Und der Sieger heißt: Olaf!

Und der Sieger heißt: Olaf!

Und der Sieger heißt: Olaf!

Ein Artikel von: Redaktion

Die vorherrschende Meinung ist die, Christian Lindner habe den Koalitionsbruch herbeigeführt. Das unterschätzt die Fähigkeiten des Kanzlers. Der wollte die Scheidung mindestens genauso sehr, nur noch schneller. Und hat den FDP-Chef in die Falle tappen lassen. Von Ralf Wurzbacher.

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Es wird nicht wenige unter den der SPD und Olaf Scholz sonst eher nicht zugeneigten Zeitgenossen geben, die es im Moment der Entscheidung mit dem Kanzler hielten und sich dachten: Völlig richtig so, den Kerl vor die Tür zu setzen. Schließlich hat dieser Kerl, Christian Lindner, über Wochen alles getan, sich und seine FDP unmöglich zu machen, hat gereizt, provoziert und intrigiert, nur für das eine Ziel, den Laden vor die Wand zu fahren. Nun hat er das, was er wollte: Die Regierung ist im Eimer, die Aufregung groß, Neuwahlen im Anflug. Tabula rasa also. Soll er doch zufrieden sein.

Ist er aber nicht. Ganz im Gegenteil. Lindner ist angeschmiert, angefressen, richtig aus der Fassung. Seine Stellungnahme am späten Mittwochabend spricht Bände. Von Genugtuung keine Spur, Souveränität Fehlanzeige, stattdessen wirkt der FDP-Chef trotzig, wie überrumpelt, nicht mehr Herr der Lage. Wie einer, dem gerade die Show gestohlen wurde. Seine Einlassungen sind kurz und hilflos, aber an zwei Stellen erhellend, da nämlich, wo er von einem „genau vorbereiteten Statement des Bundeskanzlers“ und einem „kalkulierten Bruch dieser Koalition“ spricht. Sagt er das nur, um seine Haut zu retten?

Befreiungsschlag

Tatsächlich hatte der eigentlich so matte Scholz davor geglänzt wie nie und seine bis dato vielleicht beste Rede gehalten. Volle 14 Minuten lang, staatsmännisch und klar, aber für seine Verhältnisse mithin hochemotional trägt er seine Argumente vor. Das hat gesessen, nicht nur beim geschassten Lindner, sondern vor allem in der Außenwirkung. Denn sein forscher Auftritt sorgt für die nachher allgemein und auch von den meisten Kommentatoren geteilte Sichtweise, wonach der Kanzler gar nicht anders konnte, als die Partnerschaft mit den Liberalen aufzukündigen. Wem die Pistole auf die Brust gesetzt wird …

Aber stimmt das auch? Nein. Scholz wollte den Bruch der Regierung mindestens genauso wie der FDP-Chef. Und: Er hat ihn noch früher herbeigeführt, als es der FDP lieb war. Deshalb auch ein so verdatterter Lindner. Es gab letztlich drei Möglichkeiten: SPD, Grüne und FDP hätten sich zusammenraufen und weiterwursteln können bis in den nächsten Herbst, um dann an der Wahlurne gnadenlos abgestraft zu werden. Die Ampel ist schon sehr lange hochgradig unbeliebt, sie steht für Rekordinflation, Energiepreisschock, Militarisierung, Bevormundung, dazu für Chaos, Versagen, Zerrissenheit. Die Wahrscheinlichkeit, all diese Makel in knapp einem Jahr auszuwetzen und einen irgendwie respektablen Abgang hinzulegen, ging gegen null. Der Wähler wartet nur darauf, dieser Regierung einen Denkzettel zu verpassen und sowohl für die Sozial- als auch die Freidemokraten geht es ums nackte Überleben. Die SPD dümpelt in Umfragen in Regionen um 15 Prozent, die FDP droht gar, wie 2013, aus dem Bundestag auszuscheiden. Was also brauchte es in der Situation für beide, und zwar dringend? Einen Befreiungsschlag.

Vergiftetes Angebot

Weil ein „Weiter so“ mit der Gefahr, bei der Bundestagswahl 2025 baden beziehungsweise unterzugehen, keine Option war, blieben bloß zwei Alternativen übrig: eine irgendwie geordnete Trennung oder ein Bruch mit Donnerwetter. Tatsächlich besagt die Überlieferung zu den Ereignissen vom Mittwoch, dass Lindner den Weg eines einvernehmlichen Auseinandergehens angeboten hatte, wie er es selbst auch vor der Kamera darstellte. Demnach hätte seine Fraktion grünes Licht für den Bundeshaushalt gegeben, sofern der Kanzler dafür Neuwahlen ansetzen würde. Scholz kreidete ihm das später als „Vertrauensbruch“ an, als quasi finalen Beweis seiner Abtrünnigkeit und seiner lang gehegten Absichten, die Koalition zum Bersten zu bringen.

Diese Sicht ist fraglos nicht falsch, nur hatte Lindner ein anderes Drehbuch. In dem war dem Kanzler die Rolle des Buhmanns zugedacht und nicht ihm selbst. Mit seinem „Wirtschaftswende“-Papier wollte er Scholz vorführen und diesen, falls der gar nichts davon umsetzen würde, als Blockierer von Modernisierung und Totengräber der deutschen Industrie vorführen. Wie die junge Welt am heutigen Freitag schreibt, hatte er dabei auch einen konkreten Zeitplan im Sinn. Lindner habe es darauf abgesehen, „die nächste Bundestagswahl mit seiner Partei noch über die Jahreswende hinweg in der Rolle einer regierenden Opposition vorzubereiten“ und weiter: „Mit neoliberalem Tugendwächtertum – und vielleicht mit echten Einschnitten im Sozialbereich – und einer Pose als harter Interessenvertreter für die klassische FDP-Klientel wollte er die Partei, unterstützt vom erwartbaren Beifall eines großen Teils der deutschen Medien, über fünf Prozent hieven.“

Schlimme Aussichten

Allerdings haben die SPD-Strategen das Kalkül durchschaut, den Spieß einfach umgedreht und den FDP-Chef mit einer ausgebufften „Entlassungsinszenierung“ (O-Ton Lindner) als vermeintlich alleinschuldigen Ampel-Chrasher auffliegen lassen. Natürlich mögen manche seiner neoliberalen „Wende“-Rezepte für SPD und Grüne unzumutbar sein. Aber nicht hinnehmbar war umgekehrt für Lindner die, wie er sagte, „ultimative“ Forderung, die Schuldenbremse für ein ganzes Haushaltsjahr auszusetzen, um so Milliardenlöcher im Bundeshaushalt zu stopfen. Das käme zwar keinem Verfassungsbruch gleich, wie er beklagte. Durch Feststellung einer außergewöhnlichen Notlage lässt sich von der Bestimmung abweichen. Aber natürlich weiß Scholz, wie die FDP die Schuldenbremse wie einen Fetisch hätschelt, um ja kein Einfallstor für irgendwelche sozialen oder ökologischen „Dummheiten“ aufzumachen. Wäre Lindner an dieser Stelle eingeknickt, hätte er es sich mit seiner Partei und seiner Klientel verscherzt. Das wusste Scholz. Wer hat also wem die Pistole auf die Brust gedrückt?

Der Kanzler hat vorerst das Maximum für sich herausgeholt. Mit seiner Volte will er vor allem Zeit gewinnen. Zeit, um beim Wähler die Ampel möglichst vergessen zu machen. Zeit, um mal wieder und wie immer im Vorfeld bundesweiter Wahlgänge das „soziale Profil“ seiner Partei zu schärfen – das er höchstselbst auf Bundesebene in bald sieben Jahren Regierungsverantwortung bis zur Unkenntlichkeit geschliffen hat. Und so ergriff er bei seiner Rede am Mittwoch auch gleich Gelegenheit, das schale Narrativ von der unbeugsamen Sozialdemokratie zu beschwören, die die einfachen Menschen vor den neoliberalen Gierzähnen in Schutz nimmt. Zitat: „Milliardenschwere Steuersenkungen für wenige Spitzenverdiener und zugleich Rentenkürzung für alle Rentnerinnen und Rentner. Das ist nicht anständig, das ist nicht gerecht.“ So etwas sagt ein Rentenkürzer, in dessen Ägide deutsche Kapitalisten riesige Reichtümer aufgetürmt haben.

Ganz egal, der Zweck heiligt die Mittel. Nach neuesten Erhebungen sieht die Mehrheit der Befragten die Schuld am Ampel-Aus bei der FDP, die wenigsten bei der SPD. CDU-Chef Friedrich Merz weiß freilich, was der Kanzler vorhat, und wettert lauthals gegen dessen Schachzug, den Wahlgang bis ins Frühjahr zu verschleppen. Nicht dass die Wähler am Ende noch begreifen, dass er es auch nicht gut mit ihnen meint. Am Ende könnte es ausgehen wie gehabt. Man rauft sich zusammen, in Großer Koalition. Der 6. November hat womöglich den Weg dazu bereitet.

Titelbild: Juergen Nowak/shutterstock.com

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