Leserbriefe zu „Farce um Udo Lindenbergs ‚Oberindianer‘“
Tobias Riegel kommentiert hier den „absurden“ Umgang mit Udo Lindenbergs Lied „Sonderzug nach Pankow“ aus dem Jahr 1983. Der Begriff „Oberindianer“ solle nun vermieden und durch das inhaltlich und künstlerisch abwegige Wort „Ober-I“ ersetzt werden. Hinterfragt wird auch, warum sich über diesen Vorgang vor allem Konservative empören. „Kritische Wortmeldungen von (klassisch) linker Seite“ seien auch bei solchen Themen wichtig. Wir haben dazu zahlreiche und interessante Zuschriften bekommen und danken dafür. Die folgende Auswahl der Leserbriefe hat Christian Reimann für Sie zusammengestellt.
1. Leserbrief
Lieber Herr Riegel, liebe Redaktion,
ich kann Ihnen nur Recht geben. Ich finde, wir erleben hier die Verblödung ganzer Bevölkerungskreise, hier Berliner Chöre. Vielleicht sollten jene das Lied “Hänschen klein, ging allein…” auf unsaubere Begriffe abklopfen, ggf. als saubere Alternative auswählen und sich auf dieses ihnen adäquate intellektuelle Niveau weiter beschränken.
Herzliche Grüße, Joachim Seffrin
2. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Riegel,
lch teile ihren Kommentar aus vollster Überzeugung und werde mal als BSW-Wähler bei der Partei nachfragen … Übrigens: “Alle Menschen werden Brüder” … Ach Du lieber Gott! Was tun???
Mit freundlichen Grüßen
Wilfried Gericke
3. Leserbrief
Hallo,
nur ganz kurzer Leserbrief zu Bestätigung für Tobias Riegel:
Asterix kommentiert: “Die spinnen, die Deutschen”.
Troubadix schlägt vor, die Nationalhymne zukünftig zu entpolitisieren:
statt “Einigkeit und….” einfach “E…R…F” – das kann man auch langsam intonieren.
Mit freundlichen Grüßen
H. Rudolf
4. Leserbrief
Liebe Nachdenkseiten,
dass wir Deutsche leider in vielen Dingen 200%-ig sein wollen und dabei den Verstand nicht unbedingt ausreichend bemühen, sieht man an der Zensur dieses schönen Liedes.
Abgesehen davon, dass “Oberindianer” eine Scherzbezeichnung ist, die keinerlei Bezug zu Indigenen hat, gibt es einen großen Unterschied zu dem mit Recht geächteten N-Wort.
Denn die Indianer Nordamerikas haben sich über lange Zeit selbst als “american indians” bezeichnet – im Unterschied zu “indian indians”, also den Indern.
Bester Beweis ist AIM (American Indian movement), die indianische Bürgerrechtsbewegung, die sich gegen staatliche Übergriffe gewehrt und sich für indigene Rechte eingesetzt hat und immer noch einsetzt. history.com/topics/native-american-history/american-indian-movement-aim.
Solch lächerliche Pseudo-Empörung ist eher geeignet, wirkliche Veränderung und Gerechtigkeit zu unterbinden, denn man gehört ja zu den “Guten”. Hier hab ich den lesenswerten Bericht von Dennis Banks gefunden, einem der Gründer von AIM, auf einer interessanten Widerstands-Website: popularresistance.org/founding-of-the-american-indian-movement/ Den Artikel hat er 2013 geschrieben, gerade mal 11 Jahre her…
Wer Minderheiten-Rechte ernst nimmt, sollte weder über den Völkermord an den amerikanischen Indianern schweigen noch über den Völkermord in Gaza. Vielleicht sollte sich das Humboldt-Forum dafür einsetzen und für die Rückgabe geklauter Kunst und Infos über den indianischen politischen Gefangenen Leonard Pelletier verbreiten, der seit 1977 im Knast sitzt.
Ich schreibe das, damit die Kritik nicht nur von Rechts kommt, als echte Linke – und ich sollte es wissen hab ich doch 1979 in Oklahoma einige AIM Aktivisten persönlich kennengelernt.
Herzlich
Sabine Rothfuß
5. Leserbrief
Werter Tobias Riegel,
besten Dank für Ihren Beitrag, damit wird wenigstens von einer angeblich linken Seite etwas zu diesen absurden Aufwüchsen der Cancel Culture gesagt bzw. geschrieben. Aber ehrlich mal, jetzt bleiben auch Sie doch bitte auf dem Teppich. Was soll denn der letzte Satz? „Auch solche vermeintlichen Kleinigkeiten machen „die Rechte“ stark.“ Merken Sie nicht, oder wollen sie es schlicht nicht merken, dass Sie mit solchen Aussagen mit zur Spaltung beitragen? Sie, in dem Falle meine ich die NachDenkSeiten*Innen und Außen, wollen doch immer so ausgewogen und gerecht sein. Hört endlich mit dieser unsäglichen Debatte auf, Rechts, Links oder wie Sie es dann noch in Ihrem Beitrag fertig bringen „pseudolinks“, weil man nicht „linksgrün“ sagen soll. Na klar sind die links, so wie Ihr. Aber da gibt es eben Unterschiede und das ist nun mal so. So wie es Schwarz und Weiß und viele Grautöne dazwischen gibt. Aber auch für Euch ist rechts auch immer gleich rechtsradikal oder rechtsextrem. Auch wenn Ihr es nicht konkret und so direkt schreibt, so schwingt es doch immer mit. Denn Ihr wollt immer nur bei Links differenzieren. Rechts ist für Euch immer das ganz übel. Nur weil sich jetzt plötzlich „konservative Medien“ für diesen Fall klarer positionieren. Aber es ist nun mal so, dass Rechts eine genau so legitime politische Richtung ist, wie Links. Letztendlich ist all das Kulturkampf und Sie liebe NDS beteiligen sich dran. Ob gewollt oder nicht. Aber die einfache Leute interessieren sich nicht für solch ein Kokolores. Sie wollen in Ruhe und Frieden, glücklich und Angstfrei leben. Den Meisten ist es egal, wo sie stehen sollen. Lasst uns einfach Menschen sein und hört mit diesem Mist auf. Natürlich haben Sie recht, dass man nicht in historische Werke eingreifen soll, nein nicht darf. Aber sie machen es kurz danach dann doch. Stichwort „Kleine Hexe“ von Otfried Preußler. Es ist in der Zeit geschrieben, als das „N-Wort“ noch ganz normal gebraucht wurde und da soll es auch bleiben. Sehen sie sich mal „La Boum – Die Fete“ an, da wird dieses Wort auch genutzt. Wollen wir jetzt alle Filme neu synchronisieren, oder die unschönen Worte wegpiepsen?
Ich bin ein Kind der DDR und ich liebe die Indianer-Filme mit Gojko Miti. Wie wollen wir diese Filme den jetzt nennen? Indigenen-Filme? Denn Western sind es nun mal nicht. Das ist doch lächerlich. Und wer oder was soll denn über die Begrifflichkeit eigentlich verletzt, diskriminiert oder beleidigt sein?
Was haben wir sogenannten Ossis in den 35 Jahren alles aushalten müssen, wer fragte und fragt uns eigentlich, wie wir das fanden und finden? Apropos, in der DDR gab es eine Broschüre, die hieß „Negermusik“ und die war keinesfalls rassistisch oder diskriminierend, zumindest nicht gewollt, es ging um die Musik der afroamerikanischen Bevölkerung und man nannte das damals eben „Negermusik“ und fertig. Ach ja und so fast jeder DDR-Bürger, der damals in die Schule ging, kannte den „Neger Nobi“. Tja, war eben so.
Beste Grüße aus dem deutschen Osten, J. Gerke
6. Leserbrief
Tobias Riegel schreibt:
“Udo Lindenberg selbst hat sich laut den Medienberichten zu der inhaltlichen Veränderung seines Songs bisher nicht geäußert.”
Vielleicht, weil der “Panik-Udo” seit den Corona-Hygiene-Verordnungen sich nun auch der geforderten Sprachhygiene eines Humboldt-Forums einpreist? Siehe: facebook.com/wdr3/photos/a.184063451801259/1433882813485977/?type=3
L.G.
Ute Plass
7. Leserbrief
Liebe NDS,
Udos Song ist ein Dokument. Es ist ein Song als “Musik-Dokument” und der Text dazu ist ebenfalls ein Dokument. Alles zusammen ist ein musikalisches Zeit-Dokument. Was hier einige Schwurbler versuchen, die nicht richtig und klar denken können, nenne ich Dokumentenfälschung!! Punkt.
Lindenbergs Song muss so gesungen werden, wie er einst geschrieben wurde. Das im Text stehende Wort “Oberindianer” darf nicht verfälscht werden.
Ich frage mich, was für bekloppte Idioten in diesem Land unterwegs sind…
Liebe Grüße
von unserem Leser R.O.
8. Leserbrief
Liebe NDS, lieber Tobias Riegel,
diese Farce um eine Textstelle von Udo Lindenberg kommt mir bekannt vor.
Das ZDF zeigt seit Oktober 2004 jeden Mittwoch um 18 Uhr eine Serie, die im hohen Norden spielt, die „SOKO Wismar“. Die Titelmusik zur Serie stammt von Udo Lindenberg und darin fallen die Worte: „ …, wir bleiben cool und denken quer, …“. Zum 20. Jubiläum im Oktober 2024 ließ das ZDF nun die Darsteller der Serie den Song selbst vortragen. Sie sangen: „ …, wir bleiben cool und schau’n aufs Meer, …“.
Das ist so arm, so jämmerlich und in seiner Wirkung so totalitär! Der kleinteilige Eifer, mit dem viele Institutionen die dogmatischen “Narrative” der veröffentlichten Meinung bis in die letzten Ritzen der Republik verteilen und verteidigen, ist beachtlich. Wer oder was treibt sie an?
Hier noch der Link zur Mediathek des ZDFs: zdf.de/serien/soko-wismar/reuters-fest-100.html
(Das Original von Udo Lindenberg ist am Anfang bei Minute 0:06, das „Neu-Sprech“ kommt erst gegen Ende bei Minute 42:05)
Ich bin so froh, dass es euch gibt.
Herzliche Grüße
Elke Keller
9. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Riegel,
Kunst zu interpretieren ist erlaubt. Es wurde ja, z.B., schon Bach verjazzt. Aber das muss dann von Künstlern gemacht werden. Hier greift die Obrigkeit, die Zensur ein. Das ist verboten in einem Staat, der sich demokratisch nennt.
Ja wo sind sie geblieben, die Linken? Auf der individuellen Ebene findet man sie, z.B. Oskar Lafontaine. Und selbst Thomas Gottschalk und Harald Schmidt ragen da heraus, obwohl die sich nie als links bezeichnet haben. Was die Gesellschaft betrifft, Parteien etc., gab es die jemals? Kommunisten wurden 1933 verboten und haben sich nie wieder davon erholt. Die SPD ist in den vergangenen hundert Jahren einem stetigen, monotonem Siechtum erlegen, bis zur Unkenntlichkeit. Mit einer kurzen Unterbrechung in der Brandt-Ära. Die Grünen? Von Anfang an ein autoritärer Haufen (ehem. K-Gruppen, Stalin- und Mao-Verehrer statt Kommunisten, also autoritätshörig). Diejenigen, die ernst zu nehmen waren, wurden schnell raus gemobbt. Heute sind die Grünen die neuen – Faschisten will ich nicht sagen – rechten Fundamentalisten.
Was heute pseudolinks rumläuft, stammt überwiegend, direkt oder ideologisch, aus der 68er Epoche. Gut gemeint, aber schnell von Karriereristen und Selbstdarstellern dominiert. Und die machen eben was gerade Mode ist und was Pöstchen bringt.
Es gibt sie in Deutschland, die Linken, aber in homöopathischen Dosen.
Deutschland ist eine feste Klassengesellschaft, mit kurzer Aufweichung zwischen 1968 und 1978. Was jetzt, von den USA kommen, als pseudoliberales, pseudolinkes Affentheater aufgeführt wird, LGTB+, Woken, Cancel Culture, “demokratisch” etc., soll nur davon ablenken. Und die ehemaligen Linken machen fröhlich mit. Waren ja nie echte Linke, nur Angepasste, Mitläufer, Karrieristen, s.o..
“Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht” (Heinrich Heine)
So war es und so ist es.
Viele Grüße,
Rolf Henze
10. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Riegel,
es gibt da auch noch ein rechtliches Problem:
Ohne Zustimmung des Rechteinhabers des Liedes darf der Text nicht einfach bearbeitet werden. Wenn der Bearbeiter dies weiß und es ohne entsprechendes Recht trotzdem öffentlich zugänglich macht, macht er sich ggf. strafbar.
Quelle: cmshs-bloggt.de
Udo Lindenberg ist zwar stramm auf der woken Linie, aber ob er und ggf. die beiden anderen Textautoren (udo-lindenberg.de/sonderzug-nach-pankow.274.htm) den Liedtext dafür opfern?
Wenn also das Humbold-Forum gerichtsfest auf diese rechtliche Situation aufmerksam gemacht wird, eine Genehmigung nicht vorliegt, sie es trotzdem ausführen, liegt Vorsatz und damit die Grundlage für eine Strafbarkeit vor.
Und um die Verlogenheit, die Doppelmoral und doppelten Standards der Wokies aufzuzeigen: die “Schlageraffen”, die ihren “Schrott” vortragen, sind anscheinend nicht diskriminierend und kein Grund, dass sich irgend jemand unwohl fühlen könnte. Oder dies ist denen schlicht piepegal, da es nicht auf der woken Agenda steht.
Ich denke, das Humbold-Forum wird das Lied aus dem Programm nehmen a.k.a. “canceln” (müssen), nachdem es jetzt breitgetreten wird. Mit Udo Lindenberg trifft es nicht unbedingt den Verkehrten.
Mit freundlichem Gruß
Thomas Paulsen
11. Leserbrief
Liebe Freunde,
das ist in der Tat eine Farce.
Wenn es jemand um die Korrektur von Sachverhalten ernst ist, welche “…die Gewaltgeschichte der Kolonisierung indigener Bevölkerungsgruppen…” zur Grundlage haben, dann bitte schön soll er mit die Prioritäten richtig setzen.
Mein Tipp: Eine einzige Maßnahme stiftet deutlich mehr Gerechtigkeit als Vokabel-Revisionismus. Letzterer ist zwar billig, aber das Ergebnis -Neusprech- eben auch.
Frage: Welche Maßnahme?
Antwort: Rückgabe von Raubkunst.
Die „Stiftung Humboldt Forum“ hätte da in Berlin vollauf zu tun.
Ich habe mir die Mühe gemacht, deren Webseite auf zwei Suchbegriffe hin zu durchsuchen: “Nofretete” und “Pergamon”.
In beiden Fällen liefert die Suche zwei Treffer. In allen vier Fällen handelt es sich um Trivia:
- Postkarte für Nofretete. Von Volker Sielaff: “…fragmentarische Miniaturerzählungen über Sex-Dates, Alkoholnächte und nie gelesene Briefe…” (Rezension in “Die Welt”, article 285000).
- Access for who? Podcast… versucht die erforderliche Fürsorge und Ethik beim Vorgang der Digitalisierung von kulturellem Erbe aus Afrika zu beleuchten…
- Pressemitteilung 23. Oktober 2019 … Highlights auf der Museumsinsel Berlin und am Kulturforum; Darin ist einmal der Museumsname genannt, einmal wird über Götter (u.a. Vishnu, Cuauhcoatl, Nandi…) philosophiert.
- Namensgebung für ein “Mikrokonzert #2 des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin”
Nichts von Unrecht. Nichts von Rückgabe.
Solche scheinheilige Moralapostel haben keine Legitimation, historische Texte von irgendjemandem zu verfälschen.
Mit freundlichen Grüßen,
Eckehard Mädler
12. Leserbrief
Sehr geehrtes Team der NachDenkSeiten,
eine kurze Anmerkung zur Herrn Riegels ‘Farce um Udo Lindenbergs „Oberindianer“’, vom 31. Oktober 2024. Eine wahrnehmbare Linke, die die Bezeichnung auch verdient hätte, existiert heute kaum noch.
Cancel-Culture und die vermeintliche Opposition dagegen, sind lediglich Spektakel zur Beschäftigung mit Nebenschauplätzen. Als wenn durch das ändern der Sprache der einen Seite, etwas an dem Ausbeutungssystem geändert würde. Ebenso wenig wie es etwas ändert, wenn von konservativer Seite auf der vorhandenen Popkultur beharrt wird.
Als Anmerkung, Udo Lindenberg selbst dürfte kaum etwas gegen die Änderung haben:
Udo Lindenberg hat kein Verständnis für Gegner der Corona-Maßnahmen. “Wir brauchen die kollektive Mega-Power, also: Maske auf und mit panischer Konsequenz da durch!”, sagte Lindenberg. “Wenn die hirntoten Risikopiloten durch die Aerosole zischen, wird es ganz viele noch erwischen”, kritisierte er etwa Maskenverweigerer. “Nur wenn wir alle cool bleiben und uns an die Regeln halten, können wir das Ding unter Kontrolle kriegen.” Wer den Schutz gegen die Ausbreitung des Virus ignoriere, gefährde nicht nur andere Menschen, “sondern bedroht auch die möglichst schnelle Rückkehr unserer geilen, breit aufgestellten Kulturszene in Deutschland”.
Quelle: n-tv.de
Sein Traum, vom Sklaven zum Sklaventreiber, scheint erfüllt. Die Nebenschauplätze, deren Integration in die kapitalistische Grundordnung, die Fokussierung darauf, waren entscheidend für die Niederlage der nun kaum noch vorhandenen Linken. Das Kapital der Konservativen, aus der Angelegenheit, besteht in der Inszenierung als Opposition, zur Bewahrung des Alten, das nie so geil und breit war wie Lindenberg meint.
Bestenfalls kann man meinen, die Dürftigkeit und Verlogenheit früherer Tage wird heute lediglich bekrönt. Zwei Seiten der gleichen Medaille.
Mit freundlichen Grüßen
Mike Holstein
13. Leserbrief
Moin,
man packe die Menschen in Watte, auf daß ihnen bloß kein Unheil geschehe. Doch wenn man sich nicht auch mit kritischen Dingen befaßt, dann kann der Geist nicht reifen. Er verkümmert und denkt nur noch in den vorgegebenen Schablonen. Kreativität, Eigenentwicklung, (Selbst-)Reflektion und Kritikfähigkeit werden so effizient unterdrückt; eine mögliche Kritikfähigkeit, übrigens, die sich auch an den Vorgaben der Politik stößt, genauso wie in Udo Lindenbergs Lied “Sonderzug nach Pankow”.
In Wikipedia steht, daß er 1979 in Ost-Berlin für seine Fans ein Konzert geben wollte, was für die Verantwortlichen aber nicht in Frage kam. In Reaktion auf diese Absage, als persönlich Getroffener, entstand dieses Lied, übrigens 4 Jahre später. Das brachte natürlich die DDR-Führung auf, was aber am Ende zu einer Einigung führte, sodaß er sogar noch im selben Jahr ein Konzert in der DDR geben durfte — natürlich ohne besagtes Lied (was auch nun keinen Sinn mehr machte, denn das Lied bemängelte eben jenes Verbot, was mit der Auftrittserlaubnis hinfällig wurde). Am Ende des Wikipedia-Artikels ist interessanterweise genau das Humbolt-Forum 2024 erwähnt, bei welchem das Lied ohne “Oberindianer” gespielt werden soll.
Es steht außer Frage, daß “Oberindianer” eine Bezeichnung für einen Häuptling ist, der nicht in der Lage ist, weise zu regieren. Anstatt aber berechtigte Kritik auszuhalten & anzunehmen sowie konstruktiv mit ihr umzugehen, wird sie “gecancelt”. Hier geht es ganz offensichtlich nicht um die Bedeutung der Worte an sich (seien es “Neger” oder “Indianer”, die an sich nur Ethnien beschreiben), die sind nur Blendwerk & moralische Rechtfertigung für eine übergeordnete Agenda, ein bestimmtes Narrativ in der Öffentlichkeit zu etablieren, eines, das keinerlei Kritik an welcher Herrschaft auch immer akzeptiert, damals wie heute nicht. Sonst könnte man sich fragen: Was interessiert Ost-Berlin heute noch DDR-Umstände? Ganz abgesehen davon, daß es nur noch ein Berlin gibt, kein Ost oder West mehr.
Eine Frage, die sich mir stellt: Warum lassen sie dieses Lied nicht einfach weg oder nehmen ein anderes, das man als weniger “anstößig” empfinden könnte? Hier soll offensichtlich ein Exempel statuiert und Geschichts- wie auch Kulturfälschung salonfähig gemacht werden. Hier war die DDR 1983 fortschrittlicher. Die Forderung nach einer Textumschreibung wäre auf Initiative der DDR sehr wahrscheinlich als lächerlich empfunden worden.
Kuriosität am Rande:
Das Lied “Quark” von “Die Ärzte” wurde auch umgeschrieben, scheinbar von ihnen selbst. Die erste Variante richtete sich explizit gegen unfähige Politiker [1], die zweite wurde so umgeschrieben, daß man eine geschwätzige Partnerin in einem Beziehungsstreß annehmen könnte [2]. Interessanterweise findet sich dazu keine Dokumentation, vor allem, wann & vor welchem Hintergrund die Umschreibung stattfand. Daß die Ärzte wie auch die Toten Hosen längst zu Salontigern geworden sind, bewies deren Konformität während “Corona”. Es ist ein altbekanntes Phänomen, daß der “rebellische Faktor”, der manche Sänger & Gruppen in vor allem jungen Jahren erst groß werden ließ, je weiter abhanden kommt, desto größer das Bankkonto wird.
Es wird im Artikel gefragt, warum sich nur “Konservative” empörten, ohne zu konkretisieren, wer genau damit gemeint ist. Empören sollte sich jeder, der noch bei Verstand ist, allen voran Gelehrte in Kunst, Sprache, Soziologie und so weiter, und zwar mit Würde in Funk, Fernsehen & Zeitungen. Doch anstatt ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Stimme in die Öffentlichkeit zu tragen, werden sie medial gehetzt & diffamiert. Das ist der Grund, warum sich breitenwirksam niemand mehr findet, der Kritik übt oder kritische Stimmen veröffentlicht. Man gibt einfach noch zu viel auf FAZ, BILD & Co. und ihnen damit Deutungshoheit.
Zusammenfassend muß festgestellt werden:
Damals, 1979, wurde in der DDR (West-)Kultur verboten, weil sie politisch nicht auf Linie war. Heute wird Kultur nicht verboten, sondern “systemkonform” bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt, damit bloß keine noch so leise Kritik an der Herrschaft aufkommt. Schließlich soll niemand auf den Gedanken kommen, daß wir heute in ähnlich totalitären Verhältnissen leben wie seinerzeit in der DDR: tausche Banane gegen Meinungsvielfalt, Kultur gegen ein “Wohlgefühl”.
Mit freundlichen Grüßen,
Michael Schauberger
Verweise:
[1] die-aerzte-archiv.de/songtexte/die-aerzte/song/quark-neuer-text-135-politisch-korrekt.html
[2] die-aerzte-archiv.de/songtexte/die-aerzte/song/quark.html
14.Leserbrief
Das Lied ist übrigens ein frauenfeindliches diskriminierende Lied !
Üblicherweise sind Treffen immer auch mit der Ehefrau, also in diesem Fall wäre es mit Margot und Erich Honecker.
Außerdem war es kein Arbeiter- und Bauerstaat wie Udo Lindenberg singt, sondern ein ArbeiterInnen und BäuerInnnen Staat.
Zumal in der DDR Gleichberechtigung sehr stark im Fokus stand, zumindest offiziell.
Praktisch wurden aber Studiumabsolventen den Studiiumabsolventinnen klar bevorzugt, weil bei den jungen Frauen meistens die Geburt eines oder mehrerer Kinder bevorstand. Und dann folgte erst einmal der Ausfall für ein oder mehrere Babyjahre und die Planstelle war aber belegt.
Außerdem müßte die Außenministerin, die unser Land repräsentiert, einen geschlechtsneutralen Namen statt eines männlichen Namens haben.
Sie müßte also einen geschlechtsneutralen Namen annehmen !
“Bock steht für: das Männchen verschiedener Säugetiere (häufig Ziegenbock)…”
Quelle wikipedia
Ebenfalls müßte sich Herr Hofreiter umbenennen, da seine Namen nicht geschlechtsneutral und damit eine Diskriminierung seiner Frau ist.
Grüße
Dieter Gabriel
15. Leserbrief
Lieber Tobias Riegel,
natürlich haben Sie mit Ihrer Kritik an der Verstümmelung eines ironischen (!) Popsongs aus den frühen 80ern Recht, aber sie ist nicht vollständig, weshalb ich hier auf einige weitere problematische Punkte in diesem Text hinweisen möchte.
(Einen Verweis auf die Problematik der “kulturellen Aneignung” der Originalmelodie, die ja bekanntlich von einem farbigen US-Amerikaner aus dem Bereich des nicht-deutschen Genres “Jazz” stammt, durch einen “weißen” Künstler, auf den – jetzt – die Charakterisierung “alter weißer Mann” sehr gut passt, sowie durch Berliner, sicherlich überwiegend ebenfalls nicht-farbige Chöre, erspare ich mir … da ich mich als “alter weißer Mann” dazu nicht berechtigt fühle.)
Aber kommen wir zum fraglichen Text. Denn es sind ja nicht nur die amerikanischen Ureinwohner, die sich durch diesen beleidigt fühlen könnten:
“Entschuldigen Sie ist das der Sonderzug nach Pankow”
Hier hätten wir z.B. gleich zu Anfang das Problem, dass der Autor wenig verhohlen suggeriert, die damalige Deutsche Reichsbahn der DDR hätte für ihn oder die DDR-Regierungsmitglieder einen “Sonderzug” – oder sogar mehrere, möglicherweise sogar regelmäßig – eingesetzt. Das widerspräche nicht nur der propagierten Gleichheit im Arbeiter- und Bauernstaat, sondern eben sicher auch dem Ehrgefühl der (damaligen) Eisenbahner als Mitgliedern der Arbeiterklasse (… nehme ich jetzt mal an – überprüfen könnte man das nur durch eine repräsentative Umfrage, die aber bei den amerikanischen Ureinwohnern m.W. ja auch unterblieb.)
Schließlich gibt es auch im nun auch im Osten demokratischen, freiheitlich-grundordentlichen Deutschland keine solche Sonderbehandlung: Als ein Frank Walter Steinmeier während der Pandemie durch die Republik reiste, bekam er auch keinen Sonderzug – aber immerhin durfte er ohne Maske reisen. Manche sind eben auch in unserem egalitären Staat gleicher als andere …
“Ich muss mal eben dahin
Mal eben nach Ost-Berlin”
Es hieß “Berlin – Hauptstadt der DDR” … was sagen die ehemaligen “Ost-Berliner” dazu? Hoffentlich fühlt sich keiner zurückgesetzt, herabgewürdigt oder gar beleidigt?
“Ich muss da was klärn mit eurem Oberindianer
Ich bin ein Jodeltalent und will da spieln mit ‘ner Band”
Gleich nach der inkriminierten Textzeile bezeichnet sich der Sänger also hier als “Jodeltalent”. Ohne ihm und seinen Sangeskünsten zu nahe treten zu wollen, denke ich doch annehmen zu dürfen, dass Udo Lindenberg bisher nirgends als “Jodeltalent” aufgefallen ist. Seine bekannt-“schnoddrige” Vortragsart könnte dagegen echte Jodelkünstler und -talente, die dies noch werden wollen, erzürnen, weil sie ihre hohe, viel Übung erfordernde Kunst sicherlich nicht mit derjenigen, stilistisch völlig andersartigen Lindenbergs gleichgestellt sehen wollen. (Und wenn doch – oder auch nicht – könnte wiederum eine Umfrage unter den Betroffenen weiterhelfen…) Ergo könnten sie sich also auch beleidigt fühlen. Man sollte den Text also an dieser Stelle vielleicht auch ändern, z.B. in “Rockmusikgesangsvortragstalent”?
“Ich hab ‘n Fläschen Cognac mit und das schmeckt sehr lecker”
Was sagt der Verband der Deutschen Spirituosenhersteller eigentlich dazu, wenn ein Deutscher einen Deutschen auf einen Cognac einladen will – und nicht auf ein Bier, einen Korn, einen Schnaps …?
Und: Bei der Aufführung sind doch offensichtlich auch Jugendliche (z.T. als Ausführende) zugegen? Wie passt da solche unverholene Werbung für hochprozentigen Alkohol? (Von Chormitgliedern oder Zuhörern muslimischen Glaubens gar nicht erst zu reden…!)
“Das schlürf ich dann ganz locker mit dem Erich Honecker
Und ich sag: Ey Honey ich sing für wenig Money”
Wir wissen, dass die DDR immer unter Devisenmangel litt und bereit war, für deren Einfuhr eine Menge zu tun – ob sich aber das Staatsoberhaupt die Ansprache “Ey Honey” gefallen lassen und nicht vielleicht ebenso beleidigt fühlen würde, wie zumindest die schon verstorbenen amerikanischen Ureinwohner, wissen wir nicht – im Zweifelsfalle sollten wir aber davon ausgehen und diese Passage auch anpassen.
“Im Republik-Palast wenn ihr mich lasst”
Das Gebäude hieß offiziell “Palast der Republik”. Nun kann man bestreiten, dass Gebäude eine Seele haben und sich beleidigt fühlen könnten, aber gänzlich auszuschließen ist das nicht. (Herr Lindenberg wäre sicherlich auch nicht begeistert, wenn man ihn “Linden-Udo” nennen würde, oder?)
Dass der Palast inzwischen abgerissen wurde, kann bei unseren Überlegungen aber ebensowenig eine Rolle spielen wie die Tatsache, dass die meisten amerikanischen Ureinwohner, die als “Indianer” bezeichnet wurden, seit Kolumbus wohl längst verstorben sind…
(Apropos: In der DDR gab es um die Zeit der Eröffnung den Witz, man habe Gokoj Mitic als Pförtner engagiert, der durch seinen Rollen als der stets gute Indianer … pardon: amerikanische Ureinwohner in DEFA-Filmen bekannt war. Er sollte die Ankommenden mit den Worten begrüßen: “Kommt rein, meine roten Brüder!”)
“All die ganzen Schlageraffen dürfen da singen
Dürfen ihren ganzen Schrott zum Vortrage bringen”
Da ich selbst kein Schlagerfan bin, habe ich als DDR-Bürger nicht Buch darüber geführt, welche Vertreter dieses Genres bei Auftritten in der DDR auch im Palast der Republik gastierten. Zumindest aus Fernsehübertragungen und -wiederholungen glaube ich mich an Bata Ilic, Lena Valaitis, Chris Roberts, Roberto Blanco (?), Howard Carpendale, Ireen Sheer u.v.a.m. erinnern zu können. Dass diese alle mit der Bezeichnung “Schlageraffen” mindestens ebenso beleidigt werden wie die nordamerikanischen Ureinwohner durch die Bezeichnung “Indianer”, dürfte sich aber wohl von selbst verstehen. Zumal sie nicht nur als Menschen deklassiert, sondern sogar zu Affen erklärt – also entmenschlicht! – werden! SKANDAL!!
Dagegen ist die Charakterisierung ihres Schaffens als “Schrott” vielleicht eher marginal, aber immer noch eine, die keine Achtung vor der Arbeit anderer Menschen erkennen lässt – und also korrigiert gehört! (Zumal dies eine Verletzung eines der 10 Gebote für die DDR-Jung- und Thälmann-Pioniere darstellt! Ob die sich auch beleidigt fühlen…?)
“Nur der kleine Udo nur der kleine Udo
Der darf das nicht und das verstehen wir nicht”
Inwiefern es angebracht ist, dass jemand, der nicht königlicher oder wenigstens adliger Abstammung ist wie ein Lindenberg, hier von sich im Pluralis Maiestatis spricht, können wir dahingestellt sein lassen. Es könnte aber Anlass für alle Nicht-Adligen Zuhörer sein, sich herabgestuft zu fühlen … Und das gilt sogar für die, die zwar noch das Residuum “Graf” o.ä. in ihrem Namen tragen – aber eben seit 1918 nur noch als Namensbestandteil, nicht mehr als Adelstitel! (Nun gut, man könnte einwenden, dass unsere demokratisch-repräsentativen Volksvertreter in gehobenen Positionen für sich auch gern diese altbackene Redeform verwenden – aber das macht es nicht besser: Deklassiert – im Wortsinne! – sie doch die Zuhörenden zu Nicht-Adligen = Nicht-so-Edlen wie die Sprecher:_*Innen!)
“Ich weiß genau ich habe furchtbar viele Freunde
In der DDR und stündlich werden es mehr
Och Erich ey bist du denn wirklich so ein sturer SchratWarum lässt du mich nicht singen im Arbeiter- und Bauernstaat”
Auch “Schrat” ist eine Bezeichnung, die als (hier wiederum postume) Beleidigung aufgefasst werden könnte …
” […] Honey ich glaub du bist doch eigentlich auch ganz locker
Ich weiß tief in dir drin bist du doch eigentlich auch ‘n Rocker”
Hat man die Rocker (beschränken wir uns mal auf das heutige Deutschland) gefragt, ob sie mit dem ach-so-blutrünstigen kommunistischen Diktator (der wegen ein paar Hunderttausend Demonstranten aufgab, statt sie in bester (sozial)demokratischer Tradition niederknüppeln und sogar -schießen zu lassen…) auf eine Schwelle gestellt werden wollen und dieser zu einem von ihnen ernannt werden soll?
Das Folgende ist dann eher belanglos …
“Du ziehst dir doch heimlich auch gerne mal die Lederjacke an
Und schließt dich ein auf’m Klo und hörst West-Radio
Hallo Erich kannst mich hörn hallo-lo-löchen hallo
Hallo Honey kannst mich hörn hallo-lo-löchen hallo
Honey kanst mich hören jodelodeldido
Hallo Erich kannst mich hören jodelodeldido”
… aber auch dieses “jodelodeldido” könnten ernsthafte Jodler (z.B. solche mit Diplom…) als Verhöhnung empfinden – und bevor diese sich in Berlin möglicherweise zu einer Protestkundgebung versammeln und die 8 Chöre in Grund und Boden jodeln, sollten man diese Textzeile vielleicht auch ändern?
So, ich hoffe, ich habe nichts Wesentliches übersehen, wodurch sich weitere Bevölkerungsgruppen bei der unkorrigierten Aufführung dieses Liedes benachteiligt sehen könnten … Mir fallen aber noch die Urheberrechtsanwälte ein, denen ein erheblicher Einkommensnachteil entstehen dürfte, wenn solche Textänderungen wie “Ober-I…” NICHT juristisch verfolgt werden sollten.
Beste Grüße von einem DDR-Bürger, der als Jugendlicher sehr viel Udo Lindenberg gehört und – unwissend um die vielen moralischen Fallstricke seiner Texte! – mitgesungen hat ;-)
Ihr Bernd Kulawik
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