Lieferten MDR-Journalisten einen Informanten an den Thüringer Verfassungsschutz aus?

Lieferten MDR-Journalisten einen Informanten an den Thüringer Verfassungsschutz aus?

Lieferten MDR-Journalisten einen Informanten an den Thüringer Verfassungsschutz aus?

Tobias Riegel
Ein Artikel von: Tobias Riegel

Schwere Vorwürfe gegen Journalisten des MDR sowie gegen den Präsidenten des Thüringer Verfassungsschutzes hat Apollo-News formuliert. Es geht um nicht berücksichtigte Gutachten zur AfD, einen fragwürdigen Führungsstil und angeblich verweigerten Quellenschutz. Die Vorwürfe wurden laut dem Medium bisher nicht dementiert. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Anschuldigungen gegen zwei Journalisten des MDR sowie gegen den Präsidenten des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz (VfS) , Stephan J. Kramer, hat das Medium Apollo-News geäußert. Dabei geht es zum einen um angeblich nicht gewährleisteten Quellenschutz für einen internen Informanten, dessen Vorstoß laut dem Artikel von MDR-Journalisten an die Führung des Verfassungsschutzes übermittelt worden sei.

Zum anderen geht es um den Führungsstil des Thüringer VfS-Präsidenten Stephan Kramer, wegen dem bereits zahlreiche Mitarbeiter die Behörde verlassen hätten, so der Bericht. Kramer habe außerdem ein die AfD entlastendes Gutachten nicht in den Prozess zur Beurteilung darüber einbezogen, wie extremistisch die Partei einzustufen ist. Zusätzlich stehe Kramer wegen eines gemeinsamen Fotos mit russlandfreundlichen Rockern unter Druck. Hintergründe und Details zu diesen Vorwürfen finden sich in diesem Bericht von Apollo-News.

Über den Vorgang haben auch unter anderem die Berliner Zeitung oder das Magazin Cicero berichtet. Ansonsten bleibt es in der Medienlandschaft bislang ziemlich ruhig um die Vorwürfe.

Keine Dementis der Vorwürfe

Weder der MDR noch der Thüringer Verfassungsschutz hat laut Apollo-News bisher auf die Vorwürfe reagiert. So seien entsprechende Anfragen unbeantwortet geblieben. Es habe aber bisher auch noch keine der angesprochenen Seiten die Vorwürfe dementiert.

Zu den Hintergründen heißt es bei Apollo-News, dass sich Kramer, der in der Motorrad-Rockerszene aktiv sei, 2015 an einer Kranzniederlegung für Gefallene der Roten Armee beteiligt habe. Mit dabei seien mehrere Rockergruppierungen gewesen, unter anderem die „Putin-nahen“ Nachtwölfe. Auf einem Foto habe Kramer neben Mitgliedern der Nachtwölfe posiert. Die Veranstaltung sei dabei vom Verfassungsschutz observiert worden.

Einige Monate nach diesem Foto sei Kramer Verfassungsschutzpräsident in Thüringen geworden. Insider hätten berichtet, dass das Foto im Amt „kursiert“ sei. 2018 soll ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes versucht haben, mit diesem Foto in die Öffentlichkeit zu gehen. Er habe damals die MDR-Journalisten Axel Hemmerling und Ludwig Kendzia kontaktiert. Doch die beiden Journalisten hätten laut Apollo-News den Vorgang nicht veröffentlicht – stattdessen hätten sie Stephan Kramer selbst kontaktiert und hätten ihn über seinen Mitarbeiter, der auspacken wollte, informiert. Der Vorgang sei in Chatverläufen belegt, so Apollo-News. Diese Chatverläufe habe Kramer dann an das dem Verfassungsschutz übergeordnete Thüringer Innenministerium weitergegeben. Kurze Zeit später hätte der Mitarbeiter nicht mehr im Amt für Verfassungsschutz gearbeitet, so der Bericht.

Aufgrund des in den Chatverläufen dokumentierten Austauschs von Kramer mit den Journalisten über einen seiner eigenen Mitarbeiter und über weitere Interna sei dann ein Disziplinarverfahren gegen Kramer selbst eröffnet worden. Auch die Journalisten Kendzia und Hemmerling seien vom Verfassungsschutz befragt worden.

In einem von Apollo-News zitierten Dokument des Innenministeriums werde Kramer intern kritisiert. Dort heiße es, es bestünde der Verdacht, Kramer stelle ein „ernsthaftes Sicherheitsrisiko“ dar. Der Präsident habe möglicherweise eine „gewichtige Straftat“ begangen. Auch die beiden Journalisten Kendzia und Hemmerling werden laut dem Artikel in dem Dokument erwähnt. Kendzia und Hemmerling arbeiten laut Apollo-News weiterhin für den MDR. Die beiden Journalisten hätten sich auf Nachfrage nicht geäußert, der MDR habe mitgeteilt, man könne den Sachverhalt nicht prüfen, da dem Sender die Chatverläufe nicht vorliegen würden.

Der „Kramer-Komplex“

Die Geschichte mit dem Foto und den MDR-Journalisten ist nur ein Aspekt unter vielen zum Thüringer Verfassungsschutz, die Apollo-News in dem Artikel „Der Kramer-Komplex“ schildert – bislang bleiben diese Schilderungen unwidersprochen von der Behörde. Demnach würde Kramer seine Behörde mit einem „rücksichtslosem System“ führen. Seit 2019 hätten mindestens 20 Mitarbeiter den Thüringer Verfassungsschutz verlassen, das sei rund ein Fünftel der gesamten Belegschaft. So sei unter anderem die Position des „Referatsleiters Rechts- und Linksextremismus“ seit fast drei Jahren formal nicht besetzt, seit über einem Jahr nicht einmal mehr kommissarisch.

Außerdem: 2018 habe der Verfassungsschutz Thüringen die AfD als Prüffall einstufen lassen, 2021 habe die Behörde die AfD als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft. In diesem Zusammenhang habe Kramer ein die AfD entlastendes Gutachten nicht berücksichtigt, so der Artikel. Zu den Vorwürfen gegen ihn habe sich Kramer auf Anfrage nicht geäußert.

Bisher beruhen alle hier zitierten Schilderungen auf Berichten von Apollo-News. Laut dem Medium hat aber bisher keine Seite die Vorwürfe dementiert. Sollten die Vorwürfe unzutreffend sein, dann sollten sowohl MDR als auch Verfassungsschutz/Thüringen schnell Dementis formulieren und veröffentlichen, um Klärung zu schaffen. Sollte das noch geschehen, werden wir diesen Artikel aktualisieren.

Falls die hier zitierten Berichte aber zutreffen, wäre Folgendes festzustellen: Das Verhalten der beiden MDR-Journalisten wäre dann als skandalös und gegen die Berufsethik gerichtet einzuordnen. Die starke Politisierung des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz in eine bestimmte Richtung durch Präsident Kramer wäre als sehr unangebracht einzustufen.

Bemerkenswert: Bisher greift fast kein Medium die Geschichte auf.

Titelbild: Anelo / Shutterstock

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