Jetzt beginnt die Hochkonjunktur für den Missbrauch von Umfragen zur Meinungsmache

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Dass Umfragen genutzt werden, um Meinung zu machen – das könnte man sich gerade noch vorstellen. Dass Umfragen darauf angelegt werden, dass Umfrage-Ergebnisse zurechtgebogen werden, um Meinung zu machen, das ist schon ein bisschen schwerer zu begreifen. Und schon gar nicht zu rechtfertigen. Das geschieht aber zurzeit mit dem klar erkennbaren Ziel, die Anhänger des BSW zu entmutigen. Umfragen des Umfrageinstituts Forsa zum Beispiel lassen das BSW unter 5 Prozent sinken. Schauen Sie sich mal diese Übersicht über verschiedene Umfragen der letzten Zeit an. Albrecht Müller.

Hier ist der Link zur Quelle dieser Tabelle.

Zwischenbemerkung: Im Folgenden geht es um Vorgänge in Westdeutschland, also in der alten Bundesrepublik.

Jene, die in der alten Bundesrepuplik Wahlkämpfe planten und die Planungen umsetzten, hatten immer schon die Möglichkeit genutzt, Meinungsbefragungen so zurechtzubiegen, dass ein für sie positiver Effekt auf das Wahlverhalten erzielt wurde. Das älteste mir bekannte Beispiel reicht zurück bis zur Bundestagswahl 1965. Bis dahin, also von 1949 bis 1965, gab es immer nur Bundeskanzler von der CDU. Die damalige Konkurrenz, die SPD, hatte sich zwar schon 1949, also zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland West, Hoffnungen gemacht, mitzuregieren. Aber 1949 hatte es nicht geklappt, 1953 nicht, 1957 nicht und auch nicht 1961. Jetzt aber, 1965, so das Ziel und die damalige Stimmung, müsse der Kanzlerwechsel gelingen.

Diese Suggestion, anders kann man es wohl kaum ausdrücken, wurde vom damals tonangebenden Meinungsforschungsinstitut, dem Institut Allensbach und seiner Leiterin Elisabeth Noelle-Neumann unterfüttert. – Das Ergebnis sah aber ganz anders aus: die CDU/CSU erreichte 1965 47,6 Prozent der Zweitstimmen, die SPD nur 39,3 Prozent. Und CDU-Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter Dufhues ließ mit Rückendeckung von Frau Noelle-Neumann wissen, dass man absichtlich den Eindruck erweckt habe, die Mehrheit der CDU/CSU sei gefährdet, die Kopf-an-Kopf-Propaganda sei eine Wahllist gewesen, um die Bürger an die Urne zu bringen.

Über diesen Vorgang habe ich auf den NachDenkSeiten schon einmal berichtet. Siehe hier; es lohnt sich wegen der jetzt stattfindenden Wiederholung, die damalige Analyse und Beschreibung nachzulesen.

Ich will noch von einem weiteren einschlägigen Vorgang berichten: Nach Ende meiner Tätigkeit als Leiter der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt 1982 war ich unter anderem als Wahlkampfberater tätig. In dieser Funktion war ich beteiligt an der Wahlkampfplanung für die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, auch im Jahr 1985. Noch gut erinnere ich mich daran, dass der damalige Landesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter der NRW-SPD, Bodo Hombach, am Ende einer der regelmäßigen Wahlkampfplanungsbesprechungen anmerkte: Er werde sich in Bälde mit dem Leiter des Umfrageinstituts treffen, das für die NRW-SPD arbeite. Wichtiger Gegenstand des Gesprächs sei die Frage, welches Umfrage-Ergebnis die SPD wolle. – Wir mussten nicht lange nachdenken, wir waren uns sofort einig: Das Ergebnis soll signalisieren, dass die Mehrheit der SPD gefährdet ist. Das dann veröffentlichte Umfrageergebnis entsprach unseren Wünschen und die damit verbundene Behauptung, die Mehrheit der SPD sei gefährdet, wirkte. Das Ergebnis: 52,1 Prozent für die NRW-SPD.

Schon damals gab es solche und solche Institute. Mit Forsa konnte man rechnen. Siehe dazu auch ein Beitrag vom Dezember 2007 zum Thema.

Was lernen wir daraus für den Umgang mit angeblichen Umfragen zum BSW?

Nach den Umfragen der jüngeren Vergangenheit konnte das BSW bei Umfragen zur Bundestagswahl bis zu 10 Prozent, bei Landtagswahlen zweistellige Werte erreichen. Diese Erwartungen wurden durch die tatsächlichen Ergebnisse bei den Landtagswahlen in Sachsen mit 11,8 Prozent, Thüringen 15,8 Prozent und Brandenburg 13,5 Prozent gestützt.

Wäre ich Gegner des Bündnisses Sahra Wagenknecht und für die Strategie zum Umgang mit dem BSW verantwortlich, dann würde ich dem für meine politische Gruppierung arbeitenden Meinungsforschungsinstitut vorschlagen, Ergebnisse von Umfragen zu präsentieren, die das BSW in einer wackligen Position zeigen. Dies zu behaupten, ist angesichts der guten Ergebnisse bei den Landtagswahlen zwar schwierig, aber mit dem Hinweis auf die 6,2 Prozent bei der Europawahl und den Disput in Thüringen kann man ja eine Art Abstiegstrend insinuieren. Die Botschaft an die Wählerinnen und Wähler wäre: Verschenkt eure Stimme nicht an einen unsicheren Kantonisten. Und ich würde diese Behauptung mit neuen Umfrageergebnissen unterfüttern. Die Helfer für diese Strategie würde ich wie aktuell geschehen beispielsweise bei Forsa finden.

Dieses Institut hat schon geleistet, wie man an der oben wiedergegebenen Tabelle mit der Forsa-Umfrage vom 19. November sehen kann: Dort sind für das BSW 4 Prozent notiert – weit unterhalb der anderen Notizen zwischen 9 und 6 Prozent.

Der Wahlkampf gegen das BSW wird sich jedenfalls des von Forsa publizierten Umfrageergebnisses bedienen. Es wird gestreut werden, wer BSW wähle, verschenke seine Stimme. Wegen der 5-Prozent-Klausel werden 4 Prozent ja nicht mitgezählt.

Warum das BSW so eingebrochen sein soll, wie Forsa behauptet, ist schwer zu erklären. Gut, es gab Irritationen wegen Thüringen. Aber dass sich das bundesweit so stark auswirken soll, dass eine Partei, die in drei Bundesländern vor kurzem noch gute zweistellige Werte erreicht hat, jetzt nur noch unter 5 Prozent erzielen soll, ist nicht nachzuvollziehen. Da sind Machenschaften, wie geschildert durchaus nicht neuentdeckte Machenschaften, am Werk. So arbeitet man halt schon über ein halbes Jahrhundert lang mit Umfragen als Mittel der Meinungsmache.