Das kürzlich in Moskau erschienene Buch „Von der Abschreckung bis zur Einschüchterung“ zeigt, wie russische Sicherheitsstrategen die weitere Entwicklung der nuklearen Abschreckung einschätzen und welche Vorschläge sie aus russischer Perspektive dafür machen. Die Autoren des Buches, die renommierten Politikwissenschaftler Dmitri Trenin und Sergej Karaganow sowie der Militärexperte Admiral Sergej Awakjants, haben es Ende Oktober in Moskau vorgestellt. Es wurde auf der Grundlage eines Berichts an die russische Führung geschrieben. Ein Beitrag von Éva Péli.
Die Ukraine-Krise hat „das zentrale Problem der russischen Sicherheit deutlich gemacht: Die nukleare Abschreckung schützt das Land nicht vor einer geopolitischen Aggression durch einen Feind, der eine existenzielle Bedrohung für die Russische Föderation darstellen kann.“ Zu diesem Schluss sind die Autoren des Buches „Von der Abschreckung bis zur Einschüchterung“ gekommen. Das sind neben Dmitri Trenin, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Weltmilitärökonomie und -strategie sowie Mitglied des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik, der russische Politikwissenschaftler Sergej Karaganow, ehemaliger Leiter, heute Ehrenmitglied des Rats für Außen- und Verteidigungspolitik, und Admiral Sergej Awakjants, ehemaliger Kommandeur der russischen Pazifikflotte, Mitglied des Präsidiums des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik.
Anders als im Kalten Krieg sei ein Krieg gegen die Atommacht Russland möglich geworden. Um diesen Trend zu stoppen, sei es nötig, „die rettende Angst vor Atomwaffen wiederzubeleben“, sagte Trenin der russischen Nachrichtenagentur Interfax bei der Buchvorstellung am 28. Oktober in Moskau. Bei dem Buch handelt es sich um eine überarbeitete Fassung des Berichts, der der Führung der Russischen Föderation im Zusammenhang mit der überarbeiteten Nuklearstrategie vorgelegt wurde.
Entschlossenheit zum Einsatz von Atomwaffen
Die tektonischen Verschiebungen im System der internationalen Beziehungen erfordern eine aktive Politik, um eine neue Welle von Konflikten und deren Eskalation zu einem weiteren (und wahrscheinlich dem für die Menschheit letzten) Weltkrieg zu verhindern, heißt es im Buch. Aus Sicht der Autoren braucht Russland deshalb eine neue Strategie der Abschreckung: Angesichts des kombinierten militärischen, militärisch-wirtschaftlichen und demografischen Potenzials der derzeitigen Hauptgegner Russlands – der Vereinigten Staaten und ihrer NATO-Verbündeten – sollte Russland anders als die Sowjetunion keine militärische Parität mit ihnen anstreben.
Stattdessen schlagen die Autoren eine aktive nukleare Abschreckung vor, das heißt „die Fähigkeit und Entschlossenheit zum Einsatz von Atomwaffen in Fällen, in denen die grundlegenden Interessen Russlands betroffen sind“. Sie benutzen deshalb den Begriff „nukleare Einschüchterung“, und im Bereich der Information wollen sie den jeweiligen Gegner „ernüchtern“.
Die Experten betrachten laut der russischen Online-Zeitung Kommersant die jüngste Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, die derzeitige Nukleardoktrin des Landes zu ändern, als „einen Schritt in die richtige Richtung“, auch wenn es aus Sicht von Karaganow mit großer Verzögerung geschehen ist. Sie hoffen aber, dass es die russische Führung nicht dabei bewenden lässt.
Verschiebungen in der Politik des Westens
„Unsere Doktrin war ungeheuerlich veraltet und angesichts der drohenden Gefahr eines dritten Weltkriegs sogar leichtsinnig“, sagte Karaganow der Nachrichtenagentur Interfax anlässlich der Buchvorstellung. Er verwies auf die gezielte Diskussion, die er und seine Mitstreiter deshalb vor anderthalb Jahren angestoßen hatten. Diese habe zu interessanten Verschiebungen in der westlichen Politik geführt.
„Zunächst hieß es, dass Russland niemals Atomwaffen einsetzen würde und man daher intensive Militäraktionen gegen Russland durchführen könne, ohne eine nukleare Antwort befürchten zu müssen.“ Karaganow erinnerte an einen seiner Artikel, in dem vor einer Reaktion Russlands gewarnt wurde. Das führte laut dem Politologen dazu, dass die westlichen Politiker begannen, zur Vermeidung einer Eskalation aufzurufen. „Das hat funktioniert!“
Die Experten schreiben im Buch, dass die nukleare Abschreckung ein wesentlicher, aber nicht der einzige Bestandteil der Abschreckung eines potenziellen Gegners durch militärische Gewalt sei. Darüber hinaus müsse das moderne Russland ein System der geopolitischen Abschreckung entlang seiner Grenzen neu aufbauen und flexible Koalitionen mit interessierten Ländern und anderen Akteuren bilden, um seine Interessen auf der Weltbühne zu schützen und zu fördern.
Enttabuisierung der atomaren Abschreckung
Nach dem Ende des Kalten Krieges sei ein grundlegender Wandel eingetreten und so etwas wie ein inoffizielles Atom-Tabu entstanden, bei dem Atomwaffen an den Rand des internationalen Sicherheitsdiskurses gedrängt wurden, erklärte Trenin, ehemaliger Leiter des Carnegie Moscow Center, im Gespräch mit Interfax. Infolgedessen ist laut dem Politologen nicht nur die nukleare, sondern die strategische Abschreckung im Allgemeinen abgesunken, die während des Kalten Krieges ursprünglich auf Gleichgewicht und Furcht beruhte.
Es entstand „eine unverschämte Welt“, angeführt von den Vereinigten Staaten von Amerika, so der Stratege. Doch als diese Welt unweigerlich zu bröckeln begann und von anderen Großmächten in Frage gestellt wurde, sei es zu der strategischen Instabilität gekommen, die wir heute erleben. Unter diesen Bedingungen sind Kriege zwischen Atommächten möglich geworden, wie er sagte. „Bisher in einer indirekten Version, aber mit der Aussicht auf eine Eskalation zu einem direkten Zusammenstoß, der wiederum mit der Aussicht auf einen Atomkrieg und als Grenze – die garantierte Vernichtung der Menschheit – verbunden ist.“ Die Autoren des Buches schlagen vor, „die rettende Angst vor Atomwaffen wiederzubeleben“, um diesen Trend zu stoppen.
Trenin bedauerte gegenüber Interfax, dass das Versagen der geopolitischen Abschreckung zum Krieg in der Ukraine geführt habe. „Es ist nicht gelungen, die unerbittliche Expansion der NATO einzudämmen.“ Er erinnerte daran, dass es neben der Ukraine noch andere Fronten gebe, „die wir unbedingt eindämmen müssen“, und nannte als Beispiel die Arktis.
Fehlende russische Geopolitik
Ein wichtiges Problem des modernen russischen strategischen Denkens stellt nach Ansicht der Autoren die Identifizierung der strategischen Abschreckung mit nur einem ihrer Elemente dar – der nuklearen Abschreckung. Neben der Abschreckung eines potenziellen Gegners durch militärische Gewalt beinhalte die strategische Abschreckung eine ebenso wichtige räumliche (geopolitische) Komponente.
Diese sei in der Außenstrategie Russlands seit dem Ende des Kalten Krieges praktisch nicht mehr vorhanden. Die zeitgenössische russische Politik habe – anders als die sowjetische Nachkriegspolitik – weder die Grenzen der geopolitischen Abschreckung definiert noch die sich daraus ergebenden Aufgaben formuliert; infolgedessen sei die Politik reaktiv geblieben.
Es ist aus Sicht der drei Sicherheitsexperten dringend notwendig, dies zu korrigieren, und zwar in alle strategischen Richtungen. Russland müsse wieder ein System der Sicherheit entlang seiner gesamten Grenze, vor allem zu den Ländern der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) aufbauen, um feindliche Präsenzen zu verhindern.
Sicherheitsgürtel entlang der russischen Grenzen
Geopolitische Abschreckung werde durch politische, wirtschaftliche, informationelle und andere nichtmilitärische Mittel, jedoch in enger Verbindung mit militärischer Abschreckung realisiert – sowohl nuklear als auch nichtnuklear. Das Ziel der geopolitischen Abschreckung ist aus Sicht der Autoren die Aufrechterhaltung oder Schaffung eines „Sicherheitsgürtels“ entlang der Grenzen der Russischen Föderation, vor allem zu den GUS-Staaten.
Ein solcher „Sicherheitsgürtel“ müsse ein Gebiet außerhalb ausländischer Militärblöcke und frei von ausländischen Militärstützpunkten umfassen. Nicht alle Staaten in diesem Gebiet müssten notwendigerweise Moskaus militärische Verbündete sein oder werden, aber enge, „verbündete“ Beziehungen zu den Nachbarn und ihre grundsätzliche Loyalität gegenüber Russland seien notwendig. Das unmittelbare Ziel der russischen geopolitischen Abschreckung bestehe darin, den Feind daran zu hindern, nach der Ukraine eine „zweite Front“ gegen Russland zu eröffnen, sei es in der Arktis, Kasachstan oder im Nahen Osten, in Asien, Transkaukasien oder dem Fernen Osten.
„Strategischer Parasitismus“
Die drei Experten machen in ihrem Buch deutlich, dass die Bedeutung der geopolitischen Abschreckung der USA im postsowjetischen Raum nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion unterschätzt wurde. Dieses Versäumnis sowie das unzureichende Vertrauen in die nukleare Abschreckung in der Krise um die Ukraine, die bereits zur Jahreswende 2014 begann, haben Russland aus ihrer Sicht im Februar 2022 gezwungen, die militärische Sonderoperation einzuleiten.
Dennoch seien die Vereinigten Staaten zu dem Schluss gekommen, dass die westlichen Länder in der Ukraine einen indirekten Krieg gegen Russland führen und den Einsatz sogar erhöhen könnten, ohne einen Atomschlag von russischer Seite befürchten zu müssen. Karaganow zufolge haben die westliche Elite und die gesamte westliche Bevölkerung „vergessen, was Krieg ist und was ein Atomkrieg ist“.
Fast acht Jahrzehnte relativen Friedens zwischen den atomar bewaffneten Staaten hätten zu dem geführt, was man als „strategischen Parasitismus“ bezeichnen könnte – das Verschwinden der Angst vor dem Krieg, einschließlich des Atomkriegs. Das Massenbewusstsein, das zunehmend in den Kategorien der virtuellen Welt und nicht mehr in der realen Welt operiert, glaube nicht mehr an diese Gefahr eines Krieges. Infolgedessen sei der Selbsterhaltungstrieb gefährlich geschwächt, sagte der Politologe bei der Buchvorstellung im Gespräch mit Interfax.
Widerstand gegen „farbige Revolutionen“
Versuche, die sogenannte multivektorale Außenpolitik der Nachbarstaaten in eine eindeutig antirussische Richtung zu lenken, sollten rechtzeitig unterbunden werden, so die Autoren. Genau das sei mit der Ukraine nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion geschehen. Der Westen habe versucht, Belarus auf denselben Weg zu drängen, und versuche nun aktiv, Moldawien zu ködern. Die USA und ihre europäischen Verbündeten hätten Armenien ermutigt, sich von Russland abzuwenden, und versucht, Kasachstan und die zentralasiatischen Staaten von Russland zu entfremden.
Die Strategie der geopolitischen Eindämmung schließt laut den Experten nicht nur die Bereitschaft zum Widerstand gegen „farbige Revolutionen“, vom Ausland geschürte Konflikte und alle Arten von Provokationen ein. Es bedürfe einer systematischen Arbeit mit den politischen, kulturellen und wissenschaftlichen Eliten der Nachbarländer, unabhängig von ihrer Einstellung zur bestehenden Machtstruktur in den jeweiligen Ländern; einer geduldigen und kreativen Arbeit mit der jungen Generation, um ihr Interesse an Russland, der russischen Kultur und der russischen Sprache zu entwickeln.
Europas Sturz in den dritten Weltkrieg
Karaganow zeigte sich bei der Buchvorstellung über die europäischen Nachbarn verblüfft: „Sie stürzen sich in den dritten Weltkrieg. Das ist unerklärlich. Sie haben die ganze Welt innerhalb einer Generation in den ersten und dann in den zweiten Weltkrieg getrieben. Deshalb ist es notwendig, Europa zu stoppen, das die Quelle allen Leids der Menschheit ist.“
Die europäischen Eliten, die noch stärker als die US-amerikanischen Eliten vom „strategischen Parasitismus“ betroffen seien, haben aus Sicht des russischen Politologen die Fähigkeit, strategisch zu denken, völlig verloren. Sie befinden sich demnach in einer komplexen Krise und verlieren an Legitimität. Die herrschenden Kreise in Europa würden bereits moralisch-politisch und militärisch-wirtschaftlich einen großen Krieg mit Russland vorbereiten.
Laut Karaganow ist Europa „das Schlimmste, was die Menschheit in den letzten mindestens 500 Jahren hervorgebracht hat. Neokolonialismus, Rassismus, mehrere Völkermorde, Nazismus nannte er dafür als Beispiele. „Wir müssen mit ihnen aufräumen.“ Europa muss seiner Meinung nach in die „Kiste der Geschichte“ verbannt werden, damit es nicht länger das Leben der Menschheit verderbe.
Auf der fünften Stufe der Eskalationsleiter
Zur Umsetzung einer wirksameren Abschreckungspolitik schlagen die Autoren eine Reihe von insgesamt 24 Schritten im Sinne des Konzepts der „Eskalationsleiter“ vor, die vom „Überdenken des bisherigen ‚friedlichen‘ Ansatzes der strategischen Abschreckung über die Abkehr von der Gewohnheit, hauptsächlich auf die Schritte des Gegners zu reagieren“, bis hin zum „Überschreiten der nuklearen Schwelle durch Atomschläge gegen Ziele auf dem Territorium von NATO-Staaten“ reichen, berichtet die Nachrichtenagentur Interfax. Laut Karaganow wurden fünf Stufen dieser „Leiter“ bereits erreicht.
Das Überschreiten der nuklearen Schwelle durch Angriffe mit Atomwaffen auf Ziele im Hoheitsgebiet von NATO-Staaten wäre dabei das absolut letzte Mittel. Es ist aus Sicht der drei Experten notwendig, eine Eskalationsleiter festzulegen: Welche Schritte, in welcher Reihenfolge, in welchen Bereichen – diplomatisch, politisch, militärisch-technisch und schließlich militärisch – sollten unternommen werden, um diese zerstörerische Eskalation zu stoppen.
Das letzte Abschreckungsmittel seien Demonstrations- oder begrenzte Atomschläge, heißt es im Buch. Hier sollte es keinen Zweifel daran geben, dass Russland unter bestimmten Bedingungen zum Einsatz von Atomwaffen bereit ist. „Es ist eindeutig an der Zeit, von der verbalen Abschreckung zur praktischen Abschreckung überzugehen“, so die Autoren.
Ihnen zufolge sollte die Militärdoktrin der Russischen Föderation entsprechend geändert werden. Russland müsse dafür mehr geeignete Waffen, die Atomsprengköpfe tragen können, einschließlich Mittelstrecken- und Kurzstreckenraketen, produzieren. Wichtig sei außerdem, dass die russische Führung in jeder Phase mit der Führung der USA in Kontakt bleibt. So solle sie Washington signalisieren, dass die Absichten Moskaus ernst sind und es ihr Ziel ist, den Konflikt zu für Russland günstigen Bedingungen zu beenden.
Koordinierte strategische Kommunikation
Die Strategen betonen im Buch, dass es unabdingbar sei, „bei der strategischen Kommunikation mit dem Gegner auf ein Höchstmaß an Kohärenz in unseren Aktionen und Erklärungen“ zu achten. „Chaotische und in mehrere Richtungen gehende öffentliche Erklärungen vermitteln dem Gegner den Eindruck, dass wir intern unkoordiniert sind, und können ihn eher provozieren als abschrecken.“ Öffentliche Drohungen, denen keine konkreten Schritte folgen, seien besonders schädlich: Der Gegner nehme die Warnungen nicht mehr ernst.
Abschreckung und Einschüchterung sind laut Trenin psychologische Kategorien, die unter anderem auf dem Willen und der Bereitschaft beruhen, dieses Potenzial unter bestimmten Umständen einzusetzen. „Der Feind täuscht sich, und zwar sehr schwer, wenn er die Zurückhaltung unserer Führung für einen Bluff hält.“ Für Russland stehe in der Ukraine viel mehr auf dem Spiel als für den Westen. Aber die Kosten eines Fehlers für den Westen können kolossal sein, und leider nicht nur für den Westen, so der Politologe.
Deshalb sei es notwendig, den Feind abzuschrecken, ihn aus seinen Täuschungen herauszuführen, die Eskalationsstrategie des Westens zu brechen und Zweifel an der Sicherheit dieser Strategie für den Westen selbst zu wecken. Es sei notwendig, dem Feind das Gefühl der Straffreiheit zu nehmen. „Leider hatte er zu Beginn der Sonderoperation offensichtlich ein solches Gefühl, und meiner Meinung nach ist es bis heute nicht überwunden“, so der ehemalige Leiter des Carnegie Moscow Center.
Krise der Weltordnung
Nicht zuletzt sollte aus Sicht der Autoren ein dritter Bereich der strategischen Abschreckung entwickelt werden: eine flexible Koalitionsstrategie, um der globalen Hegemonie der USA entgegenzuwirken sowie generell die internationale Sicherheit zu stärken und den dritten Weltkrieg zu verhindern. „Wir haben eine Koalition von mehr als 50 Ländern, die gegen uns arbeiten“, sagte Trenin dazu in Moskau. Eine erweiterte strategische Partnerschaft zwischen Russland und China werde den Kern der eigenen Koalition bilden.
Das Streben nach einem stabilen Gleichgewicht auf der internationalen Bühne und nicht der Kampf um die eigene Vorherrschaft habe die russische Außenpolitik in der gesamten Geschichte des Landes geprägt, betonen die Strategen in ihrem Buch. Russlands strategisches Ziel in der Auseinandersetzung mit dem Westen sei in erster Linie, die nationalen Interessen des Landes zu schützen und zu fördern.
Es waren laut Trenin nicht die Atomwaffen an sich, sondern die gegenseitige nukleare Abschreckung der Sowjetunion und der USA, die dafür sorgten, dass der Kalte Krieg „kalt“ blieb und bleibt. Er betonte im Gespräch mit Interfax die Rolle des Gleichgewichts, und zwar sowohl des geopolitischen als auch des militärisch-strategischen.
Die Konfrontation Russlands mit dem kollektiven Westen ist aus seiner und der Sicht der Mitautoren ein integraler Bestandteil der globalen Krise der Weltordnung. Der Übergang von der Hegemonie des Westens unter Führung der Vereinigten Staaten zu einem neuen, ausgewogeneren Modell sei schwierig und schmerzhaft. Dazu müsse Moskau aktiv mit Partnern aus Asien, Afrika und Lateinamerika zusammenarbeiten und eine flexible Koalitionsstrategie entwickeln, um die gemeinsamen Interessen Russlands und der Länder, die die Weltmehrheit darstellen, zu fördern.
Gemeinsame Interessen halten die Autoren zudem für notwendig, aber nicht ausreichend für die Bildung von Koalitionen. Es müsse eine gemeinsame Wertekomponente vorhanden sein. Russland beabsichtige nicht, betonen die Autoren, irgendjemandem seine Ideologie aufzuzwingen.
Hartnäckiges Missverständnis
Admiral Awakjants, Direktor des Instituts für Weltmilitärökonomie und -strategie der Nationalen Forschungsuniversität Higher School of Economics, sieht „ein gewisses hartnäckiges Missverständnis, dass dieses Buch die Idee zu verkünden scheint, dass wir uns jetzt in der Ukraine fast ohne Grund dem Thema des praktischen Einsatzes von Atomwaffen zuwenden, auch um einige innenpolitische Probleme zu lösen“. Davon könne keine Rede sein, sagte er Medienberichten zufolge bei der Buchvorstellung, denn der Einsatz von Atomwaffen sei „eine Maßnahme der letzten Instanz“. Der Admiral betonte, der Einsatz von Atomwaffen sei nicht einfach nur ein Knopfdruck, sondern eine Reihe von ernsthaften Vorbereitungsmaßnahmen. Zugleich bedeute das, dass niemand spontan oder intuitiv auf den „roten Knopf“ drücke.
Er wies in Moskau darauf hin, dass das Buch „ein großes Bündel von Maßnahmen skizziert, die eine Aggression, einen Aggressor verhindern sollen“. Und wenn das nicht funktioniert, dann ist es seiner Meinung nach notwendig, Waffen „zum Töten“ einzusetzen.
Das Buch „Von der Abschreckung zur Einschüchterung“ ist im Verlag „Molodaja Gwardija“ erschienen.
Über die Autoren:
Dmitri Trenin – Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Weltmilitärökonomie und -strategie, Forschungsprofessor an der Fakultät für Weltwirtschaft und Weltpolitik der Nationalen Forschungsuniversität Higher School of Economics, Mitglied des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik
Sergej Awakjants – Admiral, Direktor des Instituts für Weltmilitärökonomie und -strategie der Nationalen Forschungsuniversität Higher School of Economics, Mitglied des Präsidiums des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik
Sergej Karaganow – Professor Emeritus, Forschungsdirektor der Fakultät für Weltwirtschaft und Weltpolitik der Nationalen Forschungsuniversität Higher School of Economics, Ehrenmitglied des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik
Titelbild: Shutterstock / Fly Of Swallow Studio