Trotz massiver russischer Einflussnahme haben sich die Wähler in der Republik Moldau für Europa, für Freiheit und Demokratie entschieden. Sie haben daher bei der Stichwahl am vergangenen Wochenende die EU-freundliche Kandidatin Maia Sandu unterstützt. Mit 54,64 Prozent wurde Sandu im Amt der Präsidentin bestätigt. Das zumindest ist die Geschichte, die westliche Medien erzählen. Sie ist eingebettet in die Erzählung über eine EU, die als Leuchtturm der Demokratie und der westlichen Werte ihr Licht der Freiheit leuchten lässt und sich gegen die Feinde der Demokratie stellt, gegen die Autokraten, die danach trachten, die Menschen zu unterdrücken und sie ihrer ureigensten Rechte zu berauben. Von Gert Ewen Ungar.
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Russlands Präsident Putin ist so ein Autokrat – ein Demokratie- und Freiheitshasser aus tiefster Seele. Doch trotz aller Manipulationsversuche ist es dem russischen Diktator nicht gelungen, in der Republik Moldau seinen autokratischen Fuß in die Tür zu bekommen. Die Demokratie hat gesiegt. Westliche Politiker feiern den Wahlsieg. Bravo! EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gratuliert Sandu als Erstes und untermalt ihre Gratulation mit eben jenem Demokratiegeschwurbel. In gleicher Tonlage folgen ihr andere Staatschefs der EU, Macron, Scholz, dann die Ministerriege, Baerbock und Co. Schließlich gratulieren auch Figuren wie die im Westen als Führerin der weißrussischen Opposition gefeierte Swetlana Tichanowskaja – faktisch eine gescheiterte Putschistin.
Während man, ohne über wirkliche Beweise zu verfügen, vor Kurzem noch die Wahlergebnisse in Georgien angezweifelt und eine Überprüfung gefordert hat, ist man jetzt mit dem Ergebnis vollauf zufrieden. Dabei gebe es gute Gründe, das Ergebnis in der Republik Moldau zu hinterfragen.
Die Wahl war alles Mögliche, nur fair war sie nicht. Moldau hat rund 2,5 Millionen Einwohner. Die Diaspora Moldaus ist groß, und sie ist wie das Land selbst gespalten. Laut offiziellen Angaben lebten im Jahr 2023 rund 232.000 Moldauer in der EU. Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums, gab unmittelbar nach der Wahl an, in Russland würden etwa 500.000 Menschen mit Moldauer Pass leben. Diese Zahlen sind angesichts der Bevölkerungszahl relevant.
Zur Wahl öffneten laut offiziellen Angaben etwas mehr als 2.200 Wahllokale im In- und Ausland: 1.988 in Moldau, über 200 im Ausland, die meisten in der EU, ganze zwei in Russland.
Russische Medien zeigten Bilder von langen Schlangen. Wähler berichteten, im Wahllokal selbst gebe es nur zwei Wahlkabinen, weshalb immer nur zwei Personen gleichzeitig eingelassen wurden. Obendrein standen in Russland nicht ausreichend Wahlzettel zur Verfügung – es herrschten Berliner Verhältnisse.
Zufall ist das nicht. Die Gesellschaft Moldaus ist ähnlich gespalten wie die der Ukraine. Einen Teil zieht es in Richtung EU, der andere fühlt sich dem russischen Kulturkreis zugehörig. Wie in der Ukraine unterstützt die EU in Moldau die Entstehung eines antirussischen Nationalismus. Sandu hat im Wahlkampf kräftig antirussische Ressentiments geschürt.
Von den Migranten, die in Russland wohnen und arbeiten, ist zu erwarten, dass sie eher die russlandfreundliche Opposition unterstützen. Diese Gruppe wurde bei der Wahl systematisch benachteiligt.
Die EU stört das nicht, denn aus ihrer Sicht stimmt das Ergebnis. Aus Sicht derer, die in Moskau zur Stimmabgabe kamen, sie aber nicht abgeben konnten, stimmt es jedoch nicht. Es stimmt auch für die Einwohner von Moldau nicht, denn Alexander Stoianoglo, der Herausforderer Sandus, hatte nach Auszählung aller Stimmzettel im Inland die Mehrheit. Sandu verdankt ihren Wahlsieg einerseits der Diaspora in der EU und andererseits der Benachteiligung der in Russland lebenden Wähler. Das Ergebnis ist Fake.
Was sich die EU von der Unterstützung offensichtlicher Wahlmanipulation verspricht, bleibt dabei unklar. Der Vorgang macht deutlich, dass sie nicht für die Werte steht, die sie propagiert. Der Wählerwille ist der EU ganz offensichtlich gleichgültig, es zählt nur das Ergebnis. Es hat dem Expansionsdrang der EU zu dienen. Wie es erzielt wurde, zählt dagegen nicht.
Angezweifelt werden Wahlen nur, wenn das Ergebnis nicht den Brüsseler Ideen vom EU-Imperium dient wie im Fall Georgien, obwohl die Wahlentscheidung der Georgier absolut rational war. In Georgien geht es mit der Wirtschaft bergauf, der Wohlstand wächst. Die Georgier haben sich für die Fortsetzung des Kurses entschieden.
Eine derart positive Bilanz kann Sandu nicht vorweisen. Die Inflation ist hoch, die Energiepreise gehen durch die Decke, weil Sandu den Vorgaben der EU folgt und gegenüber Russland auf Konfrontation setzt.
Sandu schaltete im Frühjahr 2023 obendrein mit einem Parteiverbot ihren politischen Gegner Ilan Shor aus. Die deutschen Medien jubelten. Die Shor-Partei sei „Russlands Handlanger“, behauptete damals die Tagesschau, immer brav das westliche Narrativ bedienend. Shor selbst sei korrupt und ein Betrüger. Sandus Verdienst wiederum sei, die Strafverfolgung Shors ermöglicht zu haben.
Im Land selbst sieht man das freilich differenzierter als bei der Tagesschau. Fakt ist, Sandu hat mit einem Parteienverbot einen Teil der Moldauer Wählerschaft aus der politischen Repräsentation ausgegrenzt. Dass die Anhänger Shors gegen das Verbot protestierten, wurde dann dahingehend umgedichtet, dass der inzwischen nach Israel geflohene Shor von außen das Land destabilisieren wolle.
Sandu grenzt mit der Wahlmanipulation erneut Wähler aus. In beiden Fällen bekommt Sandu für ihre autokratischen Praktiken Rückhalt aus der EU.
Die große Frage aber bleibt, was bezweckt die EU in Moldau? Zielt die EU tatsächlich darauf, ein Szenario wie in der Ukraine in Moldau zu wiederholen? Will sie die Gesellschaft immer weiter spalten, den innergesellschaftlichen Konflikt bis zum Bürgerkrieg anheizen und schließlich die militärische Konfrontation mit Russland suchen? Das wäre mit Sicherheit die falsche Lehre aus den vergangenen gut zehn Jahren.
Zu befürchten ist allerdings genau das. Die EU hat mehrfach gezeigt, dass sie zur Selbstkorrektur nicht in der Lage ist. Auch in der Ukraine setzt die EU den eingeschlagenen Weg fort, ohne ein realistisches Ziel formulieren zu können und ohne einen Plan B zu haben, der einen Ausstieg aus der Eskalation ermöglicht. Sie setzt seit nunmehr fast drei Jahren auf Waffenlieferungen, auf eine Fortsetzung des Kriegs, lehnt Diplomatie ab und nimmt dabei die vollständige Zerstörung der Ukraine billigend in Kauf. Das größte Opfer der Ukraine-Politik der EU ist die Ukraine.
Das Gute ist, dass es gesehen wird. Die Georgier haben sich gegen diesen Kurs entschieden, die Moldauer mehrheitlich auch. Sandu hat die Wahl manipuliert und wird dabei von der EU unterstützt, weil sie mit lauteren, demokratischen Mitteln offensichtlich nicht mehr vorankommt.
Mit dieser Hinterlist wurde allerdings weder das Ansehen Sandus noch das der EU gestärkt. Auf Sandu kommen schwere Regierungsjahre zu. In der EU nehmen aufgrund genau dieser perfiden Praktiken die Fliehkräfte immer weiter zu. Der Sieg Maia Sandus wird der EU daher mehr schaden als nutzen.
Was übrigens die angebliche russische Wahleinmischung angeht: Bisher konnte für diese Behauptung kein Beleg vorgelegt werden. Es handelt sich um eine Verschwörungserzählung. Keine Verschwörungstheorie ist dagegen, dass die EU unmittelbar vor der Wahl Moldau 1,8 Milliarden an Unterstützung zugesagt hat – um genau zu sein am 10. Oktober, also unmittelbar vor dem ersten Wahlgang. Aber Wahleinmischung betreiben freilich immer nur die anderen Autokraten.
Titelbild: BUTENKOV ALEKSEI/shutterstock.com