Nachdem der Leiter der russischen Abwehr gegen atomare, biologische und chemische Waffen, General Igor Kirillow, der Regierung in Kiew zwei Jahre lang den Einsatz von Chemiewaffen vorgeworfen und die USA wegen der angeblichen Einrichtung von Bio-Laboren zu militärischen Zwecken rund um die Ukraine beschuldigt hatte, wurde der 54 Jahre alte General am Dienstagmorgen vor seinem Haus im Süden von Moskau durch einen Sprengsatz getötet. Am Mittwochmorgen wurde bekannt, dass ein Tatverdächtiger gefasst wurde. Aus Moskau berichtet Ulrich Heyden.
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Die russischen Behörden ermitteln wegen Mord, Terrorismus und unerlaubtem Waffenbesitz. Leitende Beamte der russischen Innenbehörde besuchten den Ort des Anschlags. Durch die Explosion wurden mehrere Autos und der Hauseingang schwer beschädigt. Fensterscheiben bis hinauf zur zehnten Etage wurden zerstört.
Nur einen Tag vor dem Mord in Moskau hatte der ukrainische Geheimdienst SBU Kirillow beschuldigt, er habe den Einsatz von Chemiewaffen gegen die Ukraine befehligt. Detaillierte Angaben zu diesem Vorwurf wurden nicht gemacht. Mit dieser Beschuldigung „habe man klarmachen wollen“, wer den Mordanschlag verübt hat, schrieb das oppositionelle ukrainische Portal strana.ua. Der Berater des ukrainischen Präsidenten Michail Podoljak bestritt allerdings eine Beteiligung der Ukraine an dem Mord.
Es sieht so aus, als ob Kiew den Spieß umgedreht hat. Die Beschuldigungen aus Russland wegen ukrainischer Chemiewaffen und US-amerikanischer Biowaffen-Labore werden von Kiew nun gegen Russland selbst erhoben. Doch es könnte noch schlimmer kommen. Will Kiew von einer noch zu erwartenden Provokation im atomaren oder chemischen Bereich ablenken, vor welcher der ermordete General seit zwei Jahren gewarnt hat?
Der Mord
So viel ist bisher bekannt: Am Dienstagmorgen um 6:12 Uhr wurden der Leiter der russischen Abwehr für nukleare, bakteriologische und chemische Waffen, Igor Kirillow, und sein Assistent Ilja Polikarpow von einem ferngezündeten Sprengsatz getötet, als sie ein Mehrfamilienhaus am Rjasanski Prospekt im Süden von Moskau, wo Kirillow wohnte, verließen.
Nach Angaben der Nachrichtenagentur Tass wurde ein Kilogramm Sprengstoff eingesetzt. Dieser war an einem Elektro-Roller angebracht, der am Dienstagmorgen um 4:00 Uhr vor dem Eingang zum Wohnhaus von Kirillow geparkt worden war. Bei der Explosion habe der ganze Bezirk gedröhnt, sagte ein Augenzeuge gegenüber dem russischen Portal rbk.ru. In russischen Fernsehinterviews berichteten Anwohner, sie seien erschüttert und hätten Angst.
Wie am Dienstagabend bekannt wurde, hatten die Organisatoren des Anschlags in einem Leihwagen, der direkt vor dem Ort des Anschlags geparkt worden war, eine Kamera installiert, die nicht nur die Explosion der Bombe, sondern auch die Spurensuche noch Stunden nach der Explosion online in die Ukraine übertrug. Dies berichtete der russische News-Kanal Rossija 24.
Wie die Vertreterin des russischen Sicherheitskomitees, Swetlana Petrenko, erklärte, haben die russischen Sicherheitsstrukturen inzwischen einen Tatverdächtigen festgenommen Dabei handele es sich um einen Usbeken, der im Jahr 1995 geboren wurde. Wie das Internetportal des russischen Fernsehens Vesti am Mittwochmorgen berichtete, wurde der Tatverdächtige vom ukrainischen Geheimdienst angeworben und beauftragt, nach Moskau zu fahren. Dort habe er den Sprengstoff an einen Elektro-Roller montiert und den Roller dann vor dem Eingang des Wohnhauses von Kirillow abgestellt. Um das Opfer zu beoabachten, habe der Tatverdächtige ein Leihauto gemietet, welches er vor dem Wohnhaus des Generals geparkt habe. In dem Leihwagen habe er eine Kamera installiert, welche ihre Aufnahmen online in die ukrainische Stadt Dnjepr sendete. Als das Signal kam, dass Kirillow und sein Adjudant das Haus verließen, sei die Bombe gezündet worden. „Für die Durchführung des Verbrechens wurden 100.000 Dollar Belohnung und die Ausreise in ein europäisches Land versprochen,“ erklärte die Vertreterin des russischen Ermittlungskomitees.
Im russischen Internet wurde am Dienstag die Frage aufgeworfen, wie ein russischer General in einem Viertel wohnen kann, das nicht zu den besser bewachten Bezirken der Elite gehört und wo es aus dem Hauseingang gleich auf die Straße geht.
Dass die Terroristen die Adresse des Generals herausbekommen hatten, sorgte in Russland dagegen nicht für Erstaunen. Schon seit 30 Jahren werden immer wieder Datensammlungen von Behörden oder Dienstleistungsunternehmen geknackt.
Anschuldigungen aus Kiew
Nach einem Bericht der ukrainischen Nachrichtenagentur Unian wurde der Anschlag vom ukrainischen Geheimdienst ausgeführt. Am Abend vor dem Anschlag teilte der ukrainische Geheimdienst SBU mit, Kirillow habe den Einsatz von Chemiewaffen gegen die ukrainische Armee befohlen.
Der ukrainische Geheimdienst behauptet, Russland habe seit 2022 4.880-mal Chemiewaffen gegen die Ukraine eingesetzt. Nähere Angaben, an welchen Orten die Waffen genau eingesetzt wurden, machte die Nachrichtenagentur nicht. Es wurde nur erklärt, Russland habe die Granate K-1 mit Giftstoffen verstärkt. Seit 2022 seien 2.000 ukrainische Soldaten mit Vergiftungen in Krankenhäuser eingeliefert worden. Auch zu diesem Vorwurf wurden keine näheren Angaben gemacht. Auch Videos und Fotos wurden zu diesen Vorwürfen nicht veröffentlicht.
Anschuldigungen gegen die USA und Kiew
Seitdem die russische Armee 2022 in die Ukraine einmarschiert war, hatte Kirillow Washington vorgeworfen, in der Ukraine Biolabore zu betreiben. In diesen Laboren wurde angeblich der Einsatz von ansteckenden Krankheiten – unter anderem durch den Einsatz von Mücken – vorbereitet, um Epidemien auszulösen.
Insgesamt hätten die USA 45 Biolabore in der Ukraine und anderen Ländern, die an Russland grenzen, unterhalten. Kirillow hatte Untersuchungsergebnisse dieser Labore veröffentlicht. Er hatte erklärt, die Labore würden direkt von US-Präsident Joe Biden geleitet. Finanziert würden die Labore über die Stiftung Rosemont Seneca, die von Hunter Biden geleitet wird.
Als General Kirillow im Jahr 2022 versuchte, die Frage der Biolabore von der UNO untersuchen zu lassen, wurde das nach Angaben der russischen Zeitung Komsomolskaja Prawda von westlichen Staaten verhindert.
General Kirillow hatte erklärt, Kiew habe seit 2022 400-mal chemische Waffen an der Front in der Ukraine – insbesondere in den Gebieten Donezk, Kremenaja und Artjomowsk – eingesetzt.
Im August 2024 habe die ukrainische Armee als Rauchbomben getarnte chemische Waffen gegen die Stadt Sudscha in dem von der ukrainischen Armee angegriffenen Gebiet Kursk eingesetzt.
Kiew, so hatte der General gewarnt, plane den Einsatz einer „schmutzigen Bombe“, bestehend aus radioaktiven und chemischen Abfällen.
Ukrainischer Militärexperte: „Die israelische Taktik“
Der ukrainische Militärexperte Michail Schirochow erklärte, „offensichtlich nutzt die Ukraine jetzt schrittweise die Erfahrungen von Israel, welches keine Möglichkeit hatte, sich gegen arabische Länder direkt zu wehren, aber insgesamt realisiert der Mossad die Vernichtung von Schlüsselfiguren und Terroristen. Eine ähnliche Taktik sehen wir in den letzten Jahren in der Ukraine.“
Wer war General Igor Kirillow?
Igor Kirillow wurde 1970 in der nördlich von Moskau gelegenen Stadt Kostroma geboren. Er besuchte eine Militärschule mit dem Schwerpunkt Schutz vor chemischen Waffen. Seit 1987 ist er Militärangehöriger. Von 1991 bis 1995 diente Kirillow bei den sowjetischen Truppen in Ostdeutschland und im Moskauer Gebiet. Seit 2017 leitete er die russische ABC-Abwehr.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa erklärte, Kirillow habe „anhand von Fakten systematisch die Verbrechen der Angelsachsen untersucht“.
Der Sekretär des russischen Sicherheitsrates Dmitri Medwedew erklärte nach dem Mordanschlag, die ukrainische Führung müsse „mit Rache rechnen. Der Versuch, unser Volk zu ängstigen, den Vormarsch der russischen Armee zu stoppen und Angst zu verbreiten, ist zum Scheitern verurteilt.“
Aktualisierung 18.12.2024 10 Uhr: Aufgrund neuer Informationen wurde der Artikel an mehreren Stellen aktualisiert.
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