In der US-amerikanischen Tragikomödie Der Rosenkrieg von Danny DeVito aus dem Jahr 1989 wird der Zuschauer Zeuge eines schrill eskalierenden Scheidungskonflikts des Ehepaares Oliver und Barbara Rose – gespielt von Michael Douglas und Kathleen Turner in den Hauptrollen. Letztere will die Scheidung, doch eine Einigung bezüglich des gemeinsamen Hauses will partout nicht glücken. Stattdessen setzen beide Antagonisten alles daran, sich gegenseitig das Leben nach allen Regeln bitterböser Heimtücke zu versauen. Dabei schrecken sie nicht vor der Zerstörung von Einrichtungen zurück, bis eine absurde Verfolgungsjagd im Treppenhaus mit dem Absturz des Kronleuchters tödlich endet. Die letzten Filmszenen zeigen das Paar sterbend in der Eingangshalle ihres Hauses. Noch im Moment des Todes stößt Barbara die ausgestreckte Hand ihres Ehemanns weg. Besetzte man die Hauptrollen mit dem amtierenden philippinischen Präsidenten und seiner Vizepräsidentin und verzichtete (vorerst!?) auf das tödliche Ende, gewönne man einen Einblick in die Hassliebe der beiden höchsten Repräsentanten der Republik der Philippinen, die im Sommer 2022 in trauter Einheit an die Macht gelangt waren. Randnotizen zu einem Politthriller vom – je nach Sicht der Lage – (Un-)Feinsten von Rainer Werning.
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UnityTeam – das war einmal
Während des letzten Präsidentschaftswahlkampfes in dem südostasiatischen Inselstaat im Frühjahr 2022 bildeten Ferdinand Marcos Jr., der Sohn von Ex-Präsident und Diktator Ferdinand Marcos Sr. (1965-1986), und Sara Duterte, die Tochter des aus dem Amt scheidenden Präsidenten Rodrigo Duterte (2016-2022), ein nachgerade kongeniales politisches Tandem, das auf Sieg geeicht war. Beide waren unter dem Banner eines Einheitsteams (UnityTeam oder auch kurz UniTeam) ins Rennen gestartet und vermochten gemeinsam einen haushohen Sieg über die damals von Leni Robredo geführte Opposition einzufahren. Zwar entstammten beide Kandidaten unterschiedlichen politischen Parteien, doch tunlichst geeint waren sie im Sinne einer auf Gegenseitigkeit basierenden Familienfreundschaft.
Diese Freundschaft ging so weit, dass der traditionell mächtige Familienclan der Marcoses dem wirtschaftlich weniger potenten Clan der aus der südlichen Stadt Davao City stammenden Dutertes finanziell unter die Arme gegriffen hatte und so den Wahlsieg von Rodrigo Duterte im Jahr 2016 ermöglichte – was den frisch gebackenen Präsidenten Duterte im Gegenzug dazu veranlasste, dem Leichnam des 1989 im Hawaiier Exil verstorbenen Marcos Sr. eine würdevolle letzte Ruhestätte zu verschaffen. Bis zum Herbst 2016 waren die sterblichen Überreste des Ex-Diktators in einem Mausoleum in dessen Geburtsort Batac im hohen Norden von Manila aufbewahrt. Der neue Präsident war gerade mal wenige Wochen im Amt, als er am 18. November 2016 der Luftwaffe und dem Militär die Order gab, Marcos‘ Leichnam in einer buchstäblichen Nacht-und-Nebel-Aktion auf dem Libingan ng mga Bayani (Heldenfriedhof von Manila) zu bestatten. Dutertes Vorgänger hatten sich allesamt geweigert, dem einstigen Despoten eine solche Ehre zuteilwerden zu lassen. Die spektakuläre Überführung von Batac nach Manila garantierte eine geräuschlose Kulisse jenseits wütender Proteste oder Störmanöver und medialer Aufmerksamkeit. Nur der engste Marcos-Familienkreis war eingeweiht.
Zumindest bis zum Herbst 2023 schien alles darauf hinzudeuten, dass das Marcos-Duterte-Tandem alles in seinen Kräften Stehende in Bewegung setzt, um nach Ablauf der sechsjährigen Amtszeit des Präsidenten (laut Verfassung ist dessen Wiederwahl nicht möglich) im Jahre 2028 die reibungslose Inthronisierung von Sara Duterte als neuer Staatschefin zu garantieren.
Erste Ungereimtheiten & Vorwürfe zuhauf
Doch die Dinge nahmen eine unverhoffte Wende, als die Vizepräsidentin und Duterte-Tochter im letzten Quartal 2023 unter Beschuss geriet, öffentliche Gelder veruntreut und maßlose Summen für den Unterhalt ihres Büros sowie vertrauliche Gelder für die eigene Sicherheit verlangt zu haben. Im Rahmen von Budgetdebatten stellte sich u.a. heraus, dass Duterte allein Ende des Jahres 2022 in nur elf Tagen 125 Millionen Peso (umgerechnet etwa zwei Millionen Euro) ausgegeben hatte, ohne deren Verwendung sach- und fachgerecht auszuweisen. In der Rechnungsprüfungskommission (Commission on Audit, COA) schrillten daraufhin die Alarmglocken, und Fragen bezüglich von Transparenz und Rechenschaftspflicht der zweithöchsten Staatsrepräsentantin wurden laut.
Während die Vizepräsidentin politische Intrigen im Spiel wähnte, ging ihr Vater so weit, Marcos Jr. wiederholt als „verzogenen Sohn“, „Taugenichts“ und „Kokser“ abzustempeln, und erwog zum Jahresbeginn 2024 sogar, sich für „die Sezession der Hauptinsel Mindanao“ stark zu machen. Als Sara Duterte sodann auch noch zunehmend unter Beschuss geriet, in ihrer gleichzeitigen Eigenschaft als Bildungsministerin ebenfalls in finanzielle Anomalien während ihrer Amtszeit verstrickt gewesen zu sein, brachte das das Fass zum Überlaufen.
Im Juni erklärte Duterte plötzlich ihren Rücktritt als Bildungsministerin und schied somit aus dem Kabinett aus. Diese Entscheidung erregte zusätzliches Aufsehen und verstärkte den Eindruck, dass sie sich vor der Verantwortung für verpfuschte Lieferungen von Computern und Schulbüchern, abgestandener Milch und verschimmeltem Brot für arme Schüler drückt. Tremoloartig beteuerte sie, Opfer politischer Machinationen zu sein, und verbat sich jedwede Kritik an ihrer Person und ihrer Amtsführung.
Anfang August war schließlich im Unterhaus des philippinischen Kongresses die Bildung eines sogenannten „Quad Committee“ (kurz Quad Comm) beschlossen worden, in dem vier Ausschüsse des Repräsentantenhauses zu einem Gesamtpanel zusammengeführt wurden – der Ausschuss für gefährliche Drogen, der Ausschuss für Menschenrechte, der Ausschuss für öffentliche Finanzen sowie der Ausschuss für öffentliche Ordnung und Sicherheit. Kernanliegen dieses Quad Comm ist es, „kriminelle Organisationen aufzuspüren, die im Lande operieren, wobei Drogengelder benutzt werden, um Regierungsbeamte zu bestechen, in den Besitz gefälschter und falscher Dokumente zu gelangen, um sich als Filipinos auszugeben, damit sie in der Lage sind, Eigentum oder Grund und Boden im Lande zu erwerben.“ Mit „kriminellen Organisationen“ sind vorrangig Philippinische Online-Glücksspielbetreiber (POGO) gemeint, die während der Duterte-Präsidentschaft wie Pilze nach einem warmen Regenguss aus dem Boden sprossen und als chinesische Syndikate mitverantwortlich für illegalen Drogenhandel und außergerichtliche Tötungen im Land gelten.
Ein Ex-Präsident am Pranger
Was Letztere, außergerichtliche Tötungen, betrifft, schlug als wahre Bombe die Aussage von Dutertes angeblich früherer Geliebten ein. Royina Garma, eine pensionierte Polizistin im Range eines Oberstleutnants, enthüllte am 11. Oktober vor dem Quad Comm unter Eid die gesamte „Architektur des Massenmords“ im Rahmen des „Antidrogenfeldzugs“ während der Amtszeit von Präsident Rodrigo Duterte. Wörtlich gab die Ex-Polizistin zu Protokoll:
„Das Davao-Modell (im südlichen Davao City fungierte Duterte langjährig als Bürgermeister – RW) beinhaltet drei Stufen von Zahlungen oder Belohnungen. Die erste ist die Belohnung, wenn der Verdächtige getötet wird. Die zweite ist die Finanzierung der geplanten Operationen. Drittens die Rückerstattung der operativen Kosten.“
Die Summe solcher „Belohnungen“ pro getötete Person soll sich zwischen 20.000 und eine Million Peso (zirka 300 beziehungsweise 15.000 Euro) bewegt haben – je nach „Bedeutung“ des Opfers. Mit dieser Aussage wurde nicht nur der ehemalige Präsident beschuldigt, sondern gleichzeitig auch dessen engste Gefolgsleute wie die amtierenden Senatoren Christopher Go und Ronald dela Rosa, der überdies als erster Polizeichef unter Duterte gedient hatte. Gegen Duterte wird seitens des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit seinem blutigen „Krieg gegen Drogen” ermittelt. Offizielle Angaben der Regierung gehen von mehr als 6.000 Toten aus, nationale wie internationale Menschenrechtsorganisationen sprechen indes von bis zu 30.000 Toten! Wenngleich Präsident Marcos Jr. bis heute erklärt, sich der Untersuchung des IStGH nicht anzuschließen, ist es durchaus möglich, dass er seine Haltung ändert, wenn dies aus politischem Kalkül opportun erscheint.
„Duterte-Anhänger haben sich oft mit der Popularität ihres Idols als ultimative Rechtfertigung für ihren Fanatismus gebrüstet. Doch da die Popularität der berüchtigten Dynastie auf dem absteigenden Ast ist, bleibt uns nichts anderes übrig als das katastrophale Erbe der früheren Regierung“,
schrieb der Kolumnist Richard Heydarian am 15. Oktober in der in Manila erscheinenden Tageszeitung The Philippine Daily Inquirer. Und er fügte hinzu:
„Um die Dinge ins rechte Licht zu rücken, hat Duterte in seinen ersten vier Amtsjahren mehr mutmaßliche außergerichtliche Tötungen beaufsichtigt als in den fast zwei Jahrzehnten der Diktatur unter Ferdinand Marcos Sr. Und im Gegensatz zu allen seinen Zeitgenossen hat Duterte einen unverschämten Kotau vor China gemacht, was unsere ausschließliche Wirtschaftszone in der Westphilippinischen See kolonisiert hat.“ (Übersetzung: RW)
Wachsende Spannungen & rüder Rundumschlag
Doch auch das Gebaren der Vizepräsidentin und ehemaligen Bildungsministerin geriet in den Fokus des Quad Comm. Die Ausschussmitglieder für öffentliche Finanzen luden Sara Duterte zu Hearings ein, was diese zwar befolgte, doch bei der Gelegenheit zog sie sämtliche Register, um – milde formuliert – deren Legitimität anzuzweifeln. Sie betrachtete es als unterhalb ihrer Würde, einem solchen Gremium überhaupt Rede und Antwort stehen zu sollen – was neuerliche Kritiken schürte, die Frau wähne sich jenseits von Gesetz und verantwortungsbewusster Amtsführung.
In einer in ihrem Büro am 18. Oktober abgehaltenen Pressekonferenz ging die Vizepräsidentin sodann zum Frontalangriff gegen ihre Gegner und erst recht gegen den Präsidenten über. Zwei lange Stunden polterte sie vor einer großen Schar anwesender Medienleute gegen Marcos Jr. in einer Weise, die bis dato einmalig in der Geschichte des Landes hervorsticht.
Duterte erklärte, das Land befinde sich auf einem „Weg in die Hölle”, Marcos‘ Regierung fehle eine klare Politik, um die Inflation zu bekämpfen und die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten. Nach peinlichen gemeinsamen Auftritten hätte sie das Gefühl beschlichen, Marcos „einfach den Kopf abzuschneiden” – eine Äußerung, die sie mit entsprechender Geste wiederholte.
Während des zweistündigen Gesprächs mit den Medien beschuldigte die Vizepräsidentin den Präsidenten, sie provoziert zu haben, um ausführlich über ihren Streit zu sprechen, als dieser eine Woche zuvor in einem Interview erklärt hatte, er sei in dem Glauben „getäuscht” worden, noch immer mit der Vizepräsidentin „befreundet” zu sein. Bereits während des Wahlkampfs im Frühjahr 2022, so Duterte, habe sie bei Marcos Visionen und eine klare politische Linie vermisst:
„Es tut mir leid, aber als ich damals dort saß, habe ich ihm nicht zugehört. Alles, was ich hörte, war immer nur: ‚Gemeinsam werden wir aufstehen und es schaffen‘“.
Aufs Neue insistierte die Vizepräsidentin darauf, man habe sich in dem von Marcos-Verbündeten dominierten Repräsentantenhaus gegen sie verschworen, ohne allerdings auch nur ansatzweise auf gegen sie erhobene Vorwürfe einzugehen. Fortan, so Duterte, werde der Slogan ihres Büros „Drag me to hell” („Schleift mich zur Hölle“) lauten.
Für Furore sorgte Frau Duterte letztlich mit der Bemerkung, sie habe Senatorin Imee Marcos, die Schwester des Präsidenten, eindringlich gewarnt, sie werde die „sterblichen Überreste ihres Vaters exhumieren und ins Westphilippinische Meer werfen“, sollten die laufenden Kritiken gegen sie (Duterte) „nicht aufhören”.
In seinem mit „Die gefährliche Rhetorik von Vizepräsidentin Sara“ betitelten Beitrag für den Philippine Daily Inquirer schrieb der Journalist Jake J. Maderazo am 22. Oktober:
„Diese Rhetorik ist abscheulich. Sie ruft zu Gewalt auf und zeigt einen alarmierenden Mangel an Respekt vor der Geschichte und den Menschen, die sie geprägt haben – unabhängig davon, wie man zu ihrem Erbe steht. Der Verweis auf Gewalttaten und die Missachtung von Verstorbenen untergräbt das moralische Gefüge unserer Regierung. Wenn führende Persönlichkeiten in ihrer Sprache in solche Abgründe der Barbarei hinabsinken, müssen wir ihr Temperament und ihre Eignung für das Amt ernsthaft in Frage stellen.”
Und er fuhr fort:
„Die Äußerungen von Vizepräsidentin Sara Duterte sind besonders besorgniserregend, wenn man bedenkt, dass sie die nächste Führungspersönlichkeit des Landes sein möchte. Während sie Präsident Marcos dafür kritisiert, dass er es angeblich versäumt hat, uns zu führen, muss sie sich gleichzeitig selbst einer Prüfung unterziehen – insbesondere im Hinblick darauf, wie sie ihre Verantwortung und die ihr zur Verfügung stehenden Mittel verwaltet. Trotz ihrer großen Machtfülle hat sie sich bemerkenswert zurückgehalten, wenn es darum ging, was während ihrer Amtszeit mit öffentlichen Geldern geschehen ist. In einem Klima, in dem Transparenz oberstes Gebot ist, wirft ihre Weigerung, über die Ausgaben der Regierung Rechenschaft abzulegen, mehr Fragen auf als sie beantwortet.” (Übersetzung: RW)
All diese Entwicklungen geschehen im Kontext eines bedeutsamen politischen Ereignisses. Im Mai kommenden Jahres finden in den Philippinen Halbzeitwahlen statt. Und bereits jetzt scharren die mächtigsten politischen Dynastien und potentesten Familienclans auf den Inseln mit den Hufen, um Pfründe und Posten abzustecken und untereinander aufzuteilen. Als sei nichts geschehen und als könne man ihm nichts anhaben, hat auch Ex-Präsident Rodrigo Duterte seinen Hut in den Ring geworfen. Am 7. Oktober ließ er sich bei der staatlichen Wahlkommission (Comelec) als Kandidat für das Amt des Bürgermeisters in seiner Heimatstadt Davao City registrieren.
Ein höchst ungewöhnliches Politikgebaren, das allemal das Zeug hat, für weitere Überraschungen zu sorgen.
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