Das US-Justizministerium (DOJ) berichtete im Juni groß, es habe eng mit Mexiko und China zusammengearbeitet, um flüchtige Personen festzunehmen, die in einen Geldwäschering verwickelt waren. Daran seien eine in Kalifornien ansässige Geldtransfergruppe und chinesische Untergrundbanken beteiligt gewesen, um große Mengen von Drogenerlösen des Sinaloa-Kartells einzusammeln und zu verarbeiten. Doch 2021 räumte US-Finanzministerin Yellen ein, dass die USA der beste Ort seien, um illegal erworbene Gewinne zu verstecken und zu waschen. Eine zentrale Rolle soll dabei auch die Deutsche Bank spielen. Von Álvaro Verzi Rangel.
Nach Angaben des Justizministeriums hat das mexikanische Sinaloa-Kartell 50 Millionen US-Dollar über ein mit China verbundenes Netzwerk gewaschen. Eine mehrjährige Untersuchung mit dem Namen „Operation Fortune Runner” habe zur Anklageerhebung gegen 24 Angeklagte geführt, die als Mitglieder des Sinaloa-Kartells in Los Angeles identifiziert worden seien, so das DOJ.
Fentanyl ist zu einem weiteren Schlachtfeld zwischen den USA und Mexiko sowie im Inland geworden, wobei die Republikaner Fentanyl als Waffe im Krieg gegen die Grenzpolitik der Regierung Joe Bidens oder den Umgang mit der steigenden Kriminalität in den Großstädten einsetzen, wo eher die Demokraten gewählt werden.
Offiziellen Zahlen zufolge starben im Jahr 2023 in den USA 101.770 Menschen an einer Überdosis: 59,19 Prozent von ihnen durch die Einnahme von Fentanyl.
Wie die USA süchtig nach Fentanyl wurden, ist eine klassische Geschichte von Wirtschaft, Angebot und Schaffung von Nachfrage, die Mitte der 1990er-Jahre begann, als Pharmaunternehmen wie Purdue aggressiv die Regeln des medizinischen Marketings änderten, um Arztpraxen und Arzneischränke im ganzen Land mit neuartigen Pillen namens Oxycontin zu überschwemmen.
Sie würden nicht nur den Schmerz ein für alle Mal beenden, sondern auch nicht süchtig machen, hieß es. Als dieses sensationelle Angebot auslief, ging ein Heer von Süchtigen auf der Suche nach Heroin auf die Straße, das billiger und gefährlicher ist. Die Opioid-Epidemie war bereits eine beispiellose Krise, als eine mächtige Droge auf den Markt kam, von der außerhalb eines Operationssaals kaum jemand je etwas gehört hatte: Fentanyl, das alle bisherigen Gewohnheiten hinwegfegte.
Der Vater von Fentanyl, das wirksamer und billiger als Morphium ist, ist ein belgischer Chemiker namens Paul Janssen. Seine Erfindung wurde erstmals in der Herzchirurgie eingesetzt und revolutionierte die Medizin. Im Jahr 1985 eröffnete Janssen in China das erste westliche Labor zur Herstellung von Fentanyl. Das US-Justizministerium benötigte mit der „Operation Fortune Runner” nach eigenen Angaben jahrelange Nachforschungen und umfangreiche internationale Kooperationsbemühungen, um dieses Vorhaben aufzudecken und – angeblich – zu durchkreuzen.
Wenn das stimmt, wäre dies eine der größten Verschwendungen öffentlicher Gelder durch Washington. Denn Tausende von Arbeitsstunden wären damit verbracht worden, Ressourcen aufzuspüren, die dem entsprechen, was Drogenhändler in wenigen Minuten im US-Bankensystem bewegen ‒ so ein Leitartikel in der mexikanischen Tageszeitung La Jornada.
Was die USA mit ihrem Bericht wirklich offenbaren, ist weder die Macht des mexikanischen organisierten Verbrechens noch die angebliche Verwicklung chinesischer Persönlichkeiten in den Schmuggel von Fentanyl und seinen Vorläufersubstanzen, sondern die Heuchelei, die Washingtons Anti-Drogen-Politik bestimmt. Nach Angaben des Tax Justice Network sind die USA die größte Steueroase der Welt.
Bereits im Dezember 2021 räumte Finanzministerin Janet Yellen ein, dass die USA der beste Ort sind, um unrechtmäßig erworbene Gewinne zu verstecken und zu waschen, und zwar „aufgrund der Art und Weise, wie wir es den Leuten erlauben, Scheinfirmen zu gründen, ohne offenzulegen, wer der wirkliche Eigentümer ist”. So sind beispielsweise im Bundesstaat Delaware 1,3 Millionen Unternehmen registriert, das sind mehr als die Einwohnerzahl des Staates (1,18 Millionen).
Ebenso sind die 50 Millionen Dollar des vom DOJ verfolgten großen Plans lächerlich im Vergleich zu den Beträgen, die sich in den USA und anderen westlichen Banken bewegen, vor den Augen aller und ohne dass jemand die Kriminellen stört.
Im Jahr 2020 stellte das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) fest, dass die Deutsche Bank, die Bank of New York Mellon, Standard Chartered, JPMorgan und HSBC mehr als zwei Billionen Dollar in Transaktionen bewegten, die als potenzielle Geldwäscheaktivitäten eingestuft wurden. Diese Zahl ergab sich bereits aus einigen wenigen vom ICIJ analysierten Dokumenten über fragwürdige Bankverfahren. Weit davon entfernt, diese Situation zu korrigieren, haben die USA sie sogar noch verschlimmert. Vor sechs Jahren waren sie nach der Schweiz an zweiter Stelle der Welt, aber seitdem ist das US-Recht gegenüber der Undurchsichtigkeit des großen Geldes immer nachgiebiger geworden.
Das US-Justizministerium hat nach eigenen Angaben das Finanznetzwerk ins Visier genommen, mit dem das mexikanische Sinaloa-Kartell die Millionen von Dollar wäscht, die es aus dem Verkauf und Handel von Drogen ‒ insbesondere Fentanyl – bezieht. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass in den USA ansässige chinesische Wechselstuben im Zentrum des kriminellen Netzwerks stünden.
Laut einer von der US-Staatsanwaltschaft veröffentlichten Anklageschrift gegen 24 Personen, die mit dem Sinaloa-Kartell und der „chinesischen Untergrundbank” in Verbindung stehen sollen, zahlte die mexikanische kriminelle Organisation einen „ermäßigten Satz”, um ihre Drogengewinne zu waschen, was es ihr wiederum ermöglicht hätte, „ihre Gewinne zu repatriieren” und weiterhin tödliche Dosen in die USA zu schicken.
Das Tax Justice Network, eine Gruppe, die 2003 von Forschern in den Bereichen Steuervermeidung, Wettbewerb und Steueroasen gegründet wurde, erstellte eine Rangliste der Länder, die sich am meisten an der Verschleierung des Reichtums der Bürger beteiligen. Der Studie zufolge sind die sogenannten Finanzgeheimdienste zwar weltweit zurückgegangen, aber fünf Länder haben den Fortschritt dabei verlangsamt: die USA, Großbritannien, Deutschland, Italien und Japan.
Diese fünf Länder haben den weltweiten Fortschritt mehr als halbiert, indem sie das Finanzgeheimnis fördern, anstatt es zu bekämpfen. Die G7 müsse klarstellen, „wo sie im Kampf gegen das Finanzgeheimnis steht, indem sie sich zu einem globalen Vermögensregister verpflichtet“, sagte Alex Cobham, Leiter von Tax Justice Network.
In einer Studie aus dem Jahr 2021 stellte das Netzwerk fest, dass die USA dafür verantwortlich sind, dass dem Rest der Welt jährlich 20 Milliarden Dollar an Steuereinnahmen entgehen, weil sie nicht ansässigen und beschränkt steuerpflichtigen Personen erlauben, ihre Finanzen zu verstecken und Steuern zu hinterziehen.
Die Organisation richtete einen Aufruf an die G7-Länder, denen sie vorwirft, die globale Transparenz zu untergraben. Sie fordert eine UN-Steuerkonvention, damit die Regulierung nicht mehr in Händen „einiger weniger reicher Länder liegt, die sich wiederholt als die größten Steueroasen der Welt erwiesen haben”.
„Die USA sollten auch einen stärkeren gegenseitigen automatischen Informationsaustausch zwischen den Ländern unterstützen, das Augenmerk auf die US-Immobilienbranche, private Investitionen und Finanzvermittler lenken und die Mittel für wichtige Behörden aufstocken”, sagte Ian Gary, Geschäftsführer der Financial Accountability and Corporate Transparency Coalition.
Eine höhere Platzierung im Index bedeute, dass das jeweilige Rechtssystem weltweit „eine größere Rolle bei der Ermöglichung des Bankgeheimnisses, des anonymen Besitzes von Briefkastenfirmen, des anonymen Besitzes von Immobilien oder anderer Formen des Finanzgeheimnisses spielt, die wiederum Geldwäsche, Steuerhinterziehung und die Vermeidung von Strafen erleichtern“.
Nach Schätzungen von Tax Justice Networks haben die reichsten Personen der Welt rund zehn Billionen Dollar durch geheime Absprachen im Ausland versteckt, was dem 2,5-fachen Wert aller weltweit im Umlauf befindlichen Dollar- und Euro-Banknoten und -Münzen entspricht.
Die bombastische Verkündung des US-Justizministeriums im Juni hat wenig mit der Bekämpfung des Drogenhandels und der Geldwäsche zu tun, aber alles mit dem ständigem Bashing gegen China und Mexiko, mit dem Washington illegalen Druck auf andere Länder ausübt und von seiner unbestreitbaren Komplizenschaft mit den kriminellen Gruppen ablenkt, die es vorgeblich bekämpft.
Über den Autor: Álvaro Verzi Rangel aus Venezuela ist Soziologe und internationaler Analytiker, Co-Direktor des Beobachtungszentrums für Kommunikation und Demokratie sowie Senioranalytiker des Lateinamerikanischen Zentrums für Strategische Analysen CLAE, estrategia.la
Übersetzung: Vilma Guzmán, Amerika21.
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