Zu den Blockaden der Insel gehören auch die Verhinderung des Erwerbs von Informationstechnologie und die enormen Schwierigkeiten beim Zugang zu digitalen Dienstleistungen. Unseres Wissens nach hat die US-Regierung nur einmal öffentlich zugegeben, dass sie Kubas Zugang zum Internet boykottiert hat. Im November 2022 empfahl das Justizministerium der Federal Communications Commission die Verweigerung einer Genehmigung für den Anschluss der Insel an das Unterseekabel, das die Länder der Karibik mit dem amerikanischen Kontinent verbindet. Von Rosa Miriam Elizalde.
Das Argument war lächerlich. Es berief sich auf die angebliche Gefahr der Beziehungen Kubas zu „ausländischen Gegnern” wie China oder Russland, die die Insel als Einfallstor nutzen könnten, um sich in das US-Netz einzuhacken.
Das Arcos-1-Netz, das 32 Kilometer von Havanna entfernt verläuft und seit mehr als zwei Jahrzehnten in Betrieb ist, verbindet 24 Internet-Hotspots in 15 Ländern des Kontinents, von denen die meisten seit Langem Beziehungen zu „ausländischen Gegnern” unterhalten, die Washington „enttarnt” hat.
Niemand verbindet sich mit dem Internet, indem er magische Worte ruft. Es sind mindestens drei Voraussetzungen erforderlich: das Telekommunikationsnetz, die Computer oder elektronischen Geräte, die den Dialog mit Gleichgesinnten in der ganzen Welt ermöglichen, und eine Kultur der Nutzung dieser Technologien.
Wenn Sie auf einer Insel leben, brauchen Sie mehr als irgendwo sonst Unterseekabel, um sich mit den Netzen des Festlandes zu verbinden. Tatsächlich werden 99 Prozent des weltweiten Datenverkehrs, ob an Land oder außerhalb, über Unterwasserkabel, meist Glasfaserkabel, mit einer Gesamtlänge von mehr als einer Million Kilometern abgewickelt.
Das Internet wurde als ein Netz konzipiert, in dem Informationen auf alternativen Wegen transportiert werden, um die Dynamik des Datenflusses zu gewährleisten. Seine Entstehung geht auf die Anordnung zurück, die Präsident John Kennedy 1962 nach der sogenannten Oktober- oder Raketenkrise erließ, die die Anfälligkeit einseitiger Befehls- und Kontrollsysteme im Falle eines Atomangriffs deutlich machte. Allerdings ist die Netzredundanz heute geringer als zur Zeit der Entstehung des Internets, da fast alle Glasfaserkabel in die USA führen, wo sich das Rückgrat des Netzes befindet.
Diese unausgewogene Struktur der Kabel, aus denen das Internet besteht, bedeutet, dass jede Information, die von Lateinamerika nach Europa übertragen wird, selbst wenn sie von einem Dienst in Patagonien und von lokalen Servern gesendet wird, fast immer über das Rechenzentrum Network Access Point (NAP) of the Americas in Miami läuft. Außerdem sind die großen Glasfaserkabel, die die Ozeane überqueren, im Besitz einer Handvoll Unternehmen, die mit den Geheimdiensten verbunden sind, wie der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden aufdeckte.
Es ist also nicht Kuba, das eine lange und dokumentierte Tradition des Hackens, Spionierens und Überwachens des Internets hat.
Ein gemeinsamer Forschungsbericht, der im September 2023 von Chinas Nationalem Zentrum für die Bekämpfung von Computerviren und dem Internetsicherheitsunternehmen Qihoo 360 Technology veröffentlicht wurde, beschuldigt die Nationale Sicherheitsbehörde der USA (NSA)1, mehr als 10.000 Cyberangriffe gegen China gerichtet zu haben, bei denen 140 Gigabyte relevanter Daten gestohlen wurden.
Es ist unmöglich zu beweisen, dass Kuba eine Bedrohung für die Cybersicherheit darstellt. Wichtig ist in diesem Fall, dass das Justizministerium zum ersten Mal in einer bürokratischen Empfehlung zugibt, dass Washington den Anschluss an das Unterseekabel verhindert.
Vielleicht werden sie also eines Tages zugeben, dass zu ihren zahlreichen Blockaden der Insel auch die Verhinderung des Erwerbs von Informationstechnologie und die enormen Schwierigkeiten beim Zugang zu digitalen Dienstleistungen gehören.
Es lohnt sich, die wichtigsten Meilensteine des digitalen Krieges der USA gegen Kuba Revue passieren zu lassen, um die Abgründe dieser Geschichte zu verstehen. Während Europa und die meisten lateinamerikanischen Länder Mitte der 1980er-Jahre begannen, sich mit dem Internet zu verbinden, war Kuba mehr als ein Jahrzehnt lang einer „Routenfilter”-Politik der National Science Foundation (NCF) unterworfen, die Verbindungen von der und zur Insel auf US-Territorium blockierte.
Während der Sonderperiode ‒ der Krise, die auf den Zusammenbruch der sozialistischen Prozesse in Osteuropa Anfang der 1990er-Jahre folgte ‒ änderte sich die Situation drastisch. Die USA kalkulierten, dass die Tage des Sozialismus in Kuba gezählt waren, und entschieden sich für eine „digitale Glasnost” mit einer US-Propaganda-Pipeline, die den gewünschten Regime Change in Kuba, auf den Washington seit mehr als 60 Jahren gesetzt hatte, erleichtern sollte.
Seit 1996 ist es dank einer Verordnung, die als Torricelli Act oder „Gesetz für die kubanische Demokratie” bekannt ist, möglich, die Insel mit dem Internet zu verbinden, allerdings nur, um auf Informationsinhalte zuzugreifen. Denn die Dienste, die ein kubanischer Nutzer nutzen kann, sind streng begrenzt.
Die demokratischen wie die republikanischen Regierungen haben diese Politik beibehalten, wobei Donald Trump eine Strategie des „maximalen Drucks” anwandte, um die kubanische Wirtschaft zu ersticken. Diese wurde auch von der Regierung Joseph Bidens beibehalten. Beide Präsidenten haben Teile der kubanischen Ultrarechten in den USA bestärkt, die sich aktiv an der Gründung privater und öffentlicher Gruppen auf Facebook, der beliebtesten Plattform auf der Insel, beteiligten, um die nationale öffentliche Agenda zu manipulieren.
Es ist belegt, dass diese Gruppen die Proteste vom Juli 2021 in Kuba initiiert haben, die bisher größten Proteste in dem karibischen Land. Der US-Forscher Alan Macleod hat eine dieser Gruppen infiltriert und nachgewiesen, dass die Hauptverantwortlichen für die Unruhen in San Antonio de los Baños – der Stadt, in der die Ausschreitungen begannen – in Florida ansässig sind.
„Die Einmischung ausländischer Staatsangehöriger in die inneren Angelegenheiten Kubas hat ein Ausmaß erreicht, das sich in den USA kaum jemand vorstellen kann”, schrieb Macleod im Oktober 2021 in MintPress News.
Jeder Forscher kann genügend Beweise für die Rolle der US-Regierung in der #SOSCuba-Kampagne finden, die in den Tagen vor und während der Proteste am 11. Juli 2021 Tausende von Retweets generierte. Die Kampagne wurde von Akteuren initiiert und verstärkt, die mit Organisationen verbunden sind, welche von der US-Regierung finanziert werden.
Von Januar 2017 bis September 2021 haben mindestens 54 Gruppen, die Programme in Kuba durchführen, nachweislich Mittel vom Außenministerium, der US-Behörde für internationale Entwicklung (United States Agency for International Development, USAID) oder der Nationalen Stiftung für Demokratie (National Endowment for Democracy, NED) erhalten. Diese Programme haben eine Laufzeit von einem bis drei Jahren, und die Beträge reichen von einer halben Million bis zu 16 Millionen US-Dollar. Das Weiße Haus rühmt sich ständig seiner Bemühungen, Einzelpersonen und Organisationen ausfindig zu machen, anzuwerben, auszubilden, zu finanzieren und einzusetzen, um den politischen Wechsel innerhalb der Insel zu fördern.
Heute sind 7,5 Millionen Kubaner (mehr als 70 Prozent der Bevölkerung) mit dem Internet verbunden. Aber sie können weder Google Earth betrachten noch das Zoom-Videokonferenzsystem nutzen, keine kostenlose Microsoft-Software herunterladen, nicht bei Amazon einkaufen oder internationale Domains kaufen, die den Tourismus auf der Insel befördern könnten, um nur einige der mehr als 200 blockierten Dienste und Anwendungen zu nennen.
Wenn Internet-Provider einen Zugriff aus Kuba feststellen, agieren diese Unternehmen, ob sie nun in Kalifornien, Madrid, Paris oder Toronto sitzen, als Filter und warnen, dass der Nutzer eine Verbindung aus einem „verbotenen Land” herstellt.
Im Rahmen ihrer Politik des „Regime Change” in Kuba hat die US-Regierung in den letzten Jahren in Übereinstimmung mit der schwindelerregenden Entwicklung des neuen Kommunikationsparadigmas, der Dominanz, die sie über die globalen algorithmischen Plattformen ausübt, und der Identifizierung von Möglichkeiten und Schwächen in der kubanischen Gesellschaft während des Übergangsprozesses zur Digitalisierung den Einsatz von Techniken zur Informationsmanipulation intensiviert.
Sie hat die Zuteilung finanzieller, technologischer und personeller Ressourcen für subversive Zwecke priorisiert und Maßnahmen im regulatorischen Rahmen der Blockade ergriffen, um den Einsatz der Kommunikationskomponente im nicht konventionellen Krieg gegen Kuba zu erleichtern. Dies stärkt die für die kognitive Kriegsführung charakteristischen Instrumente entsprechend der von akademischen, militärischen und politischen Kreisen entwickelten konzeptionellen Bestimmung.
Unterdessen sind sich die kubanischen Behörden der kolossalen Herausforderung bewusst geworden, die dieses neue Szenario für die nationale Sicherheit und Verteidigung darstellt, und haben zu einer stärkeren politischen und kommunikativen Mobilisierung und einem gemeinsamen Vorgehen des Staates und des gesamten Volkes dagegen aufgerufen.
Daher ist die öffentliche Erklärung des Justizministeriums, in der klar und deutlich festgestellt wird, dass es die US-Regierung ist, die den Anschluss der Insel an das Arcos-1-Netz, das die karibischen Länder verbindet, verhindert, durchaus zu begrüßen. Vielleicht wird Washington dadurch zur Einsicht gebracht, dass es der größte Feind des kubanischen Internetzugangs war und ist.
Übersetzung: Vilma Guzmán, Amerika21.
Titelbild: Kuba ist komplett vom US-amerikanischen Arcos-1-Netz ausgeschlossen – QUELLE: J.P.LON~COMMONSWIKI – LIZENZ: CC BY-SA 3.0
Exklusiv-Interview mit Fernando González Llort: „Äußerst kritische Wirtschaftslage“
Bundesregierung: Setzen uns für Streichung Kubas von der „Terrorunterstützer“-Liste der USA ein
Die völkerrechtswidrige US-Blockade gegen Kuba und die widersprüchliche Haltung der Bundesregierung