In den russischen Fernseh-Talkshows am Mittwoch nach der Wahl spürte man Zufriedenheit. Die US-Demokraten mit Joe Biden an der Spitze hatten Russland in den letzten vier Jahren mit den Waffenlieferungen an die Ukraine und dem Hype um Wolodymyr Selenskyj das Leben schwer gemacht. Das russische Fernsehen hatte die Aversion auf die US-Demokraten in den letzten Jahren kräftig angeheizt und Trump geschont. Nun scheinen die Hoffnungen auf Donald Trump vollends zu zerbröckeln. Aus Moskau berichtet Ulrich Heyden.
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Dmitri Peskow, der Sprecher des russischen Präsidenten, erklärte am Mittwoch, die Wahlen in den USA seien eine „innere Angelegenheit der Vereinigten Staaten“. Man müsse noch den Amtsantritt von Trump abwarten. Gegenüber der Rossiskaja Gaseta erklärte Peskow, der Kreml beurteile den Wahlsieg Donald Trumps „mit verhaltenem Optimismus“. Die Nachrichtenagentur TASS zitierte den Putin-Sprecher mit den Worten: „Was die Glückwünsche betrifft: Mir ist nicht bekannt, dass der Präsident Trump zur Wahl gratulieren will. Lassen sie uns nicht vergessen, dass es sich um ein unfreundliches Land handelt, welches direkt und indirekt an dem Krieg gegen unseren Staat beteiligt ist.“
Peskow erklärte, Putin habe schon mehrmals seine Bereitschaft zu einem konstruktiven Dialog mit Washington geäußert. Nach Meinung von Peskow ist die Stimmung in der US-Präsidialadministration gegen einen konstruktiven Dialog.
Putin-Sprecher: „Vor der Wahl waren russische Politiker optimistisch“
Der Sprecher des russischen Präsidenten erklärte, vor der Wahl seien russische Politiker in Bezug auf Trump optimistisch gewesen. Das hing nach Meinung von Peskow mit den Erklärungen der Republikaner im Wahlkampf zusammen.
„Aber nach den Wahlen bereitet man sich auf das Oval Office vor, und da haben die Aussagen schon einen anderen Ton. Und deshalb werden wir genau analysieren, alles beobachten und auf Grundlage von konkreten Worten und konkreten Schritten Schlüsse ziehen.“
(Quelle: rbc.ru)
Das russische Außenministerium kommentierte in einer Erklärung zum Wahlergebnis in den USA: „Man kann davon ausgehen, dass die Rückkehr von Donald Trump die inneren Spannungen und die Verhärtung der miteinander kämpfenden Lager (in den USA) verstärkt.“
Die Vorsitzende des russischen Föderationsrates, Walentina Matwijenko, erklärte gegenüber dem Wirtschaftsportal RBK: „Nach meiner Meinung haben die Ergebnisse der Wahlen in den USA keine kardinale, prinzipielle Bedeutung für uns. (…) Wir meinen, dass die Entwicklung von Russland in unseren Händen liegt. Wir wissen, woran wir arbeiten müssen. Und das werden wir tun.“
Die Wirtschaftspolitik und die technologische Entwicklung hängen nur von Russland selbst ab. Das gute Ergebnis von Trump sei „ein Protest gegen alles das, was vor sich geht, und zum Teil, so denke ich, auch ein Protest gegen die Politik gegenüber Russland“, erklärte Matwijenko.
Kamala Harris als Clown
Die Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris spielte in den russischen TV-Talkshows am Tag nach der Wahl nur eine Randrolle. Ihre visuelle Präsentation im russischen Fernsehen war einseitig. Man sah Harris meist als übertrieben lachende und alberne Person, und immer wieder wurde sie mit Vertretern der LGTB-Bewegung gezeigt.
Die meisten politischen Experten meinten, sie sei zu spät in den Wahlkampf eingestiegen. In der Demokratischen Partei habe es bessere Kandidaten gegeben als Harris.
Trumps Mischmasch – Entspannungssignale und Kriegsdrohungen
Die Russen haben, was Trump betrifft, schon vieles gehört, was sich widerspricht. Am 30. Juni 2023 erklärte Trump in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters, um den Krieg in der Ukraine zu beenden, müsse die Ukraine einen Teil ihres Territoriums an Russland abgeben. Am 17. September 2023 erklärte Trump in einem Interview mit NBC News: „Wenn ich Präsident wäre, würde ich Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj an den Verhandlungstisch rufen und einen für beide Seiten gerechten Deal vereinbaren.“
Im Oktober 2024 erklärte er gegenüber dem Wall Street Journal: „Ich habe gesagt, ´Wladimir, wenn du um die Ukraine ringst, werde ich dir einen solch schweren Schlag schicken, wie du es dir nicht vorstellen kannst. Ich schicke den Schlag direkt ins Zentrum von Moskau.´“
Der russische Fernsehkanal Rossija 24 war sich am Dienstag nicht zu schade, einen großen Teil des Interviews zu senden, das Tucker Carlson mit Donald Trump auf einer Wahlveranstaltung führte. In diesem Interview wurde der Mischmasch von Kriegsdrohungen und „ich werde alle Kriege beenden“ auf die Spitze getrieben.
Was Trump da absonderte, war für viele seiner Sympathisanten in Russland wohl harte Kost. Der Präsidentschaftskandidat erklärte, früher habe man Kriege geführt, da habe man Beute gemacht und Öl-Quellen erobert. Das sei gut gewesen. Heute führten die USA Kriege und kämen ohne Beute nach Hause.
Noch provokativer – insbesondere für Russen – klang Trumps falsche Behauptung, er habe die Nord Stream 2 „zerstört und gestoppt“ und nicht Biden.
Schließlich warf Trump in dem Interview Biden vor, er habe die Annäherung von Russland und China zugelassen. „Biden hat sie vereinigt. Das ist eine Schande. Ich muss sie wieder trennen. Ich denke, das kann ich machen.“
„Eindeutiger Verlierer Selenskyj“
Trotz dieser bedrohlichen Trump-Äußerungen waren bei den Experten-Talkshows am Mittwoch im russischen Fernsehen viele Teilnehmer der Meinung, der ukrainische Präsident Selenskyj sei der eindeutigste Verlierer der Wahl in den USA.
Ob Trump das Engagement der USA im Ukraine-Krieg herunterfährt, war unter den Experten aber umstritten. Einige meinten, man müsse damit rechnen, dass Trump Putin zu einem Waffenstillstand in der Ukraine auffordert. Wenn diese Aufforderung vom Kreml abgelehnt wird, müsse man damit rechnen, dass die USA unter Trump die Unterstützung zugunsten der Ukraine nicht reduzieren.
Im Fernsehkanal NTW meinte ein russischer Experte, die Deals, die der Geschäftsmann Trump Russland wahrscheinlich anbieten wird, seien für Russland „unannehmbar.“
In einer Talkshow des Kanals Perwi erklärte einer der eingeladenen Experten, unter Trump werden die USA ihr Engagement in der Ukraine verringern und stattdessen im Nahen Osten militärisch stärker präsent sein. Es sei bekannt, dass die US-Republikaner noch Israel-freundlicher seien als die US-Demokraten. Diese These wurde vom Moderator der Talkshow angezweifelt: „Trump wird nicht für Netanjahu kämpfen.“
US-Establishment wird Selenskyj nicht fallen lassen
Der Experte Nikolai Starikow erklärte, das US-Establishment werde die Ukraine nicht fallen lassen. Die Führung der EU werde es schwer haben, der Bevölkerung ein stärkeres militärisches Engagement der EU-Staaten in der Ukraine zu erklären.
Ein anderer Experte meinte, die Aussichten für eine erfolgreiche Amtszeit von Trump seien nicht gut. Trump sei ein Populist. Er mache den Armen Versprechungen. Zugleich gehöre er zur Oberschicht der Millionäre und Milliardäre. „Er wird seiner Klasse keinen Schaden zufügen.“
Wie Trump die immensen Schulden der USA zurückfahren wolle, sei völlig unklar. Zölle in Höhe von 60 Prozent für Waren aus China würden die wirtschaftliche Lage in den USA verschlechtern. Unter Trump drohe den USA eine Rezession.
In einer Talkshow im Kanal NTW meinte ein Experte, es sei unsicher, ob die staatlichen Apparate und die Geheimdienste in den USA und der EU, die unter Biden auf eine Politik der Eskalation eingeschworen wurden, einem Präsidenten Trump eine Chance geben.
Meine Meinung: Die Hoffnungen, mit Trump könne der Krieg in der Ukraine beendet werden, stehen auf sehr wackeligen Füßen. Es gibt seit 2022 faktisch keine politischen Beziehungen mehr zwischen den USA und Russland. Russland zeigt den USA die kalte Schulter. Die Gefahr einer Eskalation ist nach wie vor sehr groß.
Anfang November erklärte der stellvertretende Sekretär des russischen Sicherheitsrates und frühere russische Präsident, Dmitri Medwedew, in einem Interview mit RT, wenn der nächste Präsident der USA den russisch-ukrainischen Konflikt fortführt, „wird das eine sehr schlechte Wahl, weil das der Weg in die Hölle ist. Das ist wirklich der Weg in den dritten Weltkrieg.“
Titelbild: Zhenya Voevodina / Shutterstock