„Mit dem Rauchen aufzuhören, ist die einfachste Sache der Welt. Ich muss es wissen, denn ich habe es schon hundertmal ausprobiert.“ So mancher Raucher wird die Weisheit dieses Mark-Twain-Zitats bestätigen können. Dabei gibt es heute mit dem „Vapen“, oft auch E-Zigarette-Dampfen genannt, durchaus einen Tabakersatz, der bei der Entwöhnung helfen kann und aus gesundheitlicher Sicht der Zigarette klar vorzuziehen ist. Paradoxerweise hat die Politik vor drei Jahren alles in ihrer Macht Stehende getan, um den Ausstieg aus der Tabaksucht durch das Vapen zu erschweren, und dabei kleinen, einheimischen Unternehmen den Todesstoß verpasst. Die Folgen sieht man heute: Der Markt für Ersatzprodukte ist fest in der Hand der großen Tabakkonzerne und chinesischer Tech-Multis – um Raucher, die aufhören wollen, geht es auch nicht mehr; stattdessen werden vor allem Jugendliche über E-Zigaretten zu süchtigen Neukunden gemacht. Eine Katastrophe. Ein Erfahrungsbericht von Jens Berger.
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2020, also vor vier Jahren, habe ich schon einmal erfolgreich mit dem Rauchen aufgehört. Das war keinesfalls selbstverständlich, da ich emotional durchaus gerne rauche, dies aber rational natürlich nicht wirklich sinnvoll finden kann. Ein Freund gab mir damals den Tipp, es doch mal mit dem „Vapen“ zu probieren. Vapes, das sind vereinfacht gesagt elektrische Geräte, die mit Aromen angereicherte und meist mit Nikotin versetzte Flüssigkeiten verdampfen. Wo der Raucher eine Mixtur toxischer Verbrennungsprodukte inhaliert, atmet der Vaper Dampf ein. Gesund ist auch dies sicher nicht, aber die Wissenschaft ist sich zumindest darin einig, dass die gesundheitliche Gefahren durch das Vapen ganz massiv geringer als die Gefahren des Rauchens sind. Man könnte also sagen, dass man eine extrem gefährliche Sucht durch eine deutlich ungefährlichere Sucht ersetzt. Und zumindest mir macht das Vapen auch Spaß und ich kann die meisten liebgewonnenen „Rauchrituale“ nun in dampfender Form beibehalten. Ich folgte damals dem Rat meines Freundes und blieb auch zwei Jahre beim Vapen, wurde dann aber leider rückfällig.
Letzte Woche startete ich den zweiten Versuch, das Rauchen über das Vapen aufzugeben und musste erstaunt feststellen, dass sich auf diesem Feld einiges getan hat. Zunächst einmal sind die kleinen Vaper-Shops in meiner Umgebung mittlerweile verschwunden. Ob die Coronamaßnahmen oder die Steuern – zu denen ich gleich noch komme – dafür verantwortlich sind, weiß ich nicht. Also kaufte ich die nötigen Zutaten im Netz ein. An dieser Stelle ist wohl eine kurze Erklärung nötig. Er gibt beim Vapen mehrere Möglichkeiten, an das Liquid, also die Flüssigkeit, die in der E-Zigarette verdampft wird, zu kommen. Man kann diese Liquids gebrauchsfähig in kleinen 10ml-Fläschchen kaufen – das ist vergleichsweise teuer, produziert jede Menge Müll und ist irgendwie nicht gerade innovativ. Daher haben vor vier Jahren, als ich meinen ersten Versuch startete, auch die meisten Vaper sich ihre Liquids selbst gemischt. Dazu benötigt man bestimmte Aromen, die es sowohl in Vaper-Shops vor Ort mit meist guter Beratung als auch online zu kaufen gibt, und eine sogenannte „Base“, das ist eine einfache Mischung aus Glycerin und Propylenglycol, die als Grundsubstanz benötigt wird – von den Inhaltsstoffen übrigens vergleichbar mit der Flüssigkeit, die in Diskotheken oder im Theater als „Bühnennebel“ verwendet wird. Wer beim Vapen den gleichen „Kick“ haben will, den Zigaretten bieten, der träufelt noch einen sogenannten „Nikotin-Shot“ in die Mischung. Das mag alles kompliziert klingen, ist es aber nicht. Zumindest mir hat das damals sehr gefallen, man ist kreativ bei der Sache und kein passiver Konsument, das Ganze ist deutlich weniger ungesund als das Rauchen von Zigaretten und nebenbei auch recht preiswert. Doch dieser letzte Punkt hat sich, wie ich letzte Woche mit Erstaunen feststellen musste, sehr deutlich geändert.
Hat die oben genannte „Base“ im Juni 2022 in den meisten Shops noch 10 Euro den Liter gekostet, gibt es sie heute nur noch in 100ml-Fläschchen, die deutlich über 30 Euro das Stück kosten. Der Preis hat sich also mehr als verdreißigfacht. Was war da passiert? Kamen Glycerin und Propylenglycol früher aus Russland und werden nun von der Ampel boykottiert, um Russland zu vernichten? Da ich meinen Augen zunächst nicht trauen wollte, machte ich das, was Journalisten so machen, wenn sie etwas nicht verstehen – ich recherchierte. Und ziemlich schnell fand ich auch den Grund für die sagenhafte Preissteigerung heraus. Im Sommer 2021 führte die damals regierende Große Koalition ein Gesetz ein, mit dem die fürs Vapen nötigen Liquids wie „herkömmliche Tabakprodukte“ besteuert werden. Der Clou dabei – die Steuer richtet sich nicht etwa am Nikotingehalt aus, sondern wird pauschal volumenbasiert auf alle Flüssigkeiten angewendet, die beim Vapen Verwendung finden. Ab dem 1. Juli 2022 betrug diese „Liquidsteuer“ 16 Cent je Milliliter Flüssigkeit, in der vierten und letzten Stufe wird sie ab dem 1. Januar 2026 32 Cent je Milliliter betragen. Die Literflasche „Base“ enthält bekanntlich 1.000 Milliliter Flüssigkeit. Das sind 320 Euro Liquidsteuer pro Flasche und darauf kommen dann on top noch mal 19 Prozent Mehrwertsteuer. Bei einem Nettoproduktpreis von 8,40 Euro (vor Einführung der Steuer) kommt man so auf einen Endpreis von 390,80 Euro. Der Steueranteil beträgt gemessen am Produktpreis irre 4.551 Prozent, die Preissteigerung durch die Steuern beträgt 3.808 Prozent. Zumindest mir ist kein anderes Produkt bekannt, dass derart extrem hoch besteuert wird.
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Ein Produkt, das nachweislich vor allem genutzt wurde, um den massiven Gesundheitsschäden durch das Rauchen zu entkommen, wurde durch eine nur noch als wahnsinnig zu bezeichnende Steuer derart verteuert, dass es sehr vielen Menschen finanziell gar nicht mehr möglich ist, das Rauchen über das Vapen aufzugeben. Bei der Tabaklobby und im Finanzministerium werden die Sektkorken sicher geknallt haben – in vielen kleinen bis mittelständischen Unternehmen, die vor Einführung der Steuer Liquids hergestellt oder vertrieben haben, ist mittlerweile das Licht ausgegangen.
Die Folgen des Gesetzes zur Einführung einer Liquidsteuer sind heute sichtbar. Zwar gibt es die klassischen Vaper natürlich immer noch. Und selbstverständlich kauft sich niemand von ihnen Glycerin und Propylenglycol für 400 Euro pro Liter. Diese Chemikalien haben viele Einsatzzwecke und sind in jeder Drogerie, im Baumarkt oder online schließlich nach wie vor für 10 Euro die Literflasche erhältlich; nur wenn sie explizit für die Mischung von Liquids für E-Zigaretten vermarktet werden, kriegen sie eine Steuerbanderole und kosten nun 400 statt 10 Euro. Dem kleinen Liquidshop ist damit nicht geholfen – er darf natürlich nur versteuerte Ware verkaufen und der Betreiber würde sich zudem strafbar machen, wenn er seinen Kunden empfiehlt, sich die Grundchemikalien doch einfach woanders zu kaufen und dann zu „zweckentfremden“. Der kleine Vaper begeht übrigens selbst eine Steuerstraftat, wenn er unversteuerte Basen zur Mischung seiner Liquids verwendet. Wer das Rauchen aufgeben will, wird so durch inhaltlich völlig kontraproduktive Gesetze in die Illegalität getrieben. Irre.
Und wem haben die Gesetze geholfen? Um das zu beantworten, reicht ein Blick in die Innenstädte. Viele der in den späten 2010-ern und frühen 2020-ern entstandenen kleinen Vaper-Läden sind wieder verschwunden. Ähnlich erging es zahlreichen Onlinehändlern und Herstellern von Aromen. Eine ganze – durch kleine, inhabergeführte Unternehmen geprägte – Branche wurde nahezu vernichtet. Dabei ist das Dampfen populärer denn je. Doch der Markt ist heute ein anderer. Heute dominieren Einweg-E-Zigaretten den Markt. Und die kommen entweder von den alten Tabakmultis (z.B. die Marke Veev von Philipp Morris oder die Marke Vuse von BAT) oder chinesischen Techriesen wie iMiracle mit Marken wie Elf Bar und anderen. Vertrieben werden diese aus umweltpolitischer Sicht nur als reine Katastrophe zu bezeichnenden Wegwerfprodukte mit Lithium-Ionen-Batterien über die gleichen Vertriebswege wie Tabakprodukte, sie sind dabei uniforme Marken, die mit großen Budgets beworben werden können; also ein Traum für die Konzerne. Von der Steuer sind diese Wegwerfprodukte übrigens kaum betroffen, enthalten sie doch nur homöopathische Dosen der besteuerten Flüssigkeiten. Bei 2ml Inhalt in einer Einweg-E-Zigarette beträgt die Steuerlast ab 2026 64 Cent, rechnet man den Mehrwertsteueranteil noch hinzu, sind es 76 Cent. Bei einem branchenüblichen Produktpreis von 10 Euro sind dies 7,6 Prozent – kein Vergleich zu den 4.551 Prozent, die der traditionelle Nutzer für die Grundbestandteile seiner selbstgemischten Liquids bezahlen muss.
Wen wundert es da, dass sich der gesamte Markt verschoben hat? Waren E-Zigaretten vor Einführung der Steuer vor allem ein Ersatzprodukt für Zigaretten und wurden vornehmlich von Rauchern zur Entwöhnung verwendet, sind sie heute ein vor allem für Jugendliche massiv beworbenes Produkt, das Nichtraucher süchtig machen soll und im schlimmsten Fall sogar als Einstiegsdroge für Zigaretten gesehen werden kann. Es ist auch kein Wunder, dass der umgesetzte Gesetzesentwurf nicht etwa aus dem Gesundheitsausschuss (der war für eine sinnvolle Besteuerung des Nikotinanteils), sondern aus dem Finanzausschuss kam. Federführend für dieses katastrophale Gesetz war übrigens niemand anderes als Olaf Scholz, damals Finanzminister. Sein Parteifreund Thorsten Albig, ehemals Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, ist heute übrigens Cheflobbyist von Philip Morris. So gesehen macht das Gesetz ja dann auch wieder durchaus Sinn – nur eben nicht für die Bevölkerung.
Ich hatte übrigens großes Glück und fand in einer Ecke meines Kellers noch Base im heutigen Gegenwert von 400 Euro, für die ich damals etwas mehr als 10 Euro bezahlt hatte. Und da sage noch mal wer, es lohne sich nicht, ein Messie zu sein. Künftig werde ich dann wahrscheinlich zu einem Steuerstraftäter – Hauptsache, es klappt nun, beim einhunderterstenmal, endgültig mit dem Rauchen aufzuhören.
p.s.: Dieser Artikel soll in keiner Form Werbung fürs Vapen sein. Am gesündesten und preiswertesten ist es natürlich, weder zu Rauchen noch zu Dampfen. Nur ist das halt leichter gesagt als getan. Und bei aller Aufregung sollte man auch nicht vergessen, dass andere – gesundheitlich sicher auch nicht gerade positiv zu bewertende – Formen der Sucht gesellschaftlich akzeptiert und kaum hinterfragt sind. Dazu zählen Alkohol, Kaffee und Tee, Zucker und viele, viele andere Dinge, die uns das Leben bei sinnvoller Nutzung angenehmer machen. Generell sollte man sich bei diesen Fragen wohl am besten am alten Paracelsus orientieren: Dosis sola facit venenum – nur die Dosis macht das Gift.
Titelbild: PavelKant/shutterstock.com