In Rumänien hat das Verfassungsgericht den ersten Wahlgang bei den Präsidentschaftswahlen mit einer höchstumstrittenen Argumentation annulliert. Geklagt hatten zumeist westlich finanzierte Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf Grundlage von kaum zu verifizierenden Geheimdienstinformationen, die wiederum der scheidende Präsident erst auf Druck derselben NGOs veröffentlicht hatte. Demnach hätte angeblich eine russische Einflussoperation auf Tik-Tok den Erfolg des erstplatzierten NATO- und EU-Kritikers Calin Georgescu ermöglicht. Doch in den bisher veröffentlichten Geheimdienstdokumenten kommt „Russland“ als Akteur noch nicht einmal namentlich vor. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, wie die Bundesregierung, auch angesichts der anstehenden Bundestagswahl, diesen Vorgang politisch bewertet. Von Florian Warweg.
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 11. Dezember 2024
Frage Warweg
In Rumänien hat das Verfassungsgericht ja nach Klagen auf Grundlage von bisher kaum zu verifizierenden Geheimdienstinformationen über angeblich russische Einflussnahme via TikTok-Videos den ersten Wahlgang der Präsidentschaft annulliert. Die als proeuropäisch geltende liberale Stichwahlkandidatin Lasconi nannte die Entscheidung illegal. Der Gewinner des ersten Wahlgangs, Georgescu, sprach von einem Staatsstreich. In den bisher veröffentlichten Geheimdienstinformationen ist von Russland als Akteur auch gar nicht die Rede. Vor diesem Hintergrund würde mich interessieren, wie die Bundesregierung denn auch eingedenk der anstehenden Bundestagswahlen die Annullierung einer Wahl mit Verweis auf eine TikTok-Kampagne politisch bewertet.
Fischer (AA)
Ich glaube, ich würde mich jetzt von hier aus damit schwertun, mich zur verfassungsmäßigen Ordnung Rumäniens zu äußern. Es hat eine Entscheidung des Verfassungsgerichts gegeben, die wie alle Entscheidungen von Verfassungsgerichten auch zu befolgen ist. In diesem Sinne ist die rumänische Justiz zu dem Schluss gekommen, dass es zu einer Wahlbeeinflussung im ersten Wahlgang gekommen ist und hat die entsprechend aus ihrer Sicht notwendigen Entscheidungen getroffen.
Zusatzfrage Warweg
Bei den Kollegen der Deutschen Welle wird das rumänische Verfassungsgericht als verlängerter Arm des politischen Establishments bezeichnet, beim Deutschlandfunk als „Handlanger der Sozialdemokratischen Partei“, und es wird schon sichtbar, dass es da einiges an Problemen und politischer Einflussnahme gab.
Jetzt bin ich lang genug in der BPK, um mich zu erinnern, dass Sie sich beim Machtstreit zwischen Maduro und Guaidó sehr wohl sehr deutlich positioniert haben, auch bei Entscheidungen des Verfassungsgerichts in Caracas. Deswegen erkenne ich nicht ganz, wieso das jetzt im Falle von Bukarest so viel anders sein soll. Die Bundesregierung wird sich doch – das wird ja von vielen als ein historischer Akt bezeichnet – eine Meinung gebildet haben zu diesem wirklich einmaligen Vorgang einer Komplettannullierung einer Wahl mit Verweis auf ein paar Tausend TikTok-Konten.
Fischer (AA)
Herr Warweg, Rumänien ist ein Rechtsstaat und eine Demokratie. Das steht im Gegensatz zu der Ordnung, die wir in Venezuela sehen.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 11.12.2024