Kanzler Olaf Scholz und der argentinische Präsident Javier Milei haben sich unzufrieden mit der Abschlusserklärung der G-20 gezeigt. Scholz kritisierte vor allem die Art und Weise, wie dort die Lage in Gaza und der Krieg in der Ukraine beschrieben wurden. Milei schloß sich dieser Kritik an und sprach sich zudem gegen die in der Erklärung formulierte Verpflichtung aus, soziale Ungleichheit zu bekämpfen. Nur der Markt und der private Handel seien in der Lage, Wohlstand und Fortschritt zu schaffen, so der selbst ernannte „Anarcho-Kapitalist“. Von Hans Weber.
Alle Vertreter der G20-Länder unterschrieben, dass sie besorgt „über die katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen und die Eskalation im Libanon” sind, und betonen „die dringende Notwendigkeit, die humanitäre Hilfe auszuweiten und den Schutz der Zivilbevölkerung zu verstärken”. Darüber hinaus fordern sie „die Beseitigung aller Hindernisse für die Bereitstellung humanitärer Hilfe in großem Umfang”.
Der Krieg verursache menschliches Leid und habe negative Auswirkungen. Weiter heißt es in dem Dokument:
„Wir bekräftigen das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung und unser unerschütterliches Engagement für die Vision einer Zwei-Staaten-Lösung, in der Israel und ein palästinensischer Staat in sicheren und anerkannten Grenzen Seite an Seite in Frieden leben, im Einklang mit dem Völkerrecht und den einschlägigen Resolutionen der Vereinten Nationen.“
Die Gruppe der 20 erklärt auch, dass sie „sich einig über die Unterstützung eines umfassenden Waffenstillstands im Gazastreifen” und auch im Libanon sei.
Die Regierungschefs verkünden in dem Text ebenfalls, dass sie „alle relevanten und konstruktiven Initiativen” zur Förderung eines „umfassenden, gerechten und dauerhaften Friedens” im Zusammenhang mit dem Konflikt in der Ukraine unterstützen. Sie bekräftigten ihre „Verpflichtung, das Ziel einer nuklearwaffenfreien und sichereren Welt für alle zu verfolgen”.
Präsident Gustavo Petro, dessen Land Kolumbien nicht zur G20 gehört, aber von Lula zum Gipfel eingeladen wurde, äußerte in seiner Rede zu diesen Themen:
„Ich bin gegen die Entscheidung, Raketen auf Russland abzufeuern.”
Es gebe keine andere Lösung als einen direkten Dialog zwischen der Ukraine und Russland. Für ihn sei jedes Friedensgespräch, „das eines der beiden Völker ausschließt, keine Konferenz des Friedens, sondern des Krieges”.
Er forderte die G20 auf, den „Völkermord” in Gaza „ohne Heuchelei“ als solchen zu benennen, und betonte:
„Wenn die Mächtigen der Welt dem Völkermord in Gaza nicht entgegentreten, hat die Menschheit keine Zukunft.”
Obwohl Bundeskanzler Olaf Scholz die Abschlusserklärung unterzeichnete, bekundete er, dass ihm die darin verwendete Sprache nicht gefalle. Das Dokument benenne weder die Ursache des aktuellen Nahostkonflikts, „nämlich den brutalen Angriff der Hamas auf israelische Bürgerinnen und Bürger”, noch die Verantwortung Russlands für den Krieg in der Ukraine.
Präsident Lula verwies darauf, dass die Länder dieser Gruppe für 80 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Er appellierte vor allem an den Globalen Norden: „Wenn sie ihrer historischen Verantwortung nicht gerecht werden, werden die reichen Nationen nicht glaubwürdig sein, wenn sie von anderen Ehrgeiz fordern.”
In der Abschlusserklärung bekräftigen die G20-Länder ihre Verpflichtung, „bis etwa zur Mitte des Jahrhunderts weltweit Netto-Null-Treibhausgasemissionen beziehungsweise Kohlenstoffneutralität zu erreichen”. Sie bekennen sich zum Pariser Abkommen von 2015 zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius.
Die G20 erkennen auch die Notwendigkeit an, „sehr wohlhabende Personen effektiv zu besteuern”, ohne die Souveränität der Länder in Bezug auf ihre Steuerhoheit zu verletzen. Dies war ein besonderes Anliegen Lulas als Mittel zur Bekämpfung von Armut und Ungleichheit.
Lula erinnerte daran, dass in diesem Jahr weltweit 733 Millionen Menschen unterernährt sind. Dies sei „inakzeptabel” in einer Welt, die jährlich sechs Milliarden Tonnen Nahrungsmittel produziere und in der sich die Militärausgaben auf 2,4 Billionen US-Dollar beliefen.
So gelang es Brasilien, die „Globale Allianz gegen Hunger und Armut” ins Leben zu rufen, deren Ziel es ist, den Hunger in der Welt bis 2030 zu beseitigen. Die Initiative startet mit der Beteiligung von 81 Ländern, 26 internationalen Organisationen, neun Finanzinstitutionen sowie 31 Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen.
Petro gratulierte Lula auf Twitter zu den Ergebnissen des Gipfels. Allein die Tatsache, dass Brasilien die Aufmerksamkeit der Weltmächte auf die wichtigsten Probleme der Menschheit lenkte, sei ein Triumph.
„Der Weg geht weiter”, so Petro, mit Regierungschefs wie Claudia Sheinbaum in Mexiko, Gabriel Boric in Chile und Luis Arce in Bolivien. Sie nahmen ebenfalls am Gipfel teil und widersprachen dem neoliberalen Präsidenten Argentiniens Javier Milei. Dieser unterzeichnete die Abschlusserklärung, obwohl er vor und während des Gipfels Teile ihres Inhalts ablehnte – etwa die Verpflichtung des Staates, soziale Ungleichheit zu bekämpfen. Nur der Markt und der private Handel seien in der Lage, Wohlstand und Fortschritt zu schaffen.
Lula hingegen betonte, dass die neoliberale Globalisierung gescheitert sei. Auch Boric sagte, dass Renten, Gesundheit und Bildung nicht dem Markt unterworfen werden dürften. Für Sheinbaum ist es ein Irrtum, zu glauben, dass die Freiheit in der Marktwirtschaft liegt: „Die Freiheit zu verhungern?”, fragte sie.
„Es ist die menschliche Solidarität, die uns noch auf diesem Planeten hält”, sagte Petro, „und nicht der Wettbewerb.”
Dieser Artikel erschien zuerst auf Amerika21.
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