Ampel kaputt, Trump wieder da – für die SPD könnte das eine Chance sein

Ampel kaputt, Trump wieder da – für die SPD könnte das eine Chance sein

Ampel kaputt, Trump wieder da – für die SPD könnte das eine Chance sein

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

In nur zwei Tagen haben sich die Rahmenbedingungen für Deutschlands Politik grundsätzlich geändert. Allen voran die SPD könnte die Wahl Trumps und das Ende der Ampel dafür nutzen, sich an ihre Tradition zu erinnern und mit einem klaren friedenspolitischen und progressiven Profil in Neuwahlen zu gehen. Das Handlungsfenster dafür steht offen, doch noch findet keine Debatte darüber statt. Wer die SPD und ihre derzeitige Verfasstheit kennt, kann leider auch nicht gerade optimistisch sein, dass die Partei ihre Chance überhaupt erkennt, geschweige denn die richtigen Schlüsse daraus zieht. Ein Kommentar von Jens Berger.

Zum Ende der Ampel lesen Sie bitte auch den gestern erschienenen Artikel „Totales Dilemma: Nach der Ampel kommt’s noch härter!“ von Tobias Riegel.

Ginge es nach geschäftstüchtigen Motivationscoaches, müsste man Krisen wohl vor allem als Chancen begreifen. Zumindest theoretisch ist das ja auch gar nicht mal dumm und ließe sich wunderbar auf die derzeitige politische Großwetterlage über Deutschland anwenden. Hierzulande hat die Ampel endlich ihr Scheitern eingesehen und Neuwahlen in Aussicht gestellt und jenseits des Atlantiks weht schon bald ein neuer Wind. Auch wenn die USA in der zweiten Trump-Ära sicher nicht zur globalen Friedensmacht werden, so scheint der President-elect doch eher desinteressiert an einer Fortsetzung des Stellvertreterkriegs gegen Russland in der Ukraine zu sein. Glaubt man den Talkshow-Auguren, war Biden gar der letzte „transatlantische US-Präsident“. Die alte Weltordnung ist tot, es lebe die neue Weltordnung; nun müsse Europa selbst die Dinge in die Hand nehmen.

Unabhängig davon, dass die Analyse maßlos übertrieben ist, so ließe sich mit der Forderung, Europa müsse seine Interessen selbst verfolgen, ja durchaus etwas anfangen. Das Problem – die Auguren haben eine vollkommen andere Vorstellung, welche Interessen Europa hat und verfolgen solle. Ginge es nach ihnen, soll Europa die Rolle der USA als bis an die Zähne bewaffneter Vorwärtsverteidiger westlicher Werte ganz einfach übernehmen. Stellvertretend für die Gruppe dieser Meinungsmacher sei hier der SPIEGEL-Journalist Timo Lehmann zitiert, der gestern voller freudiger Aufregung twitterte: „Ab heute ist Ursula von der Leyen die Anführerin der freien Welt. Zumindest von dem, was davon noch übrig ist.“

Mehr Rüstung, mehr Militär und eine noch größere Klappe. So schallte es gestern in einer Tour durch den Äther – Europa, und allen voran Deutschland, müsse nun die Rolle der USA als größter „Unterstützer“ der Ukraine übernehmen. Hört man im Interview, das Gordon Repinski von Politico heute morgen mit dem neuen SPD-Generalsekretär Matthias Miersch geführt hat, zwischen den Zeilen, waren die künftigen Mehrkosten für den Ukrainekrieg wenn auch nicht der Grund, aber dafür einer der Auslöser für den Koalitionsbruch. Finanzminister Lindner sah dies nicht als „außergewöhnliche Notlage“ und wollte die Schuldenbremse nicht für zusätzliche Milliarden für die Ukraine außer Kraft setzen. Scholz fand diese Position „schon doof“ und machte dem Schrecken ein Ende. Ampel aus.

Ob diese Erzählung so stimmt, ist unklar. Aber es ist schon tragisch, dass allen voran die SPD die „Krise“, die mit dem anstehenden Regierungswechsel in den USA verbunden ist, nicht als Chance begreift, ihrerseits die transatlantische Ära zu beerdigen, um aktiv an einer neuen Ära zu arbeiten, in der westliches Dominanzstreben durch ein neues europäisches Sicherheitssystem ersetzt wird, in dem Deutschland und Europa die eigenen Interessen definieren und unter Beteiligung Russlands eine neue Sicherheitsarchitektur aufbauen, die tragfähig für dieses Jahrhundert ist. Das wäre die Chance, doch offenbar ist die SPD nicht fähig, sie zu erkennen, geschweige denn zu ergreifen.

Dabei wäre eine „Neue Friedenspolitik“ nicht nur im Sinne Deutschlands, seiner Wirtschaft und seiner Menschen, sondern auch ein ganz hervorragendes Wahlkampfthema für die SPD. Man stelle sich nur einmal vor, die SPD würde im anstehenden Wahlkampf für Frieden, für eine Verständigung mit Russland und für eine dauerhafte Sicherheitsarchitektur in Europa – ohne die Brandstifter aus den USA – werben. Eine Mehrheit bei den kommenden Neuwahlen wäre im Bereich des Möglichen. Wahrscheinlich ist das leider nicht, aber man wird ja wohl mal träumen dürfen.

Titelbild: Shutterstock AI Generator