Die SPD geht in den Wahlkampf – man kann nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte

Die SPD geht in den Wahlkampf – man kann nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte

Die SPD geht in den Wahlkampf – man kann nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Die Gefahr eines Dritten Weltkriegs war noch nie so groß wie heute – doch von einer Kriegsgefahr ist im beginnenden Wahlkampf der SPD nicht die Rede. Dort scheint man die Parole ausgegeben zu haben, das Thema Friedenspolitik tunlichst zu meiden und bloß kein kritisches friedenspolitisches Profil zu entwickeln; schon gar keins, das bei den Medien oder dem künftigen Koalitionspartner Argwohn erwecken könnte. Stattdessen wiederholt man lieber die alten abgegriffenen Slogans, die ohnehin kein Wähler mehr ernst nimmt, und inszeniert sich martialisch als Kriegspartei. Nicht nur Willy Brandt dürfte zurzeit im Grabe rotieren. Diese SPD kann auch weg. Niemand braucht sie. Ein Kommentar von Jens Berger.

„Themen, die die Menschen bewegen“. Damit wollen die beiden Parteichefs der SPD nun in den Wahlkampf gehen. Ein kurzer, knackiger Wahlkampf soll es werden, so verkündete es Parteichefin Saskia Esken vorgestern im Rahmen der Nominierung Olaf Scholz’ als Spitzenkandidat für die kommenden Wahlen durch den Parteivorstand. Na, das klingt doch gut, mag jetzt so mancher Beobachter denken. Doch dann platzt es aus Esken heraus und sie spricht von den „riesengroßen Herausforderungen unserer Zeit – Klimaneutralität, schleppende Digitalisierung, Demographie und dann noch die Zeitenwende“.

Hallo, liebe Frau Esken? Wo ist da der Frieden? Ist der kein Thema, das Menschen bewegt? Ist der Erhalt – oder besser die Wiederherstellung – des Friedens keine „riesengroße Herausforderung“? Am Sonntag ist der erste Advent. Wir sitzen dann bei Christstollen, Lebkuchen im Schein unserer Adventskränze und singen „Stille Nacht“. Gleichzeitig eskaliert der Krieg in der Ukraine in einem erschreckenden Tempo. Der scheidende US-Präsident Biden gibt – nach ihm die Sintflut – seinen ukrainischen Kettenhunden die Erlaubnis, mit US-Raketen Ziele tief im russischen Staatsgebiet zu zerstören. Großbritannien und Frankreich ziehen nach; früher hätte sie ein besonnenes Deutschland sicher mäßigen können. Gleichzeitig gestattet unsere Regierung, unter der Führung eines SPD-Kanzlers einseitig und ohne Parlamentsabstimmung, den US-Amerikanern die Stationierung von Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden. In einem Portrait über Sie, Frau Esken, ist zu lesen, dass ihre Eltern in den 1970ern wegen Willy Brandt und seiner Friedenspolitik in die SPD eintraten – Ihnen war die SPD damals „nicht links genug“. Ja, die Zeiten ändern sich. Vielleicht haben ja auch Sie damals gegen die Stationierung von Pershing und Co. demonstriert? Heute ist Frieden für Sie ja kein Thema mehr, heute ist Ihnen die SPD offenbar „nicht rechts genug“.

In wenigen Wochen sind Wahlen. Der neue Kanzler in spe ist Friedrich Merz, ein Kandidat, der den deutschen Streitkräften die Erlaubnis erteilen will, der Ukraine Mittelstreckenraketen vom Typ „Taurus“ zu liefern und diese auf russische Ziele zu programmieren. Diese Raketen können dann 22 Atomsilos mit rund 90 Atomsprengköpfen Moskau und Sankt Petersburg passierend erreichen. Russlands Präsident Putin hat abermals eine klare rote Linie gezogen und mit Gegenschlägen auf NATO-Gebiet gedroht, wenn der Westen diesen Eskalationskurs weiterverfolgt.

Meinen Sie ernsthaft, es wird weitere rote Linien geben? Halten Sie das für einen Bluff? Im russischen Staatsfernsehen wird bereits über einen nuklearen „Warnschlag“ gegen eine europäische Großstadt diskutiert. Der Einsatz ist hoch, er ist der höchste, den man sich vorstellen kann. Es geht um Krieg und Frieden, um einen nuklearen Holocaust. Vergessen Sie da doch bitte einmal kurz ihr Kleinklein um Kita-Plätze. Die sind auch wichtig, verstellen bei der existenziellen Bedrohung der Menschheit, mit der Sie gerade spielen, den Blick. Auch in der Ukraine selbst wollen die meisten Menschen vor dem kommenden Winter nicht mehr sinnlos sterben und sehnen sich nach einem Frieden – auch mit Gebietsabtretungen.

Früher hatte die SPD noch ein friedenspolitisches Profil. Früher hätten die Wähler in einer solchen Situation bei Wahlen scharenweise ihr Kreuz bei der SPD gemacht und ein SPD-Kanzlerkandidat hätte diese „riesengroße Herausforderung unserer Zeit“ zum zentralen Wahlkampfthema gemacht. Aber ja, die Zeiten haben sich geändert. Sie sagen ja, dass Sie im Wahlkampf lieber wieder einmal auf die alten, die vermeintlich „klassischen SPD-Themen“ setzen wollen und jetzt für die, „die neben dem Beruf in der Familie Kinder betreuen, Angehörige pflegen“ kämpfen. Das ist natürlich ehrenwert. Aber irgendwie – verzeihen Sie mir die direkten Worte – haben Sie doch den Schuss nicht gehört. Die Welt brennt und die SPD legt ihre alte Respekt-Schallplatte auf?

Warum? Ist es Feigheit vor den Medien? Will die SPD gegen die kriegsgeilen Grünen ein Rattenrennen veranstalten, wer für die CDU der willfährigere Juniorpartner in spe ist? Geht es letztlich doch nur um Posten? Ist das so? Riskiert die SPD einen Dritten Weltkrieg für eine Juniorpartnerschaft?

Gestern stellte die SPD dann ihre ersten Wahlplakate vor. „Wir kämpfen für Dich“, ist dort mit Motiven des Kanzlerkandidaten, der beiden Parteichefs und des neuen Generalsekretärs zu lesen, und im Laufe des Tages – die genauen Gründe sind zumindest mir nicht bekannt – tauchte auf einmal auch ein fünftes Plakat auf: Zu sehen ist der SPD-Verteidigungsminister Pistorius, martialisch in Flecktarn auf einem Panzer in die Ferne (Richtung Moskau?) blickend. Der Slogan dazu: „Wir kämpfen für Deine Sicherheit – Kämpfst auch Du an unserer Seite?“. Ganz ehrlich? Man kann nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte.

Was soll das? Will die Partei, die früher einmal für Verständigung, Diplomatie, ihre Ostpolitik, Abrüstung und – ja – Frieden stand, nun tatsächlich als Kriegspartei in den Wahlkampf gehen? Na dann viel Erfolg! In der Stunde, in der das Land die echte SPD am meisten bräuchte, lässt sie das Land, ihre Wähler und ihre Tradition im Stich. Diese SPD braucht niemand!

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