. Wir erinnern uns, daß es bereits staatliche Repressalien willkürlicher Art gab, weil jemand einen Beitrag geteilt hat, der nicht einmal von ihm selbst stammt. Mit der Aufhebung jeglicher Anonymität kann so ziemlich jede unliebsame Meinung umgehend strafrechtlich verfolgt werden. Das Recht auf freie Meinungsäußerung wird damit ad absurdum geführt, weil man bei jedem Beitrag Angst haben muß, ins Fadenkreuz staatlicher Ermittler zu gelangen.
Es ist müßig zu erwähnen, daß die Online-Sucht nicht nur Kinder & Jugendliche erfaßt; Erwachsene sind davor nicht minder gefeit, Frauen meistens mehr betroffen als Männer. Wo sind dazu die Studien?
Wenn man schon digitale High-Tech-Konzerne als Bedrohung ausgemacht hat, zumindest für die frühmenschliche Entwicklung, und dabei noch anerkennen muß, daß diese ebenso schädliche Ausmaße auf den übrigen Rest der Bevölkerung haben, wäre es dann nicht sinnvoller, diese Konzerne an ihrer Ausübung zu behindern oder sie gleich ganz zu schließen?
Zu den ganzen anderen Aspekten, die aus meiner Sicht Unsinn sind…ich könnte noch 2, 3 Seiten dazu schreiben (ich hatte bis dato Herrn Kreiß als erfahrenen & kompetenten Gelehrten wahrgenommen). Nur so viel zum Begriff “Humankapital”:
Er ist menschenverachtend, denn er macht aus jedem menschlichen Wesen eine Nummer, eine Zahl — ein Objekt. Genau das, menschliche Objekte, ist in unserem Grundgesetz nicht vorgesehen. Zumindest glaubte man das noch vor “Corona”, als die “Digitalisierung” mit 7-Meilen-Stiefeln umgesetzt wurde. Mit der Forderung eines Ökonomen, Zwangsverbote für Online-Dienste zu fordern, wird dieser Weg weiter vertieft — ein, wie ich meine, totalitärer Weg, den wir schleunigst wieder verlassen sollten.
Mit freundlichen Grüßen,
Michael Schauberger
9. Leserbrief
Guten Tag, liebe Nachdenker,
wegen “Stoppt endlich die Asozialen Medien”
Das ist doch eine ebenso sichere wie offensichtliche Falle, in die sie jetzt alle tappen.
Hätten die Umfragen auf „Sind Sie für eine Komplettüberwachung sämtlicher sozialer Medien?“ oder ähnlich gelautet, wäre die Zustimmung vermutlich nicht so hoch. Darauf wird schon aus technischen Gründen die staatlich verordnete Zugangsbeschränkung hinauslaufen, nebenbei wird Blockwarterei und Eingriffe in die Familien zunehmen. Ich sehe keinen Grund, einem Staat, dem das alles während der angeblichen Pandemie (bestenfalls) völlig egal war, sein plötzliches „Denkt denn niemand an die Kinder!“ abzunehmen. Zur Erinnerung: In Australien ging man besonders rabiat gegen „Verdächtige“ vor. Bald wird man auch Suchtgefahr durch Chats entdecken, welche dann leider ebenfalls Verboten und überwacht werden müssen. Bonus: Private Kanäle und Inhalte werden stets mit erfaßt werden.
Wer solchen Konstruktionen, Ausschluß eines Teil der Bevölkerung von an sie gerichteten Diensten im Internet, zustimmt, hat keine Argumente mehr gegen ständige Überwachung und Aufzeichnung eines jeden durch staatliche Stellen oder Beauftragte. Ehrlich gesagt, wundere ich mich über die Blindheit der doch so kritischen Anti-Corona-Maßnahmen-Kritiker, die angewendete Strategie scheint weiterhin zu funktionieren.
Zum Handlungsbedarf bei Suchtgefahr indes will ich damit nichts gesagt haben.
Guten Tag wünscht
Udo Steinbach
10. Leserbrief
Liebe Nachdenkseitenredaktion,
so sehr die Förderung eines vernünftigeren Umgangs mit den “sozialen Medien” zu begrüßen ist, ist dieser regulatorische Ansatz katastrophal falsch.
Es erzwingt nämlich eine persönliche Identifizierung (identity vetting) eines _jeden_ Nutzers:
Wenn ich als 50+ einen Dienst wie twitter o.ä. nutzen möchte, müsste ich im Rahmen dieser Regelung gegenüber dem Anbieter zweifelsfrei nachweisen, nicht <16 zu sein. Also Alterverifikation, für den Anbieter nur dann zuverlässig, wenn mein Nutzeraccount hart mit real-life Identität verknüpft ist – Ergebnis: Ausweispflicht!
Die angedrohten hohen Geldstrafen dürften dafür sorgen, dass weniger stabile Verifikationssysteme eher schlechte Karten haben.
Damit Ende der “Anonymität” (oder besser Pseudonymität) in den betroffenen Diensten, leichtere Verfolgung von “Schwachkopf” Äußerungen, und alles mal wieder unter dem Etikett “Denkt denn keiner an die Kinder”!!111
Maßnahmen zur Medienkompetenzbildung wären m.E. deutlich konstruktiver, wenn das Ziel tatsächlich Kinder/Jugendschutz gewesen sein sollte – ich fürchte hier die Etablierung eines Kontrollsystems.
Trotzdem: Schönen Abend!
Karsten H.
Und schon wieder, <Stoppt endlich die Asozialen Medien>, das unreflektierte:
“Daher sollten wir dringend dem australischen Weg folgen, die Nutzung der Asozialen Medien unter 16 verbieten”
Sorry, das wird nichts!
So was geht nur mit einem verpflichtenden Identitätsnachweis für alle Nutzer – wie sollte ich sonst beweisen, dass ich das Mindestalter erreicht habe?
Wer das kritiklos vertritt, unterstützt ein ultimatives Meinungskontrollinstrument.
Bitte reflektiert das, bevor diese Position weiter unterstützt wird.
Karsten H.
11. Leserbrief
Hallo NDS,
Christian Kreiß greift in seinem Beitrag ein Thema auf, das mir als Vater von 4 Kindern auch auf den Nägeln brennt. Und ich behaupte, dass man das Problem nicht mit Altersgrenzen eindämmen kann. Während meine Kinder nicht mit Telefon in die Schule dürfen, haben praktisch alle anderen ein solches in der Tasche, gerne mit einem ordentlichen Datenvolumen von 20 bis 30 Gigabyte pro Monat versehen. Sie können über Mobilfunk in jeder freien Minute in ihre Zockerwelten und (a)sozialen Medien abtauchen. Und genau das tun sie auch. Die Aufmerksamkeit im Unterricht geht gegen Null, Zehnjährige zocken halbe Nächte Fortnite, Kinder tauchen nach nur vier Stunden Schlaf völlig übermüdet im Unterricht auf, in der siebten Klasse schickt man sich über Whatsapp harte Pornos. Ihr glaubt das nicht? So ist es aber. Das ist die Realität in Deutschland im Jahr 2024.
Wie will man die Geister wieder loswerden, die man selber rief? Eine Altersgrenze bringt gar nichts, denn die Eltern müssen ja ohnehin den Telefonvertrag abschließen, und dann drücken sie das Telefon ihrem achtjährigen Kind zur uneingeschränkten Nutzung in die Hand. Fertig! Die Eltern haben endlich Ruhe, das Kind ist glücklich. So etwas nennt man wohl eine Win – Win – Situation. Die Dritten im Bunde, die auch zu den Gewinnern zählen, sind die großen Akteure im Silicon Valley, welche im Hintergrund fleißig Daten sammeln und den jungen Konsumenten besser kennen als seine eigenen Eltern.
Und nun versuche ich, meinen Kindern zu erklären, dass die ganze Sache mindestens gefährlich ist. Dass sie da nicht mitmachen und sich auf ihre persönliche Entwicklung konzentrieren sollen, dass echte soziale Kontakte mehr wert sind. Ich ernte nur verständnisloses Kopfschütteln, sie reden von Ausgrenzung und kritisieren mich nahezu täglich für meine harte Linie. Nur gibt es aus meiner Sicht eben keinen Mittelweg, auch Administratorrechte auf den Telefonen der lieben Kleinen helfen nicht. Das Ding geht in dem Moment schief, wo man ihnen das Telefon in die Hand drückt. Mindestens Whatsapp haben sie, und dort beginnt die Katastrophe schon. Eine normale Schulklasse schickt sich in der Klassengruppe locker 3.000 “Nachrichten” am Tag, bis weit in die Nacht. Und das ist nur Whatsapp!
Was tun also? Ich sehe mich in der Pflicht, mit gutem Beispiel voranzugehen, aber das wird nicht reichen, denn der Druck von außen ist zu stark. Mit den Folgen darf sich die Gesellschaft in Kürze auseinandersetzen. Ich bin gespannt, was dabei herauskommt…
Beste Grüße
André Braband
12.Leserbrief
Hallo,
als jemand mit tausenden Stunden Erfahrung in “Killer-“, “Baller-” und “Kriegsspielen” wollte ich ein paar Gedanken zu einem Teil von Herrn Kreiß’ Beitrag loswerden.
Mir kommt es so vor, dass im Abschnitt “Auswirkungen der Mediennutzung auf unsere Jungs” viel persönliche Meinung einfließt, und es erinnert mich ein bisschen an die Berichterstattung nach dem Drama in Emsdetten 2006. “Killerspiele” wurden damals als universeller Sündenbock eingesetzt und mir scheint als wäre der Autor in gewissen Punkten etwas uninformiert.
“Kriegs- und Killer-Simulationen wie Fortnite[12], World of Warcraft, Call of Duty[13] und so weiter werden mehrheitlich von Jungs und jungen Männern gespielt.”
Fragwürdig ist es, “World of Warcraft” in der Auflistung für Kriegs- und Killerspiele aufzuführen, da das Spiel primär in einer mittelalterlichen Fantasiewelt mit Fabelwesen/Monstern spielt. So gesehen wären die “Herr der Ringe”-Filme dann auch “Kriegsfilme”, aber der Autor ist da nicht der Erste – als die “Killerspiel”-Debatte nach Emsdetten geführt wurde, hatte die “Bild”-Zeitung das Fantasie-Rollenspiel auch als “Ballerspiel” bezeichnet.
“In seinem Film Fahrenheit 9/11 zeigte Michael Moore bereits 2004, wie im US-Militär junge Soldaten durch solche Spiele auf Kampfeinsätze im Krieg vorbereitet wurden.”
“Solche Spiele” – Eine andere Formulierung wäre hier passend. Soweit ich mich erinnern kann, geht es dort explizit um das Spiel “America’s Army”, das indirekt von der United States Navy entwickelt wurde und dessen Verleger die United States Army ist.
Das Spiel wurde zu Propagandazwecken entwickelt und um neue Rekruten anzulocken. Persönlich bezweifle ich stark, dass ein Videospiel jemanden auf die geistige und körperliche Extremsituation eines Kampfeinsatzes vorbereiten kann.
“Umso erstaunlicher ist es, dass wir unsere Kinder und Jugendlichen in größtmöglichem Umfang und ohne nennenswerte öffentliche Diskussion diese ‘Killer’-Spiele ‘spielen’ lassen.”
Spiele erhalten eine FSK-Einstufung, und bei besonders schweren Fällen landen die Titel auf dem Index und können nicht im legalen Umfang in Deutschland gekauft werden.
“Altersschranken werden oft umgangen. Häufig spielen bereits Zehnjährige diese Art von Killer- und Ego-Shooter-Spielen.”
Die EULA der Spiele enthält fast immer ein Mindestalter, und Benutzerkonten können nur mit Altersabfrage erstellt werden. Wenn Kinder Zugang zu solchen Spielen erhalten, ist das ein Mangel an elterlicher Aufsicht.
Das Internet ist kein Ort, den ein Kind unbeaufsichtigt durchforsten sollte, und eine Verschärfung der Kontrollprozesse geht immer in Richtung einer digitalen Ausweisüberprüfung und einem weiteren Schritt zur flächendeckenden Überwachung.
“Ich befürchte, dass nach ein paar Kohorten von Kindern und Jugendlichen, die mit diesen entseelenden Spielen besonders früh angefixt wurden, schlimme gesellschaftliche Folgen auf uns zukommen.”
Dieser Fall müsste dann schon längst eingetreten sein. Schon vor der Zeit von “Fortnite” waren Spiele wie “Counter Strike”, “Halo”, “Quake” und “Unreal Tournament” extrem beliebt, teilweise mit expliziter Gewaltdarstellung.
Demnach müsste meine Generation bereits komplett “entseelt” sein.
“Aggression, Rücksichtslosigkeit, Egoismus, aber auch Suchtverhalten und Krankheit werden meiner Einschätzung nach dadurch massiv gefördert.”
Über die ersten drei Punkte lässt sich streiten. Was Krankheit bzw. Suchtverhalten angeht, sollte vielleicht mal ein Auge auf die glücksspielähnlichen Praktiken in Videospielen geworfen werden, anstatt auf die Thematik der Spiele.
Man muss die Öffentlich-Rechtlichen oder Jan Böhmermann nicht mögen, aber der Beitrag von ZDF-Magazin-Royale beleuchtet das Thema recht gut: youtube.com/watch?v=hTeTjx4k9jQ
Generell würde mich interessieren, worauf der Autor sich hier stützt – zwar werden Fußnoten bezüglich der Demografie der Spieler von gewissen Spielen genannt, aber nicht im Hinblick darauf, wie Videospiele im Zusammenhang mit Gewalt/Aggression bei Jugendlichen/Kindern stehen.
Mit entseelten und verrohten Grüßen
David Dotsch
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